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Die Herausgeberinnen

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Prof.in Dr. Marie-Christine Vierbuchen arbeitet seit August 2017 an der Universität Vechta als Juniorprofessorin für Inklusive Bildung in den Erziehungswissenschaften.

Im Wintersemester 2016/17 vertrat sie die Professur ›Schulische Interventionsforschung bei besonderen pädagogischen Bedürfnissen‹ an der Universität Wuppertal in der School of Education. Seit 2009 arbeitete sie an der Universität Oldenburg als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Institut für Sonder- und Rehabilitationspädagogik im Fachbereich ›Pädagogik und Didaktik bei Beeinträchtigungen des Lernens‹.

Ihre Forschungsschwerpunkte sind Lehrkräftebildung, schulische Inklusion sowie Prävention und Intervention bei Lern- und Verhaltensbeeinträchtigung (z. B. Diagnostik und Förderplanung, Classroom Management).

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Prof.in Dr. Frederike Bartels wurde zum 1. Oktober 2017 als Juniorprofessorin für Grundschulpädagogik in das Fach Erziehungswissenschaften an die Fakultät I – Bildungs- und Gesellschaftswissenschaften der Universität Vechta berufen. Zuvor war sie bereits seit 2008 als Lehrkraft für besondere Aufgaben, später als wissenschaftliche Mitarbeiterin in Vechta tätig.

Die Forschungstätigkeiten liegen im Bereich Grundschul- und Elementarpädagogik. Schwerpunkte sind Selbstkonzept und implizite Fähigkeitstheorien von Kindern im Vor- und Grundschulalter, Lehrerfeedback, Erwartungen von Eltern und pädagogischen Fachkräften an Bildungsinstitutionen und die Professionalisierung von Elementar- und Primarpädagog*innen.

Marie-Christine Vierbuchen Frederike Bartels (Hrsg.)

Feedback in der Unterrichtspraxis

Schülerinnen und Schüler beim Lernen wirksam unterstützen

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2019

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-035244-5

E-Book-Formate:

pdf:    ISBN 978-3-17-035245-2

epub: ISBN 978-3-17-035246-9

mobi: ISBN 978-3-17-035247-6

Inhalt

 

 

 

