In deiner Weite lass mich Atem holen

Weite spüren – Atem holen. Zwei Bilder, die uns direkt körperlich erfassen. Und zwei Bilder, die vielen Menschen in den Sinn kommen, wenn sie Segen, den sie empfangen haben, beschreiben sollen. Man muss nicht viel über Segen wissen, um zu ahnen, dass das gute Wort, das über uns gesprochen wird, uns in einen weiten Raum stellt, uns erlaubt aufzuatmen. Wir werden angesehen und mit allem, was uns bedrückt und beschäftigt, angenommen. Das tiefe Gefühl, das uns erfüllt, wenn wir gesegnet werden, ist, bedingungslos akzeptiert zu sein. Das ist etwas, wonach wir uns alle sehnen.

Die Sehnsucht nach Segen in unserer Zeit

Der Wunsch, Segen zugesprochen zu bekommen, bewegt heute viele Menschen. Auch außerhalb der Kirchen bitten sie im Rahmen von freien Ritualen und Zeremonien um Segen für ihre Partnerschaften, ihre Kinder, für ihre beruflichen Vorhaben oder herausfordernde Übergänge in ihrem Leben. Es ist wohl auch der Unruhe und den vielen brennenden Fragen unserer Zeit geschuldet, dass wir heute so empfänglich für Segen sind. Die großen religiösen Geschichten haben an Verbindlichkeit eingebüßt. Es ist für uns längst keine Selbstverständlichkeit mehr, die überlieferten Weltbilder der Religionen anzunehmen und uns vorbehaltlos auf Heilszusagen zu verlassen. Ein großes Bedürfnis nach eigener, lebendiger Erfahrung ist in uns wach geworden, eine Sehnsucht nach persönlichen, erlebbaren Zugängen zu Gott, zur Heiligkeit des Lebens, zu den Kräften der Natur und den Tiefen der eigenen Seele. Wir brauchen glaubwürdige Antworten auf die drängenden Fragen in unserem Alltag und möchten unser Leben als sinnvoll und gut erfahren. Der Druck durch die Leistungsgesellschaft, die unerfüllbaren Ansprüche unserer Jugendfixierung und die rastlose Suche nach dem persönlichen Glück bedeuten für uns eine immense Anstrengung. Gerade in Zeiten des Scheiterns oder leidvoller Erfahrungen fehlen uns Räume und Gemeinschaften, in denen auch die schweren Lebenswirklichkeiten aufgehoben sind. Das nimmt uns im Alltag ein Gefühl von Halt. Fehlender Halt führt oft zu einem Verlust von Haltung, und so ist es für uns oft schwer, uns in allen Herausforderungen und Krisen als freie und handlungsfähige Menschen aufzurichten und die Stimme zu erheben, wo es nötig ist.

Inmitten erlebter Unruhe begegnet uns Segen wie ein sanfter Ruf zum Innehalten. Wie ein geschützter Raum, in dem wir ausruhen können und in dem wir uns daran erinnern lassen, dass wir einer tragenden Kraft gehören, die uns gewollt hat, die uns annimmt, die uns schützt und birgt und uns auf allen Lebenswegen führt.

Wir sind geborgen

Der Gedanke, dass uns von Gott selbst Fülle und Wohlergehen zugesagt sind und dass wir lebenslang unter seinem liebevollen Blick stehen, entfaltet in uns unmittelbar eine heilsame Wirkung. Auch wenn wir durch viele Ungewissheiten gehen müssen, so ist uns eine wärmende Heimat, eine ungebrochene Zuwendung versprochen. Segen hat in christlicher Tradition immer auch die Funktion erfüllt, uns an diese Heimat zu erinnern, sie zu vergegenwärtigen, und sie lädt uns auch heute noch dazu ein, uns in diese Gewissheit fallen zu lassen. Der erste Segen an den Menschen, wie wir ihn in der biblischen Schöpfungsgeschichte lesen, ist Geschenk und Zusage, eine Selbstverpflichtung Gottes, im Leben jedes Einzelnen gegenwärtig zu sein.

