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Petra E. Jörns

Im Licht der Horen

Auge – Erstes Licht

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Space Opera

Jörns, Petra E.: Im Licht der Horen. Auge – Erstes Licht. Hamburg, Plan9 Verlag 2020

1. Auflage 2020
ISBN: 978-3-948700-03-4

Dieses Buch ist auch als eBook erhältlich und kann über den Handel oder den Verlag bezogen werden.
ePub-eBook: 978-3-948700-07-2

Lektorat: global:epropaganda Michael Haitel
Korrektorat: Aileen Hiecke
Satz: 3w+p GmbH, Rimpar
Umschlaggestaltung: Christl Glatz, © Agentur Guter Punkt, München
Umschlagmotiv: © Sylphe_7/GettyImages, Bildnummer: 538337660 (Raumschiff)
© vjanez/GettyImages, Bildnummer: 619672888 (Planet)
© dottedhippo/GettyImages, Bildnummer: 911448766 (Metorit

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.

Der Plan9 Verlag ist ein Imprint der Bedey Media GmbH,
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© Plan9 Verlag, Hamburg 2020
Alle Rechte vorbehalten.
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Gedruckt in Deutschland

PROLOG

Ein heller Punkt zog seine Bahn zwischen den Sternen. Während sie ihm mit dem Blick folgte, wechselte die Perspektive. Persephone tauchte im Hintergrund auf, eine blaue Kugel mit hellen Wolkenbändern vor der Schwärze des Alls. Der helle Punkt bewegte sich von ihr fort, auf eine Stelle in der Umlaufbahn zu, wurde größer und größer und entpuppte sich als Raumfähre der Kolonialen Flotte – und zerplatzte vor ihren Augen in einer Garbe aus gleißenden Funken!

Dee schreckte hoch. Ihr Herz raste, kalter Schweiß stand auf ihrer Stirn. Einige Augenblicke blieb sie einfach so sitzen, damit beschäftigt, sich in dem fremden Zimmer zurechtzufinden. Bis sie sich erinnerte.

Sie hatte in der kleinen Pension von Mistress Kiriakidis eingecheckt. Weil sie die Leere in ihrer Wohnung nicht ertragen konnte, die in der City von New Haven durch die bodentiefen Fenster auf die Glaspaläste der Umgebung starrte. Einer Wohnung, die noch leerer war, seit sie sie allein bewohnte.

Langsam stand sie auf. Der Holzboden unter ihren nackten Füßen war rau. Sie ging zu der doppelflügeligen Tür, die auf einen winzigen Balkon führte. Sie öffnete die Türflügel, trat hinaus und hob den Blick zum Himmel. Der Wind, der vom Meer her blies, fing sich in ihren Haaren und brachte einen Hauch von Kühle.

Endlich fand sie den Punkt zwischen den Sternen, der die CFF Nyx markierte. Das erste Schiff einer neuen Serie, das die Jäger der Erde vom Himmel fegen würde.

Morgen. Morgen würde sie an Bord gehen, um dort ihren Dienst als Chefingenieurin und Zweiter Offizier anzutreten. Ein Anflug von Stolz erfüllte sie. Hunderte hatten sich für die Stelle beworben, doch sie war ausgewählt worden. Nicht ohne guten Grund, da sie an der Entwicklung der neuen Gelmatrix mitgearbeitet hatte.

War es nicht Ironie, dass Paul indirekt seinen Anteil daran trug? Paul, der Sternenpilot, der ihr vorgegaukelt hatte, eine Familie gründen zu wollen, um sie so von Bord der CFF Achilles nach New Haven in die Forschungslabore zu locken – nur damit er bei der Admiralität Karriere machen konnte. Ein Pilot, der Akten schleppte! Lachhaft. Und sie war darauf reingefallen, hatte alles für ihn und den Kleinmädchentraum von einer heilen Welt aufgegeben. Einen Traum, der nie wahr geworden war, mit diesem Mann nicht wahr werden konnte, da der der Falsche war.

Und doch stand sie nur seinetwegen jetzt an dem vielleicht bedeutendsten Punkt ihres Lebens. Verrückt.

Ihr Blick glitt vom Himmel auf die Bucht, wo die Wellen unablässig an den weißen Strand rauschten. Wegen dieser Aussicht war sie hier, in ihrer letzten Nacht auf Persephone. Das war die Aussicht, an die sie sich in der Enge des Schiffes erinnern wollte, die künftig ihre Heimat sein würde. Und nicht an die glitzernden Glaspaläste und die Leere der ehemals gemeinsamen Wohnung in der City.

Hier. Hier wollte sie hingehören. Dort war nie ihr Zuhause gewesen.

Und morgen, ab morgen würde die Nyx ihr Zuhause sein.

Ihr Blick fand wieder den hellen Punkt zwischen den Sternen. Eine Fähre. Die vor Persephone zerplatzte. Ihre Fähre?

Sie fröstelte, und es war nicht nur der Nachtwind. Nein, sie war keine Seherin. Nur eine minderklassifizierte Maschinenversteherin, gerade genug, um sich einen Ruf als besonders begabte Ingenieurin zu erwerben. Mehr nicht.

Nein, wäre sie imstande gewesen, die Zukunft vorauszusehen, dann hätte sie auch Pauls Betrug sehen können.

Ein Albtraum also.

Mit einem letzten Blick zurück auf das Meer ging sie wieder zu Bett. Und obwohl sie dachte, nicht einschlafen zu können, tat sie es doch.

1. Kapitel

Das Pad neben ihrem Bett weckte sie viel zu früh. Sie setzte sich auf und rieb sich die Augen.

Heute war der große Tag.

Vorfreude und ein Hauch von Nervosität erfasste sie. Wie lange war sie nicht mehr an Bord eines Schiffes gewesen? Sechs Jahre? Ganz automatisch ging sie die Rangabzeichen noch einmal durch, rief sich die Namen der Personen in Erinnerung, die mit ihr gemeinsam auf der Nyx dienen würden.

Captain Coulthard, Commander De Sutton, Doktor Tipton, Lieutenant Hawk, Lieutenant Watanabe, Junior Lieutenant Nayiga.

Und ihre Leute, die Crew im Maschinenraum: Chief Petty Officer Riley, Petty Officer Peres ...

Aufhören! Sie machte sich damit nur nervös.

Um sich zu beschäftigen, duschte sie, putzte sich die Zähne und ging zu ihrem Koffer. Die dunkelgraue Uniform nach all den Jahren wieder anzuziehen, jagte einen Schauer über ihren Rücken. Nun, da sie wieder Dienst auf einem Kriegsschiff haben würde, durfte sie sie wieder tragen. Mit Stolz. Sie war keine Angestellte im Forschungslabor mehr. Sie gehörte wieder dazu. Zu jenen Männern und Frauen, die tagtäglich im seit Jahrhunderten währenden Krieg gegen die Erdregierung ihr Leben für die Kolonien riskierten. Zu denen die Bürger der Kolonien zu Recht mit Stolz aufsahen.

Die Frau, die ihr aus dem Spiegel entgegenblickte, war ihr fremd. Sie studierte ihr Gesicht, die dunklen, glänzenden Haare, die es umrahmten, die blauen Augen, die wach und neugierig wirkten. Nicht wirklich hübsch, aber auch nicht unattraktiv. Zu wenig Brust; die Uniform betonte den Mangel noch. Paul konnte sich darüber nicht mehr beschweren.

