Kohlhammer Executive Education
Herausgegeben von Dieter Wagner, Magnus Müller und Roya Madani
Dieses Werk wurde im Rahmen des Projektes »QUP – Qualifizierung – Unterstützung – Professionalisierung zur Gestaltung des demografischen Wandels« entwickelt. Das Projekt wurde gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung im Rahmen der Initiative »Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen«. Die Verantwortung für den Inhalt dieser Veröffentlichung liegt bei den Autoren.
Erarbeitet von:
Dr. Magnus Müller (Dozent)
Stephan A. Rehder, M.Sc. (Wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Redaktionsschluss: 2018
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird im Text verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet.
1. Auflage 2018
Alle Rechte vorbehalten
© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart
Print:
ISBN 978-3-17-034122-7
E-Book-Formate:
pdf: ISBN 978-3-17-034123-4
epub: ISBN 978-3-17-034124-1
mobi: ISBN 978-3-17-034125-8
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Abb. 1: |
Übersicht zum ersten Kapitel |
Abb. 2: |
Bildungssystem nach Bereichen |
Abb. 3: |
Begriffssystematik der Erwachsenenbildung |
Abb. 4: |
Teilnahme an Weiterbildung 1994 bis 2014 nach Altersgruppen |
Abb. 5: |
Weiterbildung als Leistungsbündel |
Abb. 6: |
Übersicht zum zweiten Kapitel |
Abb. 7: |
Wirtschaftsgüter-Systematik |
Abb. 8: |
Definitionsansätze auf Basis konstitutiver Merkmale |
Abb. 9: |
Übersicht zum dritten Kapitel |
Abb. 10: |
Ablauflogisches Entscheidungsmodell für das Marketingmanagement |
Abb. 11: |
Methoden der Informationsbeschaffung |
Abb. 12: |
Sinus-Milieus in Deutschland 2017 |
Abb. 13: |
Einordnung der Marketingziele in das Gesamtzielsystem eines Bildungsträgers |
Abb. 14: |
Marketingmix von Dienstleistungsunternehmen |
Abb. 15: |
Funktionen des Controllings |
Abb. 16: |
Ansätze zur Messung der Dienstleistungsqualität |
Abb. 17: |
Beurteilung einer Weiterbildungsleistung durch die Teilnehmer |
Tab. 1: |
Verschiedene Perspektiven auf Lernen |
Tab. 2: |
Weiterbildungsanbieter nach institutionellem Status |
Tab. 3: |
Weiterbildungsanbieter nach Funktion und Leistung |
Tab. 4: |
Überblick über die Entwicklungsphasen des Marketings |
Tab. 5: |
Unterschiede von Sachgütern und Dienstleistungen |
Tab. 6: |
Besonderheiten beim Absatz von Dienstleistungen |
Tab. 7: |
Schema einer kooperativen Bedarfs- und Angebotsentwicklung |
Tab. 8: |
Aufgaben der Marktforschung |
Tab. 9: |
Besonderheiten der Dienstleistungsmarktforschung |
Tab. 10: |
Kategorisierungsansätze der Marktforschung |
Tab. 11: |
Prämissen und Ziele der Sinus-Milieuforschung |
Tab. 12: |
Kurzcharakteristik der Sinus-Milieus |
Tab. 13: |
SWOT-Matrix am Beispiel Business School |
Tab. 14: |
TOWS-Matrix |
Tab. 15: |
TOWS-Matrix am Beispiel Business School |
Tab. 16: |
Chancen und Risiken für Dienstleistungsunternehmen |
Tab. 17: |
Zielkategorien |
Tab. 18: |
Systematik von Marketingstrategien und strategische Optionen |
Tab. 19: |
Produkt-Markt-Matrix |
Tab. 20: |
Erweiterte Grunddimensionen |
Tab. 21: |
Grundschema der Geschäftstypenmatrix |
Tab. 22: |
Charakteristika des Spot-Geschäfts und Marketingimplikationen |
Tab. 23: |
Charakteristika des Projekt-Geschäfts und Marketingimplikationen |
Tab. 24: |
Charakteristika des Commodity-Geschäfts und Marketingimplikationen |
Tab. 25: |
Charakteristika des Verbund-Geschäfts und Marketingimplikationen |
Tab. 26: |
Instrumentensysteme des Marketingmix |
Tab. 27: |
Leistungspolitik im Bildungsbereich |
Tab. 28: |
Kommunikationspolitik im Bildungsbereich |
Tab. 29: |
Distributionspolitik im Bildungsbereich |
Tab. 30: |
Preispolitik im Bildungsbereich |
Tab. 31: |
Personalpolitik im Bildungsbereich |
Tab. 32: |
Marketingmix nach Geschäftstypen |
Abb. 1: Übersicht zum ersten Kapitel
Einfluss moderner Buchdruckverfahren
