Kimmy Reeve

Dark Souls: Entfesselt

 

© 2019 Written Dreams Verlag

Herzogweg 21

31275 Lehrte

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www.writtendreams-verlag.de

 

© Covergestaltung: Sabrina Dahlenburg

(www.art-for-your-book.weebly.com)

Korrektorat: KoLibri Lektorat

 

ISBN ebook: 978-3-946726-38-8

ISBN print: 978-3-946726-39-5

 

 

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses Buch darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlags weitergegeben werden.

 

 

Widmung

 

Dieses Buch widme ich meinem Mann.

Danke, dass du mir in den letzten Monaten so beigestanden hast. I Love you!

 

 

Was bisher geschah …

 

Jordan Burrows Leben war die reinste Hölle. Ihr Ehemann hatte sie mit nur achtzehn Jahren ihrem Vater abgekauft und quälte sie seitdem beinahe täglich. Dennoch hielt sie die Misshandlungen ihres Mannes aus, um ihre gemeinsame Tochter zu finden und mit ihr aus diesem Martyrium zu fliehen. Doch alles kam anders, als sie begann, für den Kickbox-Weltmeister Logan Slater zu arbeiten.

Beide wurden von ihren eigenen Dämonen gepeinigt, die sie auf unterschiedliche Art bekämpften. Er suchte das Vergessen bei flüchtigen Frauenbekanntschaften, während Jordan sich an das Einzige klammerte, was ihr geblieben war: Hoffnung.

Eines Tages lernte sie Logans Sohn Noel kennen. Der Junge hatte seit dem Tod seiner Mutter, der ersten großen Liebe von Logan, kein Wort mehr gesprochen. Erst bei Jordan hatte sich das geändert, was sich niemand erklären konnte.

Trotz anfänglicher Schwierigkeiten fanden Logan und Jordan zueinander. Es schien die wahre Liebe zu sein, die dafür sorgte, dass die Wunden, die sie tief in sich trugen, anfingen, zu heilen.

Doch dann beging Logan einen schrecklichen Fehler, indem er Jordan aus der Ehe mit ihrem Mann freikaufte, weil er keine andere Möglichkeit sah, sie zu retten. Der Kauf war ein gut gehütetes Geheimnis zwischen Logan und seinem Bruder. Doch jedes Geheimnis kommt irgendwann ans Licht. Konfrontiert mit einem Kaufvertrag, der Jordans Wunden wieder aufriss und sie daran erinnerte, wie ihr Martyrium seinerzeit mit ihrem Ehemann begonnen hatte, traf sie eine folgenschwere Entscheidung. Unter Alkoholeinfluss und mit Logans Waffe, die sie in seinem Safe gefunden hatte, suchte sie ihren Vater auf. Nachdem dieser ihr die schreckliche Wahrheit über ihre Tochter Kiara beichtete, schoss sie auf ihren Erzeuger, der daraufhin leblos zusammenbrach.

Jordan sah danach keinen anderen Ausweg, als mit Logans Schwester Lena nach Schottland zu fliehen, wo sie unter falschem Namen einen Neuanfang wagen wollte. Währenddessen stand Logan in Miami der Kampf seines Lebens bevor. Er verlor – und damit auch seinen Weltmeistertitel. Am Boden zerstört suchte er zu Hause Jordan auf und seine Welt brach endgültig zusammen, als er Jordans Abschiedsbrief fand.

Sie war gegangen, hatte ihn verlassen, obwohl er ihr zuvor seine Liebe gestanden hatte. Für ihn stand in diesem Moment fest, dass er nur noch eines wollte: Vergessen.

 

Kapitel 1

Jordan – neun Monate später

 

»Pressen«, schrien Lena und Reece mich unisono an.

Na, die hatten leicht reden, so einfach war das ja nun auch nicht. Ganz davon abgesehen, dass ich selbst wusste, was zu tun war. Mein Körper ließ gar nichts anderes zu, als zu pressen.

Bevor ich die beiden böse anfunkeln, geschweige denn anfauchen konnte, überrollte mich die nächste Wehe und ich bündelte meine letzten Kraftreserven, schloss die Augen und drückte, so stark ich eben konnte. Der Schmerz schien mich von innen heraus zu zerreißen, aber ich konnte mich darauf jetzt nicht konzentrieren, weil mein Kind raus wollte. Und zwar jetzt.

»Da ist sie«, rief die Ärztin freudig und legte mir mein Baby, so wie es war, auf die Brust.

Lena weinte leise neben mir und Reece verzog ihr Gesicht zu einer Grimasse. »Ziemlich schrumpelig, die Kleine«, flüsterte sie und betrachtete meine Tochter mit einem abschätzenden Blick.

»So wirst du vor etlichen Jahren auch ausgesehen haben«, murrte Lena und sah Reece warnend an, die nur amüsiert auflachte.

Derweil wurde die Nabelschnur durchtrennt und ich sah auf meine Kleine hinab, dem schönsten Wesen auf der ganzen Welt. Ihre Augen waren geschlossen, ihr dunkles Haar lang, was auch auf ihre Wimpern zutraf. Mit meinen Fingerspitzen strich ich sachte über ihre Wange, zählte die Finger an ihren Händen und die Zehen an ihren Füßen. Alles sah perfekt aus. Sie war perfekt.

Kurz danach wurde sie mir wieder abgenommen, und ich war zwar unglaublich erschöpft, aber auch glücklich, was in dem letzten Jahr nicht der Fall gewesen war.

Die Hebamme scheuchte Lena und Reece aus dem Kreissaal, damit sie sich in Ruhe um mich kümmern konnte. Ich war bei der Geburt ein wenig gerissen, sodass ich genäht werden musste. Aber all das machte mir nichts aus, mein Blick ruhte auf meiner kleinen Maus. Tränen traten mir in die Augen, als ich beobachtete, wie sie gewogen und gewaschen wurde, weil ich gleichzeitig an meine kleine Kiara denken musste. Mein Sternenbaby, das jetzt über mich und seine kleine Schwester wachen würde.

 

Als ich in mein Zimmer geschoben wurde, kam ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der ganze Raum war mit Ballons oder Blumen geschmückt und überall standen Geschenktüten herum. Lena hatte es sich anscheinend nicht nehmen lassen, sämtliche Babyartikel Schottlands aufzukaufen. Und ich war davon überzeugt, dass Reece ebenfalls keine Kosten gescheut hatte, obwohl sie immer so tat, als würde sie mit dem Thema Baby nichts anfangen können. Dem war nämlich nicht so.

