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Inhalt

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Titel

Vorwort

BEVERLEY NICHOLS

I. BLUMENAUSSTELLUNGEN

II. HERBSTFARBEN

III. WINTERBLÜHER

IV. DEN GARTEN INS HAUS TRAGEN

COMPTON MACKENZIE

V. GÄRTNERN IM WIND

MARION CRAN

VI. BLUMENKÄSTEN

VII. AMERIKANISCHE GÄRTEN

VITA SACKVILLE-WEST

VIII. DAS BEET FÜRS NÄCHSTE JAHR

IX. HECKEN UND GARTENPLANUNG

X. BLÜHENDE STRÄUCHER

XI. EINJÄHRIGE

Autorenporträt

Kurzbeschreibung

Impressum

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Was macht dein Garten?

Vorwort

Was Ihnen hier vorliegt, sind zwanglose Plaudereien über Gärten und Gartenarbeit, durchsetzt von beiläufigen Abstechern zu Kohlköpfen, Königen und anderen Themen. Im Großen und Ganzen (aber keineswegs immer) praktisch und informativ, greifen diese Plaudereien völlig unterschiedliche Aspekte der Gartenarbeit auf, allen gemeinsam aber ist der emotionale Faden, der sich durch sie hindurchzieht: Die Liebe zur Natur, die den Autoren eigene Fähigkeit, zu erkennen, was nicht für alle von uns ersichtlich ist, und ihr Charme.

BEVERLEY NICHOLS

Blumenausstellungen
Herbstfarben
Winterblüher
Den Garten ins Haus tragen

Beverley Nichols

I. BLUMENAUSSTELLUNGEN

Man kann leicht erkennen, wann in der Halle der Royal Horticultural Society am Vincent Square eine Blumenausstellung stattfindet, weil sich die umliegenden Straßen dann mit den merkwürdigsten Leuten füllen – alten Damen mit Figuren, die an Apfelbäume erinnern, alten Männern mit Regentonnenbäuchen, jungen Männern, deren Gesichter die Farbe der roten Erde eines frisch gepflügten Felds in Devonshire aufweisen und jungen Frauen in klobigen Stiefeln, die ohne jede Rücksicht auf den Verkehr über die Straße stapfen und Taxen beiseitescheuchen wie einen Haufen Hühner.

Es gibt Leute, die sich über diese Blumenausstellungs-Besucher lustig machen, weil sie so gar keinen Londoner Schliff besitzen, aber ich persönlich mag sie. Jedenfalls haben die Mädchen vom Land Gesichter, die man auseinanderhalten kann – Gesichter, die sich voneinander unterscheiden, und ganz anders sind die Standard-Gesichter Londoner Mädchen, die ungefähr so viel Individualität besitzen wie Millionen von Marmeladentörtchen, die alle in derselben Form gebacken wurden. Auf einer Blumenausstellung sieht man nicht viele dieser Standardgesichter, und das ist einer der Gründe dafür, dass ich so gerne hingehe.

Ein weiterer Grund ist der, dass eine Blumenausstellung zu den wenigen Orten gehört, an denen es möglich ist, eine Menge Bekannte zu sehen, ohne Gefahr zu laufen, mit ihnen sprechen zu müssen oder von ihnen zum Mittagessen gebeten oder zu einer Rede auf irgendeiner Versammlung aufgefordert zu werden. Denn sobald man einen dieser Bekannten in der Ferne erspäht, kann man die Nase geschwind in einem Busch versenken und sie, als wäre man ein Vogel Strauß, dort belassen, bis die Gefahr vorbei ist.

Natürlich gibt es auch Leute, die, wenn sie einen bei diesem Tun erblicken, niederträchtigerweise hinter einem stehenbleiben, bis man denkt, dass sie weg sind. Gewöhnliche Menschen dagegen, die einen Autor dabei ertappen, wie er seine Nase in einem Busch versteckt, lassen den armen Kerl in Ruhe, teils aus Mitleid, teils aber auch, weil sie sich von hinten nicht absolut sicher sein können, dass es tatsächlich der Autor ist, dessen Nase in diesem Busch steckt, und es überaus peinlich wäre, einen völlig Fremden am Rockzipfel aus einem blühenden Rhododendron zu zerren.

Nach diesem dezenten Hinweis darauf, dass Autoren nicht gern zum Mittagessen gebeten oder zu Reden aufgefordert werden und es uns, so gern wir es auch täten, wirklich und wahrhaftig unmöglich ist, jede Woche tausend Briefe freundlicher Fremder zu beantworten, möchte ich nun ein paar bescheidene Vorschläge zur Verbesserung von Blumenausstellungen unterbreiten.