  1. 1 Vorwort der Herausgeberinnen
  2. I Feedback – Terminologie, Konzept und Bedeutung für die Praxis
  3. 2 Ich gebe und fordere Rückmeldung. – Feedback in der Unterrichtspraxis
  4. Denise Weckend, Christina Schatz & Klaus Zierer
  5. 2.1 Einleitung
  6. 2.2 Erfolgreiches Feedback
  7. 2.2.1 Motivation
  8. 2.2.2 Lernziele
  9. 2.2.3 Informationsinhalt und Leistungsstand
  10. 2.2.4 Feedback als Dialog
  11. 2.3 Vollständiges Feedback
  12. 2.3.1 Die Perspektiven des Feedbacks
  13. 2.3.2 Die Ebenen des Feedbacks
  14. 2.4 Feedback in der Unterrichtspraxis
  15. 2.4.1 Das K3W-Modell
  16. 2.4.2 Das Fortbildungsmodul »Ich gebe und fordere Rückmeldung.«
  17. 2.5 Ergebnisse aus der Praxis
  18. 2.6 Ausblick
  19. Literatur
  20. 3 Feedback und Lob – Perspektiven auf den Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulunterricht
  21. Frederike Bartels, Vanessa Pieper & Julius Busch
  22. 3.1 Einleitung
  23. 3.2 Feedback und Lob – eine terminologische Verortung
  24. 3.2.1 Formen und Effekte von Feedback
  25. 3.2.2 Lob und Kritik
  26. 3.2.3 Effekte von Lob und Kritik
  27. 3.3 Schülerinnen- und Schülerperspektiven auf Lob und Kritik – Entwicklungen im Verlauf der Grundschulzeit
  28. 3.3.1 Entwicklungsverläufe im Anfangsunterricht
  29. 3.3.2 Entwicklungsverläufe am Ende der Grundschulzeit
  30. 3.3.3 Geschlechterdifferente Wahrnehmungen
  31. 3.4 Pädagogische Konsequenzen
  32. Literatur
  33. 4 Lob als effektives Classroom Management in der Sekundarstufe – wissenschaftliche Befunde und praktische Hinweise
  34. Sarah Fefer & Marie-Christine Vierbuchen
  35. 4.1 Die Logik eines mehrstufigen Systems
  36. 4.2 Bedeutung des Lobes in der Sekundarstufe
  37. 4.3 Menge des Lobes
  38. 4.4 Art des Lobes
  39. 4.5 Erfolgreiches Lob – Training für Lehrkräfte
  40. 4.6 Schlussfolgerungen
  41. Literatur
  42. II Feedback – soziale Integration und Inklusion
  43. 5 Lehrkraftfeedback und soziale Integration: ein Dreiebenenmodell zum integrationswirksamen Lehrkraftfeedback in Schule und Unterricht
  44. Christian Huber
  45. 5.1 Einleitung
  46. 5.2 Ansätze zur Erklärung von sozialen Integrationsprozessen
  47. 5.3 Theoretischer Hintergrund: soziale Referenzierungsprozesse und Austauschtheorie
  48. 5.4 Forschungsstand zur Wirkung von Lehrkraftfeedback auf die soziale Integration
  49. 5.5 Ein Dreiebenenmodell zur integrationswirksamen Wirkung von (Lehrkraft-)Feedback
  50. 5.5.1 Ebene 1: der Fokus des Feedbacks
  51. 5.5.2 Ebene 2: die Valenz des Feedbacks
  52. 5.5.3 Ebene 3: die (emotionale) Temperatur des Feedbacks
  53. 5.6 Beziehung zwischen Feedbackgebendem und Beobachtendem
  54. 5.7 Hypothetische (Wechsel-)Wirkung der integrationsrelevanten Ebenen von Lehrkraftfeedback
  55. 5.8 Ableitungen des Dreiebenenmodells für die schulische Praxis
  56. 5.8.1 Öffentlichkeit des Lehrkraftfeedbacks
  57. 5.8.2 Valenz des Feedbacks
  58. 5.8.3 Bezugsnormorientierung des Feedbacks
  59. 5.8.4 Classroom Management
  60. 5.8.5 Schulnoten als Feedback
  61. 5.8.6 Einstellungen der Lehrkraft
  62. 5.9 Fazit
  63. Literatur
  64. 6 Individuelles Feedback als Bestandteil inklusiven Unterrichts? Eine empirische Studie über die Wahrnehmung von individuellem Lehrkraftfeedback aus Schülerinnen- und Schülersicht
  65. Susanne Schwab, Janka Goldan & Lisa Hoffmann
  66. 6.1 Einleitung
  67. 6.2 Fragestellungen
  68. 6.3 Methode
  69. 6.3.1 Stichprobe
  70. 6.3.2 Erhebungsinstrumente
  71. 6.4 Ergebnisse
  72. 6.4.1 Deskriptive Ergebnisse
  73. 6.4.2 Prädiktoren von individuellem Feedback
  74. 6.4.3 Zusammenhänge zwischen der Wahrnehmung individuellen Lehrkraftfeedbacks und der Beziehung zur Lehrkraft, der Beziehung zu den Peers, dem akademischen Selbstkonzept und der Intention zum Schulabbruch
  75. 6.5 Diskussion
  76. Literatur
  77. III Feedback und Fehlerkultur
  78. 7 Umgang mit Fehlern im Unterricht: zur Rolle von Feedback in einem konstruktiven Fehlerklima
  79. Gabriele Steuer & Markus Dresel
  80. 7.1 Fehlerklima und Feedback – eine theoretische Annäherung
  81. 7.1.1 Fehler im Unterricht
  82. 7.1.2 Fehlerklima – Definition und Beschreibung
  83. 7.1.3 Feedback
  84. 7.2 Empirische Befunde zu Fehlerklima und Feedback
  85. 7.2.1 Empirische Befunde zum Zusammenhang von Fehlerklima und Feedback
  86. 7.2.2 Empirische Befunde zum Zusammenhang von Fehlerklima und individuellem Umgang mit Fehlern
  87. 7.2.3 Empirische Befunde zum Zusammenhang von Fehlerklima und Leistung
  88. 7.3 Bedeutung für die Unterrichtspraxis
  89. Literatur
  90. 8 Leistungsattributionen und attributionales Feedback
  91. Robert Grassinger
  92. 8.1 Leistungsattributionen und deren Klassifikation sowie Relevanz
  93. 8.1.1 Klassifikation von Leistungsattributionen
  94. 8.1.2 Wirkung von Leistungsattributionen auf Lern- und Leistungsmotivation sowie Leistungsemotionen
  95. 8.2 Antezedenzien von Leistungsattributionen
  96. 8.2.1 Situative Informationen zum Konsensus, zur Konsistenz und zur Distinktheit der Leistung
  97. 8.2.2 Attributionsverzerrungen am Beispiel von selbstwertdienlichen Attributionsmustern
  98. 8.2.3 Motivationale Tendenzen und Überzeugungen
  99. 8.2.4 Geschlecht
  100. 8.3 Attributionales Feedback
  101. 8.3.1 Günstige Inhalte attributionalen Feedbacks
  102. 8.3.2 Günstige Darbietung attributionalen Feedbacks
  103. 8.3.3 Reattributionstrainings
  104. 8.4 Zusammenfassung
  105. Literatur
  106. IV Feedback in der Lehreraus- und -fortbildung
  107. 9 Zur Handlungskompetenz von Lehramtsstudierenden beim Erteilen von Feedback – Effekte der Strukturiertheit bei der Analyse eigener Videoaufnahmen
  108. Miriam Hess & Frank Lipowsky
  109. 9.1 Einleitung
  110. 9.2 Hintergrund
  111. 9.2.1 Zur Bedeutsamkeit und Qualität von Feedback
  112. 9.2.2 Zur Veränderung der Handlungskompetenz durch die Arbeit mit Videos
  113. 9.3 Fragestellungen
  114. 9.4 Datengrundlage: das Projekt ProFee und die drei Lernumgebungen
  115. 9.5 Methodisches Vorgehen
  116. 9.5.1 Zur Erfassung der Handlungskompetenz der Studierenden
  117. 9.5.2 Zur Stichprobe
  118. 9.5.3 Zu den Analysemethoden
  119. 9.6 Ergebnisse
  120. 9.6.1 Analysen anhand der Einzelitems
  121. 9.6.2 Analysen anhand der Summenscores
  122. 9.7 Diskussion
  123. Literatur
  124. 10 Feedback durch Coaching – eine zentrale Komponente wirksamer Lehrkräftefortbildungen
  125. Daniela Rzejak & Frank Lipowsky
  126. 10.1 Einleitung
  127. 10.2 Feedback und Coaching: eine begriffliche Annäherung
  128. 10.2.1 Feedback
  129. 10.2.2 Coaching
  130. 10.3 Befunde zum Coaching in Lehrkräftefortbildungen
  131. 10.3.1 Übersichtsarbeiten zur Wirksamkeit von Coaching für Lehrkräfte
  132. 10.3.2 Zur Wirksamkeit von Coaching: ein Blick auf einzelne Studien
  133. 10.4 Wirksames Lehrkräftecoaching?! Resümee und Ausblick
  134. Literatur
  135. Autorinnen und Autoren

1          Vorwort der Herausgeberinnen

 

 

 

Die Forschung über die Verwendung und den Nutzen von Feedback im Unterricht hat eine lange Tradition. Vor mehr als hundert Jahren demonstrierte Gilchrist (1916) bereits, dass ein positives Lehrkraft-Feedback die Leistung der Schülerinnen und Schüler bei einem Test verbesserte. Mittlerweile sind eine Reihe an Untersuchungen zu Feedback im Klassenzimmer durchgeführt worden, wobei die Forschungsbemühungen seit dem Erscheinen von Hattie und Timperleys (2007) Synthese von 196 Studien aus 12 vorangegangenen Meta-Analysen über Lehrkraftfeedback mit Sicherheit intensiviert wurden.