Reece Nolan war Lenas beste Freundin und Mitbewohnerin. Ein toughes Mädchen, das zwar nicht so außergewöhnlich schön wie Lena war, aber geheimnisvoll und sexy. Auch ihre Figur entsprach nicht dem weit verbreiteten Ideal, denn sie hatte weder einen flachen Bauch noch schlanke Beine. Eher das Gegenteil war der Fall. Aber dieses Gesicht. Man konnte einfach nicht aufhören, sie anzustarren, weil es wie gemeißelt aussah. Hinzu kam eine Augenfarbe, die ich noch nie zuvor gesehen hatte. Ein seltsames Veilchenblau, das fast lila wirkte. Es war außergewöhnlich, und es passte zu ihr. Für ihre langen, dichten schwarzen Wimpern wäre ich gestorben. Dazu kam noch ihr schulterlanges blondes Haar, welches sie meinst zu einem Zopf gebunden hatte. Reece war eine junge Frau im Alter von vierundzwanzig Jahren, kam aus steinreichem Hause, gab aber keinen Pfifferling auf ihre Herkunft. Als sie einmal etwas zu viel getrunken hatte, erzählte sie uns, sie würde auf ihre Familie scheißen und nie wieder etwas mit ihren Verwandten zu tun haben wollen. Die Einzige, die sie vermisste, sei ihre kleine Schwester, mit der sie jedoch auch keinen Kontakt mehr hatte, seit sie mit ihrer Familie gebrochen hatte.

Reece studierte an derselben Uni Jura wie Lena. Als ich sie mal gefragt hatte, worauf sie sich spezialisieren wolle, hatte sie nur gemeint: »Strafrecht. Vergewaltiger und Kinderschänder müssen weggesperrt werden. Deshalb will ich zur Staatsanwaltschaft.« Die Aussage war eindeutig und ich hakte gar nicht weiter nach. Allerdings schien Lena etwas über die Vergangenheit unserer gemeinsamen Freundin zu wissen, denn sie hatte mich nur traurig angesehen, als unsere Freundin munter weitertrank.

Apropos Lena. Einige Wochen nach meiner Flucht aus Miami hatte sie angefangen, sich zu verändern. Sie lernte wie eine Verrückte, verbrachte ihre freie Zeit fast ausschließlich in der Bibliothek und war kaum noch zu Hause. Wenn wir uns aber doch mal zwischendurch begegneten, konnte ich dunkle Ringe unter ihren Augen ausmachen.

Nachts, wenn ich Hunger verspürte – was während der Schwangerschaft ziemlich oft vorkam – oder nicht schlafen konnte, entdeckte ich sie auf der Couch vor dem Fernseher. Nie sprach ich Lena darauf an, weil ich das Gefühl hatte, sie wollte nicht über ihre Probleme sprechen. Sie wusste, ich wäre jederzeit für sie da, sollte sie mich brauchen.

Wir drei waren in den letzten Monaten sehr stark zusammengewachsen, und wenn ich mal andeutete, mir eine eigene Wohnung suchen zu wollen, wurde ich von beiden ausgeschimpft und für bescheuert erklärt.

 

»Du siehst beschissen aus«, hörte ich Reece lachend sagen, während sie mein Zimmer betrat, gefolgt von Lena, die über die Äußerung unserer Freundin nur mit dem Kopf schütteln konnte. Ich hingegen schnaubte, weil sie manchmal eindeutig zu direkt war. Aber ich wusste, wie sie es meinte, weshalb ich im nächsten Moment grinste.

»Jordan hat schließlich zwölf Stunden in den Wehen gelegen«, kam es von Lena, die sich auf einen Stuhl auf der rechten Seite meines Bettes setzte. »Bin mal gespannt, wie du aussehen wirst, wenn du ein Kind bekommst.«

Reece kicherte ein wenig hysterisch, holte sich auch einen Stuhl und ließ sich auf meiner linken Seite nieder. »Das wirst du niemals erleben, Darling.«

Davon war ich ebenfalls überzeugt, weil Reece nicht viel von Kindern hielt. Sie war von dem ganzen Geschrei und Gezeter genervt, behauptete sie immer. Deswegen war mir auch nicht klar, warum sie unbedingt wollte, dass ich mit meiner Tochter bei ihnen in der Wohnung blieb. Ich war davon überzeugt, dass sie gar nicht so hart war, wie sie allen immer weismachen wollte. Während der Schwangerschaft hatte sie sich gut um mich gekümmert, sogar das Internet bezüglich Kindererziehung durchforstet und sich dazu noch einige Bücher gekauft. Ich hatte darüber insgeheim gelacht, weil es für mich danach aussah, als würde sie sich auf den nächsten Krieg vorbereiten.

»Wo ist die kleine Maus eigentlich?« wollte Lena wissen.

»Man hat mir gesagt, sie würde gleich gebracht«, informierte ich sie.

»Und, hast du dich jetzt für einen Namen entschieden?«, fragte Reece, und ich musste schlucken.

Wir hatten in den letzten Monaten unzählige Namen in die engere Wahl genommen, aber ich konnte mich einfach nicht entscheiden. Anfänglich war ich dermaßen über die Schwangerschaft geschockt gewesen, dass ich tagelang geheult hatte. Zum Zeitpunkt meiner Untersuchung befand ich mich bereits in der vierten Woche. Das wiederum hieß, dass ich bereits schwanger gewesen war, als ich Miami den Rücken gekehrt hatte. Verzweiflung war über mich hereingebrochen, weil ich nicht verstand, wie ich trotz Pille hatte schwanger werden können. Aber meine Gynäkologin erklärte mir, dass so etwas in stressigen Situationen wie der, in der ich mich befunden hatte, passieren konnte. Wahrscheinlich hatte ich die Einnahme das eine oder andere Mal vergessen.

Aus Angst, Eric sei der Vater, rechnete ich sofort nach. Als ich mir sicher war, dass er nicht infrage kam, weinte ich vor Glück direkt noch einmal. Immerhin erinnerte ich mich sehr genau an die letzte Vergewaltigung durch meinen Mann, und die hatte eindeutig zu lange vorher stattgefunden. Demnach kam nur Logan als Vater in Betracht.

Seit ich aus Logans Leben verschwunden war, hatte ich nichts mehr von ihm gehört. Die Einzige, mit der ich regelmäßig sprach, war seine Mutter Claire. Ich hatte lange mit mir gehadert, ob ich ihr von dem Baby erzählen sollte. Letztlich tat ich es; sie hatte mir immer beigestanden und mich niemals im Stich gelassen. Claire weinte viel und ich versprach, ihr nach jeder Untersuchung Ultraschallbilder von ihrer Enkelin zu schicken.

Sie erzählte mir auch von Noel, doch alles, was darüber hinaus mit Logan zu tun hatte, erstickte ich im Keim. Ich wollte nichts über ihn hören. Zu sehr spürte ich die Sehnsucht nach diesem Mann, zu sehr war ich gelegentlich gewillt, wieder zu ihm zurückzugehen, weil ich ihn nach wie vor liebte. Aber dann kamen die Erinnerungen an das zurück, was er mir angetan hatte. Er hatte mich seinerzeit wie eine Sklavin von meinem sadistischen Exmann abgekauft. Das konnte ich ihm nicht verzeihen. Niemals.

»Ich bin mir noch nicht sicher«, antwortete ich endlich ausweichend auf Reeceʼ noch offene Namensfrage.

»Du musst ihr aber einen Namen geben«, erwiderte Lena liebevoll und nahm meine Hand. »Diese Entscheidung kann dir niemand abnehmen.«

Mir war klar, dass sie recht hatte, dennoch fiel es mir entsetzlich schwer.

»Riley«, entschied ich mich endlich und schaute zu Lena, die mich mit tränenverhangenen Augen ansah.

»Der ist wundervoll«, wisperte sie.

»Wunderschön. Und er passt auch zu der kleinen Rakete«, murmelte Reece, worüber Lena und ich lachen mussten. Damit hatte meine Tochter wohl auch ihren ersten Spitznamen erhalten.

