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Nr. 3059

 

Der transuniversale Keil

 

Begegnung am Rand der Bleisphäre – sie erhalten eine Botschaft aus der Parallelwelt

 

Leo Lukas

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

 

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

1. Gegenwart: Die Prophezeiung

2. Vergangenheit: Flucht vor dem Posizid

3. Gegenwart: Das Geisterschiff

4. Vergangenheit: Der Übertritt

5. Gegenwart: Für eine Handvoll Möhren mehr

6. Vergangenheit: Ein schreibender Engel

7. Gegenwart: Spielen wir Mascantenfangen?

8. Vergangenheit: Tausend Wochen Panik

9. Gegenwart: Gedanken aus dem Jenseits

10. Vergangenheit: Die Entdeckung der Eisheiligen

11. Gegenwart: Eine allgemeine Zuspitzung der Lage

12. Vergangenheit: Das Totum

13. Gegenwart: Die Hintertür

14. Vergangenheit: Mein Vermächtnis

Epilog

Leserkontaktseite

Glossar

Risszeichnung TARA-Psi – Sallu Browns Roboterkörper

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Mehr als 3000 Jahre in der Zukunft: Längst verstehen sich die Menschen als Terraner, die ihre Erde und das Sonnensystem hinter sich gelassen haben. In der Unendlichkeit des Alls treffen sie auf Außerirdische aller Art. Ihre Nachkommen haben Tausende Welten besiedelt, zahlreiche Raumschiffe fliegen bis zu den entlegensten Sternen.

Perry Rhodan ist der Mensch, der von Anfang an mit den Erdbewohnern ins All vorgestoßen ist. Nun steht er vor seiner vielleicht größten Herausforderung: Er wurde vorwärts durch die Zeit katapultiert und findet sich in einem Umfeld, das nicht nur Terra vergessen zu haben scheint, sondern in dem eine sogenannte Datensintflut fast alle historischen Dokumente entwertet hat.

In der Milchstraße spielen die Cairaner eine maßgebliche Rolle; die Liga Freier Galaktiker und die Arkoniden sind nur noch von untergeordneter Bedeutung. Der unsterbliche Arkonide Atlan hat beschlossen, an dieser Situation etwas zu ändern. Vor allem versucht er dem Geheimnis des hermetisch abgeschlossenen Arkonsystems auf den Grund zu gehen, das nur noch als die »Bleisphäre« bekannt ist. Atlan unterstellt sich dem Thantur-Baron als dessen oberster militärischer Befehlshaber und begibt sich an den Ort des Geschehens. Dort erhält er unerwartete Informationen aus der Vergangenheit. Thema ist DER TRANSUNIVERSALE KEIL ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan da Gonozal – Der arkonidische Mascant erkundet ein terranisches Geisterschiff.

Gucky und Sallu Brown – Der Ilt und der TARA-Psi lassen Roboter um die Wette fliegen.

Shea Halpern – Die Kommandantin der BLAISE PASCAL hat nur das Wohl ihrer Crew im Sinn.

Ishan Dropat – Der Haluter fällt eine folgenschwere Entscheidung.

»Der Mensch ist nur ein Schilfrohr, das schwächste der Natur.

Aber er ist ein denkendes Schilfrohr. Es ist nicht nötig, dass das ganze Weltall sich waffne, ihn zu zermalmen: Ein Dampf, ein Wassertropfen genügen, um ihn zu töten.

Anfang und Ende der Dinge werden ihm immer ein Geheimnis bleiben. Er ist ebenso unfähig, das Nichts zu sehen, aus dem er stammt, wie die Unendlichkeit zu erkennen, die ihn verschlingen wird.«

(Blaise Pascal, ca. 1660 AZ)

 

 

Prolog

Wo warst du, als der Puls der Welt zum Erliegen kam?

 

Am Ufer des Sees stand eine Hütte. Darin legte ich meine Kleidung ab.