Die Geschichte der Erwachsenenbildung beginnt in ihren Grundzügen mit der Erfindung des modernen, manufakturgetriebenen Buchdrucks. Die Verwendung beweglicher Letter im Druckpressverfahren ermöglichte Mitte des 15. Jahrhunderts die Massenherstellung von erschwinglichen Druckerzeugnissen und ebnete damit den Weg zur umfänglichen Verbreitung von Wissensbeständen. Die Alphabetisierungsrate wuchs in diesem Zusammenhang seit dem 15. Jahrhundert sowohl in den Städten als auch auf dem Lande kontinuierlich an. Waren es zu Beginn des modernen Buchdruckverfahrens vornehmlich religiöse Bücher, die der breiten Masse zugänglich gemacht wurden, folgten alsbald Alltagsratgeber, praktische Handreichungen, Texte zur beruflichen Weiterbildung und erste didaktische Werke für das Selbststudium. Der Buchdruck veränderte den Umgang mit Sprache und begründete in eindrucksvoller Form die neuhochdeutsche Schriftsprache, mit deren Hilfe mundartliche und erfahrungsbezogene Wissensbestände für jedermann expliziert werden konnten. Darüber hinaus veränderte es die Formen und die Praxis der Wissensvermittlung und -aneignung. Im Rahmen der Wissensvermittlung konnte das neue Kommunikationsmedium Lehrbuch etabliert und einem großen Kreis von Rezipienten zur Verfügung gestellt werden. Die Wissensaneignung verlief nun nicht mehr über einen generationsbezogenen Mechanismus zur Wissensübertragung, sondern wurde durch gedruckte Fachliteratur realisiert. Damit wurde einerseits der Autonomiegrad zur Aneignung von Wissen erhöht und andererseits die Zirkulation, Akkumulation und Verbreitungsgeschwindigkeit von Wissen in hohem Maße gefördert. Diese Entwicklung führte gleichermaßen zu einer immer stärker werdenden Bedeutung der Lesefähigkeit des Individuums sowie zu einem Imperativ des Lernens und der Ausschöpfung von gebotenen Möglichkeiten der selbstgesteuerten Wissensaneignung (vgl. Wittpoth (2003), S. 18ff.). Wittpoth (2003) resümiert die Entwicklungen im 15. und 16. Jahrhundert vor dem Hintergrund des Buchdrucks in fünf Spiegelstrichen (Wittpoth (2003), S. 22):
• Explosion zugänglichen/vermittelbaren Wissens
• Entkopplung von Vermittlung und Aneignung
• Pädagogisierung der literarischen Produktion
• Autonomisierung des Lernenden
• Zwang zur Weiterbildung
Aufklärung
Die Erwachsenenbildung konstituierte sich nach herrschender Meinung in der einschlägigen Literatur vor allem gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der Zeit der Aufklärung. Hier begann die erste intensive Auseinandersetzung mit dem Menschen gleichermaßen als lernfähiges und lernbedürftiges Subjekt, das – vor dem Hintergrund einer erstarkten bürgerlichen Kultur – zunehmend einen Bildungsanspruch zum individuellen Ausbau der Fähigkeiten, Kompetenzen und Verantwortung formulierte. Kant (1784) fasste dieses bezeichnende Selbstverständnis der Aufklärung wie folgt zusammen und rekurrierte in diesem Zusammenhang auf die Perspektivenverschiebung auf den Menschen (Kant (1784), S. 481):
»Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Muth dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.«
Jedoch, so argumentierte Kant (1784) weiter, ist es »für jeden einzelnen Menschen schwer, sich aus der ihm beinahe zur Natur gewordenen Unmündigkeit herauszuarbeiten« (Kant (1784), S. 482f.). Nach seinen Vorstellungen war es vielmehr die Öffentlichkeit, die das Potenzial hatte, diesen Entwicklungsschritt voranzutreiben (Kant (1784), S. 483):
»Daß aber ein Publikum sich selbst aufkläre, ist eher möglich; ja es ist, wenn man ihm nur Freiheit läßt, beinahe unausbleiblich.«
Diese Öffentlichkeit wurde zum Ende des 18. Jahrhunderts vor allem über sogenannte Gesellschaften hergestellt, die sich auf Grundlage des preußischen Landrechts insbesondere in Form von Vereinen konstituierten. Vor diesem Hintergrund wurden unter anderem Lesegesellschaften geschlossen, die als institutionelle Vorstufe der Erwachsenenbildung betrachtet werden können, aber hinsichtlich ihrer inhaltlichen und methodischen Ausrichtung noch weit von dem heutigen Verständnis abzugrenzen sind. Die Mitglieder dieser Lesegesellschaften, von denen in Deutschland in der Spitze mehr als 430 existierten, entstammten vornehmlich dem mittleren und gehobenen Bürgertum, zu dem unter anderem Juristen, Ärzte und Beamte zählten. In diesem Zusammenhang ist zu konstatieren, dass die Mitgliedschaften in diesen Gesellschaften auch als Spiegelbild und zur Reproduktion der sozialen Stellung dienten (vgl. Tietgens (2010), S. 25ff.; Wittpoth (2003), S. 26).