Eine der ersten Ausstellungen, die ich persönlich gerne in der Royal Horticultural Hall sähe, würde sich »Vorher-Nachher« nennen und die tatsächlichen, praxiserprobten Resultate von Düngemitteln, Pestiziden, Unkrautvernichtern und dergleichen zeigen. Ich bin diesbezüglich nämlich etwas verbittert, weil ich den ganzen letzten Monat damit verbracht habe, die eine Hälfte meiner Staudenrabatte mit einem Düngemittel zu gießen, das mir garantierte, jeden Hinterhof über Nacht in einen Garten Eden zu verwandeln. Die andere Hälfte der Rabatte überließ ich strikt sich selbst, setzte mich und wartete gespannt auf die Ergebnisse. Sie waren extrem unbefriedigend. Die Pflanzen, die ich sich selbst überlassen hatte, hatten sich sehr schön entwickelt, während die, die mit Dünger verhätschelt worden waren, mäkelig und kümmerlich aussahen, als litten sie an Verdauungsstörungen oder Unterernährung – keine Ahnung, was von beidem. Deshalb würde ich gerne eine Vorher-Nachher-Ausstellung von Leuten sehen, die mit den Düngemitteln eher unterschiedliche Ergebnisse erzielten.

In dieser Ausstellung gäbe es auch einen Bereich, der sich mit Schädlingen – also mit Ursache und Abhilfe – befasst. Auf der einen Seite der Halle gäbe es reihenweise Rosen, Geißblätter, Aschenblumen und dergleichen – alle voller Blattläuse. Auf der anderen Seite stünden genau dieselben Pflanzen, bloß wäre ihr Teint absolut makellos, weil sie mit irgendjemandes patentierter Anti-Blattlaus-Mixtur besprüht wurden. Wenn man von einer Seite der Halle zur anderen ginge, wäre die Wirkung ähnlich wie die in der Werbung für Gesichtscreme. Dort zeigt das erste Bild eine Frau, die einer besonders stark geschrumpelten ägyptischen Mumie ähnelt, wie annähernd hundert aussieht und mutterseelenallein in einer Ecke des Ballsaals sitzt, während die Männer achtlos an ihr vorbeigehen. Auf dem nächsten Bild sieht sie aus wie eine strahlend schöne Fünfzehnjährige, die sich vor Orchideen kaum retten kann und von Horden hingerissener junger Männer umlagert wird. Und darunter steht geschrieben: »Mein Leben hat sich völlig verändert, seit ich die Coldcreme von X verwende.«

Mein Leben hat sich ganz und gar nicht völlig verändert, seit ich die Anti-Blattlaus-Mixtur von X verwende, allerdings scheint das Leben der Blattläuse eine überaus erfreuliche Wendung genommen zu haben. Ich bin sicher, könnte ich, während ich die Blattläuse mit der Mixtur besprühe, durch ein Mikroskop schauen, würde ich sehen, wie sich ein Ausdruck des Entzückens über ihre widerlichen kleinen Gesichter breitet, sobald sie von der Flüssigkeit berieselt werden. »Ah!«, würden sie seufzen. »Genau darauf haben wir seit Jahren gewartet! Genau dieses Tonikum haben wir gebraucht! Genau das hat uns gefehlt, um unsere Nerven zu beruhigen, uns zu nähren und uns das Gefühl zu geben, dass das Leben lebenswert ist. Mehr! Mehr!« Das würden sie dem schwitzenden Gärtner zurufen, der die Spritzdüse betätigt, bis er schwarz anläuft. Und wenn der Gärtner seine Sprühflasche zu guter Letzt beiseitelegt, geben die Blattläuse ein befriedigtes Seufzen von sich, betten sich zur Ruhe und wachen am nächsten Morgen voller neuer Energie auf.

Daher würde ich mich über eine Ausstellung freuen, in der man mit eigenen Augen sehen könnte, wie die Blattläuse dahinsiechen. Aber ich bezweifle, dass ich das je erleben werde.

Eine weitere Ausstellung, die ich mit Begeisterung besuchen würde, wäre eine Ausstellung der Absonderlichkeiten – dort sähe man merkwürdige Pflanzen, die niemand sonst hat, seltsame Entstellungen und alles, was zu ungewöhnlichen Zeiten blüht. Zu dieser Ausstellung beitragen würden in erster Linie all die absonderlichen Leute, die mit unerbittlicher Regelmäßigkeit an die Zeitungen schreiben, um der Welt mitzuteilen, dass sie den ersten Kuckuck gehört oder die erste Primel gepflückt haben oder dass ihre Katze im Schlaf pfeift und keinen Fisch frisst oder dass sie im Becken in der Spülküche einen dort wachsenden Pilz gefunden haben und gerne wüssten, ob andere Leser ähnliche Erfahrungen gemacht haben, und falls nicht, wieso nicht? Dieser merkwürdige Teil der Bevölkerung, dem nie etwas Gewöhnliches zu widerfahren scheint, diese kleine Horde eigenartiger Personen, die in den Zeitungen einen so großen Raum einnehmen, wäre ganz sicher entzückt, all ihre Merkwürdigkeiten an die Absonderlichkeiten-Ausstellung zu schicken. Den ersten Kuckuck könnten sie natürlich nicht schicken, definitiv aber den Pilz aus dem Becken in der Spülküche. Vielleicht würden sie sogar die im Schlaf pfeifende Katze schicken, und dann könnte man zusätzliche sechs Pence von allen verlangen, denen daran gelegen wäre, dieses ergötzliche Phänomen zu hören.

