Marie-Luise Klietz und Dr med. univ. Matthias M. Aitzetmüller
unter Mitarbeit von Angelika Brodde

Hautsache schön,
Hautsache gesund

Marie-Luise Klietz und Dr. med. univ. Matthias M. Aitzetmüller
unter Mitarbeit von Angelika Brodde

Hautsache schön,
Hautsache gesund

Wissenswertes über unser größtes Organ

Inhalt

Geleitworte

Vorwort

1. Der Status quo

Lassen Sie uns über Geld reden

Der Nächste, bitte

Haben Sie noch Fragen?

2. Gesunde Haut, schöne Haut

Die Oberhaut – Aushänge- und Schutzschild

Die Grenze zwischen Ober- und Lederhaut – eine Art Eierkarton

In der Unterhaut geht’s ans Eingemachte

Und sonst so?

Was für ein Organ!

Kleine Geschlechterunterschiede

Cremen, peelen, ölen

Faltenrock oder: der Zahn der Zeit

Haut im Wandel

3. Fragen über Fragen

Das Thema Nummer eins

Akne und Aknenarben

Zweigbetrieb

Besenreiser

Offene Grenzen

Neurodermitis

Schlecht geschlafen?

Augenringe

Aufgepolstert

Zellulite

Wir sind gekommen, um zu bleiben

Dehnungsstreifen

Nachwuchs-Sorgen

Haarausfall

Das Chamäleon

Schuppenflechte

Das weiße Rieseln

Schuppen

Welcome to hell

Vitiligo

4. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt

Von wegen dick!

Lipödem/Lymphödem

Der Wolf im Schafspelz

Couperose/Rosazea

Ein Problem erster Güte

Hautkrebs

Wie am Fließband

Hyperhidrose

Nichts hilft

Periorale Dermatitis

Die Zeit heilt nicht alle

Chronische Wunden

5. Was heißt hier »schön«?

Das Bild von sich selbst

Geschmackssache

Zwei gemeinsame Nenner

Wer entscheidet?

6. Kein Licht ohne Schatten

Schnell mal schlank?

Fett-weg-Spritze/Kryolipolyse

Kurvendiskussion

Brustimplantate

Weniger ist mehr

Bruststraffung und Brustverkleinerung

Everybody’s Darling

Botulinumtoxin

Einmal auffüllen, bitte!

Hyaluronsäure-Filler

Klappt doch wie am Schnürchen

Faden-Lifting

Grand cru

Platelet Rich Plasma/PRP

Der guten Form halber

Hautstraffung am Körper und im Gesicht

Ab durch die Mitte

Nasenkorrektur

7. Auf der Suche nach dem richtigen Arzt …

Erste Schritte

Doctor Who?

Es wird ernst

Glossar

Literaturliste

Über uns

Geleitworte

Es hat mich sehr gefreut, als ich von Matthias gefragt wurde, ob es mir möglich wäre, für das vorliegende Buch ein Vorwort zu schreiben.

Es ist sehr schön zu sehen, wie aus Ehrgeiz und Fleiß letztendlich Können und Kompetenz resultieren. Im nachfolgenden Werk wird von Marie-Luise Klietz und Dr. Matthias Aitzetmül-ler das Thema Hautschönheit und Hautgesundheit beleuchtet.

Es handelt sich dabei um ein immer aktuelles Thema. Zugegebenermaßen gibt es hierzu natürlich schon einiges an Literatur, aber das Alleinstellungsmerkmal dieses Buches ist, dass es an den »Otto Normalverbraucher« gerichtet ist und dadurch in sehr verständlicher Sprache rüberkommt.

Dennoch wird der wissenschaftliche Aspekt nicht beiseitegelassen, und alle Aussagen werden mit wissenschaftlich fundierten Informationen belegt, denn Wissen schafft Schönheit (und eben auch Gesundheit) – etwas, das auch in unserer Ordination gelebt wird. Es ist somit eine heitere Lektüre für jeden, der Interesse an unserem größten Organ, der Haut, hat.

