Insider-Tipp | |
Highlights | |
Best of... | |
Schöne Aussicht | |
Grün & fair: Für ökologische oder faire Aspekte | |
(*) | Kostenpflichtige Telefonnummer |
€ € € | über 150 Euro |
€ € | 100–150 Euro |
€ | bis 100 Euro |
€ € € | über 15 Euro |
€ € | 8–15 Euro |
€ | bis 8 Euro |
zu den Erlebnistouren zeigt, wo’s langgeht: inklusive Tourenverlauf und Offline-Karte
© Getty Images/Blend Images: A. Rubtsov
Schnell die wichtigsten Infos auf dem Smartphone: Events, News, neue Insider-Tipps und ggf. aktualisierte Erlebnistouren als PDF zum Downloaden
http://go.marcopolo.de/stp
© Getty Images/Taxi: T. Moore
© V. Janicke
Mehr als ein Kunstmuseum: Der prächtige Winterpalast stiehlt Bildern und Skulpturen oft die Schau (Foto) zur Karte
Eine Kirche wie ein Berg. Der Aufstieg belohnt mit dem besten Ausblick über die Altstadt zur Karte
Zar Peter der Große macht am Senatsplatz für Russland einen mächtigen Sprung nach vorne zur Karte
Diese Zwiebelturmkirche ist ein wunderbarer Farbtupfer im Petersburger Stadtbild zur Karte
Petersburgs schönste Bauten liegen am Prachtboulevard, aufgefädelt wie Perlen an einer Schnur zur Karte
Hier begründete Peter der Große seine Stadt, hier liegt er begraben – wie alle Zaren nach ihm zur Karte (siehe auch »)
Steht man auf dieser Landspitze, breitet sich das historische Zentrum in einem weiten Ring aus zur Karte
Das „russische Versailles“ verzaubert mit Fontänen, einem überreichen, barocken Palast und einem Park am Meer
Ein verloren gegangenes Weltwunder ist auferstanden – im Katharinenpalast von Zarskoje Selo, dem schönsten Zarenschloss von Petersburg (Foto)
Wenn ein Kaufhaus stolze 250 Jahre alt ist, darf es auch aus der Art schlagen: Der zweistöckige Arkadenbau zieht sich 1 km lang im Karree durch Petersburgs Zentrum zur Karte
In den Filialen der Kaiserlichen Porzellanfabrik können Sie Tischgedecke kaufen, mit denen schon die Zaren ihre adeligen Gäste beeindruckten zur Karte
Ein riesiger Altbaukomplex bietet Freiraum für kreative Köpfe und Köche: der coolste Szenetreff der Stadt! zur Karte
Erhaben klassische Innenarchitektur: Der große Saal ist einer der schönsten Konzertsäle der Welt zur Karte (siehe auch »)
Oper und Ballett auf höchstem Niveau – dank des Neubaus nun auf gleich zwei Bühnen zur Karte
Genau das, was in den großen Museen der Stadt zu kurz kommt: moderne russische Kunst
© Getty Images/Blend Images: A. Rubtsov
Von allen Insider-Tipps finden Sie hier die 15 besten
© Look/age fotostock
Das Warten am Einlass zur Eremitage (Foto) kann man umgehen: Tickets zum „Ausländer-Preis“ gibt’s auch am Automaten
Das Solaris Lab erinnert an ein UFO, das auf einem Altstadthaus notgelandet ist. Dabei ist es doch nur ein gut verstecktes, kreativ gemachtes Café mit toller Aussicht
Ein Rondell wie aus einem Guss: Am Österreichischen Platz zeigt sich Petersburg ganz im Kleid des Jugendstils
Weshalb sollte man sich in ein reichlich abgelegenes Industriegebiet durcharbeiten? Ja, wegen der Kultur! Das Street Art Museum in einer alten Plastikfabrik ist frech, flexibel und farbenfroh
Die Kneipe Tolsty Frajer verwandelt Sowjetagitation in ironisch gebrochene, fröhliche Gemütlichkeit – bei absolut fairen Preisen