Volksbildung
Im auslaufenden 18. Jahrhundert und vor allem im 19. Jahrhundert etablierte sich zunehmend die sogenannte Volksbildung, die, obwohl es sich um ein altersunspezifisches Konzept handelte, dem heutigen Verständnis von Erwachsenenbildung eher entspricht als die Lesegesellschaften zur Zeit der Aufklärung. Die Volksbildung umfasste zielgerichtete und zeitlich limitierte Einzelmaßnahmen und fokussierte in diesem Zusammenhang vornehmlich Lösungsstrategien für lebensweltliche Herausforderungen sowie lokalspezifische und milieubezogene Problemstellungen. Insofern wurde im Rahmen des sehr heterogenen Aufgabenspektrums der Volksbildung gleichermaßen Lese-, Schreib-, Zeichen und Gewerbeunterricht sowohl mit älteren als auch mit jüngeren Menschen durchgeführt. An dieser Stelle ist zu konstatieren, dass der Begriff Erwachsen keineswegs mit dem heutigen Verständnis gleichzusetzen ist, da sich das Erwachsensein vornehmlich über den sozialen Status definierte und in den allermeisten Fällen von den adligen und bürgerlichen Schichten besetzt wurde. Vor diesem Hintergrund definiert sich der Adressatenkreis für die Volksbildung deutlich über die jeweilige soziale Lage. Analog zu den bürgerlichen Vereinigungen traten insbesondere Angehörige des Handwerkerberufes zusammen und gründeten (Bildungs-)Vereine. Diese boten – vor allem vor dem Hintergrund der industriellen Entwicklung und der mit dieser einhergehenden prekären Situation für den Berufsstand der Handwerker – einen Anker zur wechselseitigen Unterstützung. In diesem Zusammenhang wurden auch Qualifizierungsmaßnahmen sowohl für Lehrlinge als auch für Gesellen durchgeführt. Nach der Zerschlagung der politisierten Arbeiter- und Handwerkerbildungsvereine im Anschluss an die Märzrevolution, wurden diese Vereine unter der Maßgabe der Einführung der Arbeiterschaft in die Vorstellungswelt des Bürgertums neu gegründet. In diesem Zusammenhang fand eine Spaltung zwischen der politischen Sphäre (Gründung der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Deutschlands) und der Bildungssphäre (Errichtung der Gesellschaft für die Verbreitung von Volksbildung) statt. Ziel der Gesellschaft – deren Gründung als Zäsur verstanden werden kann – war es, die »Masse […] durch mannigfache Bildungsmittel über ihr jetziges Niveau emporzuheben« (Tietgens (2010), S. 33). Darüber hinaus wurden zum Ende des 19. Jahrhunderts volkstümliche Hochschulkurse in deutschen Universitäten angeboten, die auf eine Popularisierung der Wissenschaften zielten. Zur Jahrhundertwende institutionalisierte und verdichtete sich stetig das volksbildnerische Angebot und fiel zunehmend mit den pluralisierten Arbeitsformen zusammen. Es entwickelten sich spezialisierte Tagungs- und Medienformate, verschiedenste Maßnahmen- und Lehrangebote und volksbildnerische Forschungsdisziplinen. Parallel bildeten sich unterschiedlichste Verbände, Vereinigungen und Ausschüsse heraus, die unter anderem hinsichtlich ihres Umfangs, ihrer Komplexität und Infrastruktur eine Professionalisierung der organisationalen Aufgabenbewältigung erforderten. Die Verfassung der Weimarer Republik beinhaltete im § 148, Abs. 4 folgenden Passus:
»Das Volksbildungswesen, einschließlich der Volkshochschulen, soll von Reich, Ländern und Gemeinden gefördert werden.«