John Hattie, einer der einflussreichsten Bildungsforscher der heutigen Zeit, definiert Feedback als »eine Information (…), die von einem Akteur (z. B. Lehrperson, Peer, Buch, Eltern oder die eigene Erfahrung) über Aspekte der eigenen Leistung oder das eigene Verstehen gegeben wird« (Hattie, 2013, S. 206). Die Erkenntnisse aus der zitierten Studie von Hattie und Timperley (2007) demonstrieren, dass positives Feedback, das sich auf bestimmte Aufgaben und Aktivitäten im Klassenzimmer konzentriert, ein wirksames Instrument ist, um den Erfolg der Schülerinnen und Schüler in akademischen und nicht-akademischen Bereichen zu fördern. Und spätestens seit Hattie (2009) Feedback als eine der »Top Ten« wirksamster Einflussgrößen auf die Lernleistung von Schülerinnen und Schüler identifizierte, wird Feedback auch von Akteurinnen und Akteuren aus Praxis und Forschung verstärkt als wichtige Steuergröße schulischen Lernens wahrgenommen.

Das vorliegende Buch versteht sich als wissenschaftlich fundierter Beitrag, in dem eine systematische und reflektierte Annäherung an die unterschiedlichen Ebenen und Bereiche von Feedback stattfindet, in denen Feedback als Steuerungsinstrument im Alltag des Lehrens und Lernens wirksam wird. Im schulischen Kontext besitzt Feedback eine hohe Relevanz, so dass in diesem Werk sowohl das Feedbackverhalten der Lehrkraft und seine Auswirkungen und Chancen im Unterricht thematisiert werden wie auch die Möglichkeiten einer gezielten Unterstützung und Förderung des Feedbackverhaltens von Lehrkräften.

In allen Kapiteln wird deutlich, dass gelingend eingesetztes Feedback nicht rein intuitiv umsetzbar ist, sondern ein gezieltes Training und Reflektion benötigt, da es sonst viel zu selten und nicht passgenau gegeben wird und damit wertvolles Entwicklungspotenzial verloren geht. Adäquat eingesetzt stellt Feedback eine Bereicherung sowohl für Lehrkräfte als auch für Schülerinnen und Schüler auf vielen Ebenen dar.

Aufbauend auf aktuellen Forschungserkenntnissen wird der Frage nach Gelingensbedingungen erfolgreichen Feedbacks im schulischen Kontext nachgegangen. Zentral geht es um Themen wie Feedback und eine gesunde »Fehlerkultur«, genderspezifische Unterschiede in der Wahrnehmung von Feedback und Feedbackgeberkultur, wertschätzendes Feedback als Bestandteil einer gelungenen Beziehungsgestaltung und förderliches Instrument zur Unterstützung des sozialen Status’ von Schülerinnen und Schülern innerhalb der Klassengemeinschaft sowie als Steuerungsinstrument der Schulentwicklung, zur Einschätzung und Bewertung von Unterricht und Schulleben.

Übergreifend wird Feedback innerhalb des vorliegenden Buches als eine zentrale Unterstützungshilfe bei der Regulation von sozialen und akademischen Lernprozessen betrachtet, wenn es gelingend eingesetzt wird. Insbesondere Feedback und seine Auswirkungen auf individuelle und soziale Aspekte (z. B. Selbstkonzept oder soziale Anerkennung) ist aktuell mehr denn je ein bedeutsames Thema, in dem viele Gestaltungsmöglichkeiten liegen, gerade im Zuge des Prozesses inklusiver Schul- und Unterrichtsentwicklung. In einzelnen Beiträgen werden daher Handlungsmöglichkeiten für die Unterrichtspraxis skizziert, aber auch Grenzen aufgezeigt.

In den einzelnen Kapiteln werden unterschiedliche Perspektiven auf Feedback und seine Komponenten aufgezeigt. Die verwendeten Begrifflichkeiten werden in den jeweiligen Kapiteln detaillierter betrachtet. Es fließen dabei nationale und internationale Erkenntnisse von deutschen und internationalen Autorinnen und Autoren ein. Die Autorinnen und Autoren der Beiträge selbst stammen aus unterschiedlichen Disziplinen u. a. der Erziehungswissenschaft, der Grundschulpädagogik, der Psychologie und der Sonderpädagogik. Diese Vielfalt an unterschiedlichen Perspektiven ermöglicht den Leserinnen und Lesern tiefere Einblicke in das Verständnis über Wirkweisen von Feedback aus Sicht der jeweiligen Forschungstradition. Die Beiträge weisen dabei zum Teil Unterschiede im Theorieverständnis auf, allen gemein ist jedoch ein fundierter theoretischer Ansatz. Je nach fachlicher Genese wird eher aus einer sozial-konstruktivistischen Perspektive oder behavioristisch orientierten Perspektive argumentiert. Neben gesellschaftlichen Entwicklungen (wie z. B. Inklusion) werden auch institutionelle und akteurspezifische Bedürfnisse in den Beiträgen in den Blick genommen. Es werden Entwicklungsperspektiven von Verstehensprozessen von Feedback im Primarstufenbereich aufgezeigt und die Bedeutung von Lob für die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern in der Sekundarstufe dargelegt. Feedback als Thema in der Lehreraus- und -fortbildung bildet ein weiteres Feld, in dem Feedback an Bedeutung gewinnt und das daher in diesem Buch näher beleuchtet wird.

Das Buch richtet sich sowohl an angehende Lehrkräfte, Forscherinnen und Forscher, Lehrende an Hochschulen als auch an Lehrkräfte und andere professionelle Fachkräfte, die ihr Wissen über wirksames Feedback in der Unterrichtspraxis erweitern möchten. Es werden Forschungsergebnisse beleuchtet, aber auch praktische und ganz konkrete Tipps für den Unterrichtsalltag sowie für die Lehrkräftebildung gegeben.

Das Buch ist untergliedert in vier Themenbereiche.

