Inhalt

  1. Cover
  2. Grußwort
  3. Über dieses Buch
  4. Titel
  5. Prolog
  6. Brautkleid bleibt Brautkleid ...
  7. Barfuß oder Lackschuh
  8. Wehe, wenn sie losgelassen ...
  9. Warum immer Sie?
  10. Das Leben muss weitergehen
  11. Eine unerfreuliche Bekanntschaft
  12. Ein Prachtexemplar
  13. Super Mario ermittelt
  14. Vergangenheitsbewältigung
  15. Heimlichkeiten
  16. Schlüsselerlebnisse
  17. Standpauke für Siggi
  18. Siggi in der Sackgasse
  19. Kaffee mit Schuss
  20. Ein Plan muss her
  21. Siggi in geheimer Mission
  22. Der Plan läuft an
  23. Die Spur verliert sich
  24. Bitteres Ende
  25. Siggi macht Sport
  26. Alles wird gut
  27. Herzklopfen und Puffbrause
  28. Siggi nimmt die Fährte wieder auf
  29. Ein schrecklicher Verdacht
  30. Siggi begibt sich in Gefahr
  31. Eine Reihe betrüblicher Ereignisse
  32. Die Kavallerie
  33. Auf der richtigen Seite des Gesetzes
  34. Furchtlos
  35. Danksagungen
  36. Über die Autorin
  37. Weitere Titel der Autorin
  38. Impressum

Liebe Leserin, lieber Leser,

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Über dieses Buch

Aufregung bei Siggi und Törtchen: Eine ungewöhnliche Doppelhochzeit steht ins Haus: Siggi und Törtchen gehen endlich den Bund der Ehe ein und auch Siggis Tochter Denise hat den Mann fürs Leben gefunden. Im Gegensatz zur tiefenentspannten Denise gerät die sonst so pragmatische Siggi ins Hochzeitsfieber ... und bringt ihren Verlobten Törtchen damit aus seiner stoischen Ruhe und die stressgeplagte Hochzeitsplanerin auf die Palme. Als diese kurz darauf ermordet aufgefunden wird, gehört Siggi zu den Verdächtigen! Da gibt es nur eine Lösung: Siggi muss selbst den wahren Täter finden ...

DOROTHEA STILLER

Siggi ermittelt weiter auf Sylt

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Prolog

Das sind die Momente, die einem im Dienst auf den Magen schlagen, denkt Martin Christiansen. Das sieht man in keinem Fernsehkrimi, aber das gehört nun mal zur Arbeit der Kriminalpolizei.

»In die Rechtsmedizin?« Frau Rohde starrt ihn ungläubig an. Ihre Augen sind verquollen, die Nase dick und gerötet. Martin kann sich vorstellen, wie sie sich fühlt. »Wie meinen Sie das? Wollen Sie etwa sagen, meine Mutter wurde ...?«

Er richtet den Blick kurz auf seine rechte Schuhspitze, dann sieht er auf, versucht, so professionell wie möglich zu wirken. »Keineswegs, Frau Rohde. Es ist nur so: Auch wenn hier alles auf einen Unfall hindeutet, ist die Hausärztin in einem solchen Fall verpflichtet, einen unnatürlichen Tod zu bescheinigen. Das zieht automatisch eine rechtsmedizinische Untersuchung nach sich.«

Er sieht, wie Frau Rohdes Kinn zittert. Sie schluchzt auf, presst sich kurz das Taschentuch vor den Mund.

»Heißt das etwa, dass sie dort an ihr herumschneiden?« Ihre Stimme klingt dünn und brüchig.

Martin räuspert sich. Professionelle Distanz. Sachlich bleiben. »Natürlich kann ich nicht für die Kolleginnen und Kollegen in der Rechtsmedizin sprechen, aber ich würde in diesem Fall nicht davon ausgehen.«

»Ich hab ihr immer wieder gesagt, sie soll das nicht mehr allein machen.« Bei Frau Rohde brechen alle Dämme. »Sie hatte schließlich eine Putzfrau. Die hätte ihr auch beim Gardinenabhängen geholfen. Aber Mama ist ... sie war stur, wissen Sie? Eigentlich hätte ich es ja lieber gehabt, sie wäre ins Betreute Wohnen gezogen, doch sie wollte um jeden Preis hierbleiben.«

Martin unterdrückt einen Seufzer. So viel zu professioneller Distanz. Er kennt all das nur zu gut. »Mein Papa ist auch so. Die alten Leute möchten eben, solange es geht, ihre Unabhängigkeit bewahren. Kann ich ja irgendwie verstehen, aber manchmal trauen sie sich einfach zu viel zu, nicht wahr?«

