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Edel Books

Ein Verlag der Edel Germany GmbH


Copyright © 2018 Edel Germany GmbH,

Neumühlen 17, 22763 Hamburg

www.edelbooks.com

1. Auflage 2018


Projektkoordination: Gianna Slomka

Lektorat: Judith Schneiberg

Coverfoto: Boris Breuer Fotografie

Covergestaltung: Groothuis. Gesellschaft der Ideen und
Passionen mbH | www.groothuis.de

Layout und Satz: Datagrafix GSP GmbH, Berlin

Lithografie: Frische Grafik

ePub-Konvertierung: Datagrafix GmbH, Berlin | www.datagrafix.com


Alle Rechte vorbehalten. All rights reserved. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben
werden.


eISBN 978-3-8419-0648-9

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WENN DAS LEBEN DIR ZITRONEN GIBT, MACH LIMONADE DARAUS!

Die meisten Menschen kennen mich als die großmäulige, kleine, unschlagbar gute griechische Autoverkäuferin.

Dabei bin ich gar nicht in Griechenland, sondern in Solingen geboren, mitten in Nordrhein-Westfalen, als Tochter griechischer Einwanderer und als drittes Kind der Familie. Aufgewachsen bin ich im Bergischen Hof auf der Wittkullerstraße, einer Gaststätte neben einer der großen Stahlfabriken der Stadt, die vor allem für ihre Klingen und Messer bekannt ist. Der Bergische Hof war mein Kinderzimmer, mein Spielplatz und mein Wohnzimmer, denn meine Eltern waren die Pächter und verbrachten jede Menge Zeit hinter dem Tresen. Wir hatten keinen Ruhetag, sondern von Montag bis Sonntag, morgens um acht bis nachts um zwei geöffnet, manchmal auch länger, bis der letzte Gast vom Barhocker fiel. Lediglich im Sommer machten wir für ein paar Wochen dicht, dann hatten auch die meisten aus dem Stahlwerk nebenan frei, und wir fuhren nach Griechenland zu den Familien meiner Eltern.

Doch die meiste Zeit meiner Kindheit verbrachte ich im Bergischen Hof, irgendwo zwischen Bierdeckeln und Colakisten. Und zwar wortwörtlich. Wenn meine Mutter nämlich keine Zeit hatte, mich zu stillen, legte sie mich einfach auf die Arbeitsplatte in der Küche und stellte links und rechts zwei Colakisten darauf, damit ich nicht runterkullern konnte. Dann stopfte sie ein Kissen unter mich und befestigte die Milchflasche so, dass ich allein trinken konnte – und sie weitere Biere für ihre Gäste zapfen.

Mein älterer Bruder Kosta ist dreizehn Jahre älter als ich, meine Schwester Simela sechs. Ich bin nicht nur das Nesthäkchen, ich war auch alles andere als geplant und wurde, vielleicht auch deswegen, nicht verhätschelt. Meine Eltern hatten nicht viel Zeit für mich. Meine Mutter schmiss den Laden, machte Besorgungen, stand in der Küche und schrie die Lieferanten an, mein Vater war in der Kneipe und saß bei der Kundschaft – die griechische Art, wie sich der Herr des Hauses um Gäste kümmert.

Bis 1979 hatten die Petridous nur zwei Kinder – für griechische Verhältnisse quasi eine Kleinstfamilie –, planten jedoch keinen weiteren Nachwuchs und wollten sich gerade als Gastronomen selbstständig machen. Kosta war schon in der Pubertät, Simela aus dem Gröbsten heraus, sie führten einen Kiosk und liebäugelten mit der Idee, die Pacht einer Gaststätte zu übernehmen. Und ausgerechnet da entschied das Schicksal, dass der Familie Petridou noch einmal Nachwuchs ins Haus stehen sollte.

Das kümmerte meine Mutter natürlich erst einmal wenig. Sie arbeitete sprichwörtlich bis zu dem Moment, als ihr die Fruchtblase platzte. Dann flitzte sie nach oben in den zweiten Stock, wo eine andere Griechin mit ihrer Familie wohnte, und sagte zu ihr: „Anastasia, es ist so weit. Das Baby kommt. Kannst du bitte auf Kosta und Simela aufpassen, wenn sie von der Schule kommen? Ich bin bald wieder zu Hause, ich muss nur schnell das Kind kriegen.“

Anschließend veratmete sie eine Wehe und machte sich auf den Weg. Im Gegensatz zu heute, wo Frauen schon Wochen vor dem errechneten Termin eine gepackte Tasche fürs Krankenhaus in der Ecke stehen haben, war meine Mutter auf nichts vorbereitet. Sie hatte ja schon zwei Kinder auf die Welt gebracht, also hatte sie nicht vor, über Nacht im Krankenhaus zu bleiben. Zudem war es seinerzeit nicht üblich, dass die Väter den Geburten beiwohnten, und allzu lange wollte sie ihre Familie auch nicht allein lassen. Keuchend und schwer atmend schleppte sie sich also den Weg zum Krankenhaus hinauf.

Solingen gehört zum Bergischen Land und ist entsprechend hügelig. Um von der Frankenstraße zum Städtischen Klinikum zu kommen, ist eine gute Kondition von Vorteil. Nun ja, und es ist natürlich auch nicht schlecht, wenn man nicht gerade kurz davor ist, ein Kind zu entbinden, und alle zehn Minuten stehen bleiben muss, um die Schmerzen zu veratmen. Selbstverständlich hätte meine Mutter auch ein Taxi nehmen können, aber auf die Idee kam sie gar nicht, es waren ja nur dreieinhalb Kilometer. Stattdessen marschierte sie den Weg zum Krankenhaus mehr oder weniger stramm und lief durch den Haupteingang hinein, um wenige Stunden später mit einem frisch verpackten Neugeborenen wieder zu Hause anzukommen – selbstredend zu Fuß.

Leider war mein Vater in den ersten Wochen meines Daseins nicht sonderlich an mir interessiert. Er war enttäuscht, weil ich kein Junge geworden war – außerdem war er stinksauer auf meine Mutter, dass sie sich bei der Wahl meines Namens über seinen Wunsch hinweggesetzt hatte.

In Griechenland ist es üblich, den Erstgeborenen nach dem Vater des Vaters, die erste Tochter nach der Mutter des Vaters zu benennen. So sind Kosta und Simela zu ihren Namen gekommen. Die zweite Tochter bekommt normalerweise den Namen der Großmutter mütterlicherseits. Gleiches Recht für alle, das gilt vor allem in Hellas, der Wiege der Demokratie. Allerdings hatte mein Vater meiner Mutter ein paar Wochen vor meiner Geburt erklärt, dass ich, falls ich es denn wagen sollte, ein Mädchen zu werden, nach seiner Lieblingsschwester benannt werden sollte: Despina.

Das fand meine Mutter gar nicht gut. Immerhin hießen ihre beiden anderen Kinder schon wie die Eltern des Gatten, außerdem fand sie den Namen ihrer Mutter schön, Panagiota, der übrigens „die Mutter Gottes“ bedeutet – ganz bescheiden. Da mein Vater am Tag meiner Geburt nicht in der Nähe war, beschloss meine Mutter in ihrer typisch pragmatischen Art, das Kind einfach nach ihrem Wunsch, ergo ihrer Mutter zu benennen.