Sie packte ihre Sachen zusammen, schloss den Hartschalenkoffer und trat ein letztes Mal auf den kleinen Balkon hinaus, berauschte sich noch einmal am Anblick des Blaus und der Weite.

Weshalb verkaufte sie die Wohnung in der City eigentlich nicht, um sich hier etwas zu suchen?

Wenn sie zurückkehrte, würde sie sich darum kümmern. Jetzt war die Zeit, einen neuen Anfang zu wagen.

Als sie die knarrende Holztreppe hinunterging, näherte sich das Geräusch klappernder Absätze. Dee unterdrückte ein Seufzen.

»Aah, Mistress MacNiall! Einen wunderbaren guten Morgen!« Im Morgenlicht, das durch die bunten Scheiben des Eingangsbereichs gefärbt wurde, kam ihr Mistress Kiriakidis entgegen. Graue Strähnen wanden sich durch die pechschwarzen Haare, die sich in einer Hochsteckfrisur auf ihrem Kopf türmten. Sie trug ein billiges geblümtes Kleid, das die Hälfte ihrer trotz des Alters immer noch schlanken Oberschenkel freiließ, und dazu viel zu hochhackige Pantoletten, die in Dee die Angst weckten, sie könne sich bei jedem Schritt den Knöchel brechen.

»Haben Sie gut geschlafen?« Sie lächelte und entblößte dabei eine Reihe ebenmäßiger Zähne, die eine Spur zu weiß waren.

»Ich möchte bezahlen.« Dee reichte ihr die Magnetkarte ihres Zimmers.

Die Magnetkarte wie eine Trophäe in die Höhe gehalten, klackerte Mistress Kiriakidis Richtung Theke.

»Es war wieder in den Nachrichten, dass ein Botschafter der Erdregierung hier ist. Hier. Auf Persephone! Ein Botschafter der Erde!« Mistress Kiriakidis schüttelte den Kopf. »Glauben die wirklich, wir könnten so einfach Frieden schließen? Nach ... wie lange dauert jetzt schon dieser unselige Krieg?«

Zweihundertelf Jahre. Eigentlich wollte Dee nur die Magnetkarte für das Zimmer abgeben und die Rechnung begleichen.

»Was denken die sich eigentlich? Nichts, möchte ich wetten. Erst schicken sie uns ihre Mutanten, um uns kleinzukriegen. Und dann schießen sie auf uns, weil wir diese Leute angeblich beschützen. Dabei wären wir selber froh, sie wieder loszuwerden. Wenn Sie mich fragen, ist dieses ganze Gerede vom Frieden doch auch nur wieder eine Masche, um uns reinzulegen. Damit wir uns in Sicherheit wiegen, während sie in Ruhe den nächsten Angriff planen.«

Mistress Kiriakidis hatte die Theke erreicht und begann Zahlen in den Geldkartenautomaten einzugeben. »So ist es doch, oder nicht?«

Wortlos reichte Dee ihr ihre Geldkarte.

»Was sagen Sie dazu?«, tönte Mistress Kiriakidis, während sie die Karte in den Schlitz des Automaten steckte. »Sie sind doch bei der Flotte. Sie müssen doch wissen, was die vorhaben.«

Fast hätte Dee gelacht. Das wünschte sie sich selber – zu wissen, was der Senat plante. Aber wer wusste das schon?

»Es geht um ein Waffenstillstandsabkommen. Und ich wette, dass die Erde als Preis die Auslieferung aller hoch eingestuften Mutanten verlangt.«

»Dann sollte der Senat zustimmen. Das würde viele Probleme beseitigen. Wenn Sie mich fragen.«

Dee dankte Gott im Stillen dafür, dass Mistress Kiriakidis nicht gefragt wurde. Auch wenn sie selber schon einige Male diesen Gedanken gehabt hatte. Sie war nur ein unbedeutender Klasse-fünf-Mutant. Ihre Auslieferung würde die Erdregierung bestimmt nicht verlangen. Hoffte sie. Mit Bestimmtheit aber die von etwa hundert Mutanten der Klasse eins und zwei.

Der Gedanke, auf sie zu verzichten, war verführerisch. Ohne sie wäre es sicherer in den Kolonien. Nur hieße das, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Und das gehörte sich nicht. Und es bedeutete auch, dass es niemanden mehr geben würde, der Schiffe mit der neuen Gelmatrix fliegen und warten konnte. Und das war fast noch wichtiger. Nur würden Menschen wie Mistress Kiriakidis das alles nie verstehen.

Dee seufzte. »So einfach ist das nicht. Was, wenn die Erdregierung sie tötet? Glauben Sie, die Untergrundbewegung ließe das so einfach zu?«

Das war das einzige Argument, das Mistress Kiriakidis vielleicht überzeugen konnte. Vor der Untergrundbewegung der Mutanten hatten alle Angst.

Mistress Kiriakidis zuckte mit den Schultern und zog die Karte wieder aus dem Schlitz. »Eben. Ausliefern. Alle miteinander. Soll die Erdregierung sich doch mit ihnen herumschlagen.« Mit einem Lächeln reichte sie Dee die Karte zurück. »Einen guten Flug wünsche ich Ihnen.«

Dankbar darüber, dem Wortschwall der Frau endlich entkommen zu können, steckte Dee die Karte ein und nahm ihren Koffer. »Auf Wiedersehen«, sagte sie im Gehen.

Doch Mistress Kiriakidis klapperte bereits wieder Richtung Speisezimmer.

So groß hatte sie den Raumhafen gar nicht in Erinnerung. Sie frühstückte in der Kantine, zwischen all den fremden Männern und Frauen in Uniform, mit Blick auf das Startfeld mit den Raumfähren. Folgte mit ihrem Blick den silbernen Gebilden, die im Blau des Himmels verschwanden.

Mit einem Frösteln erinnerte sie sich an den Traum der letzten Nacht. Sie nahm einen Schluck Kaffee, ließ den Becher stehen und griff nach dem Koffer, um sich auf den Weg zu machen, bevor aus dem mulmigen Gefühl mehr werden konnte.

Noch eine Viertelstunde. Sie hatte gedacht, dass es kein Problem sein konnte, die Fähre in dieser Zeit zu finden. Doch die Zahlen der vielen Gates brachten sie durcheinander, sodass sie am Ende doch in Eile geriet. Völlig außer Atem kam sie zwei Minuten zu spät am Gateway an.

Ein junger Mann erwartete sie. Groß, breitschultrig, braun gebrannt und gut aussehend, das Klischee eines Piloten. Er lächelte sie breit an, während er pflichtschuldig, wenn auch ein wenig nachlässig salutierte. »Lieutenant Hawk, zu Ihren Diensten, Ma’m!«

Ma’m. Dee schauderte bei der Anrede. »Verzeihen Sie die Verspätung. Ich habe mich verlaufen.«

Er lachte und griff nach ihrem Koffer. »Das passiert allen hier, Ma’m.« Aus der Nähe wirkte er indianischer, als das Bild in seiner Akte es hatte vermuten lassen. »Folgen Sie mir.« Ganz selbstverständlich, als wäre er hier zu Hause, ging er voraus.

Dees Blick irrte durch die Fenster des Gateways auf die Fähre. Ihre Hände wurden feucht.

Nur ein Albtraum. Es war nur ein Albtraum. Mehr nicht.