»Reece, ich möchte dich etwas fragen!« Ich holte tief Luft und sah kurz zu Lena, die mir zunickte, dann wandte ich mich wieder an Reece. »Ich würde mich freuen, wenn du Rileys Patentante wirst.« Meine Freundin riss die Augen auf und schaute zwischen Lena und mir hin und her.

Vor Wochen hatte ich schon mit Lena darüber gesprochen. Ich wollte eine toughe Patentante für meine Tochter haben, und Reece konnte ich mir in dieser Rolle verdammt gut vorstellen. Nur wussten wir nicht, wie sie darauf reagieren würde, weil sie schließlich immer so tat, als sei sie die härteste Person auf der Welt und Kinder völlig uninteressant für sie. Doch als ich sie fragte, wurden ihre Gesichtszüge weich, ihre Augen schimmerten, was all die Härte, die sie andauernd demonstrierte, Lügen strafte, und ich wusste sofort, dass ich mit ihr die richtige Wahl getroffen hatte.

»Wenn es unbedingt sein muss«, hörte ich Reece heiser sagen, weshalb ich grinsen musste.

»Ja, es muss«, erklärte ich entschieden und meine Freundin lachte laut auf.

Plötzlich öffnete sich die Tür und meine kleine Maus wurde hereingeschoben. Die Schwester sah uns alle eindringlich an, bevor sie ihren Blick endgültig auf mich richtete.

»Ms. Porter, Sie sollen sich doch ausruhen«, schimpfte sie, was ich aber ignorierte, denn ich sah nur mein Baby in seinem Bettchen, welches neben meines geschoben wurde, nachdem Lena Platz gemacht hatte. Alle Augen waren nun auf die kleine Rakete gerichtet.

Porter. Dieser Familienname kam mir so verdammt fremd vor, und ich konnte mich einfach nicht an ihn gewöhnen. Allerdings hatte ich keine Wahl, denn in Schottland konnte ich mich unmöglich Jordan Whittle nennen. Deshalb hatte ich die Ausweispapiere, die auf Jo Porter ausgestellt waren, damals dankend von Johnny entgegengenommen. Mein Glück war gewesen, dass Johnny bereits alle Papiere für meine geplante Flucht vorbereitet hatte, und als ich ihn darüber informierte, dass ich das Land innerhalb weniger Stunden verlassen müsste, hatte er sich direkt auf den Weg zum Flughafen gemacht, um mir die nötigen Unterlagen dort zu geben. Da Lena damals zwei Plätze reserviert hatte, brauchte ich nur meinen gefälschten Pass vorlegen. Johnny hatte wirklich gute Arbeit geleistet, wofür ich ihm überaus dankbar gewesen war, denn er hatte mich innerhalb kürzester Zeit zur schottischen Staatsbürgerin gemacht.

 

»Wir gehen sofort«, äußerte sich Reece gedankenverloren. Meine Freundin konnte ihren Blick nicht von ihrem Patenkind nehmen. Erneut musste ich lächeln.

»Möchten Sie sie halten?«, wollte die Schwester mit einem herzlichen Lächeln an mich gewandt wissen, und ich war nur imstande, zu nicken.

Keine zwei Sekunden später lag das kleine Knäuel in meinen Armen und mir liefen die Tränen über die Wangen. Sie war mein. Mein Ein und Alles und ich war endlich wieder eine Mama. Ihre Mommy und im Herzen würde ich immer die meines kleinen Mädchens Kiara sein.

Kurz darauf verließen Lena und Reece mein Zimmer und versprachen mir, am nächsten Tag wiederzukommen. Ich lag auf meinem Bett und sah nur meine kleine Tochter.

»Hallo, meine Süße«, sprach ich sie leise an. »Ich bin deine Mommy. Wir beide werden uns ein schönes Leben machen. Ich liebe dich so sehr.«

Meine Tränen wollten gar nicht mehr aufhören, zu fließen, und es war auch okay. Sie reinigten ein wenig meine Seele, was ich auch bitter nötig hatte.

 

***

 

Sechs Tage nach der Entbindung wurde ich entlassen. Reece und Lena ließen es sich nicht nehmen, mich abzuholen, obwohl ich genauso gut mit einem Taxi nach Hause gefahren wäre. Aber darüber wollten sie nicht diskutieren.

Als ich mit meiner Tochter auf dem Arm die Viereinhalb-Zimmer-Wohnung betrat, hingen überall Luftballons und über dem Tisch sah ich ein großes Schild mit der Aufschrift Willkommen zu Hause. Ich war so gerührt, dass ich am liebsten geweint hätte, was ich mir jedoch mit Mühe verkniff.

Reece tauschte einen Blick mit Lena und grinste dabei breit. »Wir wollen dir etwas zeigen«, verkündete sie und nahm meine freie Hand. Lena lief in Richtung der Tür, die zu meinem Zimmer führte. Ihr Gesicht strahlte vor Aufregung.

Verwirrt schaute ich zwischen den Frauen hin und her, weil ich gerade nicht wusste, was die beiden vorhatten. Lena stieß die Tür auf und ich legte überrascht die Hand vor den Mund, als ich ins Innere des Zimmers schaute.

Meine Freundinnen hatten es sich nicht nehmen lassen, ein weißes Kinderbettchen zu kaufen, das nun direkt neben meinem stand. Der Himmel bestand aus weißer Spitze, und als ich darauf zuging, erkannte ich rechts und links auf der Matratze zwei kleine Miniteddys.

Da meine kleine Tochter bereits auf meinem Arm eingeschlafen war, legte ich sie vorsichtig in ihr neues Bett und deckte sie zu. Erst dann drehte ich mich zu Reece und Lena um und nahm beide gleichzeitig in den Arm.

»Ich danke euch«, flüsterte ich und musste mich ziemlich anstrengen, nicht in Tränen auszubrechen. Und was sah ich da? Sogar eine Wickelkommode hatten sie besorgt, die sie direkt neben meinen Kleiderschrank gestellt hatten. Ich hatte den Kauf der Baby-Sachen bis zum Ende aufgeschoben, weil ich immer schrecklich nervös geworden war, sobald ich an die Geburt gedacht hatte. Doch die kleine Rakete war eine Woche vor dem errechneten Termin gekommen. Das Einzige, was ich immer wieder gekauft hatte, waren Anziehsachen für meine Maus. Mittlerweile hatte sie wohl mehr Klamotten als Reece, Lena und ich zusammen.

»Ihr seid verrückt«, schniefte ich vor Freude, löste mich von ihnen und ging auf das neue Möbelstück zu. Mit meinen Fingern streichelte ich über die dicke Matte, schaute ins Innere des Unterschrankes, der mit Windeln, Feuchttüchern, Stramplern, Babyöl sowie Puder gefüllt war. Anscheinend hatten sie an alles gedacht.

»Komm erst mal in Ruhe an«, vernahm ich hinter mir Reece’ Stimme. »Wenn du etwas brauchst, wir sind nebenan.«

Mehr als ein Nicken bekam ich nicht zustande, weil mich der Kloß in meinem Hals zu ersticken drohte. Ich nahm auf dem Bettrand Platz und betrachtete meine schlafende Tochter in ihrem neuen Reich.