Der Ärger meines Vaters konnte dann auch nichts mehr ausrichten. Die Sache war gelaufen. In der Geburtsurkunde stand Panagiota, und mochte er auch toben wie Zeus, aus der Mutter Gottes wurde so schnell keine Despina mehr – ohnehin „nur“ eine Tochter Poseidons.

Meine Familie bestand nicht nur aus meinen Eltern und meinen älteren Geschwistern. Die Stammgäste des Bergischen Hofs standen mir mindestens genauso nahe wie all diejenigen, die den Namen Petridou trugen – vielleicht sogar näher, zumindest als Kosta und Simela, mit denen ich vor allem wegen des großen Altersunterschieds wenig zu tun hatte. Viel mehr Zeit verbrachte ich mit Herrn Weiß, Karl-Heinz, Icke, Roland und dem Göhre, die heute fast alle nicht mehr leben, weil sie entweder an Leberzirrhose oder Herzinfarkten verstorben sind. Diese Männer waren ja damals schon hundert Jahre alt, zumindest aus meiner Perspektive.

Jeden Tag um siebzehn Uhr kam die „Familie“ in den Bergischen Hof, genehmigte sich bis zum Zapfenstreich elf bis vierundzwanzig Alt Schuss, also ein Bier mit einem Kümmerling, einem Gläschen Mariacron oder einem Fernet-Branca dazu. Ich war von Geburt an ebenfalls zugegen, da meine Geschwister keine Lust hatten, auf mich aufzupassen, und meine Eltern sich keinen Babysitter leisten konnten oder wollten. Von Tagesmüttern und Kindertagesstätten oder ähnlichen Einrichtungen für Kleinkinder hatte man zu Beginn der Achtzigerjahre in Deutschland sowieso noch nichts gehört. Es war üblich, sein Kind dorthin mitzunehmen, wo man eben hinging, auch wenn das der Platz hinter dem Zapfhahn war.

Weil ich unsere Gäste von klein auf kannte, konnte ich ihnen, als ich etwas älter war, an der Nasenspitze ansehen, wenn sie einen schlechten Tag hatten. Und so kam es, dass ich mich manchmal, wenn ich das Gefühl hatte, einer der Männer könnte ein bisschen Zuspruch, vielleicht auch nur ein offenes Ohr brauchen, auf den Schoß setzte und fragte: „Kalle, was ist los? Hattest du keinen guten Tag?“

Und Kalle, Icke, Herr Weiß und wie sie alle hießen, begannen zu erzählen. Ich erfuhr viel in dieser Zeit. Über das Leben und die Menschen. Ich wusste, wem die Frau davongelaufen war, wie der Gesundheitszustand eines jeden aussah, wer immer noch darauf wartete, von seinem Vorarbeiter endlich mal gelobt zu werden. Ich war nicht nur die Tochter meiner Eltern, ich war auf eine bestimmte Art das Kind aller Stammgäste im Bergischen Hof. Ich holte ihnen Zigaretten am Automaten, warf fünf Mark in den Spielautomaten nach oder kreidete die Queues vom Billardtisch ein.

Weil meine Mutter der Meinung war, dass man sich in Deutschland meinen Namen nicht so gut merken konnte, wurde ich von ihr und den Gästen „Jutta“ statt Panagiota genannt. Meine Schwester ereilte übrigens dasselbe Schicksal, sie war im Bergischen Hof nur als Melanie, nicht als Simela bekannt.

Gerufen wurde ich in der Kneipe in Wirklichkeit aber fast immer bei einem meiner Spitznamen: „Kleines Teufelchen“ oder „Fritzchen“, weil ich mit meinen wilden, dunklen Augenbrauen, den kullerrunden blauen Augen und der Paul-McCartney-Gedächtnisfrisur wie ein kleiner Junge aussah. Mama fand die kurzen Haare für mich prima, da sie mich vor Läusen bewahrten, ungeachtet der Tatsache, dass sich unser Leben nicht mehr im Dorf zwischen Eseln und Hunden abspielte. Ich gehörte zum Inventar des Bergischen Hofs, genau wie der Flipperautomat in der Ecke und die Wandverkleidung Marke Eiche rustikal, mein Vater mit Zigarette und Zeitung an der Theke oder die Musikbox mit all den tollen Schlagern, die ich bis heute alle auswendig kenne. Da Da Da.

So sehr mich die Gäste liebten, so sehr ging ich meinen Eltern, vor allem meiner Mutter, auf den Keks. Oft verjagte sie mich aus der Küche und rief: „Panagiota, du Teufelsbraten, geh hoch in die Wohnung oder draußen spielen! Du bist mir im Weg, ich kann nicht arbeiten, wenn du dich die ganze Zeit hier herumtreibst!“

Aber ich hatte keine Lust, allein in der Wohnung zu sein. Die drei Zimmer über der Gaststätte, in denen wir wohnten, waren spartanisch eingerichtet: Bett, Schrank, Tisch. Es gab keine bunten Teppiche in meinem Kinderzimmer, keine Motivtapeten und bedruckten Vorhänge. Ich hatte Spielzeug, aber es war nicht viel, denn meine Mutter hielt nichts davon, ihre Kinder zu verziehen – außerdem hatte sie, nachdem meine Schwester für die meisten Sachen zu alt oder groß geworden war, alles weggegeben, weil sie nicht mehr davon ausgegangen war, noch einmal Nachwuchs zu bekommen.

Ich muss vier oder fünf Jahre alt gewesen sein, als ich meiner Mutter unten in der Kneipe einmal so lange auf den Geist ging, bis sie mich nach oben in die Wohnung schickte und mir auftrug, mich mit mir selbst zu beschäftigen.

„Geh spielen, Panagiota“, rief sie zornig, „und komm mir heute nicht mehr zwischen die Füße!“

Beleidigt stampfte ich durch die Kneipe, vorbei an der Theke und an meinem Vater, der sich auf keinen Fall zuständig für mich fühlte, trampelte die Stufen nach oben und verkroch mich in das Zimmer, das ich mir mit meiner Schwester teilte. Bald wurde mir aber langweilig, also streifte ich durch die Wohnung auf der Suche nach einer Beschäftigung. In der Küche fand ich etwas, mit dem ich spielen konnte: eine Fünf-Kilo-Packung Biskin-Pflanzenfett für die Fritteuse. Es war eine Großpackung aus der Kneipe.

Ich öffnete die Verpackung und versuchte, einen Finger in das weiße Fett zu drücken, das durch die Zimmertemperatur recht weich geworden war. Anstatt nachzugeben, brach das Fett jedoch ab und ich hielt ein Stück Biskin in der Hand. Es war flutschig und irgendwie angenehm zwischen den Fingern, und ich begann, die Front des Küchenunterschranks damit einzureiben. Warum? Nun ja. Keine Ahnung. Es kam mir irgendwie … richtig vor.