Ich habe beide Autoren als junge Mediziner mit großem Enthusiasmus und Hingabe kennengelernt, die ihr Ziel mit Perseveranz und Begeisterung verfolgen. Was zunächst typischerweise bei der »Generation Instagram« mit einem Blog begann, entwickelte sich dann zu einer informativen Webseite und nun zum vorliegenden Werk.

Ich bin überzeugt, dass Marie-Luise und Matthias auf ihrem weiteren Weg in der Medizin sehr erfolgreich sein werden, und ich freue mich, sie dabei noch einige Zeit begleiten zu dürfen!

Doz. Dr. Georg Huemer M.Sc. MBA

Folgen Sie Marie und Matthias auf der faszinierenden Reise durch und über die Haut. Eine Reise der Entdeckungen, die vor über 6000 Jahren begann und die heute noch lange nicht zu Ende ist.

Gerade in den letzten Jahren haben wir durch die moderne Forschung völlig neue Einblicke in die Vorgänge der Haut auf molekularer Ebene gewonnen. Dies hat unser Verständnis sowohl von Hauterkrankungen und deren Behandlungen als auch von Therapien im Bereich der Schönheit und Prävention teilweise vollkommen verändert.

Marie und Matthias verstehen es, mit Enthusiasmus, Neugier und Wissen komplexe Zusammenhänge und das Verhalten der Haut in unterschiedlichen Situationen verständlich darzustellen. Der Sinn von kosmetischer und ästhetischer Pflege und Prävention bis hin zu medizinischen Behandlungen wird für jeden Leser auf aktuellem Stand fassbar.

Wurde bisher die dermatologische Medizin und die Ästhetik eher aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet, so fließen diese beiden Aspekte im folgenden Buch zusammen, und es entsteht eine völlig neue Perspektive auf die HAUT.

Diese Verbindung, gepaart mit dem tiefen Verständnis der zellbiologischen Vorgänge in der Haut, wie wir sie im »Dermatologischen Zentrum am Tegernsee« praktizieren, führt zu neuen Behandlungsansätzen in der Medizin und der Ästhetik – weit hinaus über Kortison, Botulinum und Hyaluron – in den Jahren, die kommen werden.

Die Reise geht weiter! Lassen Sie sich begeistern!

Professor Dr. med. Hans Wilhelm Kaiser
Tegernsee, im September 2018

Vorwort

Als wir Anfang 2018 gemeinsam anfingen, auf »www.doctor-aesthetics.de« zu bloggen, haben wir nicht im Traum damit gerechnet, dass daraus so bald ein Buch werden könnte. Alles ging schneller als geplant, was verschiedene Gründe hatte.

Tagtäglich stehen wir als junge Ärzte direkt im Kontakt mit vielen Patienten und bekommen genau mit, was die Menschen beschäftigt. Alle Fragen, Themen und Anregungen, die unsere Spezialgebiete betreffen, versuchten wir, vorerst durch Instagram-Beiträge näher zu beleuchten. Schon nach kurzer Zeit reichte die verfügbare Wortanzahl dort nicht mehr aus, und wir gründeten einen eigenen Blog. Um noch mehr Menschen zu erreichen, entschlossen wir uns kurzerhand, die Themen in einem Buch zusammenzufassen, um so auf alle Fragen etwas umfangreicher antworten zu können.

Denn trotz Internet und bereits erschienener Sachbücher und Ratgeber ist den Leuten vieles unklar, das haben wir durch die zahlreichen Anfragen auf unserem Blog erkannt. Weder dieses Buch noch der Blog können oder sollen den Facharztbesuch ersetzen, konkrete Therapieempfehlungen geben oder Anspruch auf Vollständigkeit erheben. In erster Linie wollen wir dem Leser das nahebringen, wofür ein Arzt vielleicht im ersten Moment keine Zeit hat: Hintergründe, tiefer gehende Erklärungen, alternative Behandlungsmöglichkeiten, Vorteile, Nachteile, Risiken.

Um es kurz zu machen: Dieses Buch enthält grundlegende Informationen zu den Fragen, die uns zu Hautgesundheit und Schönheit am häufigsten gestellt werden.

