Cover

CHRISTOPH HICKERT

NUR WER SICH
ÄNDERT, BLEIBT
LEBENDIG

Echte Erneuerung durch
die vier Zimmer der Veränderung

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STIMMEN ZUM BUCH:

»Nur wer sich ändert, bleibt lebendig. Dieses Buch von Christoph Hickert ist ein Mut machender Wegweiser für alle, die den Weg der Veränderung wagen. Der Autor schöpft aus einem reichen Schatz an Lebenserfahrung und Coaching-Kompetenz. Der Leser wird Schritt für Schritt zu einer Neuausrichtung hingeführt, die nicht an der Oberfläche bleibt. Mein Tipp: Zugreifen, lesen, anwenden und sich an der verändernden Wirkung freuen!«

Thomas Härry,
Dozent, Autor und Mentor von Führungskräften

»Veränderung ist immer auch ein Wagnis. Dieses Buch macht Lust dazu! Es gibt ehrliche und praktische Anleitungen. Hilfreich spricht Christoph Hickert die Veränderung von Gedanken und Gefühlen an und eröffnet uns neue Lebensperspektiven. Diesen Ansatz halte ich nicht nur für hilfreich, sondern für zutiefst wahr. Gleichzeitig berichtet er persönlich auch vom eigenen Prozess der Veränderung. Das macht Mut, es auch selbst zu wagen.«

Pfr. Dr. theol. Paul Kleiner,
langjähriger Rektor TDS, Aarau

»Christoph Hickert nimmt uns mit auf eine Reise durch unser eigenes Leben. Er führt uns durch alte Lebensmuster hin in eine Zukunft, in der wir unser Leben verändern und neu gestalten können. Manchmal braucht es Mut, wenn man dabei den eigenen Schutzmechanismen begegnet. Doch das sind die Momente, die einen weiterlesen lassen und wo Lust auf Veränderung aufkommt.«

Verena Birchler,
Kommunikationsdesignerin und Journalistin

»Christoph Hickert begleitet uns durch die vier Zimmer der Veränderung und nimmt uns mit auf eine Reise hin zum eigenen Herzen. Der Autor ist ein kompetenter Reiseführer, der offen über eigene Erfahrungen spricht und uns ermutigt, erwartungsvoll unseren eigenen Weg zu gehen. Als Leser kriegen wir nicht nur gute ›Reiseinformationen‹, sondern echte Veränderungshilfe.«

Jörg Schori,
Psychotherapeut, Coach und Supervisor BSO

»Über die Jahre hat sich Christoph Hickert als Berater einen vollen Rucksack mit unterschiedlichsten Werkzeugen und Strategien erworben, die es in diesem Buch zu entdecken gilt. Was ich an Christoph besonders schätze, ist, dass er dabei selbst den Weg geht, umsetzt und immer wieder Neuland erobert. Als Leser können wir nur davon profitieren!«

Thomas Zindel,
Leiter »Leben in Freiheit«

INHALT

Über den Autor

Veränderung wagen

Meine Geschichte – meine Prägung

Muster aus der Kindheit

Sich ein Herz fassen

Ansprüche und Selbstsabotage

Vier Zimmer der Veränderung

Erstes Zimmer: Zufriedenheit

Zweites Zimmer: Verleugnung

Drittes Zimmer: Chaos und Verwirrung

Viertes Zimmer: Erneuerung

Alle vier Zimmer sind notwendig

Das Gleichnis vom Feigenbaum

Der fürsorgliche Gärtner – pflegen – hegen – düngen

Zimmer der Zufriedenheit verlassen

Alte Muster erkennen – endlich ehrlich werden

Wenn es plötzlich dunkel wird

Es geht noch viel tiefer

Drei unbeliebte Besucher: Krisen, Krankheiten, Konflikte

Symptome und Warnsignale machen Sinn

Mutig unbekannte Wege beschreiten

Zimmer der Verleugnung überwinden

Das alles hat nichts mit mir zu tun

Wie unsere Kindheit uns prägt

Der Blick zurück

Die gute alte Zeit

Schmerzhafte Erinnerungen

Sie haben es doch nur gut gemeint

Meine Leistungsprägung verstehen

Wenn sich das Kind in uns meldet

Stopfen von Löchern im Familiensystem

Unsere »Urwunde« aus der Kindheit meldet sich

Ungestillte Bedürfnisse von früher melden sich immer noch

Unsere dysfunktionalen Muster

Wie können wir diese negative Dynamik durchbrechen?

Versorgungskreislauf verstehen

Glaubenssätze erkennen und verändern

Der kleine Junge, das kleine Mädchen in uns

Zimmer des Chaos und der Verwirrung bewältigen

Schutzstile und Selbstsabotage erkennen

Wie Schutzstile entstehen

Was früher richtig war, engt uns heute ein

Wie Eskimos überleben

Sehnsucht nach Bindung und Zugehörigkeit

Bindungsängste überwinden

Sehnsucht nach Eigenständigkeit und Autonomie

Das Dilemma dieser beiden Grundbedürfnisse

Schutzstile werden aus der Angst geboren

Unsere Angst und Panikreaktionen besser verstehen

Schutzstile können vielfältig sein

Schutzstil: Überanpassung – es allen recht machen

Schutzstil: Helfen, retten – der Wunsch gebraucht zu werden

Schutzstil: Perfektionismus – der hohe Selbstanspruch

Schutzstil: Kontrolle – ich muss alles im Griff haben

Schutzstil: Lügen, schwindeln – der leichtere Ausweg?