Nachdem ich mit dem Unterschrank fertig war, brach ich ein größeres Stück Fett ab und nahm mir den Boden vor. Ich rieb ihn akribisch mit Biskin ein und knöpfte mir dann den Rest der Küche vor. Danach war das Wohnzimmer dran. Ich schmierte Fett auf den Fernseher, auf den Teppich, zwischen die Ritzen der Sofakissen, an die Tapeten, auf die Türen und alles, was nicht bei drei auf dem Baum war. Alles erhielt den wunderschönen Schmierfilm von Biskin. Alles. Spiegel, Holz, Stoff. Meine Mutter ließ mich für Stunden da oben allein, und wäre ich sie gewesen, mir wäre die Stille verdächtig vorgekommen. Sie war vermutlich froh, dass ich sie nicht mehr in der Gaststätte nervte, außerdem hatte sie jeden Abend so viel um die Ohren, dass sie mit großer Wahrscheinlichkeit einfach vergessen hatte, dass ich eine Etage drüber in der Wohnung war, und erst recht ahnte sie nicht, dass ich die Wohnung gerade in eine cremeweiße Fettlandschaft verwandelte.

Irgendwann jedoch sah sie doch nach dem Rechten. Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen, wie sie plötzlich in der Tür zum Wohnzimmer stand (ich war gerade damit beschäftigt, einen Bilderrahmen mit Biskin zu versehen), das Gesicht zu einer stummen Maske des Entsetzens verzogen, die Augen weit aufgerissen.

„Panagiota!“, rief sie nur atemlos.

Als ich ihre Miene sah, war mir sofort klar, dass ich etwas ganz, ganz Schlimmes getan hatte. Meine Mutter gehört zu der Sorte Mensch, die sofort hochgehen kann wie eine Rakete. Wenn ihr einmal die Worte fehlen, ist die Kacke meistens richtig am Dampfen. Und nun war die ohnehin recht kurze Zündschnur abgebrannt – und es würde unweigerlich der große Knall folgen.

Doch ich tat etwas, was mir vermutlich das Leben rettete: Ich ahmte meine Mutter nach. In Griechenland gibt es einen Ausruf, „Uchi!“, der in etwa „Mein Gott!“ heißt. Als ich also meine Mutter da in der Tür stehen sah, weiß wie die Wand vor Entsetzen, schmiss ich den verbliebenen Klumpen Biskin in die Ecke, schlug die Hände vors Gesicht und rief ganz laut: „Uchi!!!“ Genau wie sie es immer tat, wenn irgendwo etwas umfiel oder zerdepperte.

Mama riss die Augen noch weiter auf – dann jedoch fing sie an zu lachen. Sie lachte so sehr, dass ihr bald schon die Tränen über die Wangen liefen. Fassungslos lief sie durch die Wohnung und betrachtete mein „Werk“, wobei ich langsam hinter ihr herlief, immer darauf bedacht, ihr nicht allzu nahe zu kommen. Als sie sah, dass ich das Biskin sogar in den Spalt zwischen den Matratzen des Ehebetts gestopft hatte, drehte sie sich zu mir um und sagte: „Du bist ein Satansbraten, Panagiota, ein richtiger kleiner Teufel!“

Später verriet sie mir: „Dass du mich zum Lachen gebracht hast, hat dir das Leben gerettet, Kind. Ich hätte dich umgebracht, wenn du mich nicht nachgemacht hättest.“

Es war das letzte Mal, dass sie mich allein in der Wohnung ließ. Sie hatte ihre Lektion gelernt. Von da an hieß es: Geh draußen spielen! Und ich habe daraus gelernt, auch in brenzligen Situationen stets den Humor zu bewahren – er kann zuweilen dein Leben retten.

Die Wohnung, in der wir lebten, war wirklich kein besonders heimeliger Ort. Unsaniert, runtergewohnt und meistens kalt. Die Toilette befand sich nicht auf unserem Stockwerk, sondern im Innenhof hinter der Kneipe. Ich erinnere mich noch gut daran, wie viel Respekt ich als Pimpf vor den vielen Stufen hatte. Es fühlte sich immer wie eine halbe Weltreise an, aus der Wohnung in den kalten Hausflur und die vielen, vielen steilen Stufen hinunter (immerhin war es ein Altbau) bis zu der Tür zu laufen, die in den kleinen Hof führte. Dort befanden sich linkerhand zwei Sanitäranlagen, einmal für Frauen, einmal für Männer. Nicht nur die Kneipengäste verrichteten dort ihr Geschäft, auch meine Familie und der Rest des Hauses teilten sich das stille Örtchen. Wenigstens hatten wir in der Wohnung einen Eimer, damit ich nicht wegen jeder Pipipause die anderthalb Stockwerke nach unten marschieren musste.

Wenn ich nun aber schon einmal die vielen Stufen hinuntergelaufen war, lag es auf der Hand, dass ich auf dem Rückweg einmal in der Gaststätte vorbeischaute. Dort war es fast immer wärmer als oben, weil Leute da waren und meine Eltern in den Wintermonaten durchgehend heizten, außerdem war es auch viel spannender als in meinem Kinderzimmer. Also versteckte ich mich oft unter den Tischen, in der Hoffnung, meine Mutter möge einfach vergessen, dass ich immer noch im Gastraum war. Meistens tat sie das nicht. Allerdings ließ sie mich, solange ich ihr nicht zu sehr im Weg war, in meinem Versteck sitzen. Wenn einer von den Stammgästen die Kneipe betrat und fragte: „Wo ist denn das Teufelchen?“, antwortete sie: „Da, unter dem Tisch. Aber sie soll nicht wagen, darunter hervorzukommen.“

Ich saß stundenlang auf meinem Posten und beobachtete, was geschah. Manchmal, wenn es zu kalt wurde, kuschelte ich mich an die Wade des Gastes, der auf einem Stuhl über mir saß. Das konnte Karl-Heinz sein, Roland oder jemand, den ich gar nicht kannte. Meistens war es einer der Arbeiter, die nichts dagegen hatten, wenn ich mir meine Portion Zuneigung bei ihnen abholte … oder bei ihrer Wade. Ich glaube, dass die wenigsten überhaupt etwas davon mitbekamen. Denn sie saßen dort eine halbe Ewigkeit, ohne sich zu bewegen, manchmal den ganzen Abend lang, wie griechische Statuen. Vielleicht waren sie eingeschlafen, vielleicht auch einfach schon zu betrunken, um noch etwas mitzubekommen, auf jeden Fall wurde ich kein einziges Mal von einem Wadenbesitzer vertrieben.

Meiner Mutter war meine Bereitschaft, mich unseren Gästen an den Hals beziehungsweise den Unterschenkel zu werfen, ziemlich suspekt. „Eines Tages“, pflegte sie mehr als einmal zu sagen, „eines Tages wird dieses Kind einfach weg sein. Verschwunden, mitgenommen von einem unserer Gäste.“

Sie hatte nicht unrecht, ich besaß eine übermäßige Vertrauensseligkeit, aber für eine Dreijährige auch eine gute Intuition, Freund von Feind zu unterscheiden.