Als Ärzte und Wissenschaftler im Bereich der Dermatologie und Plastischen Chirurgie beschäftigen wir uns im Blog und in diesem Buch mit Themen aus der Schnittmenge unserer Fachbereiche. Diese Schnittmenge beinhaltet vor allem Ästhetik und Schönheit und deshalb haben wir unseren Blog »Doctor.Aesthetics« und dieses Buch »Hautsache schön, Hautsache gesund« genannt. Sicher gibt es Ausnahmen und Gegenbeispiele, aber wir glauben: Ästhetik, Ausstrahlung und Schönheit zeigen sich vor allem dann, wenn der Körper gesund und in Balance ist. Genauso ist es auch bei der Haut. Kranke Haut hat keinen »Glow« und wird nicht schön aussehen, ganz unabhängig vom Alter. Die Grundlage für schöne Haut ist gesunde Haut. Von daher sollte das Ziel bei jeder Therapie und jeder Behandlung sein, sich zuerst auf die Gesundheit zu konzentrieren. Danach lässt sich die Haut mit den verschiedenen Methoden verschönern, falls es überhaupt noch erwünscht ist.

Gerade weil wir junge Ärzte sind, legen wir das Hauptaugenmerk auf andere Dinge als Kollegen mit langjähriger Erfahrung. Das geht bei der Frage los, welchen Arzt man mit Hautsorgen konsultieren soll. Wir haben auf Kongressen schon Streitgespräche zwischen Dermatologen und Plastischen Chirurgen erlebt, die jeweils der Meinung waren, die einzig wahre Adresse für Haut- und Schönheitsfragen zu sein. Wir halten dieses Denken für falsch. Die Frage »Wem gehört die Haut?« ist für Patienten nicht relevant, denn für sie zählt, zu welchem Arzt sie konkret gehen können, wie erfahren dieser zum Beispiel mit dem Laser umgeht, und nicht, welcher und ob er einer bestimmten Fachrichtung angehört.

Dadurch, dass wir beide Fachrichtungen vertreten, merken wir, dass sich unsere Blickwinkel im Endeffekt oft ähneln. Es gibt viele Schnittpunkte, gerade wenn man über das Ästhetische spricht. Das ist uns bei der Arbeit an diesem Buch noch deutlicher geworden. Für den Patienten bzw. den Leser mag das im ersten Moment verwirrend erscheinen. Natürlich wäre es komfortabel, bei einem Problem bzw. einem Wunsch »einfach« zu dem einen zuständigen Facharzt zu gehen und dort eine konkurrenzlos gute Lösung auf dem Präsentierteller zu bekommen. Aber es ist, wie es ist. Haut und ästhetisches Empfinden sind hochkomplexe Themengebiete. Im Einzelfall mag es das Nonplusultra bei der Therapie geben, doch in den allermeisten Fällen sind Geduld, Fingerspitzengefühl und Weitblick gefragt, um sich an die individuell beste Lösung heranzutasten. Das gilt sicher für die behandelnden Ärzte, aber eben nicht nur. Angesichts der Komplexität der Zusammenhänge, des real existierenden Termin- und Honorardrucks in deutschen Arztpraxen sowie der unglaublichen Dynamik der medizinischen Entwicklung ist auch der Patient in der Pflicht, aktiv zu werden.

Je besser man informiert ist, je mehr man die Zusammenhänge versteht, desto eher wird man im Dschungel der Angebote den Weg finden, der zum eigenen Ziel führt, und weder Zeit, noch Geld oder Lebensqualität in Sackgassen vergeuden. Wir hoffen, dass die Lektüre dieses Buches den Leser in diese Pole Position bringt – und dass sie eben so viel Spaß macht wie die Arbeit daran.

In diesem Sinne: Schöne Grüße!