Wie so oft an diesem Ort, spielte ich mit dem Gedanken, schwimmen zu gehen. Aber da der See aus geschmolzenem Zinn bestand, musste seine Temperatur mehr als 230 Grad Celsius betragen.

Das war selbst mir ein wenig zu warm.

Ich ließ mich auf die Laufarme nieder und rannte los, die rote Sonne im Rücken. Mein lang gezogener Schatten zitterte mir voraus über Bodenwellen, gezackte Felsspalten, bizarre Eisendornen, breite Wälle aus Beryllkristallen ...

Diese und andere Hindernisse überwand ich mit hoher Geschwindigkeit, teilweise im Sprung. Alle Kanten wirkten scharf und klar umrissen, wegen der dünnen Atmosphäre.

Am Horizont zeichnete sich mein Ziel ab. Mit etwas Phantasie konnte man in der Gebirgsformation eine Ähnlichkeit mit einem Pferdekopf mit langer, wallender Mähne erkennen.

Bis zum »Hengsthals«, dem Fuß der Bergkette, waren es knapp vierzig Kilometer. Falls ich mein Höchsttempo beibehielt und nichts dazwischenkam, würde ich für diese Distanz nicht ganz zwanzig Minuten benötigen.

Wie mein Konvertermagen aus praktisch jeder beliebigen zugeführten Materie die überlebensnotwendigen Stoffe extrahierte, so vermochten auch meine Lungen jedes Gasgemisch in ein atembares umzuwandeln. Darüber hinaus konnte ich auf diverse, an verschiedenen Stellen im Körper deponierte Reserven zurückgreifen.

Normalerweise schlug nur eines meiner beiden Herzen. Willentlich schaltete ich das andere zu. Dennoch würde ich bald die Grenze meiner Belastbarkeit erreichen.

Genau das war ja Sinn und Zweck der Übung.

 

*

 

Der Planet Last Hope galt nicht zu Unrecht als Höllenwelt.

Auf der Nachtseite fielen die Temperaturen bis 180 Grad unter Null. Die Tagseite hingegen wurde von der nahen Riesensonne Bolo auf 500 bis 600 Plusgrade aufgeheizt.

Man musste verrückt sein, um sich ohne Raumanzug ins Freie zu wagen – oder ein Haluter.

Wobei eins das andere nicht ausschloss ... Die Kollegen im Forschungsinstitut äußerten gelegentlich durchaus Zweifel an meiner Zurechnungsfähigkeit.

Manche schrieben es meiner relativen Jugend zu. Erst vor Kurzem war die Zahl meiner Lebensjahre dreistellig geworden. Da konnte man sich schon noch ein wenig Überschwang erlauben.

Andere scherzten gutmütig, vielleicht künde sich bei mir ja eine Drangwäsche an. In diesem Zustand, den wir Haluter Vurhartu nannten, brach das Erbe der Bestien-Vorfahren durch. Dann drängte es uns unaufhaltsam danach, uns körperlich auszutoben, Abenteuer zu erleben und große Risiken einzugehen.

Ich für mein Teil rechtfertigte die Streifzüge in der Gluthölle von Last Hope damit, dass sie mir einen Ausgleich zur meist statischen wissenschaftlichen Tätigkeit verschafften.

Außerdem liebte ich die Weite der Wildnis. Nicht, dass ich in Sunset City unter Platzmangel gelitten hätte; mein Privatquartier war selbst für halutische Begriffe geräumig. Aber ich genoss es, für eine Weile nicht das voluminöseste und gefährlichste Lebewesen der näheren Umgebung zu sein.

Deshalb ärgerte ich mich auch nicht darüber, dass ich meine bisherige persönliche Bestzeit für die Strecke zum »Hengst« und retour knapp verfehlte. Der Grund war, dass mir ein Marschiere-Viel in die Quere kam.