Schutzstil: Rückzug – ich muss Konflikte vermeiden

Schutzstil: Leistungsstreben – ich muss der Beste sein

Schutzstil: Sicherheit – nur in bekannten Gewässern segeln

Schutzstil: Machtstreben – ich muss gewinnen

Schutzstil: Symbiose – ich muss mit anderen verschmelzen

Legen Sie Ihren Schutzpanzer ab

Schutzstile loslassen ist Schwerstarbeit

Zusätzliche Beobachtungen im Umgang mit Schutzstilen

Wenn andere an uns schuldig geworden sind

Mit Ehrenrunden rechnen

Umgang mit Wut und Schuldgefühlen

Das Geschenk im alten Verhalten entdecken

Zimmer der Erneuerung gestalten

Den Erneuerungsprozess bewusst gestalten

Neues trainieren heißt Unbekanntes wagen

Das Unbewusste einbeziehen

Das Belohnungszentrum im Gehirn

Der Reiter und der Elefant

Sechs Schritte der Erneuerung

Erneuerung ist ein Prozess

Bleiben Sie dran – Geben Sie nicht vorschnell auf

Von David lernen: Unsere aufgewühlte Seele beruhigen

Identität erneuern – Unseren Selbstwert stärken

Unseren Wert wiederentdecken

Unsere Identität erneuern

Verlorene Identität

Wahres Selbst wiederentdecken

Fünf entscheidende Identitätsmerkmale

Neue morgendliche Routine entwickeln

Eigenverantwortung erneuern – Raus aus der Opferrolle

Altes Erfahrungsnetzwerk wird getriggert

Aus der Opferhaltung aussteigen

Zugang zu Ressourcen aktivieren

Umdenken und proaktiv werden

Denken erneuern: Das ABC der Gedanken und Gefühle

Den ersten Schultag meistern

Alles beginnt mit der Erneuerung des Denkens

Wir fühlen, was wir denken

Unsere Gedanken sind der Schlüssel

Wie wir unsere Gefühle beeinflussen können

Neue Gedanken erzeugen neue Gefühle

Nicht einfach, aber lernbar

Auf Gedanken und Gefühle achten

Verhalten erneuern – Gesunde Grenzen setzen

Gesunde Grenzen setzen

Die Kontrolle über unser Leben zurückgewinnen

Achten Sie gut auf Ihre Zugbrücke

Ich will niemanden enttäuschen

Was haben Wut und Ärger mit Grenzverletzungen zu tun?

Dranbleiben lohnt sich

Lebenslange Baustelle dürfen bleiben

Mutig dranbleiben – es lohnt sich!

Weiterführende Literatur

Bibelzitate

Anhang: Erneuerungshilfen

1 | Starthilfen für den Veränderungsprozess

2 | Biografische Rollen reflektieren

3 | Meine Schutzstile erkennen und ändern

4 | Motivierendes Ziel definieren und Hindernisse beachten

5 | Bisherige Überzeugungen reflektieren

6 | Neue Erlaubersätze definieren

7 | Identitätsstatement erarbeiten

Anmerkungen

ÜBER DEN AUTOR

CHRISTOPH HICKERT Jahrgang 1964, lebt und arbeitet als selbständiger Coach, Supervisor und Lebensberater in Männedorf/Schweiz (www.beratung-coaching.ch). Dank seiner langjährigen Führungserfahrung in verschiedenen Organisationen und seinem breiten Ausbildungsrucksack in Theologie, Kommunikation und Psychologie ist er ein erfahrener Wegbegleiter in Veränderungsprozessen. Er greift dabei auf seine jahrelange Coaching-Erfahrung zurück und verbindet modern Psychologie mit ermutigender Spiritualität.

VERÄNDERUNG WAGEN

Meine Geschichte – meine Prägung

Sich zu verändern ist nicht leicht. Bisherige Muster, Erfahrungen und innere Glaubenssätze sitzen tief. Die meisten Grundüberzeugungen über uns und das Leben, wie »es« sein sollte, haben wir bereits früh in unserer Kindheit gelernt. Und sie sind nicht leicht abzuschütteln, im Gegenteil. Sie halten sich hartnäckig. So haben wir aufgrund unserer frühkindlichen Prägungen unbewusst Schutzstile und Verhaltensnotlösungen entwickelt, mit denen wir uns noch heute durchs Leben navigieren. Ohne dass wir es merken, lassen wir uns von ihnen unseren Lebensradius einengen und sabotieren damit uns selbst. Wir laufen als Erwachsene immer noch in einer alten Rüstung aus der Kindheit herum, die einst hilfreich und schützend war, aber heute längst nicht mehr nötig ist. Und wenn wir unsicher sind, bleiben wir meist lieber bei dem, was sich sicher und vertraut anfühlt, als Neues zu wagen und vielleicht zu versagen. Damit bleibt aber auch vieles auf der Strecke: nämlich unser Herz und wofür es zutiefst schlägt! Wir bleiben meist weit hinter unseren Möglichkeiten zurück und leben oft nicht das, was unsere eigene Lebensspur wäre. Um jedoch lebendig zu bleiben und immer mehr Sinn, Tiefe, Erfüllung und Freiheit zu erleben, kommen wir nicht darum herum, uns den Herausforderungen des Lebens zu stellen und uns mit den tieferen Schichten unserer Persönlichkeit auseinanderzusetzen.

Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich als kleiner Junge im Schwimmbad vom Sprungturm ins tiefe Wasser sprang, ohne überhaupt schwimmen zu können. Unten angekommen musste ich wie wild mit Armen und Beinen paddeln, um wieder ans sichere Ufer zu gelangen. Voller Stolz zeigte ich mein Können einer Cousine, die während der Sommerferien einige Tage bei uns zu Besuch war. Ich war so gespannt, wie sie meine mutige Aktion beurteilen würde. Als ich nach erneutem Sprung paddelnd einmal mehr den rettenden Beckenrand erreichte und erwartungsvoll aus dem Wasser stieg, sah ich ihren Gesichtsausdruck. Er war wie versteinert. Eigentlich hatte ich Begeisterung und Bewunderung erwartet! Aber davon war nichts zu sehen, sie war fassungslos über meine Leichtsinnigkeit. Bevor ich etwas sagen konnte, raste sie zu meinen Eltern und petzte ihnen alles, was sie gerade gesehen hatte. Das war’s dann mit meinen Sprungturmkünsten und meine Karriere als Turmspringer wurde bereits im Keim erstickt. Meine Mutter verbot mir danach, je wieder ins tiefe Wasser zu springen, bevor ich wirklich sicher schwimmen konnte.

Ein weiteres Erlebnis war prägend: Als ich ungefähr zehn Jahre alt war, stürzte ich mich auf meinen Rollschuhen eine steile Straße hinunter. Am unteren Ende der Straße gab es eine enge Kurve, die man unbedingt erwischen musste, um nicht über den Rand hinaus und einen steilen Abhang hinunterzufahren. Das war gefährlich. Anfangs fuhren meine Schulkameraden und ich nur aus einer geringen Höhe los, um mit einem kontrollierbaren Tempo auf die Kurve zuzufahren. So wollten wir austesten, mit wie viel Geschwindigkeit es noch machbar war, die Kurve auf Rollschuhen bezwingen zu können. Wir lieferten uns ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Wer war mutiger? Wer wagte mehr? Wem gelang es, von noch weiter oben loszufahren? Ich wollte unbedingt gewinnen und setzte immer noch einen drauf! Keiner wagte sich schließlich so hoch hinauf wie ich. Mit schlotternden Knien fuhr ich ein letztes Mal aus großer Höhe hinunter. Haarscharf kriegte ich die Kurve noch, aber ich war so schnell, dass ich nicht mehr bremsen konnte und in einen Busch flog. Ich war heilfroh, dass für mich dieses Abenteuer mit einigen Schrammen und Beulen glimpflich ausgegangen war.

Im Nachhinein frage ich mich, was mich angetrieben hat, bereits als Kind so an und über meine Grenzen zu gehen. Meine Cousine hatte recht – es war leichtsinnig, was ich da machte. Aber diese zwei Episoden spiegeln bereits ein erstes Muster meines Lebens wider. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich ständig beweisen musste. Und dazu musste ich etwas Besonderes tun oder leisten. Nur wenn ich irgendwie herausragte, hatte ich das Gefühl, endlich gesehen, wahrgenommen und gemocht zu werden. Nur ich selbst zu sein, das reichte nicht! Bei meinen Junior-Stunt-Aktionen ging’s mir unbewusst darum, meine Klassenkameraden zu beeindrucken. Ich wollte ihnen beweisen, dass auch ich etwas auf dem Kasten hatte, koste es, was es wolle. Ich wollte dazugehören und kein Außenseiter sein, sondern mitspielen bei den »Wichtigen« – und dafür tat ich alles.

Dieses Muster nahm ich unbewusst mit ins Erwachsenenleben, erkannte das aber erst, als ich später mein Leben und Handeln zu reflektieren begann. Da ging mir auf, wie ich mich durch meine Selbstüberforderung immer wieder an den Rand einer Erschöpfung brachte.

Rückblickend denke ich, dass ich oft gar nicht wirklich das lebte, was mir zutiefst wichtig war. Ich verriet früh mein Herz. Ich überging mich, richtete mich nach der Meinung und dem Wohlwollen von anderen und wusste kaum, wer ich eigentlich war und was ich wollte. Ich passte mich an und tat meist das, von dem ich glaubte, dass andere es von mir erwarteten oder was bei ihnen gut ankam.

Dieses Muster wurde zu meiner zweiten Haut. Ich war überzeugt, dass ich so war! Ich lebte dabei aber gleichzeitig mit der Angst, dass andere entdecken könnten, wer ich wirklich war. Ich fürchtete, dass sie mich ablehnen würden, wenn sie hinter meiner Fassade das Zerbrechliche, Ängstliche, Unsichere erkennen würden. Diese verletzliche Seite musste ich um jeden Preis unter Verschluss halten, sie durfte nicht sein. So lebte ich nach außen oft in der Rolle des Überlegenen. Wenn dann andere trotzdem hinter meine Fassade blicken konnten oder ich meine Schwächen nicht mehr verbergen konnte, flüchtete ich in eine Traumwelt. Das fing bereits in der Schule an, als eine Lehrerin meine Leseschwäche und Legasthenie erkannte und mich in der Klasse deswegen bloßstellte, und setzte sich fort, als ich nach einem Umzug an der neuen Schule gehänselt wurde und kaum Anschluss fand. Ich flüchtete in meine Fantasiewelt und konnte zumindest dort der grandiose Held sein.