Russischer Leinenstoff taugt für mehr als Folklorehemden – man kann darauf auch essen und schlafen! Die Läden von Russki Ljon sind auf das Ökomaterial spezialisiert
Längst nicht so berühmt wie das Bernsteinzimmer, aber ebenfalls weltweit einmalig – und vor allem ein Original, keine Nachbildung: das Glasperlenkabinett in Oranienbaum
Der Konzertsaal des Mariinski-Theaters verwöhnt die Zuhörer mit Superakustik
Hier, im stillen Stadtteil Kolomna, ist es, das Herz des „Venedigs des Nordens“: Steht man auf der Pikalow-Brücke, kann man rundum sieben weitere Brücken über Petersburgs Kanäle zählen
Historische Aura herrscht im Hotel Stschastlivy Puschkin. In Sachen Freiraum toppt Zimmer 4 namens Maria Alexejewna für wenig Geld so manche Luxussuite – und bietet dazu noch freien Newa-Blick
Von wegen „Berühren verboten“! Bei den U-Space genannten Installationen im privat getragenen Kunstmuseum Erarta gilt: Betreten erwünscht! Und man darf sogar die Tür hinter sich zumachen – und ein Viertelstündchen ungestört sinnieren
Ein Multimilliardär stiftete Petersburg das hochnoble Fabergé-Museum voller atemberaubender Juwelierkunst
Der Schlosspark von Pawlowsk verzaubert mit seiner perfekten Landschaftsarchitektur vor allem im Herbst (Foto)
Ausgestopfte Tiere sind das eine, aber fast perfekt erhaltene Mammutmumien aus einer längst vergangenen Zeit gibt es nur hier, im Zoologischen Museum
Dem multifunktionalen Szenetreff Loft Projekt Etashi kann man aufs Dach steigen und mit tollem Rundumblick auf dem Kunstrasen faulenzen, feiern, meditieren – so lange es Spaß macht!
© Laif: M. Galli
Neues entdecken und den Geldbeutel schonen
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Wie leicht wäre es, hier Kassenhäuschen aufzustellen: Nur zwei Zugänge führen in die Peter-Paul-Festung. Doch der Eintritt in die Keimzelle der Stadt auf der Insel gegenüber der Eremitage ist frei
Sie sind zufällig am ersten Donnerstag des Monats in Petersburg? Dann dürfen Sie kostenlos in die Eremitage und deren Filialen
Die Metrostationen zwischen Awtowo und Ploschtschad Wosstanija sind ein Architekturmuseum der frühen 1950er-Jahre, für das Sie keinen Eintritt zahlen müssen – Sie brauchen nur eine Metromünze
Wie sich Russlands Herrscher gefühlt haben? Probieren Sie’s aus, beim Schlendern durch den wunderbaren Katharinenpark in Zarskoje Selo (Puschkin). Abends ist der Park frei zugänglich
Auf der Strelka tut sich an Sommerwochenenden Erstaunliches: Tanz-Fans bauen abends Musikanlagen und DJ-Pulte auf – und dann tanzen alle, die Zeit, Lust und Laune haben, zu Popklassikern oder Tangomusik
Ein Jugendstilgebäude von innen besichtigen – das geht nicht nur in Museumsbauten: Der Witebsker Bahnhof ist original 1904 und bietet neben stilvoller Innenarchitektur auch noch Dampflokaura
Der schöne Sommergarten des Russischen Museums ist – mit seinen 90 klassischen Skulpturen – eigentlich selbst ein Museum. Trotz eines Kassenhäuschens am Eingang ist Russlands ältester Park kostenlos zugänglich
Das erleben Sie nur hier
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Sie müssen kein Kunstkenner sein, um sich in die prachtvollen Säle der Eremitage, ihre theatralischen Treppen, das edle Parkett, den Stuck und die Wand- und Deckenmalereien zu vergucken – ein Gesamtkunstwerk!