»Entschuldigen Sie, Herr Kommissar. Ich stehe noch völlig neben mir. Den Schock muss ich erst verdauen. Und übernächste Woche ist auch noch die Konfirmation von meinem Jüngsten, da weiß ich überhaupt nicht, wie wir das machen sollen. Mutti hatte sich doch schon so darauf gefreut. Und jetzt denk ich immer, wenn ich doch nur da gewesen wäre.« Frau Rohde schnieft. »Dann hätte ich sie davon abgehalten, auf die Trittleiter zu steigen. Ich hätte ...«

»Ihre Mutter war erwachsen. Sie können ja nicht rund um die Uhr da sein. Machen Sie sich keine Vorwürfe. Solche Unfälle passieren leider.«

»Dann glauben Sie auch, dass es ein Unfall war. Aber warum muss dann erst die Rechtsmedizin ...«

»Das ist ein reiner Routinevorgang, Frau Rohde«, erklärt Martin. »Die Todesumstände lassen eindeutig einen Unfall vermuten. Trotzdem sind wir verpflichtet, den Leichnam Ihrer Mutter zunächst sicherzustellen und für ein Todesermittlungsverfahren in die Rechtsmedizin nach Kiel zu überstellen. Dort wird eine gründliche äußere Untersuchung vorgenommen, um die Todesursache zu bestimmen und Fremdeinwirkung auszuschließen. Gibt die äußere Leichenschau keinen Anlass, ein Fremdeinwirken zu vermuten, wird der Leichnam zur Bestattung freigegeben. In der Regel dauert so etwas höchstens fünf Tage.«

»Also gibt es keine Obduktion?« Frau Rohde wirkt erleichtert. Der Privatmensch Martin Christiansen kann ihre Reaktion verstehen. Der Gedanke, dass an der geliebten Mutter herumgeschnippelt wird, ist schließlich kein angenehmer. Der Kriminalist in ihm fragt sich jedoch allmählich, ob Frau Rohdes Interesse am Prozedere möglicherweise andere Motive hat. Verfluchter Berufszynismus!

»Wie gesagt, ich kann nicht für die Kollegen sprechen, aber ich vermute, dass die Todesursache hier recht eindeutig ist und ein Fremdeinwirken mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann. Ich rechne nicht mit einer Obduktion.«

Mit aufeinandergepressten Lippen nickt Frau Rohde, betupft sich die Augen.

»Mehr kann ich leider im Augenblick nicht tun«, erklärt Martin. »Noch einmal mein aufrichtiges Beileid.« Er berührt sein Gegenüber vorsichtig am Unterarm und erntet ein kurzes Lächeln. »Alles Weitere erklären Ihnen dann die Kollegen.«

»Vielen Dank, Kommissar Christiansen. Ich begleite Sie noch zur Tür.«

Martin tritt hinaus in den gepflegten Vorgarten und saugt gierig die laue, frische Luft in die Lungen. Ein hübsches Haus und eine traumhafte Lage. Kein Wunder, dass die alte Frau Rohde das nicht gegen ein kleines Seniorenapartment eintauschen wollte.

Er blinzelt in die Sonne. Der Frühling ist einfach die schönste Jahreszeit auf der Insel. Wenn der Raps blüht und der warme Ostwind die Vorfreude auf sonnige Tage am Strand mit sich bringt, dann ist er froh, dass er damals der Versetzung zugestimmt hat. Auch wenn es hier auf Sylt für gewöhnlich keine großen Verbrechen aufzuklären gibt und der Alltag eher aus Situationen wie dieser besteht.

Nun, die unangenehme Aufgabe liegt gottlob hinter ihm. Zeit, sich mit einem belegten Brötchen und einem Kaffee zu belohnen, findet er. Mit Brie und Tomate. Er klopft sich auf das Bäuchlein, das im Winter leider ein wenig gewachsen ist. Immerhin ist er heute mit dem Rad da. Da kann er sich ein bisschen was gönnen.

Er zieht den Schlüssel aus der Tasche und öffnet das Bügelschloss, als die scheppernden Blechbläserklänge der Tatort-Titelmusik einen eingehenden Anruf ankündigen. Den Klingelton hat Änne eingerichtet. Fand sie wohl lustig. Martin findet es eher peinlich, aber er hat keine Ahnung, wie man den blöden Ton ändert, und die Kollegen können darüber lachen. Er fischt das Handy aus der Tasche und nimmt den Anruf an. »Christiansen«, meldet er sich.