»Hier entlang. Alles in Ordnung, Ma’m?«

Sie zuckte zusammen. »Ja, ja.« Einen Herzschlag lang starrte sie ihn verwirrt an, ehe sie ihm endlich ins Innere der Fähre folgte und sich auf den Sitz setzte, den er ihr zuwies.

Elegant ließ Hawk sich danach vor ihr in den Pilotensessel gleiten. Seine Finger betätigten verschiedene Schalter und die Luke schloss sich mit einem Zischen. Dann konnte Dee das statische Rauschen hören, das aus dem Komm drang. Ihre Finger verknoteten sich.

»Schließen Sie den Gurt, Ma’m«, sagte er, bevor er eine Anfrage aus dem Komm beantwortete.

Sie gehorchte, ertappte sich dabei, dass ihre Hände zitterten, und verschränkte sie wieder ineinander. Sie waren eiskalt.

Raus hier! Raus, solange noch Zeit war!

Wie in Watte gepackt, lauschte sie dem Gespräch zwischen dem Lieutenant und der Flugüberwachung. Es war, als würde sie einem Dialog in einer fremden Sprache folgen, so wenig verstand sie. Die Worte ergaben einfach keinen Sinn, bis Hawk sagte: »Bestätige: Starterlaubnis erteilt.« An Dee gewandt setzte er hinzu: »Wir starten, Ma’m!«

Ihr war, als habe Hawk damit ihr Todesurteil gesprochen. Aber bevor sie etwas erwidern konnte, zeigte ihr das leichte Heben ihres Magens, dass die Fähre bereits abgehoben hatte.

Das Blau des Himmels wich der Schwärze des Alls. Langsam, kaum merklich, bis es nicht mehr zu leugnen war. Hinter ihnen fiel der blaue Ball Persephone zurück.

Dee fühlte, wie Hawk die Fähre in eine Umlaufbahn schwenkte. Jetzt. Jetzt, war es passiert. Unwillkürlich schloss sie die Augen.

»Da ist sie!« Der Stolz, der aus Hawks Stimme sprach, brachte Dee dazu, die Lider zu öffnen. Die silberne Silhouette eines Raumschiffs hob sich vor dem Samtschwarz des Weltalls ab. Unwillkürlich entwich Dee ein leises Seufzen, während sie sich vorbeugte, um besser sehen zu können. Ihre Finger umklammerten die Lehne von Hawks Sessel.

Zu nah, rief eine Stimme in ihrem Kopf. Aber sie ignorierte sie. Vergaß alles. Sogar die Angst, die sie eben noch im Griff gehalten hatte.

Ihr Blick folgte den eleganten Linien. Verliebte sich in Details, fand endlich die Anordnung der Triebwerke. Suchte die Zeichnungen auf ihrem Schreibtisch mit dem vollendeten Werk in Übereinstimmung zu bringen. Und scheiterte. Versagte kläglich angesichts dieses Wunderwerks aus Menschenhand.

»Kleiner Rundflug?«, fragte Hawk mit einem Grinsen auf dem Gesicht.

Sie wollte »Nein« sagen, doch Hawk hatte seinen Vorschlag bereits in die Tat umgesetzt. Eigentlich war das einen Tadel wert. Aber immer neue Ansichten der Nyx versetzten Dee in Staunen, ließen ihr keine Zeit für eine Rüge.

Da! Hätten die Gurte sie nicht gehalten, wäre sie von ihrem Sitz aufgesprungen. Oh ja, so sollte es sein! Die nahe Anordnung der Konvektions- und der Sprungtriebwerke zueinander musste die Energieausbeute und damit die Wendigkeit und Schnelligkeit des Schiffes immens erhöhen. Zusammen mit der neuen Gelmatrix würde sich kein herkömmliches Schiff mit diesem messen können.

Das musste den Wendepunkt in diesem leidigen Krieg markieren. Zugunsten der Kolonien. Die Erdregierung konnte nicht mehr behaupten, sie wüsste von nichts, wenn koloniale Schiffe einfach verschwanden. Dann würden sie es der Erdflotte heimzahlen. Schiff für Schiff. Was kümmerten da noch Waffenstillstandsabkommen?

Jetzt verstand sie Hawks Stolz. Er gehörte dazu, zur handverlesenen Crew dieses außergewöhnlichen Schiffes auf seiner Jungfernfahrt.

Auch Hawk war nicht durch Zufall hier. Sie erinnerte sich daran, dass er die Bellerophon geflogen hatte, das Schiff mit der Testmatrix, nachdem dieser andere Pilot – wie hieß er doch gleich? – einen Teil der Forschungsdaten für den Widerstand gestohlen hatte. Demnach musste Hawk ein Mutant sein. Denn nur Mutanten konnten eine Gelmatrix fliegen.

»Schönes Schiff, nicht wahr?«, fragte Hawk, ohne sich umzudrehen.

Ob er wusste, dass sie an der Entwicklung der Gelmatrix mitgearbeitet hatte? »Ja, das ist sie.« Sie versteckte den Stolz in ihrer Stimme nicht.

Als sei es das Signal für ihn gewesen, den Rundflug zu beenden, steuerte Hawk eine dunkle Öffnung an, hinter der ein Hangar liegen musste. In einem Bogen flog er durch die offenen Luken und setzte sacht auf dem Stahlboden auf. Die Hangartore schlossen sich hinter ihnen wie das Maul eines großen Fisches.

In Sicherheit. Es war nichts passiert.

Dee begriff es erst, als ihr Blick auf eine Anzeige der Konsole fiel. Sie zeigte an, dass Atemluft in den Hangar gepumpt wurde, der sich den Blicken durch die Frontscheibe als hoher, kahler Raum darbot. Ihnen direkt gegenüber durchbrach ein Schott das Grau der Wände. Hinter einer Glasscheibe befand sich die Beobachtungskabine für den Hangar, in der in sterilem Licht die Silhouette einer Frau auszumachen war.

Als die Konsolenanzeige für die Atemluft das Skalenende erreichte, öffnete die Frau das Schott der Beobachtungskabine und kam auf sie zu. Sie trug die dunkelgraue Uniform der Flotte mit Selbstbewusstsein, als wäre sie damit auf die Welt gekommen. Breitbeinig blieb sie vor der Fähre stehen.

Hawk stand auf und öffnete die Luke. »Nach Ihnen, Ma’m.« Mit einem Grinsen ließ er Dee den Vortritt.

»Ich danke Ihnen für den Flug.« Nach einem Nicken in Hawks Richtung kletterte Dee nach draußen.

Ozongeruch stach ihr in die Nase. Hoch aufgerichtet schritt sie auf die Frau mit den Rangabzeichen eines Captains zu, die im Hangar wartete. Vor ihr salutierte Dee so zackig, wie sie es nach den Jahren in den Forschungslabors noch zuwege brachte. »Chefingenieurin Lieutenant Commander Deirdre MacNiall meldet sich zum Dienst, Ma’m.« Die so lange nicht mehr benutzten Worte hörten sich aus ihrem Mund fremd an.

Das dunkle, kinnlange Haar der Frau vor Dee wurde von ersten grauen Strähnen durchzogen. Sie bot ihr eine sehnige Hand. Das Lächeln auf dem energischen Gesicht wirkte fehl am Platz, dem Blick der eisblauen Augen schien nichts zu entgehen. »Captain Penelope Coulthard. Ich freue mich, Sie als meinen Zweiten Offizier an Bord zu begrüßen.«

Wieder erinnerte sich Dee an ihren Traum.