Kapitel I: Feedback – Terminologie, Konzept und Bedeutung für die Praxis. Im ersten Teil des Buches findet eine Einführung in grundlegende Begrifflichkeiten und Konzepte von Feedback sowie der Bedeutung für die Unterrichtspraxis statt. In ihrem Beitrag »Ich gebe und fordere Rückmeldung. – Feedback in der Unterrichtspraxis« beschreiben Denise Weckend, Christina Schatz und Klaus Zierer erfolgreiches und lernförderliches Feedback. Hier wird Theorie und Forschung vor allem basierend auf »Visible Learning« von Hattie, mit Bezug zu seinem Feedbackmodell, beleuchtet. Einerseits geben sie einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand. Sie erläutern, wie systematisch und vollständig Feedback gegeben werden kann, damit es lernwirksam ist. Andererseits stellen sie in ihrem Beitrag die Fortbildung »Ich gebe und fordere Rückmeldung.« im Schulprojekt »Schulen zum Leben« in Mecklenburg-Vorpommern vor. Frederike Bartels, Vanessa Pieper und Julius Busch gehen in ihrem Beitrag » Feedback und Lob – Perspektiven auf den Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulunterricht« aus grundschulpädagogischer Sicht auf einen lernförderlichen Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulunterricht ein. Die Autoren stellen dar, wie Lob und Kritik aus der Perspektive von Schülerinnen und Schülern wahrgenommen wird. Nach einer terminologischen Verortung und Abgrenzung von Feedback werden – aus dynamisch-transaktionaler Perspektive – die Effekte von Lob thematisiert. Den Abschluss des Kapitels bildet die Betrachtung von pädagogischen Konsequenzen, die Lehrkräften Hinweise für einen wirkungsvollen Umgang mit Lob und Kritik im Grundschulalltag geben kann. Sarah Fefer und Marie-Christine Vierbuchen stellen in ihrem Beitrag » Lob als effektives Classroom Management in der Sekundarstufe – wissenschaftliche Befunde und praktische Hinweise« Lob als positives Feedback vor allem in seiner Relevanz für die Sekundarstufe dar und gehen hier spezifisch auch auf Lob für Schülerinnen und Schüler mit hohem Entwicklungsrisiko ein. Aktuelle internationale Forschungsergebnisse werden zusammengefasst und in einen Bezug zum Thema Classroom Management gesetzt. Es wird die Möglichkeit einer Umsetzung innerhalb eines dreistufigen Systems mit jeweils verschiedenen Implikationen für Lob angeregt und konkrete Handlungsstrategien gelingenden Einsatzes, aber auch Stolpersteine der Umsetzung von angemessenem Lob im Unterricht berichtet.

Kapitel II: Feedback – Soziale Integration und Inklusion. In dem Beitrag »Lehrkraftfeedback und soziale Integration: Ein Dreiebenenmodell zum integrationswirksamen Lehrkraftfeedback in Schule und Unterricht« von Christian Huber geht es um den Zusammenhang zwischen Lehrkraftfeedback und sozialer Integration. Dieser Zusammenhang wird auf Grundlage der sozialen Referenzierungstheorie und zahlreicher empirischer Befunde erklärt. Beides (Theorie und Empirie) wird zu einem Dreiebenenmodell für integrationswirksames Feedback in der Schule zusammengeführt. In Anlehnung an Hattie und Timperly sowie Kluger und DeNisi wird in diesem Modell davon ausgegangen, dass Valenz, Fokus und Temperatur eines Feedbacks die Wirkung auf die soziale Integration beeinflussen. Aus dem Modell werden konkrete Hinweise für Schule und Unterricht abgeleitet. Dabei wird erklärt, warum und wie die »Öffentlichkeit« eines Feedbacks, die Bezugsnormorientierung von Rückmeldungen, Classroom Management, Schulnoten und Einstellungen ein Feedback und damit soziale Hierarchien in einer Klasse beeinflussen können. Am Ende werden theoretische und empirische Limitationen des Modells diskutiert. Susanne Schwab, Janka Goldan und Lisa Hoffmann präsentieren in ihrem Beitrag » Individuelles Feedback als Bestandteil inklusiven Unterrichts? Eine empirische Studie über die Wahrnehmung von individuellem Lehrkraftfeedback aus Schülerinnen- und Schülersicht« Ergebnisse aus einer Studie, in der individuelles Feedback aus Perspektive der Schülerinnen und Schüler analysiert wird. Dies wird in diesem Kapitel für den Deutsch-, Mathematik- und Englischunterricht dargestellt. Die Ergebnisse zeigen, dass etwa zehn Prozent der Stichprobe überhaupt kein individuelles Feedback wahrnehmen. Auf Ebene der Schülerinnen und Schüler zeigt sich, dass weder das Geschlecht noch ein festgestellter besonderer Unterstützungsbedarf oder Migrationshintergrund einen Einfluss auf die Wahrnehmung individuellen Feedbacks haben. Darüber hinaus sind auf Lehrkraftebene weder die Einschätzung des eigenen Feedbackverhaltens noch die Anzahl der Jahre an Unterrichtserfahrung oder die Einstellung gegenüber schulischer Inklusion signifikante Prädiktoren der Schülerwahrnehmung von individuellem Feedback. Korrelationsanalysen bestätigen, dass Feedback mit der Beziehung zur Lehrkraft, jener zu den Peers, dem akademischem Selbstkonzept als auch (negativ) mit der Intention, die Schule zu verlassen, im Zusammenhang steht.

Kapitel III: Feedback und Fehlerkultur. Fehler gehören – insbesondere in der Schule – zum Lernen dazu. Dennoch stellen Fehler Lehrkräfte immer wieder vor Herausforderungen. Dies liegt zum einen an der Rolle von Fehlern als Bewertungsmaßstäbe, die sie in Leistungssituationen innehaben. Zum anderen an der Frage danach, wie konkret auf Fehler reagiert werden soll oder auch daran, ob auf alle Fehler eingegangen werden muss. In dem Beitrag von Gabriele Steuer und Markus Dresel » Umgang mit Fehlern im Unterricht: zur Rolle von Feedback in einem konstruktiven Fehlerklima« wird das Fehlerklima in einen theoretischen Zusammenhang mit Feedback gebracht. Es wird eine Reihe von empirischen Studien dargestellt, die unterstreichen, wie bedeutsam ein positiver Umgang mit Fehlern in der Klasse ist. In seinem Beitrag »Leistungsattributionen und attributionales Feedback« stellt Robert Grassinger die Bedeutsamkeit von Leistungsattributionen für schulische Lernprozesse und damit die Funktion attributionalen Feedbacks dar. Es wird deutlich, dass manche Leistungsattributionen die Lern- und Leistungsmotivation sowie positive Lern- und Leistungsemotionen begünstigen, andere hingegen sich ungünstig darauf auswirken. Dies wirft die Frage nach der Entwicklung und Erklärungsmöglichkeiten von Leistungsattributionen auf. Abschließend wird der Einsatz attributionalen Feedbacks durch die Lehrkraft anhand von Beispielen diskutiert, welches die Leistungsattributionen der Schülerinnen und Schüler günstig beeinflussen kann.