Muster aus der Kindheit

Was machen wir Menschen nicht alles, um etwas Liebe, Anerkennung oder Zugehörigkeit zu erhalten. Wir alle vollführen Kapriolen und geben unser Bestes, um das Loch in unserem Herzen zu stopfen, das sich immer wieder zeigt und schreit: »Fülle mich!« Dieses Loch ist bei denjenigen von uns noch ausgeprägter, die wir als Kind nicht die Nestwärme, die sicheren Bindungen, den Schutz und die Unterstützung erhalten haben, die wir gebraucht hätten. Aus dieser Not haben viele von uns unbewusst Überlebens- und Kompensationsstrategien entwickelt, um emotional über die Runden zu kommen. All unsere Verhaltensnotlösungen und Schutzstile haben sich tief in uns zu einem Lebensstil verdichtet, der heute ganz selbstverständlich für uns geworden ist. Typische Schutzstrategien sind Perfektionismus, Rückzug, Harmoniestreben, Angriff oder Flucht, Kontrollstreben, Anpassung etc. Manches ist uns zur zweiten Haut oder zu unserer Rüstung geworden, die wir noch immer zur Schau tragen.

Die meisten von uns haben vergessen, wer wir wirklich sind. Wir haben unser wahres Selbst und unser Herz verraten, weil wir meinen, dass es nicht gefragt sei, nicht gut genug, nicht öffentlichkeitstauglich. So werden wir von eigenen Mustern, Überzeugungen und übernommenen Glaubenssätzen angetrieben, die wir vielleicht noch nie hinterfragt haben. Einer meiner Glaubenssätze lautete: »Nur wenn ich etwas Besonderes bin oder leiste, dann werde ich gesehen, wahrgenommen und gehöre dazu.« Viele von uns leben unbewusst mit ähnlichen Grundüberzeugungen und merken nicht, dass diese längst nicht mehr passen, sondern vielmehr überprüft und durch die Wahrheit ersetzt werden müssten. Wir bemerken gar nicht, dass wir noch immer mit der ersten Programmversion 1.0 herumlaufen und unsere inneren Überzeugungen dringend ein Upgrade auf 2.0 brauchen.

Wie können wir nun solche destruktiven Muster und Glaubenssätze erkennen und überwinden? Und wie wachsen in uns neue, positive Überzeugungen und neue, ermutigende Glaubenssätze? Dabei spielt auch der Blick zurück in unsere Kindheit eine entscheidende Rolle. Konnten wir dort Urvertrauen tanken, indem wir uns von unseren Eltern angenommen und geliebt gefühlt haben, dann konnte sich eher ein gesundes Selbstvertrauen bilden. Nicht wenige von uns verbinden jedoch ihre Kindheit mit unschönen oder gar traumatischen Erinnerungen. Auch wenn wir uns vielleicht nicht mehr bewusst an frühere Erlebnisse erinnern können, laufen die damit verbundenen Prägungen und Programme im Hintergrund nach wie vor mit und bestimmen unbewusst unser Denken, Fühlen und Handeln im Alltag. Die meisten Stressauslöser sind nicht die unmittelbaren Stressfaktoren, sondern die Glaubenssätze, die wir früh übernommen haben und nun unreflektiert wiederkäuen. Sie haben meist wenig mit der Realität, sondern vielmehr mit unseren Befürchtungen und Ängsten zu tun.

Ich selbst kam an den Punkt, an dem ich erkannte: »So kann es nicht mehr weitergehen!« Ich fing an, mein Leben und meine Glaubenssätze zu reflektieren, und so begann für mich eine wichtige Reise.

Auch Ihnen mache ich Mut, Ihr Herz weit zu öffnen. Hören Sie nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit Ihrem Herzen hin. Wo klingt beim Lesen etwas tief in Ihnen an? Was berührt und bewegt Sie bei gewissen Abschnitten oder Fragen? Dies achtsam wahrzunehmen könnte zu einem Schlüssel für Ihren persönlichen Veränderungsprozess werden.

VERTIEFUNG: MEINE STANDORTBESTIMMUNG

Sie können sich dazu folgende Fragen stellen:

• Stimmt Ihr jetziges Leben mit dem überein, was Sie ursprünglich wollten? Wie sahen Ihre ursprünglichen Ziele und Herzenswünsche aus?

• Welches Leben leben Sie eigentlich? Ist es wirklich das, was Sie zutiefst wollen? Folgen Sie der Stimme Ihres Herzens? Wo haben Sie Ihr Herz verraten?

• Wie sind Sie an diese Stelle Ihres Lebens gekommen, an der Sie heute stehen? Was ist in Ihrer momentanen Lebenslage das Hauptgefühl? Was haben Sie (unbewusst) dazu beigetragen?

• Was hinderte Sie bisher daran, eine Veränderung mutig anzupacken und umzusetzen? Was müssten Sie heute tun oder ändern wollen, um Ihr Ziel in Zukunft zu erreichen?

• Welchen Preis würden Sie bezahlen, wenn Sie nichts machen und den bisherigen Weg unverändert fortsetzen würden?

• Was würden Sie machen, wenn Sie 10-mal mehr Mut hätten und sicher wüssten, dass Sie nicht versagen könnten?

Ich empfehle Ihnen, ein Reisetagebuch der Veränderung zu beginnen. Notieren Sie darin alles, was Sie entdecken oder beim Lesen noch alles über sich herausfinden werden.