Wenn es nicht ihre Fähre gewesen war, die sie gesehen hatte, wessen Fähre war es dann?

2. Kapitel

Auf den Plänen hatte alles viel größer gewirkt. Die Kommandozentrale war winzig. Alle Räume in der Nyx waren winzig, als hätte man versucht, alles zu verdichten, um so viel Platz wie möglich zu sparen. Und alles war grau, als hätte man auch bei der Farbauswahl Sparsamkeit walten lassen. Wenigstens war das allgegenwärtige Grau der Schiffswände deutlich heller als das der Uniformen, sonst wäre die Mannschaft Gefahr gelaufen, zu Schatten zu verblassen.

Captain Coulthard öffnete ein weiteres Schott. »Der Maschinenraum!«

Zögernd trat Dee hindurch. Ein wenig fürchtete sie, auch der Maschinenraum könne ähnlich vollgestopft wie der Rest des Schiffes sein.

Es war noch schlimmer, als sie erwartet hatte. Gleich hinter dem Zugang befanden sich auf der rechten Seite zwei Terminals für die Diagnose. Direkt dahinter lagen die Hyperspulen und der Konverter, der ein sonores Brummen verströmte. Auf der linken Seite fand sie zwei Konsolen für die Überwachung der Lebenserhaltungssysteme. Hier schloss sich unmittelbar die Wasseraufbereitungsanlage an, die von der Atemluftaufbereitung durchbrochen wurde.

Na, herzlichen Dank! Da hatte sich ja jemand außerordentliche Mühe gegeben, ihr die Arbeit zu erschweren. Wie sollte man denn hier etwas reparieren oder warten?

»Darf ich vorstellen?«, sagte Coulthard und wies auf einen Mann und eine Frau in der dunkelgrauen Uniform der Flotte. »CPO Riley und PO Peres. Die zehn Crewmen, die Ihnen ebenfalls unterstehen, werden Ihnen Ihre beiden Unteroffiziere bekannt machen.«

Coulthard deutete bei ihren Worten zuerst auf den Mann, dann auf die Frau und anschließend auf Dee. »Ihre neue Chefin. Lieutenant Commander Deirdre MacNiall.«

»Freut mich, Sie kennenzulernen, Ma’m.« Der blonde, gut aussehende Riley trat vor und salutierte forsch. Seine Ähnlichkeit mit Paul war fast ein wenig unheimlich.

»Freut mich ebenso, CPO Riley.« Dee nickte knapp. Insgeheim wurde ihr allein bei der Aussicht mulmig, nun täglich mit diesem Mann zusammenarbeiten zu müssen.

»Sie haben an der Entwicklung der Gelmatrix mitgearbeitet?«, fragte Riley mit glänzenden Augen.

»Das ist richtig.« Die Verehrung, die Dee in Rileys Augen zu erkennen glaubte, behagte ihr nicht. »PO Peres?«

Peres grüßte mit Verspätung. »Chief.« Auch auf ihrem flächigen Gesicht glaubte Dee, Ehrfurcht zu erkennen. Peres’ graue Haare waren kurz geschoren, kürzer als Rileys, dem eine blonde Strähne ins Gesicht hing. Trotzdem trug Peres ein rotes Stirnband. Sie war klein, aber reichlich kompakt, und Dee stellte sich lieber nicht vor, wie sie durch einen Wartungsschacht robbte.

»Angenehm«, sagte Dee.

Um den Blicken von Peres und Riley auszuweichen, trat sie an die Hyperspulen heran und versuchte, dem Verlauf der Plasmaleitung zu folgen.

Als hätte Peres Dees Gedanken erraten, zeigte sie nach oben. »Das Sanktum ist da oben, Chief. Aber das wissen Sie sicherlich.«

Eine Galerie zog sich auf der nächsten Deckebene um den Maschinenraum. Gegenüber dem Eingang auf der unteren Ebene war oben ein Schott zu erkennen.

Langsam fand sich Dee zurecht und schaffte es, die Pläne aus ihrem Kopf mit der Realität in Einklang zu bringen. Da war es also, das Herz des Schiffes. Dee glaubte fast, es fühlen zu können. Ein riesiges Pulsieren, das versuchte, ihr seinen Rhythmus aufzudrängen.

»Können wir es uns ansehen?«

Coulthard zeigte auf Riley. »Riley!«

Riley schenkte Dee ein freundliches Lächeln. »Wenn Sie mir folgen wollen, Ma’m?«

Plötzlich hatte Dee die Vision einer Hand, die ihren Hintern tätschelte. Paul hatte das getan. Nicht nur bei ihr, sondern bei jeder Frau, die in sein Beuteschema fiel.

Aber Paul war weit weg. Er schleppte jetzt Akten für die Admiralität und konnte tun und lassen, was er wollte.

Riley hatte schon die schmale Stahltreppe erreicht, die sich über den Hyperspulen zur Galerie zog. Bevor er die erste Stufe nahm, drehte er sich um und wartete, bis sie zu ihm aufschloss. »Nach Ihnen, Ma’m.«

Die Vision der Hand auf ihrem Hintern wurde übermächtig. Aber sie schaffte es, sich nichts von ihrer Aversion anmerken zu lassen, obwohl Riley ihr viel zu dicht folgte.

Als sie die Galerie erreichten, überholte er sie und streifte dabei mit seiner Hand ihren Oberschenkel. Dee zuckte zusammen.

Als sei nichts geschehen, blieb Riley neben dem oberen Schott stehen und betätigte den Öffnungsmechanismus. »Das Allerheiligste«, sagte er und trat hinein.

Dees Nackenhaare sträubten sich. Ob wegen des blauen Leuchtens, das durch das Schott drang, oder Rileys Berührung, wusste sie nicht. Sie brauchte einen Augenblick, bevor sie es über sich brachte, ihm zu folgen.

Riley stand in der Mitte des kleinen Raums. In der Mitte der Wand gegenüber lag der Zugang zu einem Wartungsschacht, links und rechts transparente Plastscheiben.

Dee gruselte es bei dem Gedanken, diesen Schacht jemals betreten zu müssen. Das Schild, das darauf prangte, war wohl nicht ohne Grund angebracht: »Bryson-Strahlung! Todesgefahr! Max. eine Stunde mit Strahlungsschutzanzug.«

Die Strahlung war das blaue Leuchten, das durch die Scheibe zur Rechten drang. Blau und gefährlich. Wie gebannt trat Dee näher, um das obere Ende des Fusionsreaktors zu betrachten, der sich an dieser Stelle durch den Kern des Schiffes bohrte.

Riley trat hinter sie. »Ist es nicht immer wieder berauschend, wie schön der Tod sein kann?« Seine Stimme klang ehrfürchtig.

Dee konnte seinen Atem in ihrem Nacken spüren. Zu nah. Viel zu nah.

Wortlos trat sie an die andere Scheibe. Ein riesiger Tank befand sich dahinter, der von dem blauen Leuchten gespeist wurde und in einem überirdischen Licht schimmerte. Er war das Interface, mit dessen Hilfe der Pilot die Strings manipulierte, an denen das Schiff entlangglitt. Der Anblick war atemberaubend. »Ist sie das?«

»Die erste Gelmatrix in einem Serienschiff. Ja, Ma’m. Ehrlich gesagt: Ich weiß nicht, ob ich den Piloten, der dieses Geschoss beherrschen will, beneiden oder bemitleiden soll.«

Mit einem Mal stand Riley wieder so nah, dass Dee glaubte, seine Körperwärme fühlen zu können. Mit einem Ruck drehte sie sich zu Riley um.