»Martin, mien Jung. Was macht die Kunst?«

»Moin, Moritz! Kann nicht klagen. Und selbst? Ist die Schulter wieder in Ordnung?«

»Noch nicht ganz. Ich muss noch regelmäßig zur Physio, doch es geht schon wieder viel besser. Danke der Nachfrage.«

»Aber deswegen rufst du wahrscheinlich nicht an, nehme ich an.« Wenn der Kollege aus Hamburg sich meldet, hat es schließlich meist einen Grund.

»Richtig. Ich wollte bloß dafür sorgen, dass du ein bisschen was zu tun bekommst.«

»Also, Langeweile hab ich hier nicht, ich komme gerade ...«

»Ja, ja, schon klar. Brauchst mir nichts zu erzählen. Du schaukelst dir da oben auf deiner Insel die Eier und klärst Einbruchsdelikte auf, während wir uns hier in Hamburg mit den harten Jungs rumschlagen müssen.«

Martin stößt ein Schnauben aus und lacht. »Genug der Freundlichkeiten. Was gibt es denn Wichtiges?«

»Ich hab da was aufgeschnappt, was dich vielleicht interessieren könnte. Sagt dir der Name Rocco Messina etwas?«

»Da klingelt was, ja. Glücksspiel, Geldwäsche, diverse dubiose Machenschaften, oder nicht?«

»Ja, eine unserer Kiezgrößen. Dick im Geschäft, aber immer darauf bedacht, sich selbst nicht die Finger schmutzig zu machen. Bisher konnte ihm noch nichts nachgewiesen werden. Der lässt lieber andere über die Klinge springen. Soweit ich weiß, habt ihr letztes Jahr einen aus seinem engeren Dunstkreis hochgenommen, Dariusz Szymczak.«

»Szymczak? Der hing doch in der Mordsache mit dem Schlagersternchen drin, dieser Lenka.«

»Genau. Jedenfalls hat mir ein Vögelchen gezwitschert, dass Messina mit seiner ganzen Entourage von Knastvögeln demnächst zu euch auf die Insel kommt.«

»Wie?«

»Ja. Messina, Tymon Nowak, Wittkowsky, die ganze Hengstparade. Die haben sich für ein Wochenende in so einem noblen Wellness-Hotel in List eingemietet. Angeblich feiert der Möchtegernpate bloß seinen fünfzigsten Geburtstag, aber wenn die gesammelte Kiezprominenz zusammenkommt, schwant mir nichts Gutes. Nutten und Koks.«

»Hm. Glaubst du, die planen irgendwas?«

»Keine Ahnung. Doch vermutlich wird da auch über Geschäftliches geredet, wenn du weißt, was ich meine. Kann jedenfalls vielleicht nicht schaden, da mal ein Auge drauf zu haben.«

Martin kratzt sich nachdenklich am Kinn. »Meinst du, die halten da so eine Art Mafia-Kongress ab?«

»Tja, wenn ich das wüsste! Kann vollkommen harmlos sein, aber wenn du mich fragst, stinkt so ein munteres Familientreffen doch zum Himmel.«

»Wann soll das Ganze denn stattfinden?«, fragt Martin.

»Ende Mai. Ich schick dir die Daten und den Namen von dem Hotel. Ziemlich schnieker Schuppen, Rocco lässt sich anscheinend nicht lumpen.«

»Ich kümmer mich drum. Danke für den Hinweis, Moritz.«

»Na klar. Muss ja dafür sorgen, dass du nicht aus der Übung kommst da oben.«

Martin lacht. »Weiß ich zu schätzen. Du, grüß Karin von mir und alles Gute für die Schulter.« Er legt auf und steckt das Handy wieder ein. Sieh an, Rocco Messina lädt die Crème de la Crème des gepflegten Verbrechens nach Sylt ein. Gut zu wissen. Wie heißt es so schön? Holzauge, sei wachsam.

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Brautkleid bleibt Brautkleid ...

Denise trat aus der Umkleidekabine und breitete die Arme aus wie ein Zirkusdirektor in der Manege. »Ta-daa! Na? Wat sachste, Mama?« Siggi hatte den Weg in ihre Dortmunder Heimat gefunden, um ihre Eltern zu besuchen und das Kleid zu begutachten, das ihre Tochter am Telefon als »das perfekte Kleid für die Hochzeit« beschrieben hatte.