Die Vergegenwärtigung dieses Segens, der auf uns liegt, ist befreiend im Sinn einer Entlastung. Wir können die Hände öffnen, loslassen und uns in der Gewissheit beschenken lassen, nichts dafür leisten zu müssen. Der Segen muss von uns nicht errungen oder verdient werden, er enthält keine Forderung, sondern ist ganz und gar Geschenk.

Wir sind Mitschöpfende

Wenn wir unter dem Segenswort Weite spüren und Atem holen, dann wird auch etwas in uns befreit, das in den Sorgen des Alltags oft untergeht: unser Wunsch, einander gut zu sein. Wir alle kennen die befreiende Kraft, die darin liegt, angenommen und geliebt zu sein. Es ist fast so, als bringe diese Erfahrung von Geborgenheit das Beste in uns hervor: unsere Handlungsfähigkeit, unsere Freude am Miteinander und unsere schöpferischen Kräfte, die diese Welt aktiv mitgestalten wollen. In der biblischen Bilderwelt begegnet uns der Mensch daher als einer, der selbst aktiv segnet. Wir lesen von Menschen, die Segen über ihr Land sprechen, über ihre Familien, über Freunde wie Feinde und selbst noch über Gott, die Quelle allen Segens.

Der Segen, der auf uns liegt, befreit uns auch im Sinn einer Ermächtigung: Wir können die Hände öffnen und gestaltend auf unsere Welt einwirken. Wir können den Segen an Menschen weiterreichen, ihn über frohe wie schwierige Lebenssituationen sprechen und auch die Natur, in die wir eingebunden sind, mit Segen beschenken.

Wir sind zum Segnen bevollmächtigt

Für lange Zeit waren Segenshandlungen nahezu auf Gottesdienste und Kultus beschränkt, und es lag in den Händen Geistlicher, Segensgebete zu sprechen oder im Rahmen von Ritualen Segensgebärden zu vollziehen. Aus biblischer Sicht gibt es dafür keinen überzeugenden Grund. Der Segen Gottes ist untrennbar mit segnenden Menschen verbunden, die sich auf ihrer Lebensreise immer wieder bewusst an die Quelle allen Lebens anbinden und zuversichtlich in die Zukunft blicken.

Wir dürfen uns heute dazu ermuntern lassen, die Segenspraxis für unseren Lebensalltag wiederzuentdecken. Aus biblischer und christlich-mystischer Perspektive sind wir eingeladen, die Kraft des Segnens zu erfahren, zu verkörpern und weiterzureichen. Sie sollte uns ganz selbstverständlich und vertraut sein wie das Gebet in seiner ganzen Vielfalt: als Betrachten, Bitten, Singen, Loben, Danken, Meditieren, als Körpergebet und Schweigen.

Segnen schließt immer die bewusste Betrachtung des Bestehenden und den hoffnungsvollen Blick auf das Zukünftige ein. Es verbindet einen dankbaren Blick auf alle Kostbarkeiten des Lebens und gibt tiefem Mitgefühl für die Lebenswege des anderen Raum. Segens­praxis führt uns zu mehr Achtsamkeit, Verbundenheit und Kraft. Auf diesem Gebetsweg werden wir auf sanfte Weise mit Lebenstiefe beschenkt.

Wir versprechen etwas, das uns nicht gehört

Manchmal äußern Menschen die Befürchtung, im Spenden von Segen etwas zu versprechen, das sie nicht halten können, oder sich etwas anzumaßen, das ihnen nicht zusteht. Es liegt aber gerade aus biblischer Sicht in der Natur des Segnens, dass wir einander etwas zusprechen, über das wir nicht verfügen. In Segensworten verbleibt etwas Uneingelöstes. Segen trägt immer beides: die brüchige menschliche Wirklichkeit und die Verheißung. Eine Spannung zwischen dem Menschenmöglichen und dem, was wir nicht herstellen, sondern uns nur schenken lassen können. Jedes Segenswort stellt sich bewusst in den – oftmals schmerzlichen – Riss zwischen Endlichkeit und Ewigkeit, zwischen dem Erlebten und dem Ersehnten.

Auf diese Weise begegnen wir mutig allen Facetten des Lebens und stellen unsere Lebensreise doch unter den Willen, den Schutz und die Führung Gottes.