Es handelte sich um das größte Exemplar, das ich je gesehen hatte. Die Seitenlänge des grob dreieckigen, 100 Meter dicken Korpus betrug fast 600 Meter. Der hoch aufgerichtete, von bläulichem Leuchten und grellweißen Entladungen umwaberte Schwanzstachel war noch um einiges länger.

Dagegen kam sogar ein zwei Tonnen wiegender, an eine Schwerkraft von 3,6 Gravos angepasster Haluter sich klein und verletzlich vor ...

Marschiere-Viels ernährten sich ausschließlich von Sonnenenergie. Andere Nahrung nahmen die lebenden Berge nicht zu sich. Auf 36 säulenartigen, an die zehn Meter hohen Beinen liefen sie unaufhörlich der Sonne hinterher, um möglichst viel Licht einzufangen.

Falls die Dämmerung sie einholte, erstarrten sie und mussten bis zum nächsten Morgen verharren. In diesem Zustand stellten die ansonsten überaus wehrhaften Giganten leichte Beute für die Nachtsauger und andere, ähnlich monströse Energieräuber dar.

Ich war noch einige Kilometer von der Hütte entfernt, als ich das grelle Piepsen eines Notrufsignals hörte. Obwohl ich mir von der sengenden Hitze völlig ausgepumpt und ausgedörrt vorkam, setzte ich zu einem letzten Sprint an.

War ich denn wirklich so wichtig, dass sie in der Forschungsstadt nicht einmal eine Dreiviertelstunde auf mich verzichten konnten?

 

*

 

Das Multikom des Anzugs hatte einen Funkanruf empfangen und unmittelbar darauf die Verbindung getrennt.

Die Nachricht selbst hatte das veranlasst. Sie bestand aus einem Überrangcode, den mein Planhirn umgehend dechiffrierte: Rotalarm mit größtmöglicher Funkstille, wegen eines Angriffs auf das positronische Rechnernetz!

Offenbar waren Schadkonstrukte eingedrungen und drohten via Funk weiter verbreitet zu werden. Zweifellos handelte es sich um eine schwerwiegende Attacke, sonst wäre nicht höchste Alarmstufe gegeben worden.

Kaum hatte ich den maßgeschneiderten Spezial-SERUN fertig angezogen, aktivierte ich die Flugaggregate in den Stiefeln und, sobald ich aus der Hütte draußen war, das Gravopak am Rücken. Mit 500 Stundenkilometern raste ich heimwärts.

Wenig später erblickte ich die vertrauten Gebäude, rotgolden sich spiegelnd im Licht der untergehenden Sonne. Seit ihrer Fertigstellung vor mehr als 250 Jahren – genauer: im Jahr 1500 NGZ – schwebte die Außenstelle der Liga Freier Galaktiker für interdisziplinäre Forschungsprojekte, wie die offizielle Bezeichnung lautete, in mehreren Hundert Metern Höhe immer wieder zurück in den Abend.

Alle 150 Minuten erhob sich die gesamte, 60.000 Einwohner zählende Stadt von ihrem Standort und bewegte sich ostwärts, entgegen der langsamen Rotationsbewegung Last Hopes. Auf diese Weise folgte sie der Terminatorlinie des Planeten, um in den Regionen mit den günstigsten und erträglichsten Umweltbedingungen operieren zu können.

Der Name Sunset City versprach also nicht zu viel: Tatsächlich erlebte die mobile Forschungseinrichtung einen Sonnenuntergang nach dem anderen.

Ihre Basis bildeten vier halbkugelförmige, in einem Quadrat angeordnete Kuppeln mit einem Radius von 1250 Metern. Röhrenförmige Verbindungsstücke entsprangen auf dem Zenit der Halbkugeln. Darauf thronte, rund 750 Meter über den Kuppeln, eine schlanke Pyramide mit einem Kilometer Seitenlänge und zwei Kilometern Höhe, die sogenannte Zitadelle.

Die Gesamthöhe von Sunset City betrug also vier Kilometer. Jede Seite der abgerundet quadratischen Grundfläche maß fünf Kilometer.