Der steigende Bildungsbedarf aus sämtlichen Bevölkerungsschichten führte im Jahr 1919 zu einer Maximalpopulation von circa zweitausend Volkshochschulen, die jedoch nur kurze Zeit Bestand hatten. Der Zusammenschluss des Hohenrodter Bundes im Jahre 1923 markierte eine Trendwende in der Volksbildung, die nun nicht mehr populärwissenschaftlich orientiert sein sollte, sondern – aufgrund der Erfahrung des Ersten Weltkrieges und der gescheiterten Revolution – eine Volksgemeinschaft hervorbringen sollte. Dazu sollten – statt Wissen an die Massen zu vermitteln – Informationen verbreitet, Weltanschauungen diskutiert und die Arbeit individualisiert werden. Die nationalsozialistische Gleichschaltung ab 1933 hatte zur Folge, dass sämtliche Organisationen der Volksbildung aufgelöst wurden und im Reichsschulungsamt der NSDAP als Instrument der Kriegsführung neu aufgingen (vgl. Kade et al. (2007), S. 36ff.; 52ff.; Seitter (2007), S. 136f.; Tietgens (2010), S. 32ff.; Wittpoth (2003), S. 28ff.). Wittpoth (2003) verortet den Begriff Volksbildung aufgrund der historischen Entwicklungen vor allem auf zwei Dimensionen (Wittpoth (2003), S. 29):
• Zum einen ging es um die Bewältigung der ›sozialen Frage‹, um die ›Hebung‹ und gleichzeitige Befriedung des ›einfachen Volkes‹, also nicht einzelner Menschen, sondern eines ›Kollektivs‹ einer ganzen gesellschaftlichen ›Klasse‹.
• Später kam dann der Gesichtspunkt der Volks-Bildung hinzu, also die Integration verschiedener Gruppen zu einem sich seines selbst bewussten (nationalen) Ganzen.
Erwachsenenbildung
Der Begriff Volksbildung wurde seit den 1920er Jahren in zunehmendem Maße von dem Begriff Erwachsenenbildung verdrängt. In diesem Zusammenhang fand eine Ausdifferenzierung und Abgrenzung verschiedener Lebensphasen statt, die sich vornehmlich an den neuen industriellen Lebensformen – vor allem die Dichotomie von Ausbildungs- und Arbeitsphase – orientierten. Darüber hinaus verstetigten die Erweiterung des Bildungssystems, die Einführung des Sozialversicherungssystems, die Anerkennung von verschiedenen Berufsrollen sowie das Wahlrecht die Unterscheidung von Lebensphasen. Dennoch konnte die Erwachsenenbildung in dem Verständnis einer organisierten Bildungsarbeit mit und für Erwachsene noch nicht vollkommen aufgehen. Vielmehr handelte es sich noch überwiegend um Strukturen der Volksbildung. Grundsätzlich kann bis nach dem Zweiten Weltkrieg und den großflächig angelegten Umerziehungsmaßnahmen der gesamten deutschen Bevölkerung durch Beschluss der Alliierten von einer Durchmischung von Volks- und Erwachsenenbildung gesprochen werden. Erst in den Jahren des Wiederaufbaus in Westdeutschland entwickelte sich die Erwachsenenbildung als losgelöste Form der Bildung für und mit Erwachsenen, die sich von der Schulbildung für Kinder und Jugendliche, die als unterrichtspflichtige, unreife und unfertige Wesen bezeichnet wurden, unter anderem durch die Berücksichtigung altersspezifischer Dispositionen, die Anerkennung der individuellen Erfahrungen und Einstellungen sowie die Betonung der berufs- und lebenspraktischen Zusammenhänge unterschied. Der Deutsche Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen definierte im Jahre 1960 den Bildungsbegriff innerhalb der Erwachsenenbildung in Anlehnung an Kant (1784) wie folgt (Deutscher Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen (1963), S. 20):
»Gebildet im Sinne der Erwachsenenbildung wird jeder, der in dem ständigen Bemühen lebt, sich selbst, die Gesellschaft und die Welt zu verstehen und diesem Verständnis gemäß zu handeln.«
In Anbetracht der relativ spät aufkeimenden Zielgruppendualität der Bildungssegmente sowie der raschen Begriffsevolution vom Erwachsenenbildungs- zum Weiterbildungsbegriff Ende der 1960er Jahre, ist eine distinktive Auseinandersetzung mit der Erwachsenenbildung kaum möglich. Jedoch ist zu konstatieren, dass dieser Begriff hinsichtlich der Bedeutung sowohl als differenzierendes Element in der Bildungsgeschichte als auch bezüglich des ideellen und konzeptionellen Gehalts einen wesentlichen Beitrag geleistet hat (vgl. Seitter (2007), S. 137ff.; Wittpoth (2003), S. 30f.).