Nun sammelten sich doch Tränen in meinen Augen, während ich mich in meinem Zimmer umsah. Mir fehlte es wirklich an nichts. Ich besaß ein Bett, nebst großem Schrank und sogar einen Schreibtisch. Den Raum hatte ich mir anfänglich mit hellen Gardinen und einem beigefarbenen Anstrich gestaltet. Es gefiel mir – aber ich fühlte mich einfach nicht heimisch. Als gehörte ich nicht hierhin. Einerseits war ich glücklich, schon wegen Riley, andererseits verspürte ich seit meiner Ankunft in Schottland eine innerliche Leere, die sich einfach nicht füllen wollte.

Schnaubend erhob ich mich, griff nach meiner Reisetasche und räumte sie aus. Als ich fertig war, ging ich nach dem Einschalten des Babyfons hinüber zu meinen Mitbewohnerinnen. Die beiden befanden sich im Wohnbereich, wo sie sich angeregt über ihr Studium unterhielten. Reece lag ausgestreckt auf dem roten Bigsofa und Lena hatte es sich im Schaukelstuhl bequem gemacht. Um sie nicht zu stören, begab ich mich in die Küche, wo ich Wasser aufsetzte.

Mit meiner frisch zubereiteten Tasse Tee schlenderte ich zurück zu den Frauen und nahm auf dem Sessel Platz.

»Wie geht es dir?«, wollte Lena wissen.

»Gut«, antwortete ich, obwohl das nicht ganz der Wahrheit entsprach. »Ich muss gleich die Hebamme anrufen, damit wir die Termine absprechen können.«

»Wie lange wird sie dich unterstützen?«, hakte Reece nach.

»In der Regel sind es zwei bis vier Wochen«, klärte ich sie auf.

Zumindest war das damals, als ich Kiara bekommen hatte, der Fall gewesen. Traurigkeit überkam mich bei dem Gedanken an meine erste kleine Tochter, aber ich versuchte, mir davon nichts anmerken zu lassen. Jetzt und hier musste ich für Riley stark sein. Sie brauchte mich und ich war gewillt, alles für sie zu tun, egal, was es mich kosten würde.

 

Kapitel 2

Jordan

 

»Mehr als die Überreste eines armen Schweins, die in einem Wald aufgetaucht sind, ist wieder nicht zu finden«, sagte Reece und fuhr ihren Laptop herunter. Die Online-Nachrichten enthielten keine Artikel bezüglich Daniel Whittle.

Seit dem Tag, als ich Miami verlassen hatte, durchforsteten wir täglich das Internet nach irgendwelchen Hinweisen. Aber niemand von uns wurde fündig.

Nach wie vor wusste ich nicht, ob mein Erzeuger gestorben war. Immer wieder ging ich diese schrecklichen Sekunden in seinem Haus gedanklich durch. Es hatte sich ein Schuss gelöst und er war mit der Stirn auf den Tisch gefallen. Für mich war vollkommen klar gewesen, dass er nicht mehr lebte. Aber ich konnte rein gar nichts in Erfahrung bringen.

Johnny hatte mir angeboten, Recherchen bezüglich meines Erzeugers durchzuführen. Er rief mich einmal in der Woche an, um mir das zu sagen, was ich ohnehin schon wusste: Daniel Whittle war nirgendwo aufzufinden.

Es konnte doch nicht sein, dass mein Vater einfach verschwunden war. Johnny hatte jedes Krankenhaus, so ziemlich alle Praxen, sogar die, die nicht offiziell gemeldet waren, und seine Kontakte in den Leichenschauhäusern abgeklappert. Aber er hatte nie einen Hinweis gefunden, der auf seinen Verbleib hindeutete. Daniel Whittle war wie vom Erdboden verschluckt. Es beunruhigte mich maßlos, nicht zu wissen, ob er plötzlich wieder auftauchen würde.

Zusätzlich wollte Johnny mir immer mal wieder etwas über Logan und Devon berichten, die er in den ersten Tagen nach meiner Flucht beschattet hatte. Allerdings hatte ich kein Interesse, diesbezüglich etwas zu erfahren. Mir hatte es schon erheblich zugesetzt, dass anfangs unzählige Anrufe, die ich nicht entgegennahm, und Nachrichten, die ich nicht las, von den beiden auf meinem Handy eingegangen waren. Letztendlich hatte ich es nicht mehr ausgehalten und mein Smartphone in einen See geworfen.

Ich schaute zu meiner Freundin, die sich zwischenzeitlich ein Lehrbuch geschnappt und es sich am Küchentisch bequem gemacht hatte. Um sie nicht zu stören, ging ich in mein Zimmer, wo ich auf meine schlafende Tochter schaute, die in ihrem Bettchen träumte. Immer wieder rannen Tränen an meinen Wangen hinab und fielen auf ihren Strampler. Auch wenn ich glücklich war, sie zu haben, vermisste ich ihren Vater sehr. Aber allmählich musste ich den Verlust akzeptieren und einen Neuanfang mit meiner kleinen Rakete wagen. Ein Zurück gab es einfach nicht.

 

***

 

Die Tage vergingen wie im Flug. Riley und ich waren mittlerweile seit acht Wochen wieder zu Hause. In der ersten Zeit hatte mich die Hebamme unterstützt, nun kümmerten Lena, Reece und ich uns abwechselnd um Riley, da ich vor einigen Tagen wieder zu arbeiten begonnen hatte. Schließlich musste ich Geld verdienen und konnte meinen Freundinnen nicht auf der Tasche liegen. Außerdem neigten sich meine Ersparnisse allmählich dem Ende zu.

Bereits während meiner Schwangerschaft hatte Reece mich mit ihrer Tante Sonja Stolen bekannt gemacht. Diese besaß ein Tanzstudio und benötigte dringend eine weitere Lehrerin. Auch wenn ich nicht wirklich sicher gewesen war, ob mein Knöchel dieser Tätigkeit auf Dauer gewachsen war, hatte ich den Termin zum Vorstellungsgespräch angenommen. Wenn ich daran zurückdachte, musste ich innerlich lächeln. Sie hatte damals unbedingt gewollt, dass ich sie von meinem tänzerischen Können überzeugte. Was hatte ich getan? Ich war auf einen mir damals völlig unbekannten Typen zumarschiert und hatte ihn gezwungen, mit mir zu tanzen. Er war gut gewesen und ich konnte meine Fähigkeiten zur Schau stellen. Sonja war so begeistert gewesen, dass ich direkt im Anschluss die mündliche Zusage bekommen hatte. Natürlich hatte ich ihr auch erzählt, dass ich mehrere Jahre im Tanzverein gewesen war, aber nicht, dass ich eine Profi-Tanzkarriere hinter mir hatte. Immerhin wollte ich meine falsche Identität nicht gefährden.

Als ich immer mehr zugenommen hatte und mich nicht mehr so bewegen konnte, wie ich es wollte, hatte ich die administrativen Aufgaben übernommen. Das Studio war zwar nicht besonders groß und die Kundschaft eher im fortgeschrittenen Alter, aber es gefiel mir.