Nisi drehte sich, und das kurze weiße Hängerchen wirbelte locker um ihre Gestalt. Ärmellos, zart und luftig, erinnerte es mit dem verspielten Stehkragen und der Trapezform an die Sechzigerjahre und den Look von Twiggy. Es passte perfekt zu Nisis frechem Pixie-Cut und der schmalen Linie. Siggi allerdings fand, dass nichts an diesem Kleid auch nur ansatzweise »Brautkleid« sagte.

Sie schluckte, und es kostete sie Mühe, die Mundwinkel nach oben zu bewegen. »Ja, äh, sehr hübsch, Nisi. Du siehst süß aus. Fürs Standesamt, ne?«

Denise ließ die Schultern sinken. »Mensch, Mama! Ich wusste es. Das Kleid gefällt dir nicht.«

»Doch, doch«, behauptete Siggi wenig überzeugend. »Es sieht toll aus, aber ... Na ja, ich hatte mir da irgendwie ...«, sie zeichnete mit den Händen schnelle, immer größer werdende Kreise neben ihre Hüfte, um einen sich bauschenden Rock anzudeuten, »... mehr vorgestellt.«

Denise entfuhr ein tiefer Seufzer. »Du weißt genau, dass ich für so eine Sahnewolke nicht der Typ bin. Außerdem wollen Andi und ich überhaupt nicht kirchlich heiraten.«

»Davon hör ich jetzt zum ersten Mal.« Siggi zog die Augenbrauen hoch. »Findeste nicht, dass das dazugehört?«

Nisi schüttelte lachend den Kopf. »Jetzt tu nicht so, als hättest du plötzlich zum Glauben gefunden. Du gehst auch nur an Weihnachten in die Kirche.«

»Stimmt nicht. Ich war gerade noch zur Taufe von Holger seine Kurze. Wie heißt se noch?«

»Peaches Charlène«, entgegnete Denise und verdrehte die Augen. »Aber ist doch nicht so, als wärst du besonders fromm, oder?«

»Na ja, also, ich meine ... nee, nicht direkt. Trotzdem ist das Tradition und gehört sich so, oder nicht?« Siggi zuckte mit den Schultern. »Außerdem ist das so nüchtern, in ’nem tristen Raum aufm Amt zu heiraten. Nebenan röhrt der Aktenschredder ...«

»So ein Quatsch, Mama!«, rief Denise. »Was du für Vorstellungen hast! Es gibt wunderschöne Trauzimmer. Andis Cousine hat auch nur standesamtlich geheiratet, und zwar auf Schloss Nordkirchen. Schicker als auf ’nem barocken Wasserschloss geht ja wohl nicht, oder?«

»Aber ihr wolltet doch bei uns auf Sylt heiraten. Barocke Wasserschlösser sind da rar gesät«, entgegnete Siggi. Es klang etwas trotziger als beabsichtigt.

»Nee, aber dafür gibt es da einen Strand.« Denise lächelte triumphierend. »Darauf hat uns damals die Dame im Juweliergeschäft auf Sylt gebracht, wo Andi den Ring gekauft hat. Die eigentliche Trauung findet im Rathaus statt, aber man kann sich eine freie Zeremonie am Strand genehmigen lassen. Dabei wird uns die Gräfin helfen. Mitte Mai dürfte das ja schon gehen mit dem Wetter.«

Siggi wiegte den Kopf und zuckte dann mit den Schultern. »Na ja, das Kleid sieht jedenfalls mehr nach Strand aus als nach Braut. Aber ist ja eure Hochzeit. Müsst ihr im Prinzip selber wissen.«

»Wir möchten die Feier gern klein halten. Nur Eltern, Tanten, Onkel, Cousinen und Cousins. Das sind bei uns ja eh schon über zwanzig. Und dann noch ein paar gute Freunde. Aber insgesamt maximal fünfunddreißig.«

Eine Frage brannte Siggi noch unter den Nägeln, und auf einen geeigneteren Zeitpunkt, sie zu stellen, würde sie vermutlich vergeblich warten. »Und dein Vater? Kommt der mit seine Fitness-Schnepfe? Dingens hier – Jessica?«

Denise holte tief Luft und sah ihre Mutter an. »Wär das okay für dich? Ich meine, er ist halt immer noch mein Vater.«

»Na, ich werd mich wohl damit arrangieren müssen, hat ja bei deiner Konfirmation auch geklappt«, meinte Siggi. »Solange du nicht erwartest, dass ich freundlich bin.«

