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Inhalt

Helli …

und Sepp

Grießnockerlsuppe

Tirolerknödel

Schmuggelgut

Schlutzkrapfen

Melchermuas

Der Hecht

Tirtlan

Kriegsende

Der Ebei

Mein erster Dreitausender

Hungerszeiten

Bergsteigeressen und Teewasser

Wurstnudeln

Salz und Brot

Das vergessene Salz

Mein Speck

Geröstete Leber

Hirn mit Ei

Kasamandl

Das Hendl

Backhendl

Paprikahendl

Der Bräu im Winkel

Bergtour mit einem Verräter

Leberknödelsuppe

Kindersommer

Apfelradeln

Freiheit am Berg

Eine Würstlgeschichte

Die alte Gams

Der Sauschädel

Gut und genug

Oasen des Friedens

Polenta

Schwarze Zipfelhauben

Schwarzbrot und Austern

Die saure Suppe

Segen des Knoblauchs

Besuch beim König

Vorbild

Escargot

Stinkende Größe

Kleine stolze Welt

Griechischer Wein

Keine Heldentat

Große Beispiele

Krautfleckerl

Erdäpfelgulasch

Der Professor

Der Freund

Kalbsgulasch

Im Burgenland

Frisches Grün

In der Wengerau

Strauben

Im Schatten der Staumauer

Kaiserschmarrn

Der Wurzelsepp

Kinorekord

Der weltbeste Leberkäs

Zwischen den Gleisen

Lardo

Kupfer und Frigga

Frigga

In der Lagune

Im Norden

Feuer und Salz

Dem Ende zu

Surbraten

Sepp
Forcher
Das Salz
in der
Suppe

Vom großen Wert
der kleinen Dinge

Unter Mitarbeit
von Mario Trantura

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Das Salz in der Suppe

Über das Salz in der Suppe macht man sich erst Gedanken, wenn sie versalzen ist. Ein kleines Ärgernis, das bald vergessen, keine Zeile und schon gar keine Geschichte wert ist.

Jedoch eine Suppe ohne Salz? Das gibt genug Stoff für eine kleine Tragödie.

Meine Suppengeschichten bewegen sich hingegen im Niemandsland der Gedankenlosigkeit, mit welcher dieses wichtigste aller Gewürze bedacht wird. Und es sind, wie immer, die kleinen Dinge und Ereignisse, die erst dann unsere Aufmerksamkeit erregen, wenn sie nicht mehr fassbar sind.

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Aus dem Inhalt

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Helli und Sepp

Mein erster Dreitausender

Das vergessene Salz

Bergtour mit einem Verräter

Freiheit am Berg

Der weltbeste Leberkäs

Dem Ende zu

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Helli …

Wir wohnten im 13. Bezirk in Wien im Souterrain einer Villa, die dem Kinderarzt Dr. Fleischer gehörte. Meine Eltern teilten sich die Hausmeisterarbeit; die Mutter verdiente sich als Putzfrau, Wäscherin und durch Heimarbeit so viel dazu, dass sie zum Sonntagsessen – es gab meistens Grießnockerlsuppe und Wiener Schnitzel mit Reis und Erdäpfelsalat – immer die Nichten und Neffen einladen konnte. Wenn Herr Dr. Fleischer in seiner Ordination schwer zu behandelnde Kinder zu versorgen hatte, holte er gern meine Mutter, die im Umgang mit Kleinkindern eine einzigartige Begabung besaß, die mir genauso zugutekam wie in späteren Jahren unseren Söhnen. Mein Vater arbeitete als Karosserieschlosser. In jungen Jahren war er überzeugter Sozialist, wechselte aber in der Systemzeit wie die meisten seiner Kollegen die Partei, jedoch nicht seine Grundüberzeugung, und schloss sich der braunhemdigen SA an.

1938, nach Hitlers Heldenplatzrede, begann das Schrecknis der Judenverfolgung. Dr. Fleischer musste mit der Familie seine Villa verlassen und in den zweiten Wiener Gemeindebezirk übersiedeln. Das Angebot der Nazi-Partei, die Doktorwohnung zu beziehen, schlugen meine Eltern entrüstet aus, und so blieb bis in die 1960er Jahre das Souterrain jene Stätte, zu der nach dem Kriege die Verwandten Sonntag für Sonntag zum Schnitzelessen kamen.