Alles lief super, und ich konnte mich damit gut ablenken. Allerdings nur so lange, bis ich zu Hause war und Riley schlief. Dann war ich mit meinen Gedanken alleine, die mich immer wieder zu Logan führten.

 

Eines Abends kam ich recht früh von der Arbeit wieder nach Hause. Als ich die Wohnung betrat, war diese vollkommen still gewesen. Zuerst marschierte ich in mein Zimmer, wo ich Riley schlafend in ihrem Bettchen vorfand. Reece hatte sich heute um ihre kleine Rakete gekümmert, sodass ich zwei Tanzkurse übernehmen konnte.

Leise zog ich meine Schuhe sowie Jacke aus und machte mich auf den Weg in die Küche. Den ganzen Tag über hatte ich nur Wasser getrunken und jetzt hatte ich das Bedürfnis, mir einen warmen Tee zuzubereiten. Als ich den Raum betrat, erkannte ich Lena, die mit dem Rücken zu mir gewandt an der Arbeitsplatte stand.

»Hey«, begrüßte ich sie und stellte mich neben sie. »Wie war dein Tag?«

»Fantastisch«, antwortete sie genervt.

Augenrollend nahm ich mir eine Tasse und fand es sinnvoller, einfach den Mund zu halten, weil ich auf ihre Launen so langsam keine Lust mehr hatte. Ständig war sie schlecht drauf und ließ es entweder an mir oder Reece aus. Mit dem dampfenden Becher in der Hand drehte ich mich um und wollte die Küche wortlos wieder verlassen, als ich ihre Stimme hinter mir vernahm. »Du musst es ihm irgendwann sagen, Jordan.«

Schnaubend blieb ich stehen. Seit Tagen hörte ich nichts anderes von Lena. Ich wusste, dass sie recht hatte, doch was erwartete sie von mir? Sollte ich den Telefonhörer in die Hand nehmen, ihn anrufen und sagen: »Hey, Logan. Ich bin zwar einfach abgehauen, aber ich wollte dich kurz darüber informieren, dass du Vater einer Tochter geworden bist. Glückwunsch, und man sieht sich … nicht?« Nein, ich wollte nicht mit ihm reden. Nicht jetzt und auch nicht in naher Zukunft.

Es war fast ein Jahr her, dass ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte, aber es fühlte sich an, als wäre es gestern gewesen. Täglich musste ich an ihn denken, träumte in jeder Nacht von ihm. Ich war erschöpft, wollte einfach nur alles vergessen – sowohl Logan als auch den Rest meiner Vergangenheit – und mich ausschließlich auf Riley konzentrieren.

»Lena, bitte, überlass die Entscheidung mir«, antwortete ich ruhig. »Ich habe mich von deinem Bruder getrennt, bin gegangen, weil er mir unglaublich wehgetan hat. Daher bin ich noch nicht bereit, mit ihm zu sprechen. Ob ich es jemals kann, weiß ich nicht, aber im Augenblick ist das für mich undenkbar. Bitte versuch, mich ein wenig zu verstehen.«

Ich wusste, dass sie verdammt noch mal richtiglag und mir war klar, wie falsch ich mich dem Kindesvater gegenüber verhielt. Aber ich konnte einfach nicht über meinen Schatten springen und mich mit Logan in Verbindung setzen. Ich wusste, das Lena sich wünschen würde, dass ich mit ihrem Bruder Kontakt aufnehmen würde. Und auch wenn ich wirklich fast alles für meine Freundin getan hätte, das konnte ich nicht tun. Ich fühlte mich schlecht, weil die Situation ihr gegenüber nun wirklich nicht fair war. Keine Frage, ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen ihr gegenüber, immerhin war sie bedingungslos für mich da gewesen. Sie hatte mir den Arsch gerettet, mich mit zu sich genommen und unterstützt, wo es ging.

Lena setzte an, um etwas zu sagen, fuhr sich dann aber mit den Fingern durch ihr langes dunkles Haar und nahm am Tisch Platz.

»Ich verstehe dich doch«, wisperte sie. »Natürlich ist mir nicht entfallen, was Logan getan hat, und mir ist klar, dass du ihm das nicht verzeihen kannst. Aber er ist mein Bruder und er hat eine schwere Zeit hint…« Sie brach ab, und irgendetwas an ihrer Aussage ließ mich aufhorchen. »Ach, vergiss es, vielleicht bin ich einfach nur gestresst.«

Oh nein, Fräulein, dachte ich mir, so leicht kommst du mir nicht davon.

»Was ist mit deinem Bruder?«, wollte ich wissen und stellte mich direkt vor sie, damit sie nicht aufstehen konnte.

»Nichts«, murmelte sie. »Das ist nicht wichtig.«

»Sag es mir!«, forderte ich, denn ich spürte, dass etwas nicht stimmte.

»Ich soll es dir nicht sagen«, teilte sie mir mit.

Verwirrt betrachtete ich meine Freundin. »Wer sagt das?«

»Mom«, antwortete sie und mir drehte sich der Magen fast um.

»Ich möchte das jetzt wissen, Lena«, verlangte ich erneut, zu erfahren, was mit Logan los war.

»Nach der Niederlage gegen Jones und deinem Verschwinden«, begann sie mit einem Seufzen, »ist Logan ein wenig abgerutscht und hat angefangen, zu trinken. Zu viel zu trinken. Meine Eltern und Devon haben es nicht geschafft, ihn wieder aufzubauen. Na ja, und eines Tages stand Linda im Studio. Mein Bruder und Linda kennen sich bereits eine halbe Ewigkeit und waren in jungen Jahren schon enge Freunde gewesen. Das hat sich anscheinend nicht geändert und sie hat ihn vom Alkohol wegbekommen. Logan fing wieder an, zu trainieren, trinkt seither nicht mehr viel und kümmert sich um Noel. Und meine Mutter ist der Meinung, dass die beiden mittlerweile eine Beziehung führen. So, jetzt kennst du die ganze Geschichte.«

Und ich wollte die Uhr ein paar Minuten zurückdrehen und mich entscheiden, Lena nicht zu drängen, mir das alles zu erzählen. Mein Herz war vor fast einem Jahr von Logan gebrochen worden, durch Riley ein wenig geheilt, aber jetzt, in dieser Sekunde, brach es erneut. Aber was hatte ich gedacht? Hatte ich wirklich angenommen, dass er nach mir enthaltsam leben würde? War ich wirklich so naiv?

Bevor ich ihn damals kennengelernt hatte, hatte er ständig wechselnde Bettpartnerinnen gehabt. Aus diesem Grunde wurde ich doch erst von Claire an ihren Sohn ausgeliehen, um seinen Ruf zu retten. Außerdem hatte ich überhaupt kein Recht, eifersüchtig zu sein. Dennoch, der Gedanke, er könnte genau in dieser Sekunde mit einer anderen Frau zusammen sein, einer, die ihm auch noch beigestanden und ihm geholfen hatte, zerriss mich förmlich.