Als Segnende sprechen wir nicht wie Gott. Auch ist unser Segen nicht identisch mit dem Segen Gottes. Aber wir öffnen der verwandelnden Kraft Gottes die Tür und nehmen unsere Verantwortung wahr, dem Nächsten wohlwollend, mitfühlend und liebevoll zu begegnen. »Liebt einander, so wie ich euch geliebt habe« bedeutet auch: Segnet einander, wie ich euch gesegnet habe.

Zu diesem Buch

Ich beobachte mit Freude, wie der Segen aus dem liturgischen Kontext wieder in den Alltag findet. Wie Menschen innerhalb der Kirche, an den Rändern der Kirche, aber auch in freien spirituellen Milieus den Segen wiederentdecken und auszusprechen wagen. Meine Überzeugung ist, dass wir noch gar nicht ermessen können, wie groß die verändernde Kraft einer gelebten Segenspraxis sein kann. Das Segnen verändert zweifelsohne nicht nur den Empfänger, es verändert auch den Segensspender. Als beziehungshaftes Geschehen, als Gebetsform, die konkret zweier Menschen bedarf, die einander in die Augen sehen, einander berühren oder einander aus der Ferne die Worte der Segnung zusprechen, entspricht es zutiefst der christlichen Spiritualität, die immer eine Spiritualität der Beziehung war. Segnen eröffnet einen Begegnungsraum, der heilsam und kostbar ist in einer Zeit, in der so viele arm an Begegnung und Wärme, an erlebter Verbundenheit sind.

Was mich zu diesem Buch angeregt hat, ist die Frage, wie wir eine persönliche Sprache des Segnens finden können, die unserer Lebenswirklichkeit entspricht. Denn was wir an biblischen und liturgisch geprägten Segenstexten kennen, berührt uns immer noch tief, knüpft aber oft nicht an unsere Lebenswelten, an unser Empfinden und Sprechen an.

Ich habe mir in diesem Buch die Freiheit genommen, neben klassischen Segensgebeten auch Segenstexte in unkonventioneller Form zu wagen, in Betrachtungen, Zwiesprache und Poesie. Dabei habe ich Lebenswirklichkeiten wie Partnerschaft, Beruf, Übergänge und Trauer in den Blick genommen, in denen Segensworte uns nähren und stärken können. Mitten im Alltag öffnen sich viele Wege, den Segen Gottes zu bemerken, einzulassen und weiterzuschenken.


Lebenskraft und Ermutigung –
Du leuchtende Antwort

Du leuchtende Antwort

Mögest Du gerne auf dieser Welt sein,

die so schön ist in ihrer Sanftheit

und so erhaben in ihrer Wildheit,

mögest Du sorglose Nächte erleben

unter gütigen Sternen

und unbeschwerte Tage im Gold der Sonne.

Mögest Du die Kostbarkeit der Dinge begreifen,

wenn Sand durch Deine Finger rinnt,

wenn Schnee auf Deiner Zunge schmilzt

und wenn das Abendrot unter Deinen

sehnsüchtigen Blicken erlischt.

Mögest Du den Schatz erkennen,

der im Lachen eines wahren Freundes liegt

und in einer tröstenden Umarmung,

im leisen Begehren, das zu Liebe werden will,

und im Kuss, der Deine Grenze verwischt.

Mögest Du fragen und zweifeln,

hadern und ringen,

wie Menschen es tun,

die bereit sind, bis zum Grund zu tauchen

und der Welt die Perle zu schenken,

die sie finden.

Mögest Du aufgehoben werden, wenn Du fällst,

von Einem, der das Unverletzte in Dir sieht

und das Verwundete in Dir zu lieben vermag,

von Einem, der hört, was Du zu sagen hast,

und sagt, was Du hören musst.

Möge in Dir die Gewissheit reifen,

dass Du gewollt bist mit jedem Haar auf Deinem Haupt,

mit jedem Deiner Gedanken, auch jenen,

die ratlos sind am Ende des Tages,

dass Du geliebt bist vom ersten Atemzug

bis zum letzten, wenn Dein Weg vollendet ist.

Mögest Du ein Glück finden,

das größer ist als jedes Besitzen, jedes Wollen

und jedes Wissen:

ein Glück, das an Begegnung reift

und an dem Wunsch, sich zu verschenken,

um Hoffnung für viele zu sein.