Sich ein Herz fassen

Es geht um nichts weniger als um Ihr Leben. Aber oft sind es erst die handfesten Krisen, die dazu führen, dass wir uns ein Herz fassen, um Veränderungen anzugehen. Wir gehen ins Coaching oder in eine Beratung, weil wir immer dieselben frustrierenden Erfahrungen machen: Wir stehen an einem Punkt im Leben, an dem wir nicht mehr weiterwissen. Wir haben alles Menschenmögliche unternommen, um etwas zu verändern: neue Ziele zu erreichen, Ängste zu überwinden, Charakterzüge abzulegen, Konflikte zu entschärfen oder eine Beziehung zu retten. Aber es ging nicht. Die eigenen Muster und Verhaltensweisen sitzen viel tiefer und erweisen sich als hartnäckiger, als wir oft meinen. Spätestens jetzt wird klar: Veränderung ist schwierig und bedeutet harte Arbeit! Unsere bequemen, gewohnten und bekannten Verhaltensmuster sind oft wie unser Lieblingssessel – wir kehren gerne dorthin zurück. Nur merken wir dabei nicht, wie wir uns im Weg stehen und uns selbst sabotieren.

Mir ging es genauso. Ich wollte mich verändern, gesündere Grenzen setzen, störende Verhaltensmuster ablegen, Probleme und Konflikte angehen und Ängste überwinden. Aber ich schaffte es nicht. Obwohl ich merkte, dass ich mich mit meinen Ansprüchen selbst überforderte, konnte ich nicht einfach den Schalter umlegen und mein Leben ändern. Und ich musste immer mehr Energie aufwenden, um mein Image zu kontrollieren und alles weiterhin unter Kontrolle zu behalten. Obwohl ich vieles erkannte, gelang es mir nicht, das Ruder herumzureißen. Ich stolperte immer wieder über meine eigenen Beine und sabotierte mich unbewusst selbst. Ich lief wieder in die Harmoniefalle und wollte es allen recht machen. Konflikte umging ich weiträumig, weil ich die Spannungen kaum aushielt, die dadurch entstanden. Auch beruflich überging ich meine inneren Alarmsignale, bis ich völlig ausgebrannt war.

Schließlich machte ich mich vor einigen Jahren auf die Suche nach hilfreicheren Ansätzen, welche meinen eigenen Veränderungsprozess besser unterstützen konnten. Ich wollte dabei auf all das zurückgreifen, was es aus unterschiedlichen Wissenschaften wie der Psychologie, der modernen Hirnforschung, aber auch aus den klassischen Coaching-Ansätzen oder der Seelsorge bereits an Hilfestellungen zum Thema Selbstsabotage, Veränderung und Erneuerung von alten Mustern gab. Ich wollte dem auf den Grund gehen, woher meine tief sitzenden Muster kamen. Was hatten meine Überzeugungen und Verhaltensnotlösungen mit mir und meiner Geschichte zu tun? Was versuchte ich eigentlich durch mein Problemmuster zu vermeiden und zu schützen? Scheinbar zog ich aus meinem bisherigen Verhalten auch einen Gewinn, denn sonst hätte ich nicht immer wieder darauf zurückgegriffen. Diesem Phänomen wollte ich auf die Schliche kommen. Im ganzen Prozess erlebte ich auch, wie biblische Aussagen und theologische Wahrheiten mir neue Sichtweisen und Perspektiven eröffneten. Die Kerngedanken meiner Erfahrungen und Auseinandersetzung mit dem Thema Veränderung bilden die Basis dieses Buches. Ich werde immer mal wieder auf Psychologen und Hirnforscher verweisen, selbst entwickelte Modelle vorstellen oder eigene Erfahrungen und Fallbeispiele aus der Beratungspraxis schildern. Zum Schutz der jeweiligen Personen habe ich jedoch Namen und Orte geändert.

Ansprüche und Selbstsabotage

Jeder von uns hat Ansprüche und Ideale, wie das Leben sein sollte oder was wir beruflich und privat alles erreichen müssten. Wir haben Vorstellungen davon, wie wir gute Beziehungen pflegen, uns körperlich oder geistig fit halten oder wie wir charakterlich sein sollten. Eigentlich alles vernünftige und erstrebenswerte Ziele, die uns auch anspornen vorwärtszukommen. Und doch werden wir dadurch oftmals zu Getriebenen. Sören Kierkegaard sagte: »Der, der ich bin, grüßt wehmütig den, der ich sein möchte.« Bei all unseren Bemühungen kommen wir nur zu oft mit uns selbst in Konflikt und tun exakt das Gegenteil von dem, was wir uns vorgenommen hatten. Neujahrsvorsätze lassen grüßen. Wir wissen zwar, was wir tun sollten, tun es aber trotzdem nicht:

Klaus wird bei der kleinsten Meinungsverschiedenheit schnell zornig und schlägt verbal um sich, obwohl er weiß, dass dies für die Beziehung mit seiner Frau nicht hilfreich ist und Distanz statt Nähe bewirkt.

Verena zieht sich im Freundeskreis zurück und vermeidet Konflikte, obwohl sie ahnt, dass es dadurch nicht besser wird. Harmonie in Beziehungen geht für sie über alles.

Michael übergeht seine innere Stimme, die längst nach Ruhe und Abgrenzung schreit. Er bleibt jedoch lieber im alten Trott, weil sich das bekannt und sicher anfühlt.

Maria will es allen recht machen, möchte ankommen und geliebt werden. Dabei übergeht sie sich und eigene Bedürfnisse, bis sie sich ganz verloren hat und depressiv wird.