Aber ich wollte Lena nicht zeigen, wie weh mir die Vorstellung tat. Sie sollte sich nicht auch noch um mich und mein Seelenleben Sorgen machen. Deshalb versuchte ich, die aufkommende Traurigkeit zu unterdrücken und zuckte mit den Schultern, als würde mich das alles nicht im Geringsten belasten. Ich wollte einfach versuchen, stark zu sein. »Das freut mich für deinen Bruder. Ich hoffe, dass er glücklich ist.«

Lena verdrehte die Augen. »Na klar, Jordan. Was auch immer du sagst.«

Es war schwer, Lena zu täuschen, das hätte ich nicht vergessen dürfen. Aber ich ging nicht weiter darauf ein, sondern schenkte ihr ein Lächeln, wandte mich ab und marschierte in mein Zimmer. Dort betrachtete ich meine schlafende Tochter, die so unglaublich friedlich aussah. Dann ließ ich mich niedergeschlagen auf die Bettkante sinken und verfluchte den Tag, an dem ich den beschissenen Vertrag in Logans Safe gefunden hatte. Wo würde ich jetzt stehen, wenn ich meiner Neugierde damals nicht nachgegeben hätte? Was wäre wohl aus Logan und mir geworden? Aber ich sollte nicht über Dinge nachdenken die mit Was wäre wenn? begannen. Es war passiert und ich tat gut daran, die Situation, wie sie jetzt war, zu akzeptieren.

 

Kapitel 3

Logan

 

»Logan«, stöhnte Linda mir ins Ohr. »Ich komme gleich. Härter.«

Ihr Wunsch war mir Befehl, sodass ich mein Tempo erhöhte und immer heftiger in sie stieß. Dann wurde ich langsamer und ließ meine Hüften kreisen, bevor ich wieder schneller wurde. Mit meiner Hand griff ich unter ihren Hintern und hob ihn ein wenig an, sodass sie im perfekten Winkel lag.

Linda und ich hatten keinen liebevollen Sex, sondern fickten. Etwas, was wir beide dringend nötig hatten, und das, so oft es eben ging. Wir liebten uns nicht, hatten nur freundschaftliche Gefühle füreinander, aber da wir beide Single waren, hatten wir uns vor ein paar Wochen für eine lockere Affäre entschieden.

Ich spürte meinen Höhepunkt heranrollen, und auch sie war mehr als bereit. Dreimal pumpte ich noch in sie, bis wir beide lautstark kamen. Schweißgebadet brach ich auf ihr zusammen und versuchte, meine Atmung unter Kontrolle zu bringen.

»Das war wie immer phänomenal, Mr. Slater«, sagte sie lachend, und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.

Langsam zog ich mich aus ihr zurück und legte mich neben sie.

»Wir sollten jetzt ins Studio fahren«, erklärte sie nach einer Weile und erhob sich.

Ich nickte, weil ich noch einige Stunden trainieren wollte, bis Noel von der Schule kam. Immerhin gehörte ihm der heutige Tag. Seit geraumer Zeit bettelte er darum, mit mir in den Zoo zu fahren, und trieb mich damit fast in den Wahnsinn. Aber ich konnte meinem Jungen kaum einen Wunsch abschlagen, denn ich hatte wegen der Vorbereitung auf den Rückkampf nur wenig Zeit für ihn. Außerdem durfte ich bei alledem nicht vergessen, was mein Sohn in den letzten Monaten alles durchgemacht hatte. Mir war bewusst, dass er mich brauchte, weshalb ich versuchte, jede freie Minute mit ihm zu verbringen.

»Du weißt, dass ich ab heute Mittag nicht mehr erreichbar bin?«, erkundigte ich mich noch einmal bei meiner Freundin, die sich gerade anzog, weil ich unter gar keinen Umständen gestört werden wollte.

»Natürlich«, bestätigte sie, während sie ins Badezimmer ging. »Ich freue mich, dass ihr beide heute einen Vater-Sohn-Tag habt. Das solltest du viel öfter mit Noel machen.« Ich betrachtete das Mädchen, dem ich so viel zu verdanken hatte, dass ich es wohl nie wiedergutmachen konnte.

Im letzten Jahr hatte ich mich hängen lassen, war nicht mehr zum Training gegangen, nur noch sporadisch aufgetaucht, wenn Devon oder Steven mich dazu gezwungen hatten. Ja, ich saß in einem wirklich schwarzen Loch, welches mich fast verschluckt hätte, wenn Linda Jenkins nicht in mein Leben getreten wäre.

Linda und ich hatten zusammen die Highschool besucht und waren schon zu dieser Zeit befreundet gewesen. Auch sie hatte früh mit Kickboxen angefangen und in unserem Studio trainiert. Sie war eine hübsche, liebevolle Person, und zusammen waren wir ein gutes Team gewesen.

Als sie eines Tages unangemeldet im Sportstudio auftauchte, hatte ich sie sofort erkannt. Sie hatte sich vom Äußeren her nicht verändert. Mir war es in diesem Moment nicht so vorgekommen, dass wir uns schon seit vielen Jahren nicht mehr gesehen hatten. Die Vertrautheit zwischen uns, die wir damals schon gehabt hatten, war umgehend wieder präsent gewesen. Wir hatten uns sofort wieder fantastisch verstanden, allerdings waren wir nie mehr als Freunde gewesen, damals wie heute. Die Sache mit dem Sex war einfach nur ein Spannungsabbau. Wir mochten uns, darüber hinaus existierten aber keine tiefergehenden Gefühle. So etwas würde ich auch niemals wieder zulassen. Nie wieder sollte es eine Frau schaffen, so ein Weichei aus mir zu machen, wie es seinerzeit Jordan Whittle gelungen war.

Ich versuchte, nicht viel über sie nachzudenken, schaffte es sogar zeitweise. Nur nachts oder wenn Noel mit mir über sie sprach, wanderten meine Gedanken zurück zu dem Tag, an dem ich mehr als nur meinen Gürtel verloren hatte. Ja, ich hatte einen Fehler gemacht, aber ihre Revanche war gnadenlos gewesen.

Was mich wirklich wurmte, war das Verhältnis zu meinem Bruder. Seitdem Jordan fort war, hatte Devon sich von mir zurückgezogen. Wir hatten seit Monaten kaum ein privates Wort miteinander gewechselt, von geschwisterlicher Zuneigung war nichts mehr zu spüren. Egal, wann ich versuchte, mit ihm zu sprechen, er wich mir aus.

Auch Steven war Devons Verhalten nicht entgangen, aber wie immer mischte er sich nicht ein. Meinen langjährigen Freund, den meine Eltern aufgenommen hatten, nachdem seine gestorben waren, kannte ich gut genug, um zu wissen, dass er einschreiten würde, sobald es ihm zu bunt werden würde. Bislang war das nicht der Fall. Steven war da gewesen, als es mir schlecht ging. Devon auch, aber anders, nicht wie ich es von meinem Bruder erwartet hätte. Als würde er mir gönnen, dass es mir so dreckig ging.

Der nächste Knaller war gekommen, als ich vorgeschlagen hatte, Linda die PR zu überlassen, weil ich mich entschlossen hatte, um meine Existenz zu kämpfen. Devon hatte zynisch darüber gelacht, Steven nur den Kopf geschüttelt und Dad schien mich töten zu wollen. Nun, auch wenn der Verlust der letzten PR-Beraterin für uns alle schmerzvoll war, so benötigten wir eine neue. Und aus diesem Grund stellte ich Linda Jenkins als meine neue Assistentin ein. Sie machte ihren Job gut, nicht so herausragend wie ihre Vorgängerin, aber ich war zufrieden.