Für die Errichtung der wandernden Stadt waren zwei Kugelraumer der 2500 Meter durchmessenden JUPITER-Klasse entlang ihrer Ringwulste auseinandergeschnitten worden. Jeweils die oberen Hälften bildeten, nahezu unverändert, nun die Bereiche Sunset Alpha und Gamma.

Alpha enthielt Labors und Testanlagen mitsamt aller dazu benötigten Infrastruktur, einschließlich einiger Wohnungen für die Wissenschaftler, sowie Versorgungszentralen. In Gamma waren die Hauptkomplexe zur Energieversorgung und -speicherung untergebracht, darüber hinaus Schutzschirmaggregate, die Zentrale für die Antigravprojektoren und eine Wartungszentrale für Positroniken und Elektroanlagen nebst Quartieren für die dort arbeitenden Techniker.

Die unteren Hälften der ehemaligen terranischen Ultraschlachtschiffe hatte man nahezu komplett entkernt, umgedreht und völlig neu gestaltet. Sunset Beta beherbergte den Großteil der Wohnstätten, Unterhaltungszentren, Parkanlagen, Spielplätze und sonstigen Freizeiteinrichtungen.

Die Delta-Kuppel diente der Forschung an gefährlichen Objekten. Viele der zahlreichen, ebenso gut ausgestatteten wie abgeschirmten Labore waren Hochsicherheitsbereiche und nur wenigen Forschern zugänglich.

In der Zitadelle schließlich befanden sich die zentralen Steueranlagen und die Büros der Verwaltung, der seit 14 Jahren Olec Tau als Bürgermeister vorstand. Die Pyramide war zudem der einzige Sektor mit Offensivbewaffnung.

Ich flog jenen Eingang zu Sunset Beta an, der meinen Privaträumen am nächsten lag. Angesichts der Funksperre gab ich den Code für den Öffnungsmechanismus manuell ein.

Auf der anderen Seite der Schleuse stand, nervös von einem Bein aufs andere trippelnd, Evlyn Kurum, eine der Assistentinnen aus der Metapositronischen Abteilung. »Ishan Dropat!«, rief sie aufgeregt. »Na endlich!«

»Schneller ging es beim besten Willen nicht. Was ist denn los?«

»Die Welt droht demnächst stillzustehen. Aber nicht nur unsere, sondern sämtliche bewohnten Systeme der Milchstraße!«

Meine Anwesenheit bei einer hastig einberufenen Krisensitzung sei dringend erwünscht, teilte mir die hochgewachsene, dunkelhäutige Tefroderin mit. Man befürchte, am Beginn einer galaxisweiten Katastrophe zu stehen.

Unwillkürlich blickte ich auf mein Armbandchronometer. Wir schrieben den 10. September 1777 Neuer Galaktischer Zeitrechnung.

Es war der Tag, an dem der Posizid einsetzte.

1.

Gegenwart: Die Prophezeiung

 

Gerade hatte ich meinem Gegenüber »Guten Appetit!« gewünscht, bewegte sich etwas in der Salatschüssel, die zwischen uns auf dem Tisch stand.

Unter Blättern von Magoria-Rauke und fuertonischen Repinzelstängeln wühlte sich ein Stück Karotte hervor. Es schwebte einen halben Meter in die Höhe und rotierte immer schneller.

Hauchdünne, fingerbreite Streifen schälten sich ab. Einige Tropfen Marinade lösten sich wie in Zeitlupe und bildeten eine kreisförmige, golden schimmernde Kette.

Ich seufzte. »Kannst du nicht einfach mit Messer und Gabel essen wie normale Leute?«

Die spiralförmige Möhrengirlande schraubte sich auf Guckys Mund zu und verschwand darin. Kauend schüttelte der Ilt den Kopf.

»Muss trainieren«, mümmelte er.