Marie & Matthias

1. Der Status quo

Wieso es gar nicht leicht ist, bei Hautfragen die richtige Antwort zu bekommen

Der folgende Satz klingt nur dann banal, wenn man keine Hautprobleme hat: Die Haut ist die Grenze zwischen dem Ich und der Welt. Alles scheint ganz einfach, solange die Haut gesund ist. Sie fühlt sich gut an, sieht im Idealfall schön aus, erträgt Sonne, Wasser und Seife und repariert sich auch noch von allein, wenn wir einmal mit dem Küchenmesser ausrutschen. Doch kommt ein Sandkorn in das Uhrwerk »Haut«, wird es kompliziert. Wir reden hier nicht von dem berühmten Pickel beim ersten Date, obwohl der ja schon nervig genug ist. Unsere Haut kann uns durch Juckreiz um den Schlaf bringen, kann mit Akne das Depressionsrisiko steigern, durch auffällige Schuppenflechte soziale Ausgrenzung verursachen oder durch ästhetische Defizite das Selbstwertgefühl schmälern.

Was tut man dann? Man geht zum Arzt. Das ist bei Hautfragen allerdings eine Wissenschaft für sich. Im Falle einer Krankheit brauchen gesetzlich Versicherte, also rund 87 Prozent der Deutschen, erst einmal eins: Zeit. Bei uns im Raum München sind Wartezeiten von mehreren Monaten für einen dermatologischen Termin keine Seltenheit. Geht es um die hartnäckige Zornesfalte auf der Stirn oder andere ästhetische Anliegen, ist die reine Terminfindung unproblematisch. Oft reicht ein einziger Anruf, und der Termin am Folgetag steht. Der Grund: Weil Krankenkassen ästhetische Eingriffe nur in handverlesenen Ausnahmefällen finanzieren, sind alle Patienten Selbstzahler und können als solche auch die Angebote von Praxen ohne Kassenzulassung nutzen. Leicht hat es die letztgenannte Gruppe dennoch nicht, denn es muss erst einmal eine Adresse gefunden werden, die nicht nur schnell Termine anbietet, sondern auch gute Lösungen herbeiführen kann – mehr dazu ab Seite 20.

Lassen Sie uns über Geld reden

Die schwierige Lage für gesetzlich Versicherte und die verwirrende Vielfalt ästhetischer Angebote sind zwar grundverschiedene Dinge, doch egal, ob es um Akne oder Falten geht: Beim Wunsch nach gesunder und schöner Haut spielt Geld eine größere Rolle, als uns lieb ist. Das gilt natürlich an erster Stelle für die Patienten. Marie erlebt es in der dermatologischen Praxis immer wieder, wenn etwa Eltern eines Kleinkinds mit Neurodermitis schier verzweifeln, weil es zwar Ärzte gibt, die helfen können, aber kaum freie Termine. Welches junge Paar hat schon ein Einkommen, das den Besuch in der Privatpraxis ermöglicht? Aber auch in der Ästhetik können Wohl und Weh durchaus vom Kontostand abhängen. Die Brust-OP zum Schnäppchenpreis kann gut gelingen, bringt aber einige Risiken mit sich (mehr dazu ab Seite 163).

Auch wir Ärzte stecken im Zwiespalt zwischen der Rolle als Helfer und der Rolle als Praxismanager. Das spüren wir, die wir am Anfang unserer Karriere stehen, vielleicht besonders deutlich, einfach weil wir uns noch nicht an die paradoxe Situation gewöhnt haben. Vielen Kollegen, mit denen wir im Austausch sind, geht es ähnlich. Natürlich haben sie wie wir den Beruf grundsätzlich aus Menschenliebe gewählt. Wir wollen helfen, im besten Fall heilen, deshalb haben wir das lange Studium auf uns genommen. Aber wir wissen ebenso: Menschenliebe finanziert keine Praxis. Auch Ärzte müssen darüber nachdenken, wie kosteneffizient ihre Praxis arbeitet. Zu viel Unwirtschaftlichkeit führt ins Aus, zu viel Wirtschaftlichkeit kann auf Kosten der Patienten gehen und wird leicht verhöhnt oder verpönt.