Devon sprach kaum ein Wort mit ihr, obwohl er sie ebenfalls gut kannte. Auch mein Vater kommunizierte nur sehr sachlich mit Linda. Steven hielt sich nach wie vor aus allem raus, auch wenn er täglich mit mir trainierte. Er hatte nur zu mir gesagt, er könne mich nicht ganz verstehen, ging jedoch nicht näher darauf ein, als ich nachhakte, was genau er meinte.

Ich wollte nicht mehr darüber nachdenken, was alles schiefgelaufen war. Es spielte keine Rolle mehr. Das Einzige, was mich wirklich nicht zum kompletten Loser machte, war Noel. Er hatte die ersten zwei Tage nach Jordans Verschwinden geschwiegen. Panik war damals in mir ausgebrochen, weil ich vermutete, er würde erneut verstummen und ich meinen Sohn dadurch auf eine gewisse Weise ebenfalls wieder verlieren. Doch nach vielen Stunden der Ungewissheit hatte er in meinem Arm um den Verlust seiner Freundin, seiner Ersatzmama geweint und mir erzählt, wie sehr er sie vermisste. Dabei brach mir das Herz und die Abscheu gegen Jordan wuchs ins Unermessliche. Sie hatte nicht nur mich, sondern auch meinen Sohn verlassen.

Ich schüttelte die Gedanken ab und schob mich ebenfalls von der Matratze, um duschen zu gehen. Danach schlüpfte ich in meine Sportsachen und verließ mit Linda das Haus. Draußen wartete Devon bereits auf uns, um uns ins Studio zu fahren. Die Begrüßung bestand aus einem Nicken, welches ich ebenso kühl erwiderte.

 

***

 

»Können wir los?«, rief ich nach meinem Sohn, der noch immer in seinem Zimmer herumtrödelte. Vor einer Stunde war ich nach Hause gekommen und seit geschlagenen dreißig Minuten wartete ich auf meinen Sohn.

»Ich bin so weit«, kam zurück, und ich sah, wie er die Treppen hinunterstürmte und an mir vorbeirauschte, direkt nach draußen auf seinen Onkel zu.

Dieser gab seinem Neffen ein High-Five und half ihm in den Kindersitz. Als er fertig war, bekam ich von Devon das obligatorische Nicken, womit die nette und intensive nonverbale Unterhaltung auch schon wieder beendet war. Wir stiegen ein und fuhren los.

Während der Fahrt hörte man nur Noel, der hinten vor sich hin sang, weshalb ich schmunzeln musste. Plötzlich vibrierte mein Handy und als ich es aus der Tasche zog, sah ich Lindas Namen.

»Linda. Was kann ich für dich tun?«, meldete ich mich etwas schroffer als nötig, weil ich ihr eigentlich gesagt hatte, dass ich heute nicht gestört werden wollte.

»Wir haben den Termin für die Pressekonferenz bekommen«, informierte sie mich.

»Leg mir die Daten auf den Tisch«, ordnete ich an. »Sobald ich im Studio bin, schaue ich mir alles an.«

»Ich wünsche euch viel Spaß im Zoo«, sagte sie noch, bevor ich das Telefonat beendete.

»Kommt Linda mit?«, seufzte Noel.

»Nein«, antwortete ich knapp und schnaubte.

In letzter Zeit kam es mir des Öfteren so vor, als würde er Linda zwar mögen, aber nicht unbedingt mehr als nötig um sich haben wollen. Er begrüßte sie immer freundlich, aber zog sich nach einer Weile zurück. Wenn Linda bei uns zu Hause war, blieb er meist in seinem Zimmer, und wenn sie am Wochenende zu Besuch kam, wollte er zu seiner Oma oder sogar zu Devon. Ich hatte ihn gelassen, weil ich dachte, er wollte Zeit mit seiner Familie verbringen. Doch schnell war mir aufgegangen, dass das nicht der einzige Grund war.

Als ich mich wieder vollkommen im Griff, den Alkoholkonsum auf ein normales Maß reduziert hatte und langsam zu dem Menschen wurde, der ich vorher gewesen war, hatte ich ihn mir zur Brust genommen. Dummerweise beantwortete mein Kleiner nie meine Fragen, sondern erklärte nur, er wolle Jordan zurückhaben. Diesen Wunsch konnte ich ihm jedoch nicht erfüllen und wollte es auch nicht.

 

Die Fahrt zum Zoo dauerte nicht lange, und als wir einen Parkplatz gefunden hatten, stiegen wir aus und begaben uns hinein. Noel steuerte direkt die ersten Gehege an und betrachtete die Tiere mit großen Augen. Devon lief schweigend neben mir. Mich kotzte die gesamte Situation maßlos an, aber ich hatte absolut keinen Nerv, mich mit seinen Befindlichkeiten auseinanderzusetzen. Ja, es war schade um unser Verhältnis, aber wir waren erwachsene Menschen, und wenn mein Bruder nicht in der Lage war, mit mir über das zu sprechen, was ihn beschäftigte, konnte ich ihm nicht helfen. Ich war mir nämlich keiner Schuld bewusst.

»Ich brauche ein paar Tage Urlaub«, sagte Devon plötzlich, was mich irgendwie unerwartet traf. Urlaub? Mein Bruder hatte noch nie Urlaub gewollt. Aber ich versuchte, meinen Unmut nicht zu zeigen, schließlich waren ein paar freie Tage sein gutes Recht.

»Wie lange?«, wollte ich wissen, immerhin benötigte ich für diese Zeit Ersatz.

»Vielleicht zwei Wochen.« Seine tonlose Stimme trieb mich fast zur Weißglut, aber ich ließ es mir nicht anmerken. Ich wollte nicht noch mehr Stress mit ihm haben, als ich sowieso schon hatte.

»Für mich geht das in Ordnung«, stimmte ich zu. »Wir müssen Gino fragen, ob er die Urlaubsvertretung macht.«

»Thomas übernimmt das«, teilte er mir mit. Verwirrt blickte ich ihn an. Er hatte also schon alles geklärt. Das war doch fantastisch.

»Na, dann ist ja alles in trockenen Tüchern«, brummte ich und marschierte zum Löwenkäfig, vor dem mein Sohn stand und fasziniert die großen Raubtiere betrachtete.

Wir schlenderten noch eine ganze Weile durch den Park, aßen Eis und beobachteten Noel dabei, wie er sich jedes Tier genauestens ansah. Devon und ich sprachen kein weiteres Wort miteinander. Als die ersten Besucher auf mich aufmerksam wurden, entschieden wir uns, den Park zu verlassen. Auf Autogrammstunden und Gespräche mit Fans hatte ich keine Lust. Außerdem war ich genervt, weil ich keinen Weg fand, mit Devon zu kommunizieren. Ich befürchtete bereits, dass wir uns die Köpfe einschlagen müssten, um das zu erreichen. Vielleicht war es auch genau das, was wir benötigten, um unsere Beziehung wieder in die richtige Bahn zu lenken.

 

»Können wir ins Studio fahren?«, fragte Noel, als wir wieder im Auto saßen und über den Highway fuhren.