»Was? Kunststücke mit Nahrungsmitteln?«

»Mhm.«

»Wozu?«

Er schluckte. »Die Konkurrenz schläft nicht.«

Gucky spielt auf den TARA-Psi an, erklärte mein Extrasinn unnötigerweise. Dessen in PEW-Metall gespeichertes Bewusstsein benötigt weniger Schlaf als selbst ein Zellaktivatorträger.

»Na, komm. Sallu Browns telekinetische Fertigkeit reicht längst nicht an deine heran«, entgegnete ich dem Mausbiber. »Schließlich hast du mehrere Jahrtausende Vorsprung.«

»Das ist es ja. Verglichen damit holt der Kerl rasend schnell auf!«

»Außerdem verbrennt er, wenn er seine Paragaben einsetzt, Salkrit, den seltensten und teuersten aller Hyperkristalle.«

»Und ich soll mich nicht mit Mohrrüben vergnügen dürfen, die nur einen winzigen Bruchteil davon kosten?«

Der Vergleich hinkte gewaltig. Freilich wusste ich aus langer Erfahrung, wann es sinnlos war, mit Gucky zu diskutieren. Deshalb senkte ich den Kopf, widmete mich meiner gemischten Vorspeisenplatte und tat, als kümmerte mich nicht, was er mit seinem Abendessen anstellte.

Mannshohe, dichte Büsche schirmten unsere Nische vor den Blicken der übrigen Gäste ab. Ich hatte es mir zur Gewohnheit gemacht, in immer wieder anderen Kantinen der TARTS zu speisen, um meine Verbundenheit mit der Mannschaft zum Ausdruck zu bringen. Ein gewisses Ausmaß an Privatsphäre gestand ich dem Ilt und mir jedoch zu.

Nun war ich recht froh darüber.

 

*

 

Die Ruhe währte nur kurz, vielleicht vier, fünf Bissen, dann blinkte mein Armband-Multikom.

Ich nahm den Anruf entgegen. Laut Signatur kam er aus der Hauptleitzentrale.

Anstelle der mittlerweile verzehrten Karotte baute sich ein Holo über der Salatschüssel auf. Es zeigte eine Arkonidin mit kurz geschnittenem, weißgrauem Haar: Mava da Valgathan, die Kommandantin des insgesamt 2,2 Kilometer hohen Kelchraumers, den ich nach einem alten Weggefährten und Lehrmeister benannt hatte.

Tarts hatte ein früheres Flaggschiff befehligt, die TOSOMA. Fast 14 Jahrtausende lag das zurück ...

Schweif nicht ab, Narr!, tadelte mich der Extrasinn.

Ertappt nickte ich Mava zu. »Ich grüße dich, Vere'athor!«

»Bitte, verzeih, Mascant Atlan, dass ich dich beim Essen störe«, sagte sie, nachdem sie den Gruß erwidert hatte. »Aber soeben hat mich Aro Ma-Anlaan darüber in Kenntnis gesetzt, dass seine Erbtochter aufgewacht ist. Sie würde ihn gerne zu der Besprechung begleiten, die du für zwanzig Uhr Bordzeit anberaumt hast.«

Das war in einer knappen halben Stunde. »Hat Chariklis einen Grund genannt? Hatte sie wieder eine Vision?«

»Etwas in der Art, denke ich. Näheres möchte sie dir persönlich mitteilen.«

»Sie ist mir herzlich willkommen. Erlaubnis hiermit erteilt. Ich danke dir, Vere'athor.«

»Mascant.« Das Holo erlosch.

»Hochinteressante Person, dieses Erbkind«, sagte Gucky mit vollem Mund. »Rätselhafter kosmischer Hintergrund. Mächtige Psi-Fähigkeit, auch wenn sie die meiste Zeit pennt. Könnte eine echte Verstärkung für mein künftiges transuniverselles Parakorps darstellen.«

»Möglich. Aber momentan ist das meine geringste Sorge«, versuchte ich das Thema abzuwürgen.

