Für meine Kinder Ticha und Leon

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© 2017

Herstellung und Verlag: BoD – Books on Demand GmbH, Norderstedt.

ISBN: 9783743126404

Text, Umschlag und Collagen: Karen Matting

Inhaltsverzeichnis

1

Die wilde Tilda lacht sich schlapp

Am Montagmorgen herrschte Schlafstimmung in der Igelklasse.

Ada aus der dritten Reihe hielt ihre Augen halb geschlossen, denn gestern hatte sie zwölf mal probiert, was sie heute anziehen will und Louis, ihr Banknachbar gähnte ununterbrochen, weil er abends ewig lang herum geträumt hatte - ohne einzuschlafen. Auch der kleine Sebastian aus Reihe eins war müde. Er war deswegen zu einem winzigen zerknautschten Haufen auf seinem Stuhl zusammen gerutscht. So fiel es keinem auf, dass er mal wieder sein T-Shirt verkehrt herum trug. Und überhaupt - jedes Kind in der Igelklasse war noch gar nicht im Montag angekommen. Ja, es war so als ob noch alle im Sonntag fest hingen. Jedenfalls in Gedanken.

„Zeit zum Montagmorgenmunterwerden. Wir singen unser Morgenlied“, unterbrach die Klassenlehrerin Frau Lerche die allgemeine Schläfrigkeit mit so hoher Stimme, dass allen die Ohren klingelten.

„Guten Morgen, Guten Morgen, kannst du mir ein Lächeln borgen…“, trällerte Frau Lerche inbrünstig und reckte dabei ihre zarten Hände in die Höhe.

Die Klasse war noch nicht einmal bei der dritten Zeile angelangt, da sprang plötzlich die Tür zum Klassenraum auf.

Herein trat der Direktor, Herr Zumsel.

„Ich habe da etwas mitgebracht“, brummte er tief wie der Weihnachtsmann.

„Kriegen wir etwa Geschenke?!“, flüsterte Sebastian aufgeregt und aus einem verschlafenen Häufchen war in Null Komma Nichts ein putzmunterer Junge geworden.

In diesem Moment schob sich eine blasse Kinderhand vor Herrn Zumsels dicken Bauch und kurz darauf kam ein Mädchen zum Vorschein.

„Och, nur ein Mädchen“, murmelte Sebastian enttäuscht und verwandelte sich wieder in ein müdes Häuflein.

Das Mädchen war dünn wie ein Fädchen. Seine langen blonden Haare hingen ihm wild im Gesicht herum. Die Augen dahinter schimmerten in einem Blau wie Meerwasser an einem Sommertag. An den Füßen trug es quietschgrüne Gummistiefel, obwohl draußen das schönste Sommerwetter war.

„Ich bin Tilda und aus Åland“, rief das Mädchen unverdrossen und grinste wie ein Honigkuchenpferd.

„Ein Oh-Land. Hä!?“, gähnte Ada vornehm und klimperte dabei mit ihren großen Augen.

„Gibt es dann etwa auch ein Ah-Land oder Bee- Land oder Cee-Land oder Deee…?“, meldete sich die vorbildliche Berta, die andauernd nachdachte und deswegen die Klassenbeste war.

„Hohoho“, wieherte Tilda plötzlich laut wie ein Pferd, sodass Berta vor Schreck einen lauten Schluckauf bekam, der ihr sofort schrecklich peinlich war.

Denn sollte das etwa ein Lachen sein?

Durch die Klasse zog nun ein leises Klucksen.

„Nun ja. Schluss mit lustig“, unterbrach Herr Zumsel lautstark das Gekichere: „Die Tilda Heiter kommt aus Finnland und Åland ist eine Insel, die zu diesem Land gehört. Die Tilda kann aber deutsch sprechen, weil ihre Mama von hier kommt und jetzt geht sie in eure Klasse. Und das mir keine Klagen kommen“, erklärte er und verließ schnurstracks das Klassenzimmer.

„Åland, Åland“, sang Tilda jetzt und begann sich so doll zu drehen, dass einem schon vom Zugucken schlecht wurde.

„Tja. Dann wollen wir Tilda mal begrüßen“, meinte Frau Lerche und versuchte ihr die Hand zum Willkommen zu reichen, was aber nicht gelang, weil Tilda sich immer weiter drehte.

„Tilda!“, tadelte sie Frau Lerche deswegen und hielt sie an ihrem Kleiderzipfel fest.

„Aber, aber das ist doch unser Ålandtanz, den tanzen wir immer zu Begrüßung“, erklärte Tilda und blieb stehen.

Nur ihr Kopf schwang noch ein bisschen hin und her, als Frau Lerche sie aufforderte, sich neben Berta in Reihe vier zu setzen.

Tilda ließ sich auf den Stuhl plumpsen. Endlich war es wieder still, sodass Frau Lerche wie an jedem Montag mit der Morgenroutine beginnen konnte. Die Morgenroutine bedeutete, dass je zwei Kinder aus der Klasse den Wochentag auf Englisch sagen und dann einen Satz mit drei Wörtern bilden und an die Tafel schreiben durften. Jeder in der Klasse war ziemlich stolz, wenn er damit an der Reihe war. Denn vorn stehen und Sätze an die Tafel schreiben, war etwas ganz Besonderes.