Nutzen Sie das mitternächtliche Pastelllicht des Sommers für einen Spaziergang an der Newa, entlang des Universitäts-Kais im Bereich der Sphinxen an der Kunstakademie. Dann leuchten die Fenster der Paläste am Ufer gegenüber orange im Abendrot, der Himmel darüber ist tief ultramarin
Auch ohne Grachten und Gondeln: Petersburg wirkt vom Wasser aus am schönsten. Kleinere Rundfahrtboote tuckern mit Ihnen auch über die schmalen Wasserläufe, da, wo Petersburg am romantischsten ist
Im noblen Grand Hotel Europe abzusteigen, das hatte schon vor über hundert Jahren Stil – und seinen Preis. Wer einmal hineinschnuppern will, gönne sich einen Kaffee oder Drink in der Lobby-Bar
Die Hinterhäuser des Art-Centers Puschkinskaja 10 stehen für eine Entdeckungsreise durch Galerien und Ateliers der nonkonformen Kunstszene offen. Lassen Sie sich überraschen!
Zuckersüße Nostalgie: Im Stehcafé Pyschetschnaja gibt’s sowjetische Donuts, Kaffee vom Fass – und sonst nichts, das aber in dieser typischen Imbissbude schon seit Jahrzehnten!
Wenn es Nacht wird, dann werden im Venedig des Nordens nicht die Bürgersteige, sondern die Brücken – für vorbeifahrende Schiffe – hochgeklappt. Pilgern Sie in einer der Weißen Nächte zur Schlossbrücke, denn dort erwartet Sie das typischste aller Petersburg-Motive
Aktivitäten, die Laune machen
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Das Russische Museum bietet viel Kunst im Riesenformat: Versuchen Sie mal, auf Repins „Feierlicher Staatsratssitzung“ die 60 Porträtierten zu identifizieren
290 Läden! Ein Konsumangebot, das andernorts ganze Innenstädte füllen würde, haben Sie in der Mall Galereja unter einem Dach
Bei fiesem Wetter ist ein Saunabesuch gerade richtig. Und wenn es sich dabei um eine Luxus-Therme wie die im Solo Sokos Hotel Palace Bridge handelt, ist Erholung garantiert
Nein, Sie müssen auch bei Regen auf einen Frischluftspaziergang samt Schaufensterbummel nicht verzichten – dem zweistöckigen Laubengang rund ums historische Kaufhaus Gostiny Dwor sei Dank
Alt-Petersburg ist im Modelleisenbahn-Maßstab wieder auferstanden, samt Jahreszeiten, Schiffsverkehr und höfischen Festivitäten: Im Petrowskaja Aquatoria sind nicht nur Kinder völlig fasziniert
Im interaktiv angereicherten Museum für Stadtgeschichte in der Festung dürfen Sie in Schränke und Schubladen schauen, in Fernsprechermuscheln lauschen – und überall Spannendes entdecken
Erst ein Kännchen Tee und eine Partie Backgammon auf dem Sofa, dann leckere pelmeni und ein Glas Wein – im wohnlichen Kellerrestaurant Idiot lässt sich leicht ein halber Tag verbummeln
Durchatmen, genießen und verwöhnen lassen
Diese Punkte zeichnen in den folgenden Kapiteln die Best-of-Hinweise aus
Der Strand an der Peter-Paul-Festung ist nicht nur ein herrlich warmes Fleckchen Erde im Sommer, Sie können beim legeren Sonnenbad auch noch einen traumhaften Blick auf Petersburgs schönste Postkartenansicht genießen
Sie haben Karten für das ehrwürdige Mariinski-Theater ergattert? Freuen Sie sich auf Musik und Bühnenkunst vom Feinsten. Und schalten Sie bitte Handy und innere Unruhe vor Vorstellungsbeginn ab!