Außerdem war meine Mutter der Überzeugung: „Wer dieses Kind mitnimmt, wird es am nächsten Tag sowieso wieder zurückbringen.“

Wenn es Zeit war, die Kneipe zu schließen, brachte ich die Männer oft nach Hause. Sie wohnten alle in der Nachbarschaft, meist nur ein paar Häuser oder Straßen von uns entfernt. Es waren arme Schlucker, verlorene, einsame Seelen, die sich in der Gesellschaft der anderen verstanden und aufgenommen fühlten. Ich mochte jung sein, aber ich begriff, wie allein sich die meisten von ihnen fühlten, weshalb ich ihnen so oft wie möglich Gesellschaft leistete und sie nach ihrem Leben fragte. Die meisten waren dankbar für das bisschen Aufmerksamkeit, das ich ihnen schenkte, und erzählten bereitwillig von ihren Sorgen und Nöten.

Ich lernte eine Menge. Ich glaube, dass ich in den ersten sechs Jahren meines Lebens am meisten über die Menschen lernte. Vor allem meine Mutter dabei zu beobachten, wie sie die einzelnen Gäste mit ihren unterschiedlichen Bedürfnissen behandelte, half mir zu verstehen, wie Menschen ticken. Manchmal sah ich, wie Mama mit dem einen derbe Witze riss, dem nächsten schweigend ein Alt vor die Nase stellte und einem Dritten tröstend die Hand auf den Rücken legte, während sie ihm das Abendessen servierte. Sie kannte ihre Stammgäste und wusste genau, wie sie auf wen reagieren musste, um jedem einzelnen ein gutes Gefühl zu geben. Indem ich sie beobachtete, kapierte ich, was ich tun musste, wenn ich wollte, dass Menschen sich in meiner Gegenwart wohlfühlten und sich mir anvertrauten – um im Gegenzug Nähe und Zuneigung von ihnen zu bekommen.

In den Kindergarten kam ich mit drei Jahren. An meinem ersten Tag, es war Juli, und ich hatte gerade erst Geburtstag gehabt, brachte mich meine Mutter mit dem Auto dorthin.

„So“, sagte sie, als sie den Wagen parkte. „Das ist der Kindergarten, Panagiota.“

Ich machte große Augen. „Wie lange muss ich hierbleiben?“

„Den ganzen Tag.“

„Den ganzen Tag?“, schrie ich entsetzt. „Wie lange ist das?“

„Na ja …“ Meine Mutter dachte nach. „Also, du bleibst, bis sie die Stühle auf die Tische stellen und zu putzen anfangen. Vorher will ich dich nicht zu Hause sehen, verstanden?“

Wenn ich heute davon höre, dass sich Freunde, die Nachwuchs im Kindergartenalter haben, zwei Wochen von der Arbeit freinehmen, um ihre Kinder an die neue Umgebung zu gewöhnen, muss ich mir manchmal das Lachen verkneifen. Meine Mutter war viel zu pragmatisch für so was. Zu ihrer Verteidigung sei gesagt, es waren die Achtziger, da hatte kein Mensch Zeit für „Kindergarteneingewöhnung“, vermutlich gab es das Wort auch noch gar nicht. Stattdessen lieferte mich meine Mutter bei den Kindergärtnerinnen ab und bläute mir noch einmal ein, dass ich bloß keinen Unsinn anstellen solle. Dann drehte sie sich um und sagte zu der großen Frau, die sich als Frau Bosch vorgestellt hatte: „Passen Sie gut auf diesen kleinen Teufel auf. Die ist brandgefährlich!“ Und verschwand.

Ich brauchte weniger als eine Minute, um mich zu verdünnisieren. In einem unbeobachteten Moment – es war der erste Tag und es gab viele neue Kinder, also war das Chaos gewaltig und niemand nahm so richtig Notiz von mir – büxte ich einfach aus und marschierte durch die Eingangstür hinaus. Über einen Schleichweg rannte ich zurück nach Hause. Ich wollte nicht im Kindergarten bleiben! So viele fremde Kinder und diese große Frau, die auf einmal das Sagen hatte, dabei sagte mir doch sonst niemand, was ich zu tun hatte. Ich war an Kalle, Icke und Herrn Weiß gewöhnt, an die Arbeiter aus der Stahlfabrik Grossmann, an meine Mutter hinter dem Tresen und meinen Vater auf einem Barhocker davor, umringt von mehreren Tageszeitungen, die er stundenlang studierte, immer mit einer qualmenden Roth-Händle ohne Filter in der Hand.

Kinder? Noch dazu in meinem Alter? Bastelsachen? Spielzeuge? Das war nicht meine Welt. Bloß weg hier!

Also rannte ich, so schnell mich meine kurzen Beine trugen, nach Hause. Weil ich eine Abkürzung nahm, kam ich sogar noch vor meiner Mutter zu Hause an und saß schon auf der Treppe vor dem Eingang zum Bergischen Hof, als sie um die Ecke bog.

Sie ließ das Fenster der Beifahrertür runter und rief: „Du kleiner Teufel! Warum bist du nicht im Kindergarten?“

„Ich will nicht in den Kindergarten!“, rief ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Als ob das irgendwas genützt hätte.

Meine Mutter sprang aus dem Auto, verfrachtete mich auf den Rücksitz und brachte mich zurück in die Einrichtung, wo ich einen ganzen Tag lang unter dem Aquarium verbrachte und mich versteckte. Vor den anderen Kindern, aber auch vor der furchteinflößenden Frau Bosch, die mit ihrer gurrenden und säuselnden Stimme auf mich einredete.

Glücklicherweise legte sich meine Aversion gegen den Kindergarten schon bald. Als ich nämlich begriff, dass es das Land der unbegrenzten Möglichkeiten war. Und zwar nicht etwa wegen der anderen Kinder, Spielgefährten oder Bastelarbeiten, oh nein. Sondern wegen der anderen Eltern.

Meine Mutter hatte mir ja sehr deutlich gemacht, dass ich es besser nicht wagen sollte, vor Schichtende im Kindergarten daheim aufzuschlagen. Also hatte ich jede Menge Zeit, die anderen Eltern dabei zu beobachten, wie sie ihren Nachwuchs am Nachmittag abholten.

Am Anfang war ich baff. Nicht nur, dass die meisten Kinder nicht allein nach Hause laufen mussten, sondern einen persönlichen Shuttle-Service durch ihre Eltern bekamen, die sie mit einem geflöteten „Hallo, mein Schatz!“ begrüßten. Die Mütter und Väter nahmen sich auch noch die Zeit, die Taschen abzulegen und die Jacken auszuziehen, sich auf einen der kleinen Stühle sinken zu lassen und sich anzuschauen, was ihre Kinder am Tag so produziert hatten. Wasserfarbenbilder. Kastanienmännchen. Aus Konservendosen gebastelte Roboter. Alles wurde bewundert.

„Oh, Sabine, das hast du aber toll gemacht!“, hörte ich ein ums andere Mal. Oder auch: „Mensch, Carsten! Hast du das ganz allein gebastelt?“

Und während ich so dasaß und die Eltern von Sabine und Carsten beobachtete, sah, mit wie viel Liebe und Zuneigung sie die hässlichen Fabrikate ihrer Kinder betrachteten, wie sie eine halbe Stunde dort sitzen blieben und weiter an den Bildern ihrer Kinder arbeiteten, spürte ich das Verlangen, das meine Mutter dasselbe mit mir tat.