Kapitel IV: Feedback in der Lehreraus- und -fortbildung. In ihrem Beitrag »Zur Handlungskompetenz von Lehramtsstudierenden beim Erteilen von Feedback – Effekte der Strukturiertheit bei der Analyse eigener Videoaufnahmen« analysieren Miriam Hess und Frank Lipowsky den Einsatz von Videos in der Lehrerbildung zur Förderung der professionellen Kompetenzen von Lehrkräften im Bereich Feedback. Nach einer theoretischen Einführung, in der Grundlegendes zum Einsatz von Videos in der Lehrerbildung berichtet wird, präsentieren sie Ergebnisse aus einer quasi-experimentellen Studie. In dieser wurde u. a. der Frage nachgegangen, ob eine sehr stark vorstrukturierte, kriteriale Analyse eigener Videos lernförderlicher ist als eine offene, reflektierende Auseinandersetzung mit den eigenen Videos. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass Lehramtsstudierende nicht grundsätzlich von dem Einsatz von Videos in der Ausbildung profitieren. Allerdings lässt sich feststellen, dass gerade Novizen von einer vorstrukturierten Lernumgebung mehr profitieren als von offenen Lernsituationen. Im zweiten Beitrag dieses Kapitels »Feedback durch Coaching – Eine zentrale Komponente wirksamer Lehrkräftefortbildungen« geben Daniela Rzejak und Frank Lipowsky einen Überblick über die aktuellen Befunde zur Wirksamkeit von Feedback und Coaching in Lehrkräftefortbildungen. Coaching ist eng mit Feedback verbunden und so kann dieser Beitrag ein wichtiges Thema der Lehrkräfteprofessionalisierung beleuchten. Zuerst werden Metaanalysen und Reviews zur übergreifenden Darstellung der Wirksamkeit von Coaching in der Lehrkräfteprofessionalisierung genutzt, anschließend werden Einzelstudien mit verschiedenen Schwerpunkten dargestellt, so dass der Einsatz von Coaching in seiner Wirkung auf den Unterricht der beteiligten Lehrkräfte und deren Schülerinnen und Schüler betrachtet wird. Es zeigt sich, dass Coaching im Prozess der Lehrkräftefortbildungen das Potenzial besitzt, dass sich die Schülerinnen und Schüler fortgebildeter Lehrkräfte engagierter am Unterricht beteiligen und bessere Lernleistungen erzielen. Dabei kristallisiert sich allerdings auch heraus, dass vertiefende Forschung notwendig ist, um zu identifizieren, welche Ansätze des Coachings für welche Lehrkräfte und unter welchen Bedingungen unterstützend sind.

Wir wünschen allen Leserinnen und Lesern viel Spaß beim Lesen!

Vechta, im April 2019

Marie-Christine Vierbuchen & Frederike Bartels

 

 

 

 

I           Feedback – Terminologie, Konzept und Bedeutung für die Praxis

2          Ich gebe und fordere Rückmeldung. – Feedback in der Unterrichtspraxis

Denise Weckend, Christina Schatz & Klaus Zierer

2.1       Einleitung

Das Thema Feedback spielt in Bezug auf Lehr-Lern-Prozesse zwar schon seit längerem eine wichtige Rolle, doch mit der Veröffentlichung von John Hatties »Visible Learning« im Jahr 2009 rückte Feedback erneut ins Zentrum bildungstheoretischer und -praktischer Diskussionen. In seiner Synthese aus über 800 Meta-Analysen zeigt sich, dass Feedback ein ausgiebig erforschtes Feld der Pädagogik ist. Dem Faktor »Feedback« liegen 25 Metaanalysen zugrunde, die über 1 000 Einzelstudien umfassen. Von allen Faktoren weist Feedback damit die dritthäufigste Anzahl von Meta-Analysen überhaupt auf. Die Feedbackforschung gehört somit zu den wichtigsten und empirisch am besten gesicherten Bereichen der Erziehungswissenschaft. Dies verdeutlicht auch die folgende Abbildung (image Abb. 2.1), in der die Einzelstudien aus »Visible Learning« mit ihren Effektstärken aufgelistet sind.

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Abb. 2.1: Meta-Analysen zum Faktor »Feedback« nach Anzahl der Primärstudien und Effektstärke

Geht man von der Theorie in die Praxis und befragt Lehrpersonen über ihr Feedbackverhalten, geben diese oft die Antwort, dass sie viel Feedback geben. Forscht man jedoch genauer nach, wird meist auch klar, dass dieses Feedback einseitig gegeben wird – meist nur von der Lehrperson zu den Lernenden und oftmals nur auf der Ebene der Aufgabe, die entweder richtig oder falsch gelöst wurde.

Obenstehende Abbildung macht zudem deutlich, dass die Studien sehr unterschiedliche – teilweise sogar negative – Effektstärken aufweisen. Feedback ist zwar umfassend erforscht und erfährt in der Bildungswelt eine enorme Beachtung, wird aber nicht immer erfolgreich und lernförderlich in unterrichtliche Interaktionen integriert.

Daher ist es das Ziel des vorliegenden Beitrages, neben der Theorie auch die Forschung zu erfolgreichem und lernförderlichem Feedback basierend auf »Visible Learning« zu beleuchten. Dabei soll Bezug zu Hatties Feedbackmodell genommen werden, nach dem sich ein vollständiges Feedback auf drei Ebenen (Aufgabe, Prozess und Selbstregulation) und drei Perspektiven (Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft) bezieht (vgl. Hattie & Zierer, 2018; Hattie, 2013). Darüber hinaus soll ein Blick in die Unterrichtspraxis geworfen werden: Was bedeutet es für Lehrpersonen, vollständiges Feedback zu geben? Wodurch zeichnet sich erfolgreiches Feedback aus? Wie kann aussagekräftiges Feedback von Lernenden eingeholt werden? Diese Fragen sind ein zentrales Anliegen der Lehrerfortbildung »Ich gebe und fordere Rückmeldung.« im Schulprojekt »Schulen zum Leben« in Mecklenburg-Vorpommern, die abschließend vorgestellt wird. An diesem nehmen ausgewählte Lehrkraftkollegien teil, um pädagogische Expertise zu reflektieren und weiterzuentwickeln (vgl. Hattie & Zierer, 2017). Diese zeigt sich als Zusammenspiel von Kompetenz und Haltung: Erfolgreiches Feedback ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch und vor allem eine Frage der Haltung. Projektbegleitende empirische Erhebungen nehmen nicht nur die Perspektive der beteiligten Lehrpersonen in den Blick, sondern erfassen auch die Schülersicht und stellen beide Ergebnisse gegenüber.