Es erübrigt sich zu sagen, dass ich selbst eifrig zu dieser Absonderlichkeiten-Ausstellung beitragen würde. Es ist nämlich schrecklich schwer, über die eigenen Erfahrungen zu sprechen, weil Gärtner bedeutend schlimmer sind als Angler – wenn sie ihre Ackerbohnen beschreiben, recken sich ihre Arme weit höher als die jedes Anglers, der die Größe eines Hechts verdeutlichen will, und ihre Zungen gehen auf die erschreckendste Weise mit ihnen durch, als seien sie betrunken vom Duft der Blumen, von denen sie sprechen. Trotzdem werde ich es wagen, Ihnen von ein paar wenigen Absonderlichkeiten zu erzählen, die ich selbst hätte beisteuern können.

Letzten Oktober zum Beispiel hätte ich ein überaus bezauberndes Primelsträußchen einreichen können. Wieso die Primeln zu diesem Zeitpunkt blühten, kann ich nicht sagen, aber sie taten es – und es war ein sehr eigenartiges und ungemein aufregendes Gefühl, sie zu pflücken, als sich das Jahr bereits dem Ende zuneigte, und durch sie an die lang vergessenen Düfte des Frühlings erinnert zu werden. Zu Weihnachten hätte ich einen bunt gemischten Strauß schicken können, in dem sich eine Rose und ein Schneeglöckchen, die sich mit hochmütigen Gesichtern beäugten, Seite an Seite fanden. Außerdem enthielt der Strauß ein Löwenmäulchen, ein Maßliebchen und diverse andere Blumen, die eigentlich längst hätten schlafen müssen. Auch das ergäbe eine bezaubernde Ausstellung – eine, die ausschließlich bunten Sträußen gewidmet wäre, die sich aus Blumen zusammensetzen, die zu Unzeiten blühen, und ich wette, es gäbe dort wirklich Erstaunliches zu sehen.

Und dann würde ich mich über eine Ausstellung freuen, die sich »Dinge, die wir übersehen« nennen könnte. Dort könnten die Leute all die bezaubernden Pflanzen hinschicken, die zwar nicht direkt zu den Blumen zählen, aber dennoch einen Platz im Blumengarten verdient hätten. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Letzten Sommer war ich zu Besuch in einem Haus in Hampshire, das für die Schönheit und Originalität seiner Gärten berühmt ist. Es gab eine Menge von ihnen, am schönsten aber war ein ummauerter Garten, in dem alle Blumen blau waren. Natürlich fanden sich dort die üblichen Verdächtigen wie Rittersporn und Eisenhut, aber das allerschönste Blau stammte von Gruppen von Kohlköpfen – ganz normalen Kohlköpfen. Vor dem Hintergrund des strahlenden Blaus der anderen Blumen besaßen die Kohlköpfe eine Schönheit und Eleganz, die sie zu etwas ganz und gar Entzückendem machten.

Es gibt so viele aufregende Entdeckungen, die in eine Ausstellung »Dinge, die wir übersehen« aufgenommen werden könnten, dass ich nur ein paar davon aufzählen kann. Jedenfalls kann ich nicht umhin, mich zu fragen, wie viele Menschen wohl bemerkt haben, dass das Weidenkätzchen zu den schönsten Blüten im Aprilgarten gehört. Ich frage mich, wie vielen Menschen beim Pflücken einer Rose auffällt, dass die Blätter oft eine intensivere Farbe und eine zartere Form haben als die eigentliche Blüte? Und ich frage mich, wie viele Leute, die meinen, alles über Gärten zu wissen, auch nur ein Zehntel der Schönheiten unter den Wildblumen nennen könnten, die am Rand jeder x-beliebigen Landstraße auf einen warten.

nicht

The best things in life are free!1

Die besten Dinge im Leben sind kostenlos.

1   The Best Things in Life Are Free ist ein Lied von Ray Henderson (Musik), B. G. DeSylva und Lew Brown (Text), das 1927 erschienen ist. A. d. Ü.