»Ich dachte, wir wollten uns heute einen schönen Tag machen?« Ich hatte mich darauf eingestellt, mit meinem Sohn den Abend zu Hause zu verbringen, vielleicht etwas zu spielen oder einfach nur im Pool zu schwimmen. Anscheinend wollte er das nicht.

»Na machen wir doch«, antwortete er verwirrt. »Aber das können wir ja auch mit Opa und Onkel Devon.«

Natürlich, dachte ich.

Er war im Moment ein absolutes Familienkind. Manchmal fragte ich mich, ob das mit Jordans Weggang zusammenhing, ob er Angst hatte, auch die anderen Menschen zu verlieren, die er liebte. Innerlich kochte mein Blut wieder, wenn ich nur darüber nachdachte, was sie ihm damit angetan hatte.

Ich stimmte seinem Wunsch zu und wir machten uns auf den Weg zum Studio. Dort angekommen raste Noel sofort hinein. Meine Laune hatte sich bislang nicht gebessert, und am liebsten hätte ich auf irgendetwas eingeschlagen. Devon hielt mir die Eingangstür auf. Ohne ein Wort schritt ich an ihm vorbei und begab mich direkt in mein Büro.

Ich setzte mich hinter den Tisch, stützte meinen Kopf in die Hände, schloss die Augen und versuchte, mich ein wenig zu beruhigen. Warum konnte ich das alles nicht vergessen? Warum musste ich immer wieder an Jordan denken, an das, was passiert war? Sogar ihren beschissenen Brief bewahrte ich im Safe auf und las ihn regelmäßig. Als würde ich mir absichtlich Schmerzen zufügen wollen.

Den Umschlag, den sie für Noel zurückgelassen hatte, hatte ich nie angeschaut. Ich hatte ihn dem Jungen ausgehändigt, weil er selbst entscheiden sollte, was er damit anfangen wollte. Seither hatte er kein Wort darüber verloren. Natürlich konnte er lesen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass er den Brief niemals geöffnet hatte. Vielleicht würde er ihn irgendwann vergessen, genauso wie Jordan. Wobei das wohl eher ein Wunschtraum war.

Ein Klopfen an der Tür ließ mich aufblicken. Steven betrat den Raum und nahm mir gegenüber Platz.

»Du siehst scheiße aus, Bro«, teilte er mir mit und grinste mich dabei auch noch an.

»Herzlichen Dank«, knurrte ich.

»Hast du mit Devon gesprochen?«, wollte er wissen. Überrascht über seine Frage sah ich meinen Freund mit hochgezogener Augenbraue an. Er schnaubte und schüttelte den Kopf. »Ich liebe dich und deine Familie, aber ganz ehrlich? Du bist ein Idiot. Ich an deiner Stelle würde das Gespräch mit ihm suchen, bevor alles den Bach runtergeht. Denn eines kann ich dir versprechen …« Steven beugte sich vor und betrachtete mich mit ernster Miene. »Wenn du nicht langsam den Arsch hochbekommst, kümmere ich mich darum. Ich werde nicht zulassen, dass diese Familie zerbricht, nur weil ihr Mist gebaut habt. Bekommt das in den Griff, sonst mische ich mich ein.«

Er meinte es ernst, und mir war klar, dass Steven allmählich die Schnauze voll hatte. Ich war mir ziemlich sicher, dass es nicht sonderlich schön werden würde, wenn er sich einmischte.

»Ich habe es versucht«, verteidigte ich mich, was eigentlich gar nicht zu mir passte. Aber dabei erkannte ich, dass mein Bruder mir fehlte und vor allem, wie sauer ich auf ihn war, weil ich sein Verhalten nicht verstand.

»Und hast wie immer sofort aufgegeben, als er nicht vor dir auf die Knie gefallen ist?« Seine herablassende Art machte mich umgehend wieder wütend. Niemals hatte ich gewollt, dass mir irgendjemand den Arsch leckte.

»Ich erwarte nichts von ihm«, murrte ich. »Aber eine Erklärung wäre hilfreich. Denn ich habe absolut keine Ahnung, was sein Problem ist.«

Steven lachte auf und erhob sich. »Du solltest die Scheuklappen von den Augen nehmen und mal genau hinsehen. Und jetzt mach dich fertig, damit wir noch eine Runde trainieren können.«

Damit wandte er sich ab und verließ das Büro. Kurz sah ich ihm hinterher und fragte mich, was er gemeint hatte.

Was hatte ich übersehen?

Ich schüttelte den Kopf, stand auf und folgte meinem Freund.

 

Nach dem Training fuhr Devon Noel und mich nach Hause. Mein Bruder verabschiedete sich knapp und fuhr davon. Ich sah dem Wagen noch nach, als ich mich schnaubend abwandte und mit meinem Sohn das Haus betrat.

Wir aßen noch etwas, dann war es Zeit für Noel, ins Bett zu gehen. Da er mittlerweile sechs war und zur Schule ging, hatte er mir erklärt, benötigte er keine Hilfe mehr. Er könne sich selbst umziehen und auch seine Zähne alleine putzen. Nun, das hatte ich – wenn auch zähneknirschend – hingenommen. Von akzeptieren konnte hier keine Rede sein, weil er mir damit schließlich etwas nahm, was ich gerne getan hatte.

Als ich meine Mutter deshalb um Rat gefragt hatte, teilte sie mir nur mit, dass ich leider loslassen müsse, damit er seinen eigenen Weg finden könne. Und hierbei würde es nicht darauf ankommen, ob ich Noel mit sechs noch für ein Baby hielt.

Mein Sohn kam, als er fertig war, noch einmal runter, gab mir einen Kuss und verschwand wieder in seinem Zimmer, ohne dass ich ihn ins Bett brachte. Denn auch das hatte er mir vor einigen Tagen verboten. Er wäre immerhin ein großer Junge. Das hatte ich ebenfalls widerwillig aufgenommen, wartete jedoch immer, bis er eingeschlafen war, um dann noch mal nach ihm zu schauen. Wunsch hin oder her, er musste mir auch Zeit geben, mich an so manche Dinge zu gewöhnen.

Wieder saß ich alleine auf meiner Couch, starrte den Bildschirm an und bekam nicht mit, was da eigentlich lief. Seufzend schaltete ich den Fernseher aus, lehnte mich zurück an die Sofakissen und betrachtete das Bild von Emily, Noel und mir. Aber ich sah auf einmal nicht Emily neben mir sitzen, sondern Jordan. Ich schloss meine Augen, um sie kurz darauf wieder zu öffnen. Es war nur Einbildung gewesen. Auf dem Portrait gab es keine Jordan. Und das war auch gut so.

Bei den Erinnerungen an sie kam auch wieder die Frage auf, wo sie wohl jetzt war. Ob sie an Noel dachte? Oder vielleicht an mich? Natürlich interessierte es mich, ob es ihr gut ging. Aber das waren alles Dinge, die ich wohl niemals erfahren würde.

In den ersten Wochen nach ihrem Verschwinden hatte ich alles in Bewegung gesetzt, um sie zu finden. Unzählige Male hatte ich sie angerufen und ihr Nachrichten geschrieben. Bis heute hatte ich keine Antwort erhalten. Verdammt, ich hatte ihr meine Liebe gestanden und sie hatte das mit den Füßen getreten. Sie hatte mein Herz nicht verdient.