»Sie sollten hoffen, dass er es beherrschen kann. Sonst enden wir als Hackfleisch im All. Und ich rate Ihnen, künftig Abstand zu mir zu halten. Zwei Schritte. Verstanden?«

Als habe sie ihn geschlagen, wich Riley zurück. »Es tut mir leid, wenn ich Ihnen zu nahe getreten bin, Ma’m. Nehmen Sie meine Entschuldigung an?«

Kein guter Einstieg! »Akzeptiert«, hörte sie sich sagen. »Dieses eine Mal.«

»Ich verspreche, dass es nicht wieder vorkommen wird.« Riley salutierte.

»Das hoffe ich für Sie.« Ohne einen Gruß ließ Dee ihn stehen.

»... und hier ist Ihre Kabine«, beendete Captain Coulthard den Schiffsrundgang. Mit einer Berührung des Bedienpanels öffnete sie das Schott und gab den Blick auf eine Kabine frei, für die die Bezeichnung Verschlag passender gewesen wäre.

Dees Blick sah ihren Koffer, den jemand dort deponiert hatte, und das Stockbett, auf dem eine Frau saß. Gute Güte, sie musste die Kabine doch nicht etwa teilen?

»Darf ich Ihnen Junior Lieutenant Nayiga vorstellen?« Coulthard deutete auf die dunkelhäutige Schönheit auf dem Bett.

Elegant schob Nayiga ihre langen, schlanken Beine über den oberen Bettrand und ließ sich zu Boden gleiten. Schlanke Taille, beeindruckende Brust.

»Und das ist Lieutenant Commander MacNiall«, setzte Coulthard die Vorstellungsrunde fort.

»Ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Nayigas Stimme war ein samtiger Alt. Mit einem Lächeln bot sie Dee die Hand. »Ich habe Ihnen aufgrund Ihres Ranges und Ihres Alters selbstverständlich das untere Bett überlassen.« Eine Reihe ebenmäßiger weißer Zähne wurde sichtbar, als sie lächelte. Die schwarzen Haare waren im Nacken zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden.

Dee schüttelte die angebotene Hand. Sie war nicht alt!

»Entschuldigen Sie mich.« Coulthard deutete ein Nicken an, bevor sie sich entfernte. »Einsatzbesprechung ist um sechzehn fünfzehn.«

Nayiga lächelte noch etwas breiter. »Ich lasse Sie am besten allein, damit Sie sich in Ruhe umziehen und frisch machen können.«

Sie musste sich nicht frisch machen! Aber Hauptsache, die Andere verschwand endlich. Trotzdem sagte sie: »Danke.«

Immer noch lächelnd überließ Nayiga ihr die Kabine. Das Schott schloss sich hinter ihr. Dee war allein. Endlich. Mit einem Seufzen ließ sie sich auf das untere Bett sinken.

Wunderbar! Nayiga war genau die Art von Frau, auf die Paul flog. Große Brüste, wohl gerundete Körperformen, lange Haare und einen guten Kopf kleiner als Dee. Sexy. Nicht so langweilig und knabenhaft wie sie.

»Vergiss ihn«, rief sie sich einmal mehr Siobhans Worte in Erinnerung. Ihre Schwägerin und beste Freundin hatte recht. Es gab wichtigere Dinge, auf die sich jetzt konzentrieren musste.

Sie war auf diesem Schiff. Weil sie die meiste Erfahrung mit der neuen Gelmatrix mit sich brachte. Weil sie bei ihrer Erforschung und Entwicklung mitgearbeitet hatte.

Weil sie etwas Besonderes war.

So besonders wie dieser Pilot, der dazu in der Lage war, dieses Geschoss zu fliegen.

Mutanten eben.

Sie konnten von Glück reden, dass der Senat die Angst vor den Mutanten nicht wie die Erdregierung schürte. Dabei lagen die Mutantenkriege auf der Erde bereits Jahrhunderte zurück – und auch in den Kolonien gab es einen guten Grund, die Mutanten zu fürchten. Dafür sorgten die terroristischen Aktivitäten der Untergrundbewegung. Da konnte selbst sie als Klasse-fünf-Mutantin froh sein, dass der Senat Mutanten nicht internierte und auslöschte – wie die Erdregierung das einst getan hatte.

Oder gab sich der Senat nur deshalb so liberal, weil die Koloniale Flotte neuerdings auf Gelmatrizen setzte, statt auf die herkömmlichen bioneuronalen Sprunginterfaces der Erdflottenschiffe, die jeder ausgebildete Nichtmutant bedienen und warten konnte? Die Gelmatrix konnte nur durch Mutanten manipuliert und gewartet werden.

Nun gut. Wenn der Senat die Mutanten nur deshalb brauchte, um den Krieg zu gewinnen – umso besser! Dann würde sie ihnen zeigen, dass sie recht daran taten. Bevor vielleicht doch irgendjemand auf den Gedanken kam, die Mutanten einem Friedensabkommen mit der Erdregierung zu opfern.

»Unsere Mission hat sich geändert.« Coulthard blickte sich im Konferenzraum um, als wolle sie sich vergewissern, dass ihr alle Anwesenden zuhörten. Sie hätte die Einsatzbesprechung nicht effektiver beginnen können.

»Aber ...«, wandte der Erste Offizier De Sutton, der rechts neben Coulthard saß, mit gerunzelter Stirn ein.

Kurz hatte Dee die Vision des Juraprofessors der Akademie, der mit blasierter Miene eine Litanei von möglichen Bedenken gegen eine abweichende Auslegung der Flottenstatuten deklamierte. Genau wie bei diesem Juraprofessor, prägte De Suttons Gesicht ein sauber getrimmter Vollbart. Nur war De Suttons Bart dunkelbraun, nicht grau überhaucht wie der des Professors damals.

Auf Coulthards missbilligenden Blick glättete sich De Suttons Stirn, sein Gesichtsausdruck wurde hochnäsig. »Ma’m, mit Verlaub. Ich muss Sie daran erinnern, dass unser Schiff bisher nicht erprobt wurde und zudem mit einer unerfahrenen Crew bestückt ist. Es wäre ausgesprochen waghalsig ...«

»Ich bin über diese Fakten sehr wohl im Bilde«, erwiderte Coulthard. »Nichtsdestotrotz werden wir mit sofortiger Wirkung von der Admiralität einberufen, um einen Kurierdienst von höchster Priorität zu übernehmen.«

De Sutton runzelte nun doch wieder die Stirn. »Gemäß Paragraf acht der Einsatzstatuten darf ein Prototyp nicht für Kurierdienste der obersten Priorität eingesetzt werden. Es wäre natürlich zu diskutieren, ob das erste Schiff einer geplanten Serie als Prototyp zu werten ist. Nichtsdestotrotz müsste zuerst überprüft werden, ob alle Crewmitglieder die entsprechende Freigabe besitzen.«

»Zur Kenntnis genommen, De Sutton. Dann erledigen Sie das. – Watanabe!« Ohne weitere Umschweife wandte Coulthard sich dem Leiter der Einsatztruppen neben Dee zu.