Seit einigen Wochen brachte der Ilt beharrlich immer wieder die Rede darauf, dass ihm eine Art neues Mutantenkorps vorschwebte, selbstverständlich mit ihm an der Spitze. Als fixe Mitglieder sah er neben dem TARA-Psi und dem Metabolisten Donn Yaradua, der zurzeit mit Perry Rhodan unterwegs war, die Zwillinge Dva und Odin Bouknadel, die sich Dancer und Schlafner nannten.

Weiterhin dachte Gucky an die Halb-Báalol Penelope Assid sowie an die Vitaltelepathin und ehemalige tefrodische Spezialagentin Toio Zindher, falls sie denn noch lebte und jemals aus der Stadt Allerorten zurückkehrte. Aber auch die Cairanerin Neseese Gaazkin konnte er sich in diesem Parakorps vorstellen – und eben Chariklis Kavali.

 

*

 

Im Besprechungsraum erwartete uns Mava da Valgathan bereits.

Falls sie erschrak, als wir vor ihr materialisierten – Gucky hatte es sich nicht nehmen lassen, mit mir zu teleportieren –, so zeigte sie dies nicht. Stoisch füllte sie ihre Schale aus der Kanne mit einer dampfenden Flüssigkeit. Dem Geruch und der dunkelroten Farbe nach handelte es sich um Falkanmalventee.

Die Vere'athor trug als Rangabzeichen drei stilisierte Planeten auf Brust und Schulter der blütenweißen Uniform. Ich schätzte sie sehr, nicht zuletzt wegen der Gelassenheit, die sie auch unter Druck bewies.

Ihre Kommandos kamen stets zielstrebig und exakt. Wurden sie nicht prompt befolgt, konnte Mava durchaus schneidende Schärfe entwickeln. Andererseits war sie offen für Kritik, sofern man gute Argumente vorbrachte.

Pünktlich trafen auch Aro Ma-Anlaan und seine Erbtochter ein. Der melancholisch wirkende Arkonide war von schwer bestimmbarem Alter, hager und blass, mit tief eingeschnittenen Falten in den Mundwinkeln. Trotz seiner ursprünglichen Abneigung gegen das Militär hatte er Karriere gemacht und war mittlerweile ranghöchster Strategieanalytiker der Raumflotte.

Chariklis Kavali sah aus wie ein sehr dünnes, vielleicht zwölf- oder dreizehnjähriges Mädchen. In Wirklichkeit war sie viele Hundert Jahre alt.

Allerdings verschlief sie immer wieder lange Zeiträume, in denen sie nicht alterte. Gelegentlich hatte sie Visionen und erinnerte sich an die Zukunft.

Nicht nur wegen des blassen Teints ließ sich eine gewisse, wenn auch eher entfernte Familienähnlichkeit zwischen ihr und Aro Ma-Anlaan erkennen. Er war der vorläufig letzte in einer Reihe von »Erbvätern«, denen die Betreuung Kavalis – vor allem während der Schlafphasen – oblag.

»Du hast der Schiffskommandantin angekündigt, dass du mir etwas melden möchtest«, eröffnete ich das Gespräch, sobald alle um den ovalen Konferenztisch Platz genommen hatten. »Hattest du einen besonderen Traum?«

Sie bejahte mit heller Stimme. »Jedoch sah ich diesmal keine konkreten Bilder. Vielmehr verspürte ich ein starkes Gefühl.«

»Welcher Art?«

»Der beunruhigenden Art. Ich kann es nur schwer in Worten ausdrücken.« Sie nestelte an einer Haarsträhne. »Es war ... eine für mich völlig neue, befremdliche Empfindung. Verstörend, verstehst du?«

»Ja.« Ich beugte mich vor, legte die Unterarme leicht auf den Tisch, gab Chariklis Kavali Zeit, sich zu fassen.

Für einige Atemzüge schwiegen alle. Sogar Gucky hielt sich zurück.