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ISBN 978-3-86191-173-9

Originaltitel: Science and the unseen World

Aus dem Englischen übersetzt von Petra Michel

Umschlaggestaltung: Annette Wagner

DIE „SWARTHMORE VORTRAGSREIHE“ WURDE während eines Treffens des Woodbrooke Extention Committees1 am 9. Dezember 1907 ins Leben gerufen. Das Protokoll des Treffens sieht die Etablierung eines „alljährlichen Vortrags über ein Thema vor, das mit der Botschaft und der Arbeit der ‚Society of Friends’2 in Zusammenhang steht“. Der Title ‚Swarthmore’ wurde im Gedenken an die Wohnstatt von Margareth Fox gewählt, deren Haus für jeden ernsthaften Wahrheitssucher offenstand und die stets liebenswürdige Worte und beträchtliche finanzielle Hilfeleistungen an Mitstreiter austeilte.

Die Vortragsreihe wird unter der Schirmherrschaft der Treuhänder des Woodbrooke Quäker Studienzentrums weitergeführt und ist ein bedeutender Teil der Bildungsarbeit, die bei und durch Woodbrooke erfolgt. Die Vortragsreihe hat zwei Ziele: Erstens soll sie den Mitgliedern der „Society of Friends“ die gemeinsame Botschaft und Mission nahebringen; und zweitens soll sie der Öffentlichkeit den Geist, die Ziele und die grundsätzlichen Prinzipien der „Society of Friends“ vermitteln.

Die Vortragsreihe sieht sowohl eine Buchveröffentlichung als auch einen Vortag vor. Dieser wird in der Regel zeitgleich mit dem jährlichen Treffen der „Society of Friends“ gehalten. Bis inklusive 1994 fand dieses Treffen immer in London statt. Der vorliegende Vortrag wurde in London im „Haus der Freunde“ am Abend vor dem Jahrestreffen gehalten.

Woodbrooke Quaker Study Group

1

Das Woodbrook Extention Committee wurde 1907 von Quäkern in Yorkshire, England, gegründet, um Predigten von Angehörigen der Gemeinschaft (Vocal Ministry) und Erwachsenenbildung zu verbessern. (Anm. d.Ü.)

2

Die „Society of Friends“ ist der formelle Name einer Organisation der Quäker Das Quäkertum ist eine religiöse Gruppe mit christlichen Wurzeln, das um 1650 in England gegründet wurde. Im Deutschen spricht man von der “Religiösen Gesellschaft der Freunde.” (Anm. d.Ü.)

Inhalt

Der Autor

Vorwort

Einleitung

I

Ein Überblick über die Evolution, welche zum Erscheinen des Menschen in der physischen Welt führte

II

Die fragende Stimme des „Was tust du hier?“

III

Wechselnde Anschauungen in der theoretischen Physik und die idealen physikalischen Erklärungen

IV

Ein wissenschaftlicher und ein mystischer Ansatz sind an der „Problematik der Erfahrung“ beteiligt

V

Die Irrelevanz des „Naturgesetzes“ in Bezug auf den Verstand und das Bewusstsein

VI

Die Wichtigkeit von „Bedeutungen“ und die Konsequenzen, wenn diese nicht im Rahmen der Untersuchung liegen

VII

Wir benötigen eher eine Offenbarung Gottes als die Garantie seiner Existenz

VIII

Im täglichen Leben (dem materiellen wie dem spirituellen) ergänzt die wissenschaftliche Analyse unsere gewohnte Perspektive, ohne sie zu ersetzen

IX

Der Geist des Suchens in Wissenschaft und Religion

Der Autor

Arthur Stanley Eddington wurde im Jahre 1882 geboren. Schon als Student erhielt er zahlreiche Auszeichnungen für seine wissenschaftlichen Studien, obgleich er ebenfalls eine künstlerische Laufbahn in Betracht zog. Nachdem er eine Zeitlang am Königlichen Observatorium (Royal Observatory) in Greenwich gearbeitet hatte, wurde er 1913 zum Plumian Professor für Astronomie3 an der Cambridge Universität ernannt und im darauffolgenden Jahr zum Direktor des Observatoriums der Universität sowie zum Fellow der Royal Society4 eingesetzt. Er spielte eine bedeutende Rolle bei der Verifizierung von Einsteins „Allgemeiner Relativitätstheorie“ im Rahmen der Sonnenfinsternis vom 29. Mai 1919.5 Einstein erachtete ihn als einen seiner besten Interpreten.

Als lebenslanger Quäker wurde Eddington im Ersten Weltkrieg zum Kriegsverweigerer; unabhängig davon hatte die Universität allerdings in seinem Namen eine Befreiung vom Kriegsdienst aufgrund seiner Unentbehrlichkeit für die Universität beantragt. Von 1941 bis 1943 war er der Vorsitzende des Nationalen Friedenskomitees und war auch ein Befürworter der Peace Pledge Union.6 Er starb 1944.

Weitere Bücher von ihm sind unter anderem The Nature oft the Physical World (1928) und The Expanding Universe (1933).

3

Der Plumian Chair for Astromonie and Experimental Physics ist einer der beiden angesehensten Lehrstühle für Astronomie an der Universität Cambridge, England. Er wurde im Jahre 1704 von Thomas Plume gegründet. (Anm. d.Ü.)