In Bewertungsportalen gibt es sofort böses Blut, wenn es ums Geld geht. Vielleicht würde weniger geschimpft werden, wenn Patienten unser Gesundheitssystem besser kennen würden. Ärzte sind gerade bei gesetzlich versicherten Patienten abrechnungstechnisch stark reglementiert. Um die Praxismiete, die Gehälter der Angestellten und das eigene Leben finanzieren zu können, müssen alle sehr effizient arbeiten. Der einfachste Weg ist, die Zeit mit dem einzelnen Patienten zu kürzen und mehr Patienten abzuarbeiten. Klar, denken Sie jetzt vielleicht, damit finanzieren die Versicherten den Mitgliedsbeitrag im Golfklub oder die neue Luxuslimousine. Schön wär’s, möchten wir entgegnen.

Aber Beratungsgespräche fallen oft knapper aus, als es optimal wäre, und Termine sind erst nach monatelanger Wartezeit zu bekommen, weil der entsprechende Arzt sonst mit einem Minus aus dem Quartal gehen kann.

Nehmen wir als Beispiel die Dermatologen. Wenn die Wartezimmer voll und Termine Mangelware sind, warum machen nicht mehr Praxen auf? Die Antwort ist: Weil jeder Arzt nur mit den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen darf, wenn er eine Kassenzulassung hat – und deren Anzahl ist reglementiert. In Deutschland hat die Bundesärztekammer zuletzt 5944 Fachärzte für Haut- und Geschlechtskrankheiten gezählt, und in Großstädten wie München sind alle Kassensitze vergeben. Es kann also überhaupt keine neue dermatologische Praxis mit Kassenzulassung eröffnet werden. Und wird durch Ruhestand einer der begehrten Sitze vakant, reicht der Facharzttitel allein nicht aus, um auf der Liste nachzurücken. Man muss sich den Kassensitz kaufen, und da können Ärzte in wohlhabenden Regionen mit einer guten sechsstelligen Summe rechnen. Zusätzlich dazu die Einrichtung und teure Spezialgeräte: Schulden in Millionenhöhe sind bei der Eröffnung einer neuen Hautarztpraxis die Regel – Patienten erwarten ja zu Recht die höchsten Standards.

Der Nächste, bitte

Jeder Handwerker wird bei solchen Investitionen darauf achten, dass die Bilanz stimmt, und niemand wird es ihm ankreiden. Dabei müssen sich Handwerker nicht einmal mit dem Krankenkassensystem arrangieren. Ärzte dürfen nur quartalsweise, also vierteljährlich, Patienten abrechnen, und pro Quartal wird als Basis ein einziges Beratungsgespräch erstattet. Am profitabelsten ist es also, Patienten einmal pro Quartal einzubestellen, wobei die Worte »Beratungsgespräch« und »profitabel« aus Arztsicht nicht in einen Satz passen. Keine 15 Euro werden dem Arzt für das wichtige Gespräch erstattet. 15 Minuten für ein Erstgespräch wären eine angemessene Zeit, aber damit käme die Praxis auf einen Stundenlohn von knapp 60 Euro – von dem Steuern, Löhne, Miete und Kredite bezahlt werden sollen. Nur kurz zum Vergleich: Handwerker berechnen pro Mann und Arbeitsstunde etwas über 62 Euro.

Egal, wie gern wir mit jedem Patienten ausführlich reden würden: Patientenkontakte dürften nie länger als fünf Minuten dauern, damit sie sich für den Arzt überhaupt ansatzweise rentieren – und nur einmal pro Quartal stattfinden. Denn sieht der Arzt Patienten, die im entsprechenden Quartal schon bei ihm waren und nun ein anderes Problem oder Testergebnisse besprechen möchten, verdient er an diesem Folgegespräch gar nichts. Gerade für Dermatologen eine fatale Situation, denn wir müssen etwa bei Akne-, Psoriasis- oder Neurodermitis-Patienten engmaschig kontrollieren, ob und wie die Therapie anschlägt. Ein Gespräch pro Quartal reicht bei diesen Krankheiten niemals, jedes weitere geht auf Kosten des Hauses.