Also fragte ich meine Kindergärtnerin, Frau Bosch: „Meinst du, meine Mama freut sich, wenn ich ihr meine Sachen zeige?“

„Aber klar, Panagiota“, meinte Frau Bosch. „Du hast dir doch so viel Mühe gegeben beim Malen und Basteln. Nimm alles mit und zeig es deiner Mama, sie wird sich bestimmt riesig freuen.“

Pädagogen … Frau Bosch hatte natürlich keine Ahnung, wie meine Mutter so drauf war, als griechische Einwanderin, aufgewachsen mit sieben Geschwistern am Arsch der Heide, irgendwo hinter Thessaloniki im Dorf Lefkouda. Die Familie meiner Mutter war, nachdem ihr Vater vier Jahre nach ihrer Geburt gestorben war, so arm, dass sich meine Großmutter sogar dazu entschlossen hatte, ein Kind zur Adoption freizugeben. Meine Mutter hat, genau wie ihre Geschwister auch, in ihrer Kindheit großen Hunger erlitten, da ihre Mutter es kaum fertigbrachte, für alle genug auf den Tisch zu bringen. Eine liebevolle Erziehung? Pädagogisches Feingefühl? Pustekuchen! Es ging nur darum, satt zu werden. Meine Mutter hat keinen blassen Schimmer von Pädagogik und wusste wahrscheinlich noch nicht einmal, warum es für Kinder wichtig ist, in den Kindergarten zu gehen. Oder das Malen zu lernen. Bis heute bin ich nicht in der Lage, auch nur ein Strichmännchen anständig hinzubekommen, und meine Handschrift ist eine Sauklaue. Schönschreiben? Das interessierte bei uns daheim nicht. Deswegen kritzele ich wie ein verrückter Professor, krakelig und verwackelt. Geburtstags- und Glückwunschkarten gestaltet mein Freund, ich darf maximal meine unleserliche Signatur daruntersetzen.

Natürlich sind an meinem mangelnden Zeichen- und Schreibtalent nicht allein meine Eltern schuld. Sie ermunterten mich allerdings nie, zu malen oder zu zeichnen, weil sie darin keine nützliche Fähigkeit erkannten, die mich eines Tages einmal weiterbringen würde. Sie waren stets darum bemüht, die Grundbedürfnisse meiner Geschwister und mir abzudecken, uns etwas zu essen, zu trinken, ein Dach über dem Kopf und ein Bett zum Schlafen zu bieten. Und verglichen mit ihrem spartanischen, ja armseligen Leben in Griechenland sahen uns meine Eltern aufwachsen wie die Made im Speck. Ein eigenes Zimmer, ein eigenes Bett, zwei warme Mahlzeiten am Tag, Schulbildung, Sommerferien in Griechenland … Was konnte man einem Kind eigentlich noch geben? Es bekam doch schon alles, was sie selbst nie gehabt hatten, und noch tausend Mal mehr.

Ich verstehe meine Eltern. Sie haben alles für uns gegeben, wanderten in ein fremdes, kaltes Land fernab der eigenen Familie aus, in eine komplett andere Kultur, lernten eine neue Sprache und versuchten, sich irgendwie durchzuschlagen, und zwar nur, damit ihre Kinder es einmal besser haben als sie. Man darf nicht vergessen, dass meine Mutter und mein Vater keine besondere Schulbildung genossen hatten. Mama war vier Jahre in der Schule, Papa ganze sechs. Griechenland war nach dem Krieg noch nicht so weit entwickelt wie die westeuropäischen Länder. Während Deutschland fünfzig Jahre „Zeit“ hatte, sich von der Großelterngeneration, die nur Lesen und Schreiben lernte, über die soliden Handwerksberufe und Ausbildungen der Eltern bis zu den Akademikerkindern zu entwickeln, gab es in ärmeren Ländern wie Griechenland, Spanien und Italien oft größere Entwicklungssprünge innerhalb nur weniger Jahre. Das prägt, nicht nur eine Nation, sondern auch Familien, denn eine Mutter, die selbst Hunger erlitten hat, wird nicht verstehen, warum sie ihr Kind zur musikalischen Früherziehung schicken sollte.

Meine besonderen Talente, wie auch immer die ausgesehen haben könnten, wurden demnach nicht gefördert, zumindest nicht direkt – was nicht heißt, dass ich mich nicht entwickelte. Doch ich ging nicht zum Ballettunterricht für Kleinkinder und lernte auch keine exotische Sprache im Grundschulalter. Für solchen Schnickschnack hatten die Petridous einfach keine Zeit und auch kein Verständnis. Und natürlich gehörten meine Kunstwerke auch zu diesem Schnickschnack.

Insofern fiel die Reaktion meiner Mutter auf meine Bastelwerke auch ganz und gar anders aus, als Frau Bosch es mir versprochen hatte.

Ich nahm alles, was ich in den letzten Wochen produziert hatte, aus dem Fach, über dem das Bild eines kleinen Wildschweins klebte. Jedem Kind war ein Tier zugeordnet worden, und mir hatte man, warum auch immer, ein Wildschwein gegeben. Auf jeden Fall räumte ich das gesamte Fach leer, stapelte all die gewellten Papiere, die gefalteten Vögel, die Pfeifenputzer-Schmetterlinge und das Haus aus Klopapierrollen aufeinander und machte mich auf den Nachhauseweg.

Der Weg war lang. Zumindest fühlte er sich sehr lang an. Ich musste den Hindenburgplatz überqueren, der mir wie eine nicht enden wollende, geteerte Wüste vorkam. In der Ferne konnte ich die Baumreihen und Büsche erkennen, die die Grenze zur Wiesenstraße markierten, in der wir wohnten. Es war Spätherbst, der Wind blies mir kalt ins Gesicht und zerrte an den Papieren in meiner Hand. Doch ich ließ mich nicht unterkriegen, und mochte es der Olymp sein, den ich zu erklimmen hatte, um meiner Mutter zu zeigen, was ich im Kindergarten gemacht hatte.

Ich marschierte weiter. Ein paar Mal musste ich anhalten, um meine Bastelerzeugnisse neu zu stapeln oder anders zu greifen, weil sie mir andauernd aus der Hand rutschten. Denn natürlich hatte ich mich nicht mit einer Auswahl der besten Kunstwerke zufriedengegeben, ich wollte daheim restlos alles zeigen, um die maximale Bestätigung zu bekommen.

Irgendwann kam ich erschöpft, aber glücklich zu Hause an und drückte mit meinem mickrigen Gewicht die Tür zur Gaststätte auf. Verrauchte, bierdunstgeschwängerte Luft schlug mir entgegen.