»Sir?« Der große Japaner hatte bisher keine Miene verzogen. Dee war sicher, seinen Namen im Zusammenhang mit einer Tapferkeitsmedaille gehört zu haben. Sie wunderte sich, dass Watanabe trotz seines Alters immer noch Lieutenant war. Entweder war er geschickt darin, seinen Vorgesetzten auf die Füße zu treten oder er war zwischenzeitlich für längere Zeit beurlaubt gewesen.

De Suttons Mund war leicht geöffnet, als wolle er noch etwas sagen. Aber außer Dee schien das niemand zu bemerken. Als Coulthard sich an Watanabe wandte, klappte er langsam den Mund wieder zu.

»Rüsten Sie das Quartier von De Sutton mit den entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen für den Aufenthalt eines Gastes der höchsten Sicherheitsstufe aus. De Sutton wird sich für die Dauer unseres Auftrags das Quartier mit Hawk teilen. Das Einverständnis der beiden Herren vorausgesetzt.« Coulthard hob fragend die Augenbrauen.

»Aye, Ma’m«, antwortete Hawk sofort.

»Ma’m, ich muss Sie nicht daran erinnern, dass nach Paragraf hundertfünfundzwanzig höherrangige Offiziere ein Recht auf Privatsphäre haben!« Mit hoch erhobenem Kinn sah De Sutton Coulthard an.

»Doktor Tipton, wären Sie dazu bereit, das Quartier mit Lieutenant Hawk zu teilen?« Mit erhobener Augenbraue sah Coulthard den Doktor an, der bisher schweigend zugehört hatte.

Tiptons Miene wurde noch eine Spur griesgrämiger. Graue Bartstoppeln zierten sein hageres Gesicht. »Es tut mir leid, Captain. Aber ohne ein Quartier direkt benachbart zur Krankenstation kann ich keine einwandfreie, medizinische Versorgung garantieren.«

»Nun denn! De Sutton, da Lieutenant Hawk als höherrangiger Offizier ein Recht auf Privatsphäre hat, verbietet sich selbstverständlich der Vorschlag, ihn bei den niederen Dienstgraden unterzubringen. Aber ich bin sicher, dass Sie eine Möglichkeit finden werden, auch Ihre Privatsphäre zu wahren.« Coulthard lächelte De Sutton unverbindlich an. »Zu den Daten.«

»Ma’m!«, unterbrach De Sutton den Captain. »Ich muss pro ...«

»Commander De Sutton, ich bin sicher, dass Sie eine für alle Beteiligten akzeptable Lösung finden werden. Ich verlasse mich darauf – und nun zu den Fakten.«

Coulthard ließ den Blick über die versammelten Offiziere schweifen. Die eisblauen Augen musterten zuerst De Sutton, Doktor Tipton und Hawk zu ihrer Rechten und dann Nayiga, Watanabe und Dee zu ihrer Linken.

Dee straffte sich. Sie kam sich mit einem Mal wie ein Schulmädchen vor. Den anderen Anwesenden schien es nicht anders zu gehen. Selbst De Sutton wagte keine Widerworte mehr.

Coulthard drückte einen Knopf am Besprechungstisch und auf dem Bildschirm an der gegenüberliegenden Wand wurde das Bild eines Mannes sichtbar. Dee erkannte ihn sofort. Es handelte sich um Clark Duras, den Botschafter der Erdregierung, der zurzeit auf Persephone weilte.

Botschafter war eigentlich das falsche Wort. Sowohl der Botschafter der Erdregierung, als auch der der Kolonien konnte eigenständige Entscheidungen treffen, ohne sich zuvor mit der Regierung abstimmen zu müssen. Der Botschafter der Erde war nur seinem Präsidenten verpflichtet, und der Botschafter der Kolonien dem Senat. Aber Dee wusste nicht, ob der Botschafter der Erde ebenso innerhalb einer Flottenhierarchie stand wie der Botschafter der Kolonien.

»Ich bin sicher, dass jeder hier im Raum diesen Mann kennt. Unser Auftrag lautet, Clark Duras zur waffenfreien Zone zu bringen, um ihn dort in die Obhut eines Schiffes der Erdregierung zu übergeben. Unsere Botschafterin Fay Hagen wird uns auf dieser diplomatischen Mission begleiten. Ich habe für sie bereits mein Quartier geräumt und Commander MacNialls Kabine bezogen, die freundlicherweise dazu bereit war, ein Quartier mit Junior Lieutenant Nayiga zu teilen.«

Nayiga warf Dee einen vielsagenden Blick zu.

Aha. So wurden hier an Bord also Entscheidungen gefällt. Captain Coulthard beschloss etwas und alle nickten. Und De Sutton hatte die Arschkarte gezogen. »Es war mir ein Vergnügen, Ma’m.« Dee bemerkte, wie De Sutton sie bei diesen Worten musterte.

Natürlich musste der sofort nachlegen. »Ma’m, unter diesen Voraussetzungen werde ich Ihrem Ansinnen selbstverständlich entsprechen. Darf ich dennoch darauf hinweisen, dass es angebracht wäre, dass wir unseren Status als Quasiprototyp gegenüber Herrn Duras als Vertreter der Erdregierung verschweigen.«

Coulthards Miene wurde frostig. »Commander De Sutton, Sie dürfen annehmen, dass die Admiralität Ihre Einwände bedacht und den Befehl in Kenntnis aller zu erwägenden Details getroffen hat. Setzen Sie sich bitte mit dem Problem der Unterbringung auseinander. Der Leibwächter des Botschafters wird ebenfalls eine Unterkunft benötigen. – Watanabe! Sorgen Sie für die erforderlichen Sicherheitsprotokolle und unterbreiten Sie mir bis zwanzighundert Ihre Vorschläge. Hawk, MacNiall, der Botschafter erwartet morgen um null achthundert auf dem Gelände der Admiralität seine Abholung. Prüfen Sie die Fähre und machen Sie sich mit den Sicherheitsstandards vertraut, die Ihnen Watanabe übermitteln wird. Nayiga, ich erwarte Vorschläge, um den Botschafter adäquat zu unterhalten. Und Doktor Tipton ...«

»... überprüfen Sie die medizinische Datenbank nach entsprechenden Einträgen«, brummte Tipton. Sein ohnehin faltiges Gesicht wirkte noch zerknautschter als zu Beginn der Einsatzbesprechung.

»Sie sagen es.« Coulthard lächelte. »Ich empfehle mich.« Bei diesen Worten erlosch das Bild des Botschafters und Coulthard verließ den Raum.

Dees Blick blieb an dem antiken Breitschwert hängen, das an der Wand des Besprechungsraums hinter Coulthards Sitz hing. Es war der einzige persönliche Gegenstand im Raum. Warum nur musste sie bei seinem Anblick an das berühmte Damoklesschwert denken?

Nayigas leises Atmen im Bett über ihr störte Dee beim Einschlafen.

Die Fähre war überprüft. Es gab nichts, worüber sie sich Sorgen machen musste.

Außer diesem Traum, der nichts zu sagen hatte. Wenn morgen etwas schieflief, dann war es Hawks Schuld und nicht die ihre. Und Hawk wirkte nicht so, als würden ihm Fehler unterlaufen. So selbstsicher waren alle Piloten. Warum sollte er eine Ausnahme sein?

Sie sollten also den Botschafter der Erdregierung befördern. Die CFF Nyx! Ein Quasiprototyp mit einer Crew, die noch nie zusammengearbeitet hatte. Was dachte sich die Admiralität dabei? Das war doch Irrsinn! War Coulthard so karrieregeil, dass sie sich um den Job geprügelt hatte?