2.2       Erfolgreiches Feedback

Der Feedbackbegriff umfasst ein breites Spektrum, das sich durch Vielfalt und Heterogenität auszeichnet. Um dies in den Blick zu nehmen und Erkenntnisse über erfolgreiches Feedback zu erlangen, bietet sich die Betrachtung der Meta-Analysen an, die von John Hattie (2009) in seiner Synthese aus dem Bildungsbereich zusammengefasst wurden. Hattie berechnet Effektstärken einzelner Faktoren, die Einfluss auf die Lernleistung von Schülerinnen und Schülern haben und veranschaulicht diese mit Hilfe von Barometern (image Abb. 2.2).

Bedeutende Effekte sind nach Hattie Effektstärken über dem Umschlagpunkt von d = 0,40. Werte zwischen 0,20 und 0,40 werden als Schulbesuchseffekte bezeichnet und Werte zwischen 0 und 0,20 können als Entwicklungseffekte angesehen werden. Der Faktor »Feedback« reiht sich mit einer Effektstärke von d = 0,75, die aus 25 Meta-Analysen berechnet wurde, in den oberen Rängen auf Hatties Faktorenliste ein.

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Abb. 2.2: Barometer des Faktors »Feedback« (Hattie & Zierer, 2018, S. 147)

Doch was bedeutet Feedback? Dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist, wird schon beim Blick auf die hohe Anzahl der Meta-Analysen klar, die eine hohe Diskrepanz in den Effektstärken aufweisen. Hattie (2013) stellte in seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Feedback fest, dass unter Feedback nicht nur das verstanden werden kann, »was Lehrpersonen den Lernenden geben«, sondern auch die Rückmeldungen, die Lehrpersonen von ihren Lernenden erhalten. Diese Form erwies sich in der Forschung sogar als besonders wirksam (Hattie, 2013). Demnach schlussfolgert er, »dass Feedback eine Information ist, die von einem Akteur (z. B. Lehrperson, Peer, Buch, Eltern oder die eigene Erfahrung) über Aspekte der eigenen Leistung oder das eigene Verstehen gegeben wird« (Hattie, 2013, S. 206). Aufgrund dieser Definition und der umfassenden Forschung wird ersichtlich, dass sich eine Auseinandersetzung mit den Meta-Analysen lohnt, um Aspekte effektiven Feedbacks herauszustellen.

Wirft man einen Blick in die Forschung, lassen sich verschiedene Facetten herausarbeiten, die Feedback enthalten muss, um erfolgreich zu sein. Hierzu zählt die Motivation (Deci & Ryan, 1985), der Bezug zu Lernzielen (Hattie & Timperley, 2016; Kluger & DeNisi, 1996), der Informationsinhalt über die Leistung(serbringung) (Kulhavy, 1977) und die Berücksichtigung des Leistungsstandes (Sweller, 1990) der Schülerinnen und Schüler (Zierer et al., 2015).

2.2.1     Motivation

Motivation spielt für wirksames Feedback insofern eine Rolle, als das Feedback nicht mit Lob verwechselt werden darf und sich auch klar von extrinsischer Belohnung und Bestrafung abgrenzen muss (Deci & Ryan, 1985). Dies sind Formen, die nach Hattie am wenigsten effektiv für die Leistungsverbesserung sind. Sinn von Feedback ist es, durch Informationen den Lernprozess zu verbessern. Wird Lob mit anderen Formen von Feedback vermischt oder zu häufig eingesetzt, verliert Feedback sogar an Wirkung (Hattie, 2014). Dies liegt daran, dass Lob stärker wahrgenommen wird und somit die Lerninformation in Form von Feedback abgeschwächt wird. Gibt man Feedback verbunden mit Lob, führt das zu weniger Engagement und Anstrengung auf Seiten der Lernenden (Kessels et al., 2008). Bei personenbezogenem Feedback, also Feedback in Form von Lob, das man auf sich selbst bezieht, können Lernende unter Umständen versuchen, »die Risiken zu vermeiden, die mit dem Angehen einer anspruchsvollen Aufgabe verbunden sind« (Hattie, 2013, S. 210). Die Lernenden möchten dann das positive Bild, das die Lehrperson von ihnen hat, nicht gefährden. Deshalb sollte jede Lehrperson darauf achten, positives Feedback in Form von Lob wohldosiert zu geben. Gibt man den Lernenden Rückmeldungen, die Informationen zum Lernprozess enthalten, sollte auf zusätzliches Lob verzichtet werden bzw. es deutlich davon abgegrenzt und darauf geachtet werden, dass die Lernenden erfahren, was das Ziel ihres Lernens ist (Soll-Zustand), wo sie sich gerade im Lernprozess befinden (Ist-Zustand) und wie sie eine mögliche Diskrepanz zwischen Ist-Zustand und Soll-Zustand verringern können.

2.2.2     Lernziele

Erfolgreiches Feedback sollte stets einen Bezug zu konkreten und herausfordernden Lernzielen herstellen (Hattie & Timperley, 2016; Kluger & DeNisi, 1996). Soll Feedback gelingen, muss es sich auf konkrete Sachverhalte beziehen. Daher ist es notwendig, dass Lehrpersonen Ziele für ihren Unterricht formulieren und diese auch für die Lernenden transparent machen, um bei der Rückmeldung Bezug darauf nehmen zu können. Dies hat zur Folge, dass zu den Lernzielen immer auch Erfolgskriterien benannt werden können – sie machen den Lernenden sichtbar, wo die Herausforderung im Lernprozess liegt. Feedback muss außerdem kontinuierlich gegeben werden und im Prozess erfolgen, um wirksam zu sein. Es liegt auf der Hand, dass der Lernende schon im Lernprozess Rückmeldung zu den Zielen und seiner Zielerreichung benötigt und nicht erst am Ende des Prozesses (Zierer et al., 2015).