„Mama, Mama! Ich muss dir was zeigen!“

Meine Mutter kam aus der Küche. Der Mittagsansturm war seit ein paar Stunden vorbei – er war die schlimmste Zeit des Tages, in der man meinen Eltern am besten nicht zwischen die Füße kam. Um Punkt zwölf klingelte nämlich drüben bei Grossmann die Glocke, und es marschierten mal eben einhundert Männer in den Bergischen Hof, die in einer Stunde sechs Bier, vier Frikadellen und zwei Schnitzel pro Nase verputzten, um dann gestärkt in den Nachmittag zu gehen. Heißt: Zwischen zwölf und eins brannte bei uns die Hütte, danach blieb es ein paar Stunden ruhig, bis die zweite Schichthälfte in der Stahlfabrik vorbei war und der Bergische Hof wieder aus allen Nähten platzte. Doch Mama musste jetzt schon alles vorbereiten, wenn sie später hinter dem Zapfhahn stehen wollte. An ihren Fingern klebte Hackfleisch, und sie wirkte gestresst. In dreißig Minuten war bei Grossmann Feierabend.

„Was ist los, Panagiota?“

„Ich hab dir was mitgebracht.“ Stolz legte ich alle Basteleien auf einem der Tische ab und breitete die Papiere vor den Augen meiner Mutter aus. „Hier, das haben wir letzte Woche gemalt.“ Ich zeigte auf ein Bild, auf dem ich ein Ahornblatt mithilfe von Wasserfarben in einen Pfau verwandelt hatte. „Und das da ist ein Roboter.“ Ich hielt ihr das krumme Konservendosen-Männchen unter die Nase.

Meine Mutter starrte erst die Bastelarbeiten, dann mich an. Schließlich sagte sie, während sie sich das restliche Hackfleisch von den Händen putzte: „Panagiota! In einer halben Stunde rennen mir die Gäste die Bude ein. Und du hast nichts Besseres zu tun, als den Müll aus dem Kindergarten mitzubringen?“

Ich war aufrichtig verwirrt. „Müll?“

„Alte Dosen! Kastanien. Blätter. Was ist das, wenn nicht Müll?“ Sie wandte sich ab. „Schmeiß das weg. Und dann wasch dir die Hände.“

„Aber Mama …“ Ich war verunsichert. Warum bekamen die Sabines und die Carstens ein Lob und die Aufmerksamkeit ihrer Eltern, wenn sie ihre Bilder zeigten, ich jedoch wurde als Müllsammlerin abgetan?

Meine Bastelarbeiten landeten an diesem Tag im Abfalleimer. Und zwar nicht im normalen, sondern im „bösen“ Abfalleimer. Das war der, in den die Scherben kamen – und der für mich absolut rote Zone war. Der böse Abfalleimer war tabu, dem durfte ich mich nicht auf einen Meter nähern. Ich durfte nichts hineinwerfen und erst recht nichts herausholen, denn meine Eltern hatten Angst, dass ich mich an den Scherben schneiden könnte. In diesem schwarzen Loch waren meine gesammelten Werke gelandet. Für immer verloren. Hinfort.

Ich fing an zu weinen. Ich hatte mir so viel Mühe gegeben! Und ich hatte alles den langen Weg über den Hindenburgplatz bis in den Bergischen Hof geschleppt.

Meine Mutter sah mich verdutzt an. „Panagiota, warum weinst du denn jetzt?“ Sie schien wirklich nicht zu begreifen, warum ich traurig war. Stattdessen stemmte sie die Hände in die Hüften. „Hör mal, du weißt doch, dass wir immer ganz viel Müll haben wegen der Kneipe.“

Ich nickte.

„Siehst du. Und deswegen muss ich den Müllmännern immer zwei Kästen Bier hinstellen, damit sie unseren extra Müll mitnehmen. Das weißt du doch auch, oder?“

Wieder nickte ich.

„Und wenn du jetzt Papier und Klopapierrollen und Pfeifenputzer und andere Sachen aus dem Kindergarten mitbringst, dann muss ich den Müllmännern noch mehr Bier hinstellen, damit sie alles mitnehmen. Verstehst du das?“

Hm. So hatte ich die Sache noch gar nicht betrachtet. Ich bekam ja mit, wenn Mama den Männern in Orange das Bier gab. Und ich wusste auch, warum sie das tat. Und jetzt hatte ich ihr also noch viel mehr Müll nach Hause gebracht, und sie musste noch mehr Bier an die orangefarbenen Männer abgeben.

Noch einmal regte sich Widerstand in mir. „Aber Mama, das ist doch gar kein Müll.“ Ich schielte in Richtung des bösen Abfalleimers. „Das sind meine Bilder für dich.“

Meine Mutter seufzte. „Panagiota, mein Schatz, du hast Klopapierrollen und alte Pfeifenputzer mit nach Hause gebracht. Natürlich ist das Müll!“

Ich hatte aufgehört zu weinen, denn offensichtlich meinte meine Mutter es nicht böse, wenn sie meine Bastelarbeiten wegwarf. Ich konnte ihr also ebenfalls nicht wirklich böse sein – sie hatte mir schließlich ganz ruhig erklärt, warum ich mit keiner anderen Reaktion zu rechnen hatte.

In der Zwischenzeit hat meine Mutter übrigens gelernt, dass man im Kindergarten nicht mit Müll spielt, sondern aus allen möglichen und vor allem kostenlosen Materialien bastelt, und sie weiß mittlerweile auch, dass die kreative Förderung von Kindern wichtig ist. Die selbst gemalten Bilder ihrer Enkelkinder hängt sie nämlich alle auf. Als ich vor Jahren zum ersten Mal bemerkte, dass in ihrer Wohnung überall Kritzeleien der Kinder meines Bruders hängen, war ich wirklich beleidigt und sagte: „Ach so! Den Müll von deinen Enkeln pinnst du dir an die Wände, aber die Kunst deiner Tochter hat dich damals nicht interessiert? Ich durfte nicht mal auf einen Bierdeckel malen, Mama!“

Da zuckte sie nur mit den Schultern und sagte: „Jetzt habe ich keine Kneipe mehr, Jotta. Jetzt hab ich Zeit, mir die Bilder auch anzugucken, und für den Müll muss ich auch nicht mehr mit Bier bezahlen.“

So schnell ließ ich mich aber nicht abwimmeln. „Mama, ich hab dir so viele Sachen aus dem Kindergarten mitgebracht, aber du wolltest nichts davon wissen!“

Da seufzte meine Mutter. „Hattest du nicht immer etwas zu essen? Und etwas zum Anziehen? Und ein Zuhause? Du konntest in die Schule gehen und hast ein gutes Leben.“

Hier endete die Diskussion – es war hoffnungslos. Viel zu oft hatte ich ihr schon versucht zu erklären, wie schwer es für mich als Kind gewesen war, den Spagat zwischen zwei Welten zu machen, was sicher auch kulturell bedingt war. Die eine Welt, mit sich liebevoll um ihre Kinder kümmernden Eltern, und meine eigene, mit Eltern, bei denen ich manchmal annehmen musste, sie hätten mich in einem Weidenkörbchen auf der Türschwelle gefunden und dann irgendwie den Moment verpasst, mich wieder abzugeben.