Coulthard, Coulthard ... Woher kannte sie den Namen?

In Dees Hirn regte sich nichts. Bis auf die Gewissheit, den Namen schon gehört zu haben.

Oder gab es einen guten Grund, ausgerechnet die Nyx mit diesem Auftrag zu betrauen? Dee rieb sich die Stirn. Abschreckung. Würde die Erdregierung davon ausgehen, dass der Botschafter auf einem Prototyp befördert wurde? Niemals. Gesetzt den Fall, die Erdregierung käme zu dem Schluss, die Koloniale Flotte hätte eine ganze Flotte dieser Schiffe, könnte das dazu führen, einen geplanten Angriff zu verzögern?

Ja, das wäre denkbar. Aber nur, wenn sie es schafften, dem Botschafter eine reibungslos funktionierende Crew und ein ebenso reibungslos funktionierendes Schiff zu präsentieren. Aber Coulthard schaffte das – falls De Sutton den Mund hielt.

Dee wurde kalt. War das etwa die Coulthard? Die Frau, die die CFF Argos in der Schlacht um Hekate befehligt hatte? Ein Mitglied der Schattenabteilung des Geheimdienstes, hieß es damals. Niemand hatte das Gerücht bestätigt. Aber nur ein Mitglied der Schattenabteilung hätte die entsprechenden Informationen und Befehlsgewalt innegehabt, um Coulthards eigenmächtige Entscheidungen in der Schlacht um Hekate zu rechtfertigen. Und wie sonst wäre zu erklären gewesen, dass Admiral Nikolajewa Coulthards Entscheidungen nachträglich in aller Öffentlichkeit gutgeheißen hatte?

Das erklärte einiges. Wo war sie da nur hineingeraten? Und das alles nur, um Paul zu vergessen! Er würde sich totlachen, wenn er davon erführe.

Dee schlang die Arme um den Oberkörper und drehte sich auf die andere Seite, den Blick der Wand zugekehrt.

Paul war fort. Sie war allein. Endgültig.

Nein, sie vermisste Paul nicht.

Sie vermisste nur jemanden an ihrer Seite.

Siobhans Gesicht erstand in ihrer Erinnerung. Dee sah sie lächeln. Fast glaubte sie, ihre Stimme zu hören. »Warte einfach ein Weilchen. Auch du wirst einen Mann finden, der dich liebt. So wie Seanan mich liebt.«

Siobhans Gesicht verblasste, machte Dunkelheit Platz.

Aus der Schwärze schälten sich die Konturen der Kommandozentrale. Dee fand sich an ihrer Konsole wieder. Ihr Blick war auf die Kontrollen der Fähre gerichtet, in der sich Hawk und ein Passagier befanden. Es war nicht der Botschafter. Aber der Name wollte ihr nicht einfallen.

Was machte Hawk da? Der Kurs der Fähre wich vom vorgegebenen ab.

»Ma’m, die Fähre weicht vom Kurs ab.«

»Auf den Schirm.« Das war Coulthard.

Dee gehorchte. Im nächsten Augenblick sah sie das zweite Flugobjekt, das sich der Fähre näherte. »Kollisionsalarm.«

»Ausweichkurs«, blaffte Coulthard.

Dees Finger drückte den Kommunikationsknopf. »Hawk, ausweichen! Ausweichkurs! Sofort!«

Aus dem Komm drang statisches Rauschen.

Zu spät.

Auf dem Bildschirm erblühte eine Feuerblume, als die beiden Flugkörper miteinander kollidierten.

Während Dee noch entsetzt auf den Monitor starrte, wurde er schwarz. Bis langsam ein blaues Leuchten die Dunkelheit ersetzte.

Dee sah sich um. Sie kniete in einem engen Raum, in dem sie sich kaum rühren konnte. Die Gestalt eines Mannes versperrte ihr den Weg.

Nach kurzem Zögern kroch sie weiter. Nach einem halben Meter hielt sie inne und spähte, entdeckte blonde, kurze Haare und die Uniform der Flotte.

Paul! Dee wurde übel.

In diesem Augenblick bewegte sich der Mann und wandte sich ächzend zu ihr. Das war nicht Paul. Paul war stets makellos rasiert. Goldblonde Bartstoppeln zierten die aschfahlen Wangen des Fremden. Sein Atem ging flach und angestrengt. Das kantige Gesicht war hohlwangig und schweißig und trotzdem schön. So unpassend die Bezeichnung auch schien, eine andere fiel ihr nicht ein.

Er blinzelte. Die dunklen Augen richteten sich auf sie. Dann flatterten seine Lider und mit einem leisen Stöhnen schloss er sie.

Dee riss die Augen auf und begriff erst in diesem Augenblick, dass sie sie gemeinsam mit ihrem Gegenüber geschlossen hatte.

Sie stand wieder auf der Brücke. Auf dem Hauptbildschirm sah sie einen Fächer von Geschossen auf die Nyx zuschießen. Wie versteinert starrte sie auf den Monitor, hörte die Entsetzensschreie der anderen Crewmitglieder, fühlte, wie die Nyx sich aufbäumte und mit einem ohrenbetäubenden Donnern zerbarst.

Dee erstickte ein Wimmern und schreckte hoch. Schweiß stand auf ihrer Stirn.

Über ihr regte sich ein Körper. Eine schlaftrunkene Stimme meldete sich. »Commander? Stimmt etwas nicht?«

»Alles in Ordnung«, erwiderte Dee mechanisch.

Aber nichts war in Ordnung. Rein gar nichts.

3. Kapitel

»Was machen Sie hier, Ma’m?« Das war Hawk. Ertappt zuckte Dee zusammen und stieß sich prompt den Kopf an der Konsole, unter der sie lag.

»Letzte Kontrollen«, erwiderte sie. Gab es eine noch lahmere Ausrede? Wenn die Fähre nun in die Luft flog, würde jeder denken, sie habe sie manipuliert.

Hawks dunkler Kopf beugte sich zu Dee hinunter. »Aber wir haben doch gestern gemeinsam die Fähre von vorne bis hinten durchgecheckt. Was überprüfen Sie denn noch?«

»Ein Ungleichgewicht im ... im ...« Dee kam ins Schwitzen. Mit zitternden Händen stopfte sie die Kabel zurück in den Bauch der Konsole. Eines verhedderte sich und wäre in Dees Händen fast gerissen. »Mist!«

Hawk räusperte sich. »Ma’m, wissen Sie, wie spät es ist? Ich muss in fünf Minuten starten.«

»Oh, verdammt!« Dee ließ die Hände sinken. Über ihr hingen die Kabel aus der Konsole wie die Eingeweide eines geschlachteten Tiers. »Ich wollte doch nur ...«

»... sichergehen.« Dee glaubte Sarkasmus in Hawks Stimme zu hören. »Oder die Fähre sabotieren?«

»Was bilden Sie sich ein?«, fauchte Dee. Ruhig, mahnte sie sich, ganz ruhig. Mit immer noch zitternden Fingern begann sie, Kabel für Kabel an seinen Platz zurückzuschieben.

»Wir sind alle nervös, Ma’m. Ich kann das verstehen. Aber in fünf Minuten muss ich starten. Kriegen Sie das hin?«

»Selbstverständlich! Wenn Sie aufhören, auf meine Finger zu starren!«

Hawk zuckte mit den Schultern. »Wie Sie wünschen, Ma’m. Ich wollte nur helfen.« Er stand auf und setzte sich an die Pilotenkonsole.