Das schicke Restaurantschiff Volga-Volga dampft – jedenfalls in den Sommermonaten – in aller Ruhe die Newa hinauf und hinab, und zum sich wandelnden Stadtpanorama wird feine Küche mit Meeresfrüchten serviert
Plattfußfrei die Stadt erschließen: Lehnen Sie sich auf dem offenen Oberdeck der Citytour-Busse zurück und lauschen Sie der deutschsprachigen Audioguide-Führung
Nichts entspannt besser, als bei einer lauen Brise an eine Kiefer gelehnt aufs Meer zu schauen: Fahren Sie – am besten werktags – hinaus zu den Stränden von Solnetschnoje oder Repino
Im Garten von Neu-Holland vagabundieren Sessel auf der zentralen Wiese: Man schnappe sich einen, rücke ihn in die Sonne – oder in den Schatten – und gut ist!
Ein Konzert bei Speis und Trank? In der Staatlichen Jazz-Philharmonie können Sie sich während der Auftritte an Ihrem Tisch bewirten lassen
Entdecken Sie St. Petersburg!
© Schapowalow/SIME: A. Petrosjan
An der weiten Mündung der Newa in die Ostsee trifft die sprichwörtliche russische Weite auf Europas Städtekultur: Das Ergebnis ist einmalig und heißt St. Petersburg, eine Metropole, die in ihrer nur 315 Jahre kurzen Geschichte enorme Höhenflüge und katastrophale Krisen durchmachte. Und doch kam sie immer wieder fest auf dem sumpfigen Boden zu stehen, auf dem sie nach dem Willen Peters des Großen errichtet worden war. Vor allem das 20. Jh. war für die letzte Hauptstadt des Zarenreichs eine harte Prüfung – zweimal stand sie am Rande des Untergangs. Jetzt, im 21. Jh., startet das einstige Leningrad wieder durch: Mit einem reichen Erbe an Kultur, Kunst und Architektur gesegnet, boomt und blüht St. Petersburg wieder.
Die Metropole an der Newa hat etwas von einer Fata Morgana, nicht nur im unwirklichen Pastelllicht der berühmten Weißen Nächte. Steht man auf der Troizki-Brücke, hoch über der weiten Wasserfläche des Flusses, so scheint die Stadt zu schwimmen. Horizontale Linien prägen das Bild – der Wasserspiegel, die Ufermauern, die einheitlich hohen Prachtbauten entlang der Kais. Und Brücken, die so flach sind, dass man sie nächtens aufklappen muss, um Schiffe passieren zu lassen. Vertikal stehen nur zwei goldene Nadeln: Wie Blitze zucken die spitzen Türme von Peter-Paul-Kathedrale und Admiralität in den Himmel. Wasser, viel Wasser – und Eis im Winter – bilden das Zentrum der fünftgrößten Stadt Europas. Und dies in jenem Staat, der die größte Landmasse der Erde besitzt. Doch von diesen Ufern aus wurde Russland zwei Jahrhunderte lang beherrscht. Hier floss sein Reichtum zusammen und schlug sich in Form atemberaubender Kunstschätze und Baudenkmäler nieder. Deshalb ist St. Petersburg mit seiner Vielzahl an Museen und Palästen heute „Russlands Kulturhauptstadt“, jünger zwar als New York, aber dennoch in erster Linie eine historische Metropole. Nach allen Gesetzen der Wahrscheinlichkeit dürfte es diese Stadt allerdings gar nicht geben: Nirgendwo auf der Welt findet sich eine so weit nördlich gelegene Millionenstadt – und hier erdulden gleich 5 Mio. Menschen die langen, dunklen Winter. Auch der Boden, auf dem exakt am 16. Mai 1703 zunächst die Festung „Sankt Piter-Burch“ gegründet wurde, war dafür denkbar ungeeignet: ein sumpfiges Eiland in einem Flussdelta ohne Weg und Steg. Bei steifem Westwind herrschte gleich Land unter.