Außerdem hatte ich in der Zwischenzeit von der Bedürfnispyramide nach Maslow gehört und begriffen, dass meine Mutter meine existenziellen Grund- und meine Sicherheitsbedürfnisse gestillt hatte, mir also Nahrung, Trinken, Schlaf, Wärme, materielle Sicherheit sowie Geborgenheit und Schutz der Person im Laufe meiner Kindheit gegeben hatte. Mehr hatte sie selbst nie erfahren – weswegen es ihr vermutlich auch nicht möglich war, mehr zu geben und meine übergeordneten Bedürfnisse nach sozialer Interaktion, Anerkennung und Wertschätzung zu befriedigen.

Auch aus heutiger Sicht nehme ich es meiner Mutter nicht übel. Sie war selbst nie im Kindergarten, sie hatte keine Ahnung, was ich den ganzen Tag dort trieb – und dass andere Eltern sich vor Begeisterung überschlugen, wenn sie sahen, was ihre Kinder in ihrer Abwesenheit produzierten. Stattdessen beschloss ich schon als Dreijährige, aus der Not eine Tugend zu machen.

Als ich am kommenden Nachmittag die ersten Sabine-Eltern in den Kindergarten kommen sah, rannte ich schnell wie der Wind zu meinem Wildschwein-Fach und holte all das heraus, was ich im Laufe des Tages gemalt und gebastelt hatte. Damit ging ich zu der Mutter, die es sich gerade auf einem der kleinen Hocker bequem gemacht hatte, drückte mich an Sabine oder Carsten oder wie auch immer das Kind hieß, vorbei und legte meine Bilder auf den Tisch.

„Guck mal, was ich gemalt habe“, krähte ich stolz und zeigte auf meine künstlerischen Ergüsse. „Das da ist ein Drache, und das ist das Haus, in dem der Drache wohnt.“

Die Mutter sah mich verdutzt an, berappelte sich jedoch schnell und meinte: „Toll, Panagiota, das sieht ja richtig gut aus. Hast du das ganz allein gemalt?“

Ich nickte eifrig. „Ja. Und ich hab auch ein Schiff gemalt und einen Vogel und einen Marienkäfer.“

Bei meinen Beobachtungen der Eltern war mir nicht nur aufgefallen, dass die schüchternen Kinder oft die nettesten Mütter und Väter hatten. Mir war auch nicht entgangen, dass es immer nur Deutsche waren. Ausländereltern kamen entweder gar nicht in den Kindergarten, um ihre Kinder abzuholen, oder viel zu spät. Außerdem waren die Ausländerkinder wild und ungestüm, oft nicht so gut erzogen wie die Deutschen und so gut wie nie schüchtern. Deswegen suchte ich mir für meine Extraportion Lob immer nur die deutschen Eltern aus, die ich im Geiste bis heute Sabine- oder Carsten-Eltern nenne. (Mögen mir die Sabines und Carstens dieser Welt verzeihen, es ist nicht böse gemeint.)

Natürlich konnte ich den Hals nicht voll genug bekommen. Ich lief also nicht nur zu einer Sabine-Mutter oder zu einem Carsten-Vater, um meine Bilder und Basteleien zu präsentieren, sondern zu allen, die am Nachmittag vorbeikamen, um ihre Kinder abzuholen. Sobald sie den Raum betraten und „Hallo, mein Schatz!“ riefen, rannte ich zum Wildschwein-Fach, zog alles heraus und schubste mich zu dem Elternteil durch. Das machte ich ein paar Mal am Tag und bekam so die Aufmerksamkeit und Anerkennung, nach der ich mich verzehrte.

Dass es nicht meine eigenen Eltern waren, die sie mir angedeihen ließen, störte mich nicht besonders. Ich betrachtete das Ganze eher pragmatisch. Ich wollte Lob, und die Sabine-Eltern hatten mehr als genug im Angebot. Ich wusste ja, dass sie viel zu höflich waren, um mich abblitzen zu lassen – und ihre Kinder viel zu schüchtern, um mich zu vertreiben und mir in einer ruhigen Minute zu erklären, dass ich mir meine Liebe gefälligst bei meinen eigenen Eltern suchen solle. Nach ein paar Wochen hatte ich die Sabine-Eltern sogar so weit, dass sie von sich aus auf mich zukamen und mich fragten, wie mein Tag denn so gewesen sei und was ich alles gebastelt und gemalt hätte.

Im Gegensatz zu Gleichaltrigen, die im Kindergarten lernten, sich die Schuhe zuzubinden oder Raupen aus Weinkorken zu basteln, erhielt ich eine erste Lektion fürs Leben: Du kannst dasitzen und herumjammern, dass alles Scheiße ist, oder du stehst auf und machst Gold daraus.

Natürlich war mir damals nicht klar, dass die Sabine-Mamas und Carsten-Papas vor allem Mitleid mit mir hatten. Das Einzige, was ich sah, waren Erwachsene, die sich mir zuwandten. Und der Zuspruch tat mir gut – also holte ich mir so viel davon, wie ich kriegen konnte. Ich weiß, dass es aus heutiger Sicht so klingt, als wäre ich von meiner Mutter und meinem Vater vernachlässigt worden. Allerdings malochten meine Eltern, vor allem meine Mutter, wie die Besessenen, um mich und meine zwei Geschwister durchzubringen, und eine Gaststätte wie der Bergische Hof lief vielleicht gut, warf allerdings nicht gerade viel ab. Bei den Petridous musste immer alles schnell gehen, und dabei blieben von Zeit zu Zeit die Umgangsformen auf der Strecke.

Ich nahm es sportlich und arrangierte mich mit der Situation. Ich lernte, mir die Bestätigung, die ich brauchte, an anderer Stelle zu holen, und zapfte die Sabine-Mamas und Carsten-Papas nach allen Regeln der Kunst an, um mir ihre Aufmerksamkeit zu sichern. Ich hatte sprichwörtlich verstanden, dass man was aus den Zitronen des Lebens machen konnte: nämlich Limonade.

DIE WAHRE KUNST BESTEHT DARIN, BEIM HINFALLEN SO AUSZUSEHEN, ALS OB MAN ES GEPLANT HÄTTE.

Was ich überdies im Kindergarten lernte: Man wurde nicht nur mit Lob überschüttet, wenn man seine gesammelten Kritzeleien zeigte, man wurde geradezu geliebt, wenn man sich nützlich machte. Egal ob kehren, den Tisch decken, die Spielecke aufräumen oder den kleineren Kindern beim Anziehen der Jacken helfen, Panagiota Petridou war immer die Erste, die „Hier!“ schrie, wenn es irgendwo eine Aufgabe zu erledigen gab.

Dafür wurde ich gemocht, von allen. Von den Erzieherinnen, die meine Hilfsbereitschaft und das Verantwortungsgefühl schätzten, die ich nach und nach entwickelte. Von den fremden Eltern, die mich dabei beobachteten, wenn ich ihren lieben Kleinen zeigte, wie man einen Schnürsenkel bindet. Von den anderen Kindern in meinem Alter, weil ich ihnen Arbeiten abnahm, die sie nicht machen wollten. Plötzlich war ich der Star in der Regenbogen-Gruppe, das beliebteste Mädchen von allen, und ich badete in meinem hart erarbeiteten Ruhm. Ich konnte sehr früh schon vieles allein. Na ja, eigentlich konnte ich schon als Kind fast alles, zwangsläufig.