2.2.3     Informationsinhalt und Leistungsstand

Das Geben von Feedback ist wirksamer, sofern ein Bezug zu konkreten Lernkontexten und zu dem bisherigen Verständnis hergestellt wird (Kulhavy, 1977). Hierbei ist es wichtig, dass der Leistungsstand der Lernenden berücksichtigt wird (Sweller, 1990). So benötigt ein Novize, der sich im Bereich des Oberflächen-Verständnisses befindet, verstärkt Feedback auf der Ebene der Aufgabe, also darüber, was er richtig bzw. falsch gemacht hat (Hattie & Zierer, 2018). Ein Experte hingegen weiß dies in der Regel bereits und benötigt daher verstärkt Feedback auf den Ebenen des Prozesses und der Selbstregulation (Hattie & Zierer, 2018).

Der Lernende sollte unabhängig von seinem Leistungsstand nicht nur über die Korrektheit einer Aufgabenbearbeitung informiert werden, sondern die Lehrperson sollte versuchen, »die Lücke zu füllen zwischen dem, was verstanden wurde und was verstanden werden soll« (Hattie, 2013, S. 207).

2.2.4     Feedback als Dialog

Feedback ist als unendlicher Dialog zwischen Lehrperson und Lernenden zu verstehen (Hattie & Zierer, 2018): Feedback wird nicht nur von der Lehrperson an Lernende gegeben, sondern auch umgekehrt von den Lernenden an die Lehrperson (image Abb. 2.3).

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Abb. 2.3: Feedback als Dialog (Hattie & Zierer 2018, S. 154)

Geben die Lernenden der Lehrperson Feedback, kann das besonders wirksam für erfolgreiches, herausforderndes und wertschätzendes Unterrichten sein. Die Lehrperson erfährt, auf welchem Leistungsstand die Lernenden stehen, wo sie Verständnisprobleme haben und Fehler machen. Dadurch »können Lehren und Lernen miteinander synchronisiert werden« und die Diskrepanz zwischen Fremd- und Selbsteinschätzung von Unterricht wird reduziert (Hattie, 2013, S. 206). Diese Rückmeldungen zur Wirksamkeit ihrer Lehre können Lehrpersonen wiederum helfen, ihre didaktischen Entscheidungen zu überdenken und Feedback wird ein Instrument zur Entwicklung von Unterricht.

Zwar stellt das Lernenden-Feedback eine zentrale Komponente gelingenden Unterrichts dar, doch auch das Feedback von der Lehrperson zu den Lernenden ist in seiner Wirkung nicht zu unterschätzen, zumal es vordergründig immer thematisiert wird. Doch welche Aspekte spielen für ein vollständiges Feedback eine Rolle?

2.3       Vollständiges Feedback

Auf Grundlage der dargestellten Forschungen zu erfolgreichem Feedback entwickelten Hattie und Timperley (2016) ihr Feedbackmodell, das Rückmeldungen auf die Leistungen oder auf das Verhalten der Lernenden umfasst. Das Herzstück des Modells sind die Perspektiven und die Ebenen von Feedback. Um vollständige und effektive Rückmeldungen geben zu können, müssen beim Feedback von der Lehrperson an die Lernenden nicht nur die verschiedenen Perspektiven, sondern auch die verschiedenen Ebenen des Feedbacks berücksichtigt werden.

2.3.1     Die Perspektiven des Feedbacks

Unter den Perspektiven des Feedbacks verstehen Hattie und Timperley (2016) folgende Unterteilung (vgl. auch Hattie & Zierer, 2018):

•  Feed-Back (vergangenheitsbezogenes Feedback) bezeichnet diejenige Rückmeldung, die den aktuellen Ist-Stand mit dem vorausgegangenen Ist-Stand vergleicht. Dem Lernenden wird mitgeteilt, welche Fortschritte er seit dem letzten Feedback gemacht hat.

•  Feed-Up (gegenwartsbezogenes Feedback) ist diejenige Rückmeldung, die den aktuellen Ist-Stand mit dem derzeitigen Soll-Stand vergleicht. Hier erfährt der Lernende, wo er gerade steht und was er tun kann, um das aktuelle Ziel zu erreichen.

•  Feed-Forward (zukunftsbezogenes Feedback) umfasst diejenige Rückmeldung, die den zukünftigen Soll-Stand in den Blick nimmt (Welche nächsten Schritte im Lernprozess stehen bevor? Wohin gehst du als nächstes?). Dem Lernenden wird mitgeteilt, welche nächsten Schritte im Lernprozess bevorstehen und was er als Nächstes tun kann, um zukünftige Ziele zu erreichen.

Wie kann erfolgreiches Feedback aussehen, das sich auf alle drei Perspektiven bezieht?

Die Lehrperson kann »auf der Ebene der Aufgabe dem Lernenden rückmelden, erstens welche Aufgaben richtig gelöst wurden und welche falsch, was den derzeitigen Ist-Stand im Vergleich zum gesetzten Soll-Stand markiert (»Feed Up«), zweitens wie sich der derzeitige Leistungsstand des Lernenden im Vergleich zum letzten Leistungstest verändert hat, wie sich der aktuelle Ist-Stand im Vergleich zum vorausgegangenen Stand zeigt (»Feed Back«), und drittens welche Aufgaben in Zukunft zu bearbeiten sind und welcher zukünftige Soll-Zustand sich daraus ergibt (»Feed Forward«)« (Hattie & Zierer, 2018, S. 151).

An diesem Beispiel wird deutlich, dass die Perspektiven Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft ineinandergreifen können. Erst wenn alle Perspektiven berücksichtigt werden, erhält der Lernende ein umfassendes Bild über seinen Leistungsstand.

2.3.2     Die Ebenen des Feedbacks

Für vollständiges Feedback ist es nicht nur wichtig, die unterschiedlichen Perspektiven des Feedbacks zu beachten, sondern auch die verschiedenen Ebenen. Es kann die persönlichkeitsbezogene Ebene, die die Ebene des Selbst beinhaltet, und die leistungsbezogene Ebene, die sich aus den Ebenen der Aufgabe, des Prozesses und der Selbstregulation zusammensetzt, unterschieden werden (Hattie & Zierer, 2018, S. 147 ff).