Und schließlich: Alle anderen europäischen Metropolen haben gewachsene Strukturen. Der Bau von St. Petersburg hingegen war die fixe Idee eines ebenso skrupellosen wie fortschrittlichen Diktators. Zar Peter der Große verheizte dafür Abertausende seiner Untertanen – um diesen öden Außenposten seines Reichs schließlich auch noch an Stelle des „ewigen Moskaus“ zur Hauptstadt zu erklären! Doch Peters phantastische Idee war alles andere als ein Luftschloss: Entgegen allen Unkenrufen und Prophezeiungen, diese irreale, unrussische Stadt würde eines schrecklichen Tages von den Wassermassen wieder in die Ostsee gespült, gedieh St. Petersburg unter seinen Nachfolgern zu einer würdigen Reichszentrale.
Besonders für die Zeit Katharinas II., der zweiten „Großen“ auf dem Zarenthron, gilt: Die besten Baumeister und Städteplaner Europas durften hier nun Kathedralen, Paläste, Plätze und Prospekte (breite, schnurgerade Hauptstraßen) nach dem letzten Stand der Architektur und Ingenieurskunst gestalten. Barock, Klassizismus und schließlich Jugendstil prägten das Stadtbild. Für hochkarätige Autoren (Puschkin, Dostojewski, Gogol) und Komponisten (Tschaikowski, Mussorgski, Rimski-Korsakow) war dies der Boden, um nicht minder dauerhafte geistige Werke zu schaffen. Gegen die Welle der Revolutionen, die 1917 das Zarenregime hinwegfegten, halfen aber auch die soliden Granitufermauern der Newa nichts. Petrograd (wie die Stadt seit Kriegsbeginn 1914 hieß) wurde die Hauptstadtwürde entzogen. Hunger, Seuchen und Terror dezimierten die Bevölkerungszahl bis 1921 um 70 Prozent auf 700 000. Russlands „Fenster nach Europa“ war nun mit Wellblech vernagelt – und einzig als „Wiege der Oktoberrevolution“ und „Laboratorium der Avantgarde“ fiel noch dürftiger roter Ruhm auf Leningrad (wie die Stadt dann ab 1924 hieß). Nur zwanzig Jahre später schlug das Schicksal noch schrecklicher zu: Im Zweiten Weltkrieg wurde Leningrad von der deutschen Wehrmacht eingekesselt, beschossen und ausgehungert. Hitler wollte die Stadt vernichten, nicht erobern. 870 Tage dauerte die Blockade. Von den 3 Mio. Einwohnern, die Leningrad vor dem Krieg hatte, waren am Ende noch 600 000 übrig, 1 Mio. Menschen waren umgekommen – zumeist verhungert und erfroren.
Die einst von Adel und Bourgeoisie geprägte Stadt wurde neu besiedelt, mit braven sowjetischen Werktätigen. Und erstaunlich, obwohl die alten Petersburger durch die schrecklichen Ereignisse faktisch ausgerottet waren, hat der Geist der Stadt diese Leute ebenfalls in ihren Bann gezogen, spätestens in der zweiten Generation: „Leningrader“ galt bald schon als Synonym für gebildete, kultivierte und kulturinteressierte Menschen, die die vielen Theater und Museen ihrer Stadt nicht nur von außen kennen. Das Streben nach Macht, Geld und Ruhm ist bis heute mehr Sache der hektischen Moskauer – behauptet man zumindest in St. Petersburg ... Die Degradierung von der Hauptstadt zur Provinzmetropole erwies sich nachträglich als Segen. Das solide gefertigte Alt-Petersburg überdauerte, nur bedeckt von einem dicken Grauschleier, wie in einer Zeitkapsel die Sowjetära. Weder stalinistischer Zuckerbäckerpomp à la Moskau noch Nachkriegsbetonsünden wie in Westeuropa verunstalten das alte Stadtbild. Und für die zwischen Magdeburg und Magadan überall gleich aussehenden Plattenbaueinöden gab es genug Platz am Stadtrand. Die Unesco erhob deshalb die ganze, bis heute dicht besiedelte historische Innenstadt in den Rang eines Weltkulturerbes.