Dee hörte, wie er diverse Schaltkreise prüfte. Routinecheck, begriff sie. Ganz ruhig jetzt! Nur einmal tief durchatmen und an nichts mehr denken. Die Anspannung und Nervosität wichen von ihr. Ihre Hände hörten auf zu zittern und plötzlich wusste sie genau, in welcher Reihenfolge sie die Kabel in den Bauch der Konsole schieben musste. Vorsichtig drückte sie den Deckel zurück an seinen Platz und lauschte dem leisen Klicken, mit dem er einrastete.

»Beeindruckend.« Hawk kniete plötzlich neben ihr. »Wie haben Sie das geschafft, Ma’m?«

Fast ließ Dee das Prüfgerät fallen, das sie gerade einstecken wollte. Hitze stieg ihr ins Gesicht. Im ersten Moment wollte sie ihn zurechtweisen, schaffte es aber gerade noch, sich zurückzuhalten. Immerhin hatte er recht. Es war beeindruckend, dass sie die Konsole in der kurzen Zeit richten konnte.

»Übung«, erwiderte sie schlicht und schaffte es, ein selbstsicheres Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern. Wenn Piloten ihr Können arrogant zur Schau trugen, konnte sie das auch. »Jahrelange Übung, Lieutenant. Und nun machen Sie Platz, damit ich unter der Konsole hervorkommen kann.«

Grinsend stand Hawk auf. Groß und breit, wie er war, überragte er Dee um einen Kopf, als sie vor ihm stand.

»Sie sind ... Ich meine, das war große Klasse.« Er räusperte sich. »Ich war gestern Abend auch noch einmal hier und habe die Konsolen und den Kurs überprüft. Wird schon schiefgehen. Ich fliege das Baby doch jeden Tag.«

Sein Siegerlächeln misslang diesmal.

Dee wurde kalt. Er war ein Mutant. Er fühlte auch, dass etwas nicht stimmte. Oder er war einfach nur nervös – so wie jeder Pilot es wäre, wenn er den Botschafter der Erdregierung befördern musste. Selbst Paul wäre jetzt nervös und der war so feinfühlig wie ein Plasmastrahl.

»Natürlich«, antwortete Dee. »Wir wollen beide nur sichergehen.«

»Aye, Ma’m.« Und endlich gelang Hawk sein Siegerlächeln.

Dee schritt zum Schott. Es drängte sie danach zu sagen: »Passen Sie auf sich auf!« Aber die Worte wollten nicht über ihre Lippen kommen.

Wie in Trance saß Dee vor ihrer Konsole in der Kommandozentrale. Ihr Blick hing am Flugüberwachungsmonitor, verfolgte die Spur des leuchtenden Punktes, der die Raumfähre markierte, in der Hawk Clark Duras und Fay Hagen zur Nyx brachte. Ihr Herz klopfte, als wolle es zerspringen.

Es war alles in Ordnung. Sie war keine Seherin.

Der Punkt kam näher. Im Hintergrund schwirrten die Stimmen der anderen Crewmitglieder.

Jetzt ...

»MacNiall. Hören Sie mich?«

Erschrocken wirbelte Dee herum und sah sich Coulthard gegenüber, die sie missbilligend fixierte.

»Ma’m?«

Coulthards Stimme glich einem Kübel voll Eiswasser. »Alle Offiziere in den Hangar! Sofort! Die Fähre legt in wenigen Minuten an.«

Dee sprang auf. »Aye, Ma’m.« Nach einem letzten Blick auf den Monitor mit dem leuchtenden Punkt folgte sie Coulthards energischen Schritten.

Die Fähre stand bereits im Hangar. Davor warteten De Sutton, Nayiga und Tipton. Dee reihte sich zwischen De Sutton und Tipton ein. Watanabe sicherte mit einem kleinen Einsatzteam den Hangar.

War das wirklich nötig? Der Anblick verstärkte ihre Nervosität. Dass De Sutton neben ihr penetrant nach Schweiß stank, was auch sein übermäßiger Deodorantgebrauch nicht vertuschen konnte, und Tipton in regelmäßigen Abständen die Nase hochzog, trug nicht dazu bei, sie zu beruhigen.

Ein Zischen ertönte. Ozongeruch überdeckte Deo und Schweiß. Ein Schwall kalter Luft fegte durch Dees Haare und die Luke der Fähre öffnete sich.

Nichts. Wieso war wieder nichts passiert?

Eine blonde Frau kletterte aus der Fähre. Ihre kurzen Haare schimmerten zu silbrig, um eine natürliche Haarfarbe zu sein. Das Gesicht war zu glatt, als dass es zu ihrem Alter von über sechzig Standardjahren gepasst hätte. Altrosafarbener Chiffon umflatterte ihre schlanke Gestalt, während sie mit einem strahlenden Lächeln auf Coulthard zueilte.

Wie konnte diese Frau in der Hierarchie über dem Captain stehen? Aber die Flotte hatte einst ihrer Ernennung zugestimmt und damit ihren Rang als Ehrenadmiral der Flotte bestätigt. Also hatte es wohl seine Richtigkeit.

»Captain Coulthard! Ich freue mich, Sie kennenzulernen. Fay Hagen.« Ohne Coulthards Reaktion abzuwarten, griff Hagen nach deren Hand und schüttelte sie.

Coulthard verzog keine Miene. »Die Ehre ist ganz meinerseits, Botschafterin.«

Immer noch lächelnd ließ die Botschafterin ihren Blick über die anwesenden Offiziere schweifen. »Hervorragend. Ganz hervorragend.« Angesichts des Einsatzteams runzelte sie die Stirn und wedelte mit der Hand. »Bitte, kein Einsatzteam. Überwachen Sie den Hangar nur mit technischen Mitteln. Ich möchte nicht riskieren, dass der Botschafter unsere Fürsorge missversteht.« Ihre Stimme klang entschuldigend.

Weshalb fühlte sich das auf einmal wie eine Generalprobe an?

In diesem Moment verließ Hawk die Fähre und salutierte vorschriftsmäßig vor Coulthard.

»Wo ist der Botschafter?«, fragte Coulthard kühl.

»Ma’m, Miss Hagen ...« Hawk ließ die Grußhand sinken und stand stramm.

»Mistress Hagen«, unterbrach Hagen ihn sanft.

»... Mistress Hagen bestand darauf, die Ankunft des Botschafters auf sechzehnhundert zu verschieben, um mit Ihnen zuvor die diplomatischen Belange durchzugehen.« Hawk schwitzte.

»So.« Coulthard lächelte. Dee wollte nicht in Hagens Haut stecken.

»Entschuldigen Sie bitte die Planänderung. Aufgrund neuer Informationen sah ich mich leider dazu gezwungen. Am besten wäre es, wir würden das weitere Vorgehen unter vier Augen besprechen.« Hagen bedachte Coulthard mit einem warmen Blick und wandte sich den wartenden Offizieren zu. »Und wollen Sie mir nun nicht Ihre prächtigen Offiziere vorstellen, Captain?«

»Mit Vergnügen.« Coulthards hellblaue Augen waren kalt. Dee glaubte zu hören, wie sie mit den Zähnen knirschte.

»Ma’m?« Nayiga drehte sich halb zu Dee um. Auf Nayigas Konsole blinkte ein Icon.