Finanziellen Zugewinn bringen für die meisten Ärzte hauptsächlich die Privatpatienten. Hier kann der Arzt entsprechend der Gebührenordnung für Ärzte, kurz GOÄ, die knapp 15 Euro Beratungsgebühr mit speziellen Faktoren multiplizieren und so auf 70 bis 80 Euro pro Gespräch kommen. Wenn also in einer Hautarztpraxis erst die Privatpatientin ausführlich aufgeklärt wird, finanziert der Arzt damit möglicherweise das Folgegespräch, welches er kurz darauf mit den besorgten Eltern des Kindes mit Neurodermitis führt. Was wir betonen wollen: Die Qualität dieser beiden Gespräche unterscheidet sich nach unserer Erfahrung nicht. Die oft angeprangerte Zweiklassenmedizin, bei der ein und derselbe Arzt Patienten je nach Versicherung mehr oder weniger gut behandelt, haben wir noch nirgends kennengelernt. In den Krankenhäusern und Praxen, in denen wir bisher tätig waren, haben die Ärzte ohne Ausnahme jeden Patienten mit derselben Sorgfalt behandelt.

Solange die Politik nicht eingreift, wird sich an diesem System nichts ändern. Das viel diskutierte Modell der Bundesversicherung, das es in der Schweiz schon gibt, wäre eventuell eine Lösung. Hier müssen alle in eine solidarische Grundversicherung einzahlen und können dann individuell Zusatzversicherungen abschließen. In Österreich schlägt man gerade einen neuen Weg ein: Hier versucht man, die Zahl der Krankenkassen zu reduzieren und so das Ganze einheitlicher und transparenter zu machen. Denn die Vielzahl der Kassen und ihre unterschiedlichen Abrechnungssysteme machen den Ärzten das Leben zusätzlich schwer.

In Deutschland helfen sich vor allem Plastische und Ästhetische Chirurgen, aber auch einige Dermatologen anders. Der Trend geht bei Hautfragen hin zu Privatpraxen, die sich mit keinem Abrechnungssystem anfreunden müssen, weil sie ganz oder größtenteils außerhalb der Kassenleistungen agieren und vom Patienten statt der Versicherten- die Kreditkarte sehen möchten. Valide Daten gibt es nicht, aber nach unserer Einschätzung liegt die Quote der privat abgerechneten Maßnahmen bei Plastischen und Ästhetischen Chirurgen nur knapp unter 100 Prozent, und in Großstädten zeichnet sich ein klarer Trend ab hin zur dermatologischen Privatpraxis. Wenn das Budget reicht, kann man hier in der Regel binnen 24 Stunden einen Termin inklusive ausführlicher Beratung bekommen. Viel Zeit, im komfortabel eingerichteten Wartezimmer den frisch gebrühten Cappuccino zu schlürfen, bleibt nicht: Lange Wartezeiten sind in Privatpraxen die absolute Ausnahme. Wie man sich in dem mittlerweile existierenden Angebotsdschungel am besten zurechtfindet, beschreiben wir ab Seite 201.

Haben Sie noch Fragen?

Wartezeit bzw. Auswahl der Praxis sind nicht die einzigen Fallstricke, wenn’s um die Haut geht. Denn kommt es zum Beratungsgespräch, werden nicht immer die richtigen Fragen gestellt, und zwar sowohl seitens der Patienten als auch seitens der Ärzte. Stellen wir uns einen auf Akne spezialisierten Dermatologen vor. Seine Patienten sind oft Teenager, die noch keine Ahnung davon haben, was da warum auf ihrer Haut passiert. Ein erstes Beratungsgespräch müsste bei Adam und Eva anfangen, um grundlegende Hautfunktionen und Zusammenhänge so zu erklären, dass sich der junge Patient das Wichtigste merkt. Für uns Ärzte eine echte Herausforderung, schließlich kennen wir die Zusammenhänge aus dem Effeff. Das beginnt bei der Sprache. Der Tipp beispielsweise, präventiv gegen Komedonen vorzugehen, hilft dem 16-jährigen Akne-Patienten wenig. Wir hören immer wieder, dass Patienten zwar ein Arztgespräch hatten, sich aber einfach nichts merken konnten. Wer hat nicht schon einmal über Medizinerdeutsch gewitzelt?