Irgendetwas scheint hier im Menschen am Werk zu sein, das ihn immer wieder unbewusst sabotiert. Während meines theologischen Studiums am Seminar habe ich intensiv Altgriechisch gepaukt. Im Zusammenhang mit diesem Dilemma wird im Neuen Testament oft das Wort hamartia (griech.: ἁμαρτία /deutsch: Sünde) verwendet. Dieser Begriff stammt aus dem Bereich der Jagd und beschreibt einen Schützen, der zwar zielt, aber danebenschießt. Wörtlich übersetzt heißt hamartia »nicht treffen, am Ziel vorbeischießen, etwas verfehlen«. Hamartia meint demnach, dass wir an unserem Lebensziel, an unseren Absichten vorbeischießen und nicht ins Schwarze treffen. Wir verfehlen sozusagen unsere Bestimmung und scheitern in unseren Bemühungen, das Gute und Richtige tun zu wollen. Paulus stellt in Römer 7,15 verzweifelt fest: »Ich verstehe es ja selbst nicht, was ich tue. Das Gute, das ich mir vornehme, tue ich nicht, aber was ich verabscheue, das tue ich.«

Wenn wir Probleme haben und nicht so können, wie wir eigentlich wollen, dann erleben wir uns oft als hilflos, als Opfer der Umstände oder der Menschen. Wir fühlen uns ihnen ausgeliefert und erleben uns selbst als klein, kraftlos oder ohnmächtig. Wir meinen, dass es uns endlich besser gehen würde und wir uns anders verhalten würden, wenn sich der gesamte Außenkontext ändern würde, wenn sich die anderen endlich besser verhalten würden, wenn der Chef endlich verständnisvoller oder die Partnerin rücksichtsvoller wäre, wenn uns die Eltern nach all den Jahren endlich respektvoller behandeln würden, wenn die Arbeitskollegen nicht solche Nervensägen wären. Die vorschnelle Diagnose lautet: Die Umstände und die anderen sind schuld, dass es mir schlecht geht und ich die Ziele noch nicht erreicht, die Verhaltensänderung noch nicht umgesetzt habe. Das führt oft dazu, dass wir versuchen, die Umstände zu ändern: Wir wechseln den Job, den Partner, die Gemeinde, aber stellen fest, dass die aufwühlenden Gefühle, die Ohnmacht, die wir erleben, trotzdem immer wieder auftreten. Die Lösung, die auf der Hand liegt, aber doch zu gerne übersehen wird, ist eigentlich offensichtlich: Wir müssen uns selbst ändern! Denn wir selbst sind die einzige Konstante in all unseren Konflikten, Problemen und unserem Scheitern. Es ist zwar schmerzlich, aber nur, wenn wir an unseren eigenen Überzeugungen und Verhaltensmustern arbeiten und von innen heraus verändert werden, können wir echte Erneuerung erleben.

Gleichzeitig erleben wir nun ein anderes Dilemma: Wie Paulus wollen wir uns zwar ändern, können aber nicht ohne Weiteres aus unserer alten Haut heraus. Sonst hätten wir es längst getan. Das Gute, das wir uns vornehmen, das schaffen wir nicht! Die bisherigen Muster und Verhaltensweisen sitzen tief. Und wenn wir merken, dass wir nicht einfach können, wie wir wollen, springt in uns ein Selbstabwertungsprogramm an. Wir werden hart gegen uns und klagen uns selbst an: »Du dumme Kuh, warum hast du wieder …? Du blöder Esel, wie konntest du nur …? Du Kamel, du bist einfach unfähig, ein Versager!« Mit solchen Zuschreibungen und kreativen Tiernamen werten wir uns nun innerlich ab und machen uns fertig. Dies ist jedoch keine hilfreiche Lösungsstrategie. Im Gegenteil, solche Selbstverurteilungen setzen uns nur noch mehr unter Druck.

Henry Nouwen formuliert dies so:

»Diese negativen Stimmen sind so laut und durchdringend, dass wir ihnen nur allzu schnell Gehör schenken. Das ist die große Falle. Es ist die Falle der Unzufriedenheit mit sich selbst. Im Lauf der Jahre bin ich zu der Erkenntnis gekommen, dass die größten Fallen in unserem Leben nicht der Erfolg sind, nicht die Berühmtheit und nicht die Macht, sondern die Verachtung seiner selbst … Immer wieder überrascht es mich, wie schnell ich vor dieser Versuchung kapituliere. Sobald mir jemand etwas vorwirft oder mich kritisiert, sobald ich mich abgelehnt, alleingelassen oder vergessen fühle, kommen mir Gedanken wie: ›Ich hab’s ja schon immer gewusst, dass ich nichts bin.‹«1

Für einen nachhaltigen Veränderungsprozess braucht es demnach andere Ansätze. Da hilft keine Oberflächenbehandlung. Es braucht eine grundlegende Erneuerung. Denn hinter jedem Problemverhalten liegt eben auch ein tief verankertes Muster, mit dem wir uns schützen oder durchsetzen wollten. Unser Verhalten, auch wenn es noch so destruktiv ist, hat immer auch einen Grund und einen unbewussten Nutzen. Denn sonst würden wir nicht so hartnäckig daran festhalten. Wenn wir diese Dynamik nicht erkennen und in einer Lösung berücksichtigen, werden wir früher oder später scheitern.