Dem Ehepaar Fleischer gelang es, ihre beiden Kinder nach London in Sicherheit zu bringen, und bis zu ihrer Deportation nach Auschwitz kümmerte sich meine Mutter einmal in der Woche um sie, indem sie die Wäsche wusch und bügelte und wohl auch etwas zur Aufbesserung der immer schmäler und schmäler werdenden Verpflegung beitrug. Als dann wenige Jahre nach dem Krieg der Sohn Georg aus London zu uns kam und sich für die Unterstützung seiner in Auschwitz ermordeten Eltern bedankte, flossen die Tränen. Im Buch meines Lebens stand damals nichts davon, dass ich einst am Herd stehen und mit Hingabe für viele Menschen kochen würde. Mein Vater war noch in Kriegsgefangenschaft, unsere Wohnung geplündert, und meiner Mutter schien es das Vernünftigste zu sein, mich in eine Schneiderlehre zu schicken.

Nach der Gesellenprüfung habe ich mich bald von dem ungeliebten Beruf verabschiedet, und nachdem ich – mittlerweile als begeisterte Bergsteigerin – dem Sepp über den Weg gelaufen bin, zeichnete sich meine Zukunft als Hüttenwirtin immer klarer und schärfer am Horizont ab. Nach einer sehr intensiven Lehrzeit in der Küche des Hotels Hofwirt in Salzburg beschlossen Sepp und ich, unseren gemeinsamen Weg in die Zukunft als Hüttenwirte zu gehen, und nach der ersten gelungenen Saison heirateten wir. In den ersten Monaten unseres gemeinsamen Hüttenwirtslebens aß der Sepp alles, was ich auf den Tisch brachte, mit großer Begeisterung und eben solchem Appetit, obwohl er fast nie ein Lob für meine neu erlernte Kochkunst aussprach. Loben, so scheint mir heute, ist ihm wie Lügen vorgekommen, und weil er von seinen Eltern in diesem Sinne auch nie angelogen worden war, musste ich mich mit dieser Mangelerscheinung abfinden. Was ich auch tat.

Vollkommen anders verhielt es sich jedoch bei ihm mit dem Tadel. In seiner Familie offenbar eine vielgeübte Praxis, in meiner mit ganz seltenen Ausnahmen unbekannt. Ein Beispiel: Eine seiner Leibspeisen waren und sind bis heute Tirolerknödel. Kein Problem für eine frisch ausgebildete Köchin wie mich. Als ich sie ihm das erste Mal kochte, schien er zufrieden zu sein, denn er machte mir nur einige Verbesserungsvorschläge, die mir durchaus einleuchteten.

Bis zu jenem Tag, an dem er meine Schwiegermutter als Knödelköchin ins Spiel brachte und ich wie so viele junge Ehefrauen zu hören bekam, „das hast du sehr gut gemacht, aber die Tirolerknödel meiner Mutter sind das nicht!“ Ich bin damals wortlos aufgestanden, habe seinen Teller mit den Knödeln und dem Kraut genommen und vor seinen Augen in den Mistkübel geleert. Da hat er wohl zum ersten Mal begriffen, dass er einen ebenbürtigen Partner für den gemeinsamen Lebensweg gefunden hatte.

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Mutter, 1935

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Helli, 2017

… und Sepp

Meine Jugendzeit war dreigeteilt: bei der Großmutter in Bruneck im Pustertal, den Eltern in Sexten und dem Schülerheim in Salzburg. Dem entsprachen auch meine Essenserfahrungen, die sich zwischen einfacher Bauernkost, etwas feinerem Wirthausessen, wie meine Mutter es kochte, und der Einheitsspeisung im Heim bewegten, deren sonntäglicher Höhepunkt der Eintopf war. Von dem hieß es, dass auch der Führer Adolf Hitler ihn, vorbildhaft für das deutsche Volk, zu verzehren pflege. Dazu gesellte sich die karge Nachkriegszeit, in der sich kulinarische Höhepunkte von selbst verbaten.

In der Faschistenzeit in Südtirol aufgewachsen, in der Volksschule von Lehrern unterrichtet, die kein Wort Deutsch sprachen, von den Eltern darin unterstützt, das Italienische nicht lernen zu müssen, um schließlich in der Volksschule in Salzburg wegen zu geringen Wissens zu einem Drittklassler degradiert zu werden und alles nur, weil meine Eltern, vermögenslos, wie sie waren, für Deutschland optiert hatten. Für ein Deutschland, in dem Österreich zur Ostmark geworden war.