In unseren Blogs bemühen wir uns, wichtige Hautfragen auch für Laien verständlich zu erklären und so zu helfen, aus einem Arztgespräch das Beste herauszuholen. Dabei wählen auch wir manchmal die falschen Worte. Ein Beispiel: Nachdem unser Akne-Artikel online ging, haben wir ziemlich viele Anfragen bekommen, ob wir nicht einmal auch so einen Artikel über Mitesser schreiben könnten. Wer sich ein bisschen mit der Haut auskennt, weiß, dass beide Themen ein und dieselbe Problematik betreffen. Aber das Beispiel zeigt, dass es vielen Betroffenen an Verständnis für die Zusammenhänge mangelt. Das ist übrigens völlig normal, man kann kaum vom Patienten verlangen, dass er Medizin studiert, bevor er einen Arzt aufsucht. Uns geht’s außerhalb der Praxis auch nicht anders. Wenn uns etwa in der Werkstatt etwas über unsere Autos erzählt wird oder IT-Experten über ihr Fachgebiet reden, verstehen auch wir nur Bahnhof.

Doch zurück ins Sprechzimmer. Die richtigen Fragen seitens des Arztes können helfen, aber sie zu stellen ist nicht einfach. Natürlich wollen wir den Patienten grundlegend vermitteln, wo die Probleme bzw. die Lösungen liegen. Dass dem Wirtschaftler im Arzt bei den meisten Gesprächen die Stoppuhr im Nacken sitzt, während er seinem Gegenüber das hochkomplexe Thema Haut näherbringen will, haben wir ja schon erläutert. Aber mehr noch: Bei vielen Beratungsgesprächen gibt es Aha-Momente seitens der Patienten, mit denen wir zu Beginn unserer Arbeit nicht gerechnet hätten. Ein schönes Beispiel ist ein Akademiker, der über Hauttrockenheit und Juckreiz klagte und nach einem Produkt fragte, mit dem er den Körper abseifen könne, ohne die Haut zu stressen. Auf die Frage, warum er denn zum Beispiel seine Schienbeine abseifen wolle, antwortete er: um den Schweiß abzuwaschen. Aus dermatologischer Sicht ist das Nonsens, denn Schweiß ist wasserlöslich. Das Gespräch hätte aber auch anders verlaufen können. Der Arzt hätte inhaltlich korrekt über Syndets, Duschöle und Seifen referiert, der Patient würde sich vielleicht die Hälfte merken, und die Schienbeine würden weiterhin grundlos mit Tensiden gestresst.

Ein weiteres Problem liegt darin, dass Patienten gute Fragen haben, sie aber nicht aussprechen – sei es aus Schüchternheit, Scham oder falschem Respekt vor dem Arzt. Ein Beispiel, das Matthias erlebt hat, ist eine Patientin, die als Selbstzahlerin einen Brusteingriff durchführen lassen wollte. Sie hatte ein langes Erstgespräch mit dem Arzt, bei dem sie mit ihm einen ausführlichen Aufklärungsbogen durchgegangen war. Kaum wieder im Vorzimmer, sprudelten sehr grundlegende Fragen aus ihr heraus. Wird das Implantat über oder unter den Muskeln gelegt, wollte sie zum Beispiel wissen, ein Thema, dass sie gut und gern mit dem Arzt hätte vertiefen können. Denn diese grundlegende Frage wurde vom Arzt angesprochen, nur hatte die Patientin die Informationen nicht verinnerlicht.

Wir glauben nicht, dass dieser Fall eine Ausnahme ist. Beim Arztgespräch sind viele Patienten wie gelähmt, weil sie sich gestresst oder mit Informationen überschüttet fühlen. Sie schaffen es nicht mehr, sich aufs Essenzielle zu fokussieren, und gehen mit bruchstückhaftem Verständnis aus der Beratung. Was hilft? Eine gute Vorbereitung, die schon einmal ein Grundverständnis für die Haut aufbaut, und der Mut nachzufragen. Dazu möchten wir unbedingt ermuntern.

Wir finden es hervorragend, wenn Patienten offene Fragen stellen, und wir sind uns sicher, dass es anderen Ärzten genauso geht.