VIER ZIMMER DER VERÄNDERUNG

Das Vier-Zimmer-Modell2, das von den Beratern Alfred Tschönhens und Elmar Bissegger entwickelt wurde, führt Sie gezielt durch Ihren persönlichen Veränderungsprozess hin zu echter Erneuerung. Auf dem Weg durch die vier Zimmer werden Sie Ihre eigenen Muster erkennen und die damit verbundene Dynamik reflektieren können. Ursprünglich stammt das Modell aus dem Change-Management3. Ich habe es während meines Aufbaustudiums am Institut für angewandte Psychologie kennengelernt und habe entdeckt, dass es nicht nur für Organisationen, sondern auch für den persönlichen Veränderungsprozess eine wertvolle Orientierung bietet. Anhand verschiedener psychologischer Ansätze in Kombination mit meiner eigenen Beratungserfahrung und biblischen Gedanken habe ich es auf den persönlichen Veränderungsprozess übertragen. Das Vier-Zimmer-Modell liefert eine hilfreiche Landkarte, die uns den Weg zur inneren Freiheit zeigt.

Modell: Vier Zimmer der Veränderung4

Verschiedene Studien und Modelle5 haben gezeigt, dass es in Veränderungsprozessen grundsätzlich vier Phasen gibt, die wir Menschen durchlaufen. Egal, ob es sich um eine persönliche, berufliche oder organisatorische Veränderung handelt, die Abfolge der vier Phasen bleibt erstaunlicherweise immer ähnlich und die einzelnen Phasen können nicht übersprungen werden. Wir möchten nur allzu gerne vom Zimmer der Zufriedenheit direkt ins Zimmer der Erneuerung springen. Das geht aber leider nicht, denn der Weg durch die vier Zimmer ist eine Einbahnstraße. Veränderung führt immer über das zweite Zimmer der Verleugnung, in dem wir an Altem unbeirrt festhalten und in dem wir die Wirklichkeit leugnen, die uns schon längst eingeholt hat. Bisherige Verhaltensmuster oder Lebensumstände gaben uns viel Sicherheit und Orientierung, deswegen lassen wir diese nicht kampflos zurück. Und nach dem Zimmer der Verleugnung kommt es noch dicker – nun folgt das dritte Zimmer der Verwirrung und des Chaos. In Anlehnung an Tschönhens und Bissegger skizziere ich nun kurz die vier Zimmer der Veränderung.6

Erstes Zimmer: Zufriedenheit

Im Zimmer der Zufriedenheit fühlen sich die meisten von uns eigentlich ganz wohl und behaglich. Wir wollen nichts verändern. Es läuft doch alles bestens! Wir fühlen uns gut, alles ist in scheinbar bester Ordnung und unser Leben ist einigermaßen stabil. Wir haben alles im Griff! Tiefer graben wollen und müssen wir nicht. Die Komfortzone bietet uns Sicherheit. Auf keinen Fall sollte etwas thematisiert werden, was die Zufriedenheit und den momentanen Frieden gefährden könnte – schon gar nichts Schwerwiegendes oder Beziehungsbelastendes! Alles muss so bleiben, wie es ist. Dieses Zimmer der Zufriedenheit wollen wir unter keinen Umständen verlassen – außer wir werden dazu gezwungen, z. B. durch einen Konflikt, eine Krise, eine Krankheit, eine unliebsame Erfahrung oder ein erlebtes Scheitern.

1. Zimmer

ZUFRIEDENHEIT

»ich habe alles im Griff.«
Sicherheit Selbstvertrauen Routine Genießen des Istzustandes

Zweites Zimmer: Verleugnung

Wenn wir nun gezwungen werden, ins Zimmer der Verleugnung zu wechseln, wird dort alles, was stört, erst mal draußen gehalten – heute ist geschlossen! Wir verbarrikadieren uns und meinen, dass wir kein Problem haben. Und wenn es doch eins gibt, liegt das an den anderen. Oder es sind Bagatellen, mit denen wir uns nicht beschäftigen wollen. Schon betreten wir ganz automatisch, ohne es zu merken, das Zimmer der Verleugnung. Alles Unangenehme vermeiden wir grundsätzlich. Es war doch alles gerade noch in bester Ordnung und wir wollen zurück ins Zimmer der Zufriedenheit. Aber das geht nicht! Wir befinden uns auf einer Einbahnstraße, haben innerlich das erste Zimmer verlassen und nun gibt es kein Zurück mehr! Wir betreiben noch kosmetische Oberflächenbehandlung und tun so, als wäre nichts. Wir versuchen noch Widerstand gegen diese aufkeimenden Gedanken zu leisten, die längst an uns nagen. Alles Verdrängen bringt aber nichts mehr.

2. Zimmer

VERLEUGNUNG

»Das Problem liegt bei anderen!«
Widerstand, nicht wahrhaben wollen, Ablehnung festhalten am Alten

Drittes Zimmer: Chaos und Verwirrung

Irgendwann lässt sich die Realität nicht länger verleugnen. Wir sind nun bereit einzugestehen, dass wir frustriert sind, Angst haben, tief verunsichert sind und nicht wissen, wie wir mit diesem Chaos umgehen sollen, das sich in uns und um uns zeigt. Wir fühlen uns überfordert und sind der Situation nicht mehr gewachsen. Somit sind wir im dritten Zimmer angelangt, dem Zimmer des Chaos und der Verwirrung. Langsam dämmert es uns, dass wir nun wirklich im Schlamassel sitzen. Sorgen und Ängste wechseln sich ab. Es fühlt sich an wie waten durch ein immer tiefer werdendes Sumpfgebiet. Alles ist schwammig, unklar, diffus. Im Zimmer des Chaos und der Verwirrung fallen auch letzte Bastionen von Selbstsicherheit und Selbstvertrauen ab. »Wie soll es nun weitergehen? Gibt es überhaupt noch Hoffnung? Es wird sich doch nie etwas ändern.« Solche und ähnliche Fragen halten sich hartnäckig. Nichts ist mehr sicher. Das alte Bekannte greift nicht mehr und etwas Neues ist weit und breit noch nicht in Sicht. Wir fühlen uns leer, verunsichert und orientierungslos in diesem Zimmer. Gefühle der Verzweiflung und der Ohnmacht tauchen auf.