Ich war vielleicht erst vier Jahre alt, aber ich hatte verstanden, dass es für ein gutes Gefühl sorgte, wenn ich anderen meine Hilfe anbot. Nicht nur wegen der Dankbarkeit, die mir entgegengebracht wurde, sondern auch, weil ich mich nützlich fühlte. Ich saß oder stand nicht irgendwo im Weg herum, wurde angemeckert oder zur Seite geschoben. Nein, ich tat etwas, und diese Taten sorgten dafür, dass ich gemocht wurde. Im Grunde waren meine Kindergartenjahre die logische Weiterentwicklung der langen Nachmittage und Abende im Bergischen Hof, wenn ich mich an die Waden der sich betrinkenden Männer geschmiegt und ihren Problemen gelauscht hatte: Ich hatte mir selbst eine Aufgabe gesucht, etwas, in dem ich gut war, und das sorgte dafür, dass mir Wertschätzung entgegengebracht wurde. Ich habe also wirklich aus der sprichwörtlichen Scheiße Gold gemacht.

Wie jedes andere Kind auch – zumindest einige in den ausländischen Familien, bei den deutschen und ihrem Überangebot an elterlicher Liebe bin ich mir nicht so sicher – wollte ich manchmal von zu Hause abhauen. Dann sagte ich, gern auch nach einem Streit, zu meiner Mutter: „Mama, mir reicht’s! Ich hau ab. Ich gehe woanders hin!“

Und meine Mutter entgegnete: „Gut. Aber nimm die Jacke mit, ist kalt draußen.“

Sie nahm meine kindlichen Fluchtversuche nie besonders ernst. Und sie machte sich offenbar auch wenig Sorgen, dass ich eines Tages doch mal die Kurve kratzen könnte, da sie mich als Überlebenskünstlerin, als eine Katze mit sieben Leben betrachtete.

Ein paar Mal versuchte ich wirklich abzuhauen. Ich marschierte mit tränenüberströmtem Gesicht von Solingen-Wald nach Solingen-Merscheid (bibbernd und frierend, denn natürlich hatte ich die Jacke nicht mitgenommen, wie Mama empfohlen hatte) und suchte … ja, was suchte ich eigentlich? Eine neue Familie? Die standen ja nun auch nicht an jeder Ecke herum, mit „Free hugs“-Plakaten in der Hand. Als mein Magen zu knurren begann, sah ich ein, dass mein Fluchtplan vielleicht etwas unausgereift und meine Abreise vorschnell gewesen war. So schwer es mir fiel, ich kehrte nach einer Weile schließlich um und lief nach Hause zurück, während ich dachte: Okay, dann mache ich die ganze Scheiße morgen einfach noch mal und bereite mich besser vor.

Aber natürlich hatte ich die ganze Angelegenheit am nächsten Tag schon längst wieder vergessen. Und so kam es, dass ich weder mit fünf noch mit sieben oder mit zwölf von zu Hause abhaute, sondern maximal einen halben Nachmittag in Solingen herumstreunte, mich in den Stadtpark setzte und mit den Obdachlosen, sofern nüchtern genug, quatschte, bis mich mein Hunger wieder nach Hause trieb, wo meine Mutter mich mit den Worten begrüßte: „Ah, da bist du ja wieder. Magst du ein Bifteki?“ Denn wie bei allen ordentlichen Griechen geht bei meiner Mutter Liebe durch den Magen. Oder wie Mutti sagt: Hackfleisch heilt alle Wunden.

Einerseits ist es schade, dass es nie jemanden gab, der meinen Gefühlen auf den Grund ging. Der fragte, warum ich traurig war, der wissen wollte, warum ich darüber nachdachte, abzuhauen. Andererseits hat mich das auch zu der Kämpferin gemacht, die ich heute bin. Es ist wirklich anstrengend, beleidigt zu sein, wenn sich niemand dafür interessiert. Man kann schmollen, aber wenn keine Sau Notiz davon nimmt, ist das Ganze irgendwie witzlos.

Ich lernte, all die negativen Gefühle, die ich an niemanden adressieren konnte, relativ schnell hinter mir zu lassen und weiterzumachen. Letztendlich sind auch hier meine Eltern meine Vorbilder, vor allem meine Mutter. Im Lexikon sollte unter „Pragmatismus“ ihr Bild erscheinen. Statt sich darüber aufzuregen, dass mein Vater schnarchte, statt ihn zu nerven, dass er in einem anderen Zimmer oder auf der Couch schlafen sollte (was er ohnehin niemals getan hätte), drehte sie sich im Bett einfach um hundertachtzig Grad herum, um möglichst viel Abstand zwischen ihr Ohr und sein schlaffes Gaumensegel zu bringen. Heißt: Sie schlief mit dem Kopf an den Füßen meines Vaters. Offenbar war der Geruch nicht so schlimm wie das Geräusch.

Ich hielt das für ganz normal, denn als im Kindergarten einmal die Weihnachtsgeschichte vorgelesen wurde, in der auch ein Bild von Josef und Maria nebeneinander im Bett liegend gezeigt wurde, lachte ich laut und sagte: „Wie schlafen die denn? Das ist ja falsch herum!“

Und die anderen erklärten mir: „Nein, Panagiota, das ist richtig so.“

Es war das erste Mal, dass ich dachte: Irgendetwas läuft bei uns anders.

Die Ehe meiner Eltern war, da muss man ehrlich sein, eine Zweckgemeinschaft. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen liegt das an der Art und Weise, wie sie sich kennengelernt haben. In den frühen Sechzigern war das in Griechenland nämlich nicht so einfach, wie es heutzutage ist. Anstatt Tinder wurde gekuppelt, und einen Partner und potenziellen Ehemann suchte man sich auch unter ganz anderen Gesichtspunkten aus als im Jahr 2018.

Mir wurde früher erzählt, mein Vater sei eines Tages auf dem Rücken eines Esels in das kleine Dorf meiner Mutter gekommen und habe gefragt: „Ich gehe nach Deutschland, wer kommt mit?“ Und meine Mutter sei die Erste gewesen, die die Hand gehoben hatte.

Mittlerweile weiß ich, dass sich die Geschichte ein wenig anders zugetragen hat. Fast zwei Jahrzehnte nach Kriegsende erlebte die Bundesrepublik gerade ihre Wirtschaftswunderjahre und wusste gar nicht, wohin mit den ganzen Arbeitsplätzen. Also gingen zahlreiche Gastarbeiter aus europäischen Ländern nach Deutschland, vor allem aus dem ärmeren Süden wie Italien, Griechenland und dem damaligen Jugoslawien. Auch mein Vater hatte von den „Wundern“ in dem fremden Land gehört und beschlossen, in der Ferne sein Glück zu versuchen. Doch nach sechs Jahren hatte er bemerkt, dass es fast unmöglich für ihn war, eine Frau zu finden. Also reiste er zurück in seine alte Heimat und suchte eine Begleiterin.

Meine Mutter indes wusste, dass es nur eine Möglichkeit gab, aus der Armut und Ödnis des winzigen Dorfes, aus dem sie stammte, zu entkommen: indem sie heiratete.