Mögest Du wissen,

dass Du genug Güte in Dir trägst,

um eine Wunde zu schließen,

einen Alptraum zu beenden,

ein Leben zu retten

und eine leuchtende Antwort

auf jemandes dunkle Frage zu sein.

Du bist ein Brunnen

Du bist ein Brunnen, und nichts trennt Dich vom Durst des anderen, außer der Furcht, nicht zu genügen, außer der Angst, zu klein zu sein in einer Welt großer Nöte.

Zu oft hast Du erlebt, dass eine einsame Stimme untergeht im Getöse der Tage, zu oft hast Du daran geglaubt, wenn einer Dir sagte, dass die Ohnmacht der vielen unter der Macht der wenigen nicht zu beenden ist. Zu oft hast Du zugestimmt, wenn einer sagte: »Das kann man nicht ändern«, und wenn einer klagte: »Mich fragt ja keiner.« Und wenn einer sagte, er träume davon, dass die Dinge sich ändern, dann träumtest auch Du, doch im Verborgenen. Du hast kaum bemerkt, wie es schleichend wahr wurde, dieses dunkle Gesetz der Ohnmacht, unter dem Du nun stehst. Auch Du hast daran geschrieben, auch Du hast es unterzeichnet mit Deinem Namen.

Es ist an der Zeit, aufzubegehren. Denn Du stehst unter einer frohen Botschaft, die Dich aufrichtet, unter einem Stern, der Dich führt, unter einer bergenden Hand, die Dich formt. Du stehst unter einem Gesetz, das alle Gesetze aufhebt, das den dunklen Bann der Mutlosigkeit bricht und Dich zu Deiner Würde befreit.

Du bist bei Deinem Namen gerufen, hinein in die Blutgefäße der Welt, in die pulsierenden Bahnen menschlichen Werdens. Hinein in die Orte der Hoffnung, an denen Menschen einander halten, wenn Einsamkeit sie befällt. Hinein in die Freude am Erschaffen, in die verwandelnde Kraft des Verstehens, in die Seinslust tanzender Körper.


Du bist gerufen an die Ränder der Dämme, die brechen wollen, zu den Strömen der Sehnsucht nach einer wirtlichen Welt, die sich beheimatet in einem staubkorngroßen Wort des Wohlwollens, in der flüchtigen Behausung einer wärmenden Geste oder zwischen zwei Lidschlägen, in denen Verzeihung geschieht.

Es gibt nichts, was Du noch erringen müsstest, um diesem Ruf zu folgen, nichts, was Du tun müsstest, um ganz und gar gemeint zu sein. Es gibt nichts, worauf Du warten müsstest, um dieser Schönheit inmitten des Zerbrochenen als aufrechter Mensch zu begegnen.

Denn dies ist der Segen, der über Dich gesprochen ist: dass Du gewollt bist vom Leben selbst.

Der Segen der Berührbarkeit

Manchmal, wenn wir unsere Deckung vergessen,

wenn wir es versäumen, die Macht zu ergreifen

über unser Sprechen,

über die nächste Geste unserer Hände,

über den Weg, den eine Begegnung einschlägt,

bricht etwas aus uns hervor.

Ein Wort, so rein wie frisch gefallener Schnee.

Eine Berührung, so nährend wie Mütterlichkeit.

Eine Verbindung, so tief wie Zeitlosigkeit.

Der Segen offener Weite schenkt sich

mitten hinein in unseren Ort ohne Verteidigung.

Wir sollten viel öfter unvorbereitet sein,

überrascht von der Gutheit in uns, die atmen will,

überwältigt vom Fließen der Dinge, die wir nicht zwingen.

Wir sollten viel öfter den Segen der Berührbarkeit

über uns sprechen,

uns anvertrauen

dem tief in uns wohnenden Licht der Verwandlung.

Beheimatet im Leben

Wenn ich den Segen vom Leben her denke, dann wünsche ich Dir die Leichtigkeit der Dinge, die kommen und gehen, ohne dass Du sie zwingst, den Reichtum der Dinge, der wächst in dem Maß, in dem Du ihn teilst, die Heiligkeit der Dinge, die sich offenbart, sobald Dir kein Ort zu gering ist, um darin ganz aufzugehen.