Denise grinste. »Das wär ja kein großer Unterschied zu sonst.«

Siggi lachte. »Hömma, ich versohl dir gleich den Hintern, du undankbares Blag. Sieh zu, dass du wieder in deine Kabine kommst. Meinetwegen kannste auch in ’nem Müllsack heiraten und die Flodders einladen, solange es dich und Andi glücklich macht. Aber für mich kommt dat nicht in die Tüte. Bei mir gibt es dieses Mal das volle Programm.«

»Oha! Weiß Torsten schon davon? Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass der ...«

»Der wird! Dafür werd ich schon sorgen. Da kannste aber Gift drauf nehmen.« Siggi stemmte die Hände in die Hüfte. »Damals, wie Charles und Diana geheiratet haben, 1981, hab ich als Siebenjährige am Fernseher geklebt, Nisi. Das hat mich so beeindruckt. Wie sie gestrahlt hat in der Kutsche hinter ihrem Schleier. Die Tiara, die Schleppe ... und der Stoff hat gefunkelt, als sie den Gang runtergeschritten ist, der Blumenschmuck, die Leute in der Kirche alle so chic ... Wie im Märchen. So feierlich und romantisch.«

Denise lächelte schief. »Ich will dir nicht deine Illusionen rauben, aber du solltest dringend noch mal die vierte Staffel von The Crown anschauen.«

»Ha, ha«, machte Siggi. »Ich weiß selbst, dass die Ehe alles andere als glücklich war. Doch es geht schließlich um die Hochzeit. Adam und ich haben damals nur standesamtlich geheiratet, und dann noch im Winter. Na ja, da war ja auch schon wat unterwegs.« Sie ruckte mit dem Kinn in Richtung ihrer Tochter. »Und jetzt hab ich eine zweite Chance. Da will ich meine Traumhochzeit. Ohne Kompromisse. Kannste das nicht verstehen?«

Denise lächelte. »Schon irgendwie. Aber da wirste mit Torsten noch Spaß haben. Der würde doch am liebsten im Stadion den Bund fürs Leben schließen, oder nicht?«

Siggi lachte. »Nee, so schlimm ist es auch nicht. Er hat zugestimmt, dass wir in St. Severin heiraten. Außerdem sagt er, dass er sich freut, mich ganz in Weiß zu sehen. Wird trotzdem ein hartes Stück Arbeit, den auf Linie zu bringen.«

Denise runzelte die Stirn. »Na, da bin ich gespannt, ob das gut geht. Habt ihr überhaupt schon einen Termin?«

»Ich hatte gedacht, es wäre ganz schön, wenn wir nicht allzu lange nach euch heiraten. Vielleicht Ende Juni. Wird auch allerhöchste Eisenbahn, dass ich wieder nach Hause nach Sylt komme, um mich um alles zu kümmern.«

»Allerhöchste Eisenbahn? Das sind noch mehr als drei Monate«, meinte Denise. »Also, eine Woche bleibt ihr aber schon noch hier in Dortmund, oder? Du kannst doch nicht gleich schon wieder abreisen. Was sagen denn Oma und Opa dazu?«

»Na, die hätten am liebsten, wir bleiben gleich für immer.« Siggi grinste. »Und Törtchen hat Tickets fürs Heimspiel am Samstag, vorher komm ich hier nicht weg. Aber da gibt es noch so wahnsinnig viel zu bedenken und zu organisieren. Kleid, Haare, Make-up, Location für die Feier, Gästeliste, Sitzordnung, Einladungen, Blumenschmuck, Brautstrauß, Menü, Hochzeitstorte, Limousinen-Service und all so ’n Kram.«

»Du liebes bisschen! Du nimmst das aber wirklich ernst.« Denise lachte.

»Na klar, ist doch der wichtigste Tag in meinem Leben«, bekräftigte Siggi. »Und du bist sicher, dass du es nicht bereuen wirst, wenn ihr nicht so groß feiert? Ich meine, aufs Geld kommt es doch nicht an. Vergiss nicht, die Gräfin zahlt die Sause. Das habe ich mir mit meiner Detektivarbeit auch redlich verdient, find ich.«

»Das stimmt«, meinte Denise. »Aber Andi und ich möchten einfach eine Feier, die zu uns passt. Kein großes Brimborium und nur die Leute, die uns wirklich wichtig sind. Und wenn wir aus den Flitterwochen zurück sind, schmeißen wir noch mal eine Party für den Freundeskreis hier in Dortmund. Nichts Großartiges, einfach ein bisschen Musik, Tanzen, Fingerfood und Getränke.«

»Hm«, machte Siggi. Ihrer Meinung nach ging Denise viel zu nüchtern an die Sache heran, aber