Die persönlichkeitsbezogene Ebene von Feedback: das Selbst

Der Fokus liegt beim persönlichkeitsbezogenen Feedback auf dem Selbst. Hierzu zählt beispielsweise Lob oder Tadel, wie »Du bist toll!« oder »Du bist ein toller Mathematiker!«. Da keine Informationen zum Lernprozess enthalten sind, hat dieses Feedback kaum direkte Effekte auf die Lernleistung. Zudem kann das Feedback sogar negativ wirken, da der Lernende das Gesagte auf sich selbst und nicht auf sein Lernen bezieht und solche Rückmeldungen stärker wahrnimmt als Rückmeldungen, die sich auf den Lernprozess beziehen. So kann übermäßiges Lob zu einer Minderung der Leistungsbereitschaft führen, um das vorherrschende positive Bild der eigenen Person nicht auf das Spiel zu setzen. Tadel kann hingegen bei Schülerinnen und Schülern zu einem negativen Selbstkonzept beitragen, da es eben auch auf die Person und nicht den Fehler bezogen werden kann. Zudem kann eine vorherrschende intrinsische Motivation durch Belohnungen oder Lob zu einer extrinsischen Motivation werden. Das heißt, der Lernende ist nicht mehr motiviert, weil er sich für die Sache von sich aus interessiert, sondern weil er belohnt wird. Hierzu zählen beispielsweise Süßigkeiten, Aufkleber oder Stempel. Daher sollten Rückmeldungen auf der Ebene des Selbst wohldosiert und wohlüberlegt eingesetzt werden. Natürlich ist Lob für eine gute Lehrer-Schüler-Beziehung förderlich und kann positiv wirken, jedoch gibt es weitaus wirksamere Verfahren, um für Geborgenheit und eine gute Atmosphäre zu sorgen. Faktoren wie die »Klarheit der Lehrperson« oder auch »Glaubwürdigkeit«, die beide überdurchschnittliche Effektstärken erzielen, wären Beispiele dafür.

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Abb. 2.4: Ebenen des Feedbacks (Hattie & Zierer, 2018)

Die leistungsbezogenen Ebenen von Feedback: Aufgabe, Prozess und Selbstregulation

Da sich die leistungsbezogene Ebene auf Aufgabe, Prozess und Selbstregulation der erbrachten Lernleistungen bezieht, können hierbei positivere Wirkungen auf den gesamten Lernprozess festgestellt werden (Hattie & Zierer, 2018).

Feedback auf der Ebene der Aufgabe

Gibt man Feedback auf der Ebene der Aufgabe, wird dem Lernenden rückgemeldet, ob eine Aufgabe richtig oder falsch gelöst wurde. Es handelt sich also um eine Rückmeldung im Hinblick auf das Produkt der Leistung. Die Lehrperson fragt beispielsweise mit Hilfe eines Leistungstests Aufgaben ab, »deren Lösung die Lernzielerreichung markiert. Nach Testdurchführung wird korrigiert, wie viele Aufgaben richtig oder falsch gelöst wurden. Auf diesem Weg bekommt der Lernende vor Augen geführt, was er kann und was nicht« (Hattie & Zierer, 2018). Auf der Ebene der Aufgabe ist Feedback noch lernwirksamer, wenn es hilft, falsch Erlerntes zu erkennen und es Hinweise zur Lösung gibt. Daher ist eine schlichte Notenvergabe für den Lernprozess weniger wirksam als ergänzende Kommentierungen der bearbeiteten Aufgaben (Hattie & Timperley, 2016).

Feedback auf der Ebene des Prozesses

Rückmeldungen, die sich auf den Prozess der Aufgabenbearbeitung beziehen, zählen zur Ebene des Prozesses. Der Lernende erfährt, wie er gearbeitet hat und zielt auf die Verbesserung des vertieften Lernens und dazugehöriger Strategien ab. Hier wird also nicht nur die Frage, ob ein Ziel erreicht wurde, beantwortet, sondern es werden auch Informationen darüber gegeben, warum das Ziel erreicht wurde bzw. was zur Erreichung des Zieles fehlt. Die Lehrperson meldet dem Lernenden beispielsweise zurück, ob er zügig oder nachlässig gearbeitet hat oder ob er viele Flüchtigkeitsfehler gemacht hat. Der Lernende wird darüber informiert, wie er gearbeitet hat (Hattie & Zierer, 2018). Somit kann Feedback auf dieser Ebene Bewertungen zu Motivation, Anstrengung und Engagement sowie Denkanstöße, Verständnis- und Transferfragen, alternative Strategien und Herangehensweisen enthalten. Feedback auf der Ebene des Prozesses ist effektiver als Feedback auf der Ebene der Aufgabe, da die Lernenden aufgrund der Rückmeldungen zu ihrem Handlungs- und Lernprozess ihre Lösungsstrategien optimieren können (Hattie & Timperley, 2016; Kluger & DeNisi, 1996). Wie bereits erwähnt wurde, eignet sich Feedback auf der Ebene der Aufgabe gut für Novizen, wohingegen Feedback auf der Ebene des Prozesses auf die »Verbesserung des tieferen Lernens« zielt (Hattie, 2014, S. 136).

Feedback auf der Ebene der Selbstregulation

Als dritte und letzte Ebene ist die Ebene der Selbstregulation zu nennen. Die Lehrperson teilt den Lernenden mit, wie sie Produkt und Prozess ihrer Leistung selbst reguliert haben, wie sie den Lernprozess selbst gesteuert und überwacht haben. Der Lernende soll selbst erkennen, wie er die Diskrepanz zwischen dem jetzigen Leistungsstand und dem gesetzten Ziel verringern kann. Er ist also selbst verantwortlich für sein Lernen. Die Lehrperson kann dem Lernenden beispielsweise nach einem Leistungstest mitteilen, wie er während des Tests seine Aufmerksamkeit fokussiert hat, ob sein Zeitmanagement gut war und ob er Kontrollverfahren, wie beispielsweise eine Nebenrechnung zur Prüfung des Ergebnisses, angewendet hat. Dadurch soll dem Lernenden klar werden, wie er Prozess und Produkt seiner Leistung selbst reguliert hat (Hattie & Zierer, 2018). Es handelt sich um Rückmeldungen zu Steuermechanismen der Leistung. Diese fördern die metakognitiven Fähigkeiten der Lernenden, da sie Hinweise zu Strategien bekommen, welche ihnen helfen, ihr Ziel effektiver zu erreichen.

Alle Ebenen des Feedbacks im Blick

imageAbb. 2.5