4

Die Royal Society ist eine britische Gelehrtengesellschaft. Die Ernennung zum ‚Fellow’ ist und war eine große Auszeichnung für einen Wissenschaftler. (Anm. d.Ü.)

5

Die Allgemeine Relativitätstheorie sagte eine gravitative Ablenkung des Lichtes voraus, die während dieser Sonnenfinsternis verifiziert werden konnte. Die Experimente hierzu wurden unter der Leitung von Eddington auf der Vulkaninsel Príncipe vor der westafrikanischen Küste durchgeführt.

6

Die Peace Pledge Union ist die älteste unabhängige Friedensorganisation Großbritanniens. Die Mitgliedschaft steht jedem Menschen offen, der ein Versprechen unterschreiben kann, das mit den folgenden Worten beginnt: „Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit.“ (Anm. d.Ü.)

Vorwort

Das drängendste Problem, vor dem die Menschheit heutzutage steht, ist die Frage, wie wir uns selbst begreifen können – als einen komplexen Masseklumpen, der von angeblich blinden und sinnlosen Naturgesetzen dominiert wird, oder als Geschöpf, das zusätzlich zu seiner physischen Komponente auch noch mit Bewusstsein, Verstand, Willen, Wahlfreiheit, Sinnhaftigkeit, Zielausrichtung, Bedeutung und Spiritualität ausgestattet ist, wobei letztere jene schwierig zu definierenden Qualität ausdrückt, die für einen Aspekt steht, der über unser eigenes individuelles Selbst und Ego hinausreicht. Jede unserer Entscheidungen wird durch unsere Antwort auf diese eine herausragende Frage beeinflusst: „Wer sind wir?“

Es gibt heute eine immer stärkere Sensibilisierung für diese Frage, und die endlosen Auseinandersetzungen zwischen den Verfechtern der unterschiedlichen Anschauungen reichen weit über die Haarspaltereien der Experten hinaus, da die Antwort reale Konsequenzen für die Zukunft unserer Welt mit sich bringt und vielleicht sogar entscheiden wird, ob wir überhaupt eine Zukunft haben werden.7 Der Autor und Politiker André Malraux schreibt dazu, dass das 21. Jahrhundert entweder spirituell sein wird oder gar nicht.8

Das ist auch der Grund dafür, dass Arthur Eddingstons Schrift Die Wissenschaft und das Unsichtbare heute noch genauso relevant ist wie 1929, als er diesen Vortrag hielt.9 Ein materialistisches Weltbild unseres Selbstverständnisses, das Eddington vehement ablehnte, schadet unseren Überlebensanstrengungen auf unserem Planeten, die Zielausrichtung, Sinnhaftigkeit, Intention und Mut erfordern. Allerdings gibt es Stimmen aus dem Lager der zeitgenössischen Wissenschaften, wie jene Worte eines einflussreichen Astrophysikers, die besagen, dass: „Wir Menschen nur Krümel organischer Materie sind, die sich an die Oberfläche eines winzigen Felsens klammern. Kosmisch gesehen, sind wir nicht bedeutsamer als der Schimmelfleck an einem Duschvorhang.“10 Ein bekannter amerikanischer Philosoph stimmt dem mit den Worten zu: „Wenn wir darüber nachdenken, ob der freie Wille Illusion oder Wirklichkeit ist, stehen wir am Abgrund. Vor uns liegt ein Sturz in Nihilismus und Verzweiflung.“11 Und ein angesehener Nobelpreisträger für Physik behauptet: „Je mehr wir das Universum verstehen, um so sinnloser erscheint es.“12

Diesem bedrückenden Scenario steht Arthur Eddington gegenüber. Er versichert uns: „Verwirf die Idee, dass die Naturgesetze die Religion verschlingen könnten; sie können nicht einmal die Multiplikationstabellen im Alleingang lösen.“ Eddington betont, dass die moderne Physik die „unsichtbare Welt“ spiritueller Erfahrungen nicht vernichten kann, da unser Bewusstsein sich nicht einer physikalischen Analyse beugen muss. Er fährt fort, dass sich Bewusstsein nicht in Form von Symbolen, Gleichungen und den Naturgesetzen verstehen lässt, die auf Materie angewendet werden kann: „Man kann dieses Schema nicht auf Teile unserer Persönlichkeit übertragen, die sich genauso wenig mit Hilfe von Symbolen messen lassen, wie sich die Quadratwurzel aus einem Sonett ziehen lässt.“ Daher, betont er, werden die Naturgesetze auch nicht durch die „unsichtbare Welt“ verletzt.13 Was dagegen infrage gestellt wird, sind die eingefleischten Vorurteile der Materialisten.

Eddington verteidigt vehement den zentralen Status des Bewusstseins in der Gestaltung dessen, was wir Wirklichkeit nennen. Er sagt: „Wenn wir die Klarheit von spirituellen und weltlichen Dingen miteinander vergleichen, sollten wir das Folgende nicht vergessen – der Verstand ist der erste und direkteste Ansatzpunkt für unsere Erfahrung; alles andere lässt nur indirekte Rückschlüsse zu.“ Er weist auch darauf hin, dass es einen übergeordneten, umfassenderen Geist geben könnte. In The Nature oft the Physical World schreibt er: „Ich meine, dass die Idee eines universellen Geistes oder Logos eine sehr plausible Schlussfolgerung aus der gängigen Wissenschaftstheorie darstellt; zumindest aber steht sie im Einklang mit ihr.“14

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