Das Wort Emigration war damals genauso unbekannt wie Migration. Wir kehrten einfach „heim ins Reich“. Wir wurden in Salzburg gut aufgenommen und meine Eltern fingen an, sich als Hüttenwirte im Tennengebirge eine neue Existenz aufzubauen. Wegen der Schulpflicht wurde ich in das städtische Schülerheim nach Salzburg Mülln abgeschoben. Dort stand ich zum ersten Mal in meinem Leben mit den anderen Buben täglich nackt unter der Brause, benützte erstmals eine Zahnbürste, schlief im Pyjama, lernte Bettenbau, Frühsport und vormilitärische Disziplin.

An den Sonntagen gab es zum Frühstück immer Kakao und Milchbrot. Mit dem Eintopf konnte ich mich nie anfreunden, die Knödel waren groß und schwer genießbar, aber auf die Buchteln am Freitag freuten wir uns immer. Am 17. November 1944 wurde unser Heim bei einem Bombardement auf Salzburg zerstört, was uns nicht daran hinderte, Tage später den Küchenherd unter dem Bombenschutt freizulegen und mit Genuss die steinhart gewordenen Buchteln zu verzehren.

Weil sich meine Eltern um meine Heimkehr nicht sehr bemühten, nahm ich mein Schicksal selber in die Hand und stapfte im tiefen Schnee im März 1945 hinauf zur Söldenhütte. Groß und kräftig wie ich war konnte man mich für alle Arbeiten gut gebrauchen, bis ich fand, dass ich auch etwas Geld verdienen müsste. So verdingte ich mich als Träger für das Heinrich-Schwaiger-Haus am Großen Wiesbachhorn in Kaprun. Damals, 1950, war der Kraftwerksbau im vollen Gange. Daher bewarb ich mich nach meiner Trägerzeit als Hilfsarbeiter bei den Tauernkraftwerken. In meiner knappen Freizeit unternahm ich Bergtouren im Glocknergebiet und eines Tages war es mir vergönnt, mit der Helli am Seil über den spaltenreichen Karlingergletscher in das Kapruner Tal abzusteigen. Mein Traum, einmal Hüttenwirt zu werden, nahm langsam Konturen an.

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Der Großvater auf der Hausbank vor dem Forcherhäusl in Sexten – Südtirol 1939

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Grießnockerlsuppe

Für ca. 18 Nockerl

60 g Butter

1 großes Ei

90 g grober Grieß

1 Prise Muskatnuss

Salz

Rindsuppe zum Servieren

Schnittlauch zum Bestreuen

Butter und Ei auf Zimmertemperatur aufwärmen lassen.

Butter flaumig rühren, 1 EL Grieß unterrühren. Leicht verquirltes Ei nach und nach einrühren. Mit Muskatnuss und Salz würzen. Dann restlichen Grieß gut untermengen. 10 Minuten rasten lassen.

Mit einem in Wasser getauchten Esslöffel Nockerl formen. In wallendes Salzwasser einlegen, 10 Minuten ohne Deckel kochen. Etwas kaltes Wasser zugeben, Deckel auf den Topf geben, Nockerl ca. 10 Minuten bei kleiner Hitze ziehen lassen. Ein Nockerl zur Probe herausnehmen, fertig ist es, wenn es innen noch einen kleinen gelben Kern hat.

In Rindsuppe auftragen, mit Schnittlauch bestreuen.

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Helli und ich auf dem Gipfel des Großglockner 1952

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Als Träger auf der Oberwalderhütte

Tirolerknödel

Für 6 Personen

300 g altbackene Semmeln oder Weißbrot

1 Zwiebel (ca. 130 g)

150 g Tiroler Speck

1 Bund Schnittlauch

2 EL Butter

⅛ l Milch

3 Eier

Salz

Pfeffer

2 EL Mehl

Rindsuppe zum Servieren

Semmeln in kleine Würfel schneiden. Zwiebel schälen, klein hacken. Speck sehr klein würfeln. Schnittlauch in kleine Röllchen schneiden.

Zwiebeln in Butter goldgelb anschwitzen, Speck dazugeben und kurz mitrösten. Milch mit den Eiern versprudeln, mit Zwiebeln, Speck und 1 EL Schnittlauch zu den Semmelwürfeln geben, salzen und pfeffern, unterrühren.

Mit Mehl bestäuben, alles gut vermengen (geht am besten mit den Händen). Knödelmasse etwas zusammendrücken, 15 Minuten rasten lassen. Die Masse soll kompakt sein, falls sie zu weich ist, etwas mehr Mehl zugeben.

Einen großen Topf mit Salzwasser aufstellen. Mit befeuchteten Händen Knödel formen, ca. 12 Minuten leicht wallend kochen lassen. In Rindsuppe servieren, mit restlichen Schnittlauchröllchen bestreuen.

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Schmuggelgut