Weiterbildung
Mitte der 1960er Jahre vollzog sich in Deutschland ein Umdenken im Bildungsbereich, das vor allem unter dem Druck der technologischen und ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit – nicht zuletzt durch die Systemkonkurrenz auf beiden Seiten des Eisernen Vorhangs – befeuert wurde. Im Zuge einer fundamentalen Bildungsreform entwickelte der Deutsche Bildungsrat (1970) in dem sogenannten ›Strukturplan für das Bildungswesen‹ eine neue Begriffsklaviatur. Insbesondere der Begriff Weiterbildung wurde in diesem Zusammenhang expliziert und als »Fortsetzung oder Wiederaufnahme organisierten Lernens nach Abschluss einer verschiedenartig ausgedehnten ersten Bildungsphase« (Deutscher Bildungsrat (1970), S. 197) definiert. Die Weiterbildung verortet sich vor diesem Hintergrund als vierte Bildungssäule nach der schulischen, beruflichen und universitären Bildungslaufbahn und erhebt den konzeptionellen Anspruch auf lebensbegleitende und komplementäre Permanenz. Diese Grundidee entspricht im Wesentlichen dem Konzept des lebenslangen Lernens und umfasst folgende Grundüberzeugungen (Wittpoth (2003), S. 32):
• Angesichts des technologischen Wandels und der beschleunigten Veralterung des Wissens kann eine einmal erworbene schulische und berufliche Ausbildung nicht mehr für ein ganzes Leben ausreichen. Daher muss es jedem Einzelnen möglich sein, seine Qualifikationen jeweils neuen Erfordernissen anzupassen. Dies ist nicht allein im Interesse des Individuums gefordert, sondern auch im Blick auf den Erhalt eines funktionsfähigen ökonomischen Systems notwendig.
• Damit jedes Gesellschaftsmitglied seine grundgesetzlich garantierten Rechte wahrnehmen und seinen entsprechenden Pflichten Folge leisten kann, muss es die Möglichkeit haben, seine Kenntnisse über gesellschaftliche und politische Probleme auf dem aktuellen Stand zu halten und sein Verständnis der relevanten Zusammenhänge zu vertiefen. Nur so kann der Einzelne seine gesellschaftlichen Mitgestaltungsaufgaben angemessen erfüllen. Mit wachsender Komplexität und zunehmender Unübersichtlichkeit der Lebensverhältnisse gewinnt dieser Gesichtspunkt permanent an Bedeutung.
Weisser (2002) weist darauf hin, dass das Feld der Weiterbildung über die Aktivitäten von Volkshochschulen und Unternehmen hinausgeht und verortet in diesem Zusammenhang den Weiterbildungsbegriff als »alles, was es an Lernen jenseits der großen Lernerfahrungen in den etablierten, grundständigen Bildungseinrichtungen gibt, einschließlich der Auswirkungen dieses offenen Feldes auf diese Bildungseinrichtungen« (Weisser (2002), S. 19). Nebst dem Bildungsbegriff, der im Allgemeinen auf den »inneren Zuwachs und [die] Selbstentwicklung des Menschen« (Schlutz (2006), S. 13) zielt, steht das Lernen im Fokus und soll an dieser Stelle etwas näher beleuchtet werden.
Begriffliche Grundlagen: Lernen
Nach einer Definition von Siebert (2006) handelt es sich beim Lernen um »ein Konstrukt, ein allgemeines Erklärungsprinzip für relativ dauerhafte und nicht allein biologisch bedingte Veränderungen« (Siebert (2006), S. 13) zur Anpassung an und Gestaltung der Umwelt. Hasselhorn und Gold (2006) definieren Lernen als »einen Prozess, bei dem es zu überdauernden Änderungen im Verhaltenspotenzial als Folge von Erfahrung kommt« (Hasselhorn/Gold (2006), S. 35). Es ist zu konstatieren, dass – unter Einnahme verschiedener Perspektiven und auf Grundlage von unterschiedlichen Disziplinen – eine Vielzahl von Lernbegriffen existieren. Siebert (2006) hat – wie in der nachfolgenden Tabelle dargestellt – exemplarisch einige differenzierende Lernbegriffe zusammengetragen.
Tab. 1: Verschiedene Perspektiven auf Lernen (Quelle: Siebert (2006), S. 13f.)
Tab. 1: Verschiedene Perspektiven auf Lernen (Quelle: Siebert (2006), S. 13f.) neurowissenschaftlich
Neurowissenschaftliche Perspektive auf Lernen