1991 zerbrach mit der Sowjetunion auch die trübe Käseglocke über der Stadt: Es herrschte bittere Armut, aber ein frischer demokratischer Wind blies durch die Straßen und Köpfe. Bei einem Referendum stimmte eine Mehrheit der Bevölkerung für die Rückbenennung in St. Petersburg. Verwaltungschaos und Wirtschaftskrise waren in den 1990er-Jahren allerdings so stark, dass es aussah, als sei der schleichende Verfall der Stadt nicht mehr zu stoppen.
Die Zeiten haben sich geändert – unter anderem, weil 2000 im Kreml mit Wladimir Putin und Dmitri Medwedew eine neue „Petersburger Dynastie“ die Staatsführung übernahm. Der 300. Stadtgeburtstag 2003 wurde auf Putins Geheiß zum internationalen Topevent erhoben – und in der Stadt begann das große Reinemachen. Die Befürchtung, es würden nur frische Farbe und neuer Asphalt über alte Löcher geschmiert, erwies sich als falsch: Man geht beim Sanieren nun gründlich zur Sache. Die stetigen Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport bescherten Russland einen soliden ökonomischen Aufschwung. Die Budgets von Staat, Stadt und Privatunternehmen waren über Jahre wieder groß genug, um wichtige Investitionen – auch in die lange vernachlässigte Infrastruktur – voranzubringen.
Zwar ist der Kontrast des Lebensstandards zwischen Armen (vor allem den Rentnern) und Reichen für europäische Verhältnisse inzwischen extrem, aber im Durchschnitt geht es den Menschen doch deutlich besser. Auch die Zahl derer, die nur mit Müh’ und Not über die Runden kommen, ist in der Putin-Ära deutlich zurückgegangen: Nach der amtlichen Statistik lebten 2017 nur noch 14 Prozent unter der – allerdings sehr niedrig angesetzten – Armutsschwelle. Die Massen meist neuer Autos, die Tag für Tag Hauptstraßen und Innenstadt verstopfen, sind ein etwas unangenehmer Beweis des allgemeinen Wohlstandsschubs der letzten Jahre. Auf den Straßen ist das Vorwärtskommen deshalb an Werktagen immer recht mühsam und die Luft auf den Magistralen entsprechend belastet. Für Besucher hat diese Entwicklung aber auch viele positive Seiten: Es entstehen viele neue Restaurants, Cafés, Geschäfte, Nachtclubs, Hotels – und deren Betreiber legen im harten Konkurrenzkampf Wert auf Qualität und Originalität. Besonders rege wandeln sich der Newski Prospekt und seine unmittelbaren Nebenstraßen. In Ladenlokalen, wo in den 1990er-Jahren noch Kohlköpfe und Kartoffeln an die Bewohner der umliegenden kommunalkas verkauft wurden, sind heute Boutiquen und Bars eingezogen, und in den Etagen darüber liegen Luxusapartments. Neue Noblesse verbreiten aber auch die beiden jugendstil-gesättigten Hauptachsen der Petrograder Seite, der Kamenoostrowski und der Bolschoj Prospekt sowie das Umfeld des Taurischen Gartens. In diesen Vierteln – von den mancherorts noch immer dringend sanierungsbedürftigen Hinterhofarealen einmal abgesehen – wird wieder ein bourgeoises Lebensgefühl zelebriert, als hätte es die Sowjetzeit nie gegeben. Dazu gehört auch eine phantasievolle Kunst- und Kulturszene.
Denn nicht nur Oligarchen und die kleine Oberschicht, auch die neu gewachsene russische Mittelklasse erwartet kreative Angebote und Service „wie in Europa“, sie kann sich Qualität mittlerweile auch leisten. Zumal Russen eher zum munteren Ausgeben ihres Geldes tendieren – solange welches da ist, wohlgemerkt. Understatement ist nicht unbedingt ein russischer Wesenszug. Und selbst die gehobene Kultur muss nicht länger nur mit der Erbmasse haushalten: Neubauprojekte wie das Eremitage-Magazin oder der Konzertsaal des Mariinski waren nur der Auftakt. Weitere grandiose Hochkulturmagnete wie die zweite Mariinski-Bühne und die Eremitage-Erweiterung im Generalstabsgebäude am Schlossplatz ziehen jetzt noch mehr Besucher an. Sie zeigen, wie St. Petersburg, Russlands erhabenes touristisches Flaggschiff, nun mächtig Fahrt aufnimmt.
© A. Petrosjan
© Look/age fotostock
In St. Petersburg gibt es viel Neues zu entdecken. Das Spannendste auf diesen Seiten
In der Sowjetzeit galten Vegetarier als ideologisch verdächtige Sonderlinge, heute ist fleischlose Ernährung Kult. Es gibt sie in schicken Gastrobars wie dem Ukrop (tgl. 9–23 Uhr | Malaja Konjuschennaja Uliza 14 | cafe-ukrop.ru), dem Botanika (tgl. 11–24 Uhr | Uliza Pestelja 7 | www.cafebotanika.ru) oder – schlichter – in der Veggi-Cafeteria Rada & K (tgl. 11–22 Uhr | Uliza Gorochowaja 36 | rada-k.ru). Eine Tür weiter, im zugehörigen Bioladen Adi, gibt’s leckere vegetarische Würste – made in Russia!
St. Petersburg ist fahrradfreundlich flach, und endlich werden auch Radwege gebaut! Jahr für Jahr steigen mehr Menschen aufs Rad, Radverleihe für Touristen florieren (Rentbike und die Stadt sponsert seit 2015 ein Onlinebuchungsystem mit 90 Ausleihstationen. Ein Erlebnis ist Pin-Mix (vk.com/pinmix): Freitags um 23.50 Uhr starten vom Schlossplatz Radler zur Nachtrundfahrt.
In St. Petersburg feiert man laut und leidenschaftlich, fast wie in den wilden 1960er- und 70er-Jahren. Im Liverpool (Uliza Majakowskaja 16 | www.liverpool.ru) ist der Geist der Fab Four präsent: Man huldigt den Beatles mit Coverbands, Drinks mit Namen wie „Yesterday“ oder „Magical Mystery Tour“ und Steaks. Die 1960er klingen auch im Mod Club (Nabereschnaja Kanala Gribojedowa 7 | im Hof | www.modclub.info) nach. Besonders cool: die Sommerterrasse. Vom Vereinigten Königreich in die USA: Der Name des Jimi Hendrix Blues Club (Litejniy Prospekt 33) sagt alles: Hier hören Sie ausgezeichneten amerikanischen Blues.
Coole Bars, kleine Cafés, Ateliers, Boutiquen, Galerien, Streetfood, Clubs und Shops auf engem Raum – was anderswo von allein in Altstädten oder Szenekiezen zusammenfindet, braucht im weitläufigen Petersburg ein bisschen Bemutterung. Die bieten „Kreativ-Cluster“, wo Start-ups günstige Mieten, passende Räume und genug Publikum finden. So haben sich Gammelaltbauten in bunte, phantasievolle Oasen verwandelt, wo man bestens stöbern und chillen kann: Die Organisatoren des Golizyn Loft betreiben auch Zarchitektor (Bolschaja Konjuschennaja Uliza 9) sowie – versteckt – Fligel (Uliza Wosstanija 24 | 2. Hof) und Tretij Klaster (8. Sowjetskaja Uliza 4).