Wenn ich den Segen vom Tod her denke, dann wünsche ich Dir den Ernst des Menschen, der um seine Verletzbarkeit weiß und diese als Würde begreift, einen Sinn für die Schönheit, die zu Dir als Endlichkeit spricht, und einen reifenden Willen, diese Welt zu gestalten, solange Dir Atem geschenkt ist.

Wenn ich den Segen vom Erbarmen her denke, dann wünsche ich Dir einen Trost für jede Träne, die Du vergießt, eine Begegnung für jede Einsamkeit, die Du erträgst, und eine erlösende Wahrheit für jeden Irrtum, dem Du erliegst.

Wenn ich den Segen von der Liebe her denke, dann wünsche ich Dir ein Herz, in dem Heimat und Reise zueinanderfinden, Hände, in denen sich Zittern und Aufbruch vereinen, und ein Denken, in dem das Fremde immer einen Platz findet wie ein alter Freund.

Bergende Umarmung

Erinnere Dich.

Du bist nicht nur die Klage,

die jedes Recht hat auf lauschende Ohren.

Du bist auch der Trost,

der seine Arme öffnet mit samtener Mütterlichkeit.

Du bist nicht nur der Ratlose,

dem die Welt unhaltbar durch die Finger rinnt.

Du bist auch die Weisheit,

die alles gestaltet mit wissenden Händen.

Du bist nicht nur der Zorn, der wütet und trennt.

Du bist auch die Versöhnung,

die geduldig verknüpft, was zerrissen ist.

Du bist nicht nur das Grau zahlloser Stunden,

die wir nicht mit Sinn zu füllen wussten.

Du bist auch das Leuchten

aller Farben unerschöpflicher Lebendigkeit.

Du bist nicht nur der Einsame,

der die Tiefe der Freundschaft vermisst.

Du bist auch der Garten der Begegnung,

in dem wir einander erkennen.

Du bist nicht nur der Verschwiegene in der Sprachlosigkeit vieler.

Du bist auch das Wort,

das die wärmende Flamme der Hoffnung neu entzündet.

Den Segen trägst du, der immer den anderen sucht,

als Zartheit des Beginnenden,

als Weite, in der wir frei atmen können,

als bergende Umarmung der Menschlichkeit.

Du Gefäß der Stille

Halte die Stille wie ein Gefäß,

aus dem die Träume für ein neues Morgen fließen,

hinein in eine wunde Welt,

hinein in die großen Sprachlosigkeiten,

die gewachsen sind unter dem Schmerz, der keine Tröstung fand.


Halte die Stille wie ein Gefäß,

aus dem die Gewissheit einer tiefen Würde fließt,

hin zu Menschen, die nicht angenommen sind,

die niemand je mit Zärtlichkeit beim Namen rief

und die sich selbst die Liebe schuldig bleiben.


Halte die Stille wie ein Gefäß,

aus dem die Freuden tiefen Miteinanders fließen,

hinein in alle brückenlosen Gräben,

hinein in alles Hören, das den anderen längst nicht mehr sucht,

und in die harten Hände, die kein Gruß mehr öffnet.


Du Gefäß der Stille,

ein Segen bist Du, ein Erwartender,

ein Horchender, der sich selbst nicht länger gehört,

denn in Dir, am tiefen Schweigegrund,

liegt alles, was die Welt beseelt,

und alles, was der Mensch noch werden will.

Aber ich verspreche Dir

Ich kann Dir nicht versprechen, Dich zu trösten, aber ich verspreche Dir, dass ich mir einen Raum im Herzen bewahre, in dem Deine Trostlosigkeiten ausruhen können. Und dass ich Dich nicht missachten werde durch verharmlosende Worte, und nicht täuschen mit einem Lächeln aus Marmor und falscher Überlegenheit.

Ich kann Dir nicht versprechen, Dich zu halten, aber ich verspreche Dir, dass ich mich mit Dir an die Kraft erinnern will, die uns immer schon hielt, auch in den Zeiten, als wir uns fühlten wie Verlassene. Ich will mit Dir das Gestern bereisen, mehr noch das Morgen, aus dem uns diese Kraft ruft, und mit Dir ein neues Hören lernen.