3. Zimmer

CHAOS UND VERWIRRUNG

»Es hat auch etwas mit mir zu tun.«
Lähmung, Frustration, Trauer Irritation, Hoffnungslosigkeit Wehmut, Angst, Verunsicherung

Viertes Zimmer: Erneuerung

Endlich gestehen wir uns in diesem Zimmer ein, dass es keinen Weg zurück gibt! Diese Erkenntnis verstärkt zunächst noch die Verunsicherung, doch langsam öffnen wir uns, nach vorne zu blicken und uns mit der Zukunft und dem wahren Veränderungsprozess zu beschäftigen. Wir lernen dabei, die Verwirrung und das innere Chaos auszuhalten, denn wir wissen, dass diese Phase zu unserem Veränderungsprozess dazugehört. Wir stellen uns unseren Gefühlen, allen voran den Ängsten. Wir werden auch bereit, uns mit unserer Geschichte und Prägung auseinanderzusetzen und lernen immer besser zu reflektieren, was uns in das Chaoszimmer gebracht hatte und was unser eigener Anteil daran ist. Langsam, sehr langsam lichtet sich die Verwirrung, und ein neues Bewusstsein entsteht, dass es einen hoffnungsvollen Weg vorwärts und einen Ausweg aus dem Schlamassel und dem Zimmer des Chaos und der Verwirrung gibt!

4. Zimmer

ERNEUERUNG

»Ich kann mutig Neues wagen.«
Aufbruchstimmung Neugier, Motivation zwischendurch Rückschläge aufstehen und weitergehen

Alle vier Zimmer sind notwendig

Das Zimmer der Verleugnung und das des Chaos und der Verwirrung sind weit mehr als notwendige Übel im Veränderungsprozess. Erst durch sie werden wir langsam bereit, uns unserer Realität zu stellen. Wir müssen in unserem Prozess alle Zimmer durchschreiten, denn alle vier sind wichtig und haben ihre Berechtigung. Im Zimmer des Chaos und der Verwirrung geraten viele von uns unweigerlich unter Druck, und das ist bei manchen von uns notwendig, damit wir uns überhaupt bewegen. Hier werden alte Überzeugungen aufgeweicht, wir kommen an unsere Schmerzpunkte heran und erkennen unsere Grenzen. Oft gelangen in diesem Zimmer auch bisherige unbewusste Glaubenssätze und Muster an die Oberfläche. Manch einer von uns kommt in diesem Zimmer auch an den Punkt, an dem er nichts mehr zu verlieren hat. Es gibt kein Zurück mehr, nur noch den Weg vorwärts! Es gibt nichts mehr zu verbergen oder zu verheimlichen. Im Veränderungsprozess wollen wir dieses Zimmer meist gar nicht besuchen. Aber es gehört dazu. Wir kommen nicht darum herum, wenn wir uns verändern und in unserem Leben mehr Sinn, Tiefe, Erfüllung und Freiheit erleben wollen.

VERTIEFUNG:

• In welchem Zimmer befinden Sie sich momentan? Wie fühlt es sich an? Was wäre demnach der folgerichtige Schritt, um ins nächste Zimmer zu gelangen?

• Was hinderte Sie bisher daran, mutig weiter ins nächste Zimmer zu gehen?

• Was brauchen Sie für diesen nächsten Schritt?

Gemeinsam erreichen Sie mehr. Holen Sie sich, wo nötig, Unterstützung von Freunden, Seelsorgern, Ärzten, Beratern etc.

DAS GLEICHNIS VOM FEIGENBAUM

Das Gleichnis vom Feigenbaum, das Jesus seinen Jüngern erzählt, ergänzt das Bild von den »vier Zimmern« ideal. Der Baum trägt keine Früchte und soll gefällt werden. Dieses Gleichnis wurde mir in meinem eigenen Veränderungsprozess wichtig, und ich entdeckte, dass darin einige Weisheiten verborgen sind, die mir bisher entgangen waren.

Und dann erzählte Jesus ihnen dieses Gleichnis: »Ein Mann pflanzte in seinem Weinberg einen Feigenbaum. Jahr für Jahr sah er nach, ob der Baum Früchte trug. Aber vergeblich! Endlich rief er seinen Gärtner: ›Schon drei Jahre habe ich gewartet, aber noch nie hing an dem Baum auch nur eine einzige Feige. Hau ihn um. Er nimmt nur Platz weg.‹ Aber der Gärtner bat: ›Lass ihn noch ein Jahr stehen! Ich will diesen Baum gut düngen und sorgfältig pflegen. Wenn er dann Früchte trägt, ist es gut, sonst kannst du ihn umhauen.‹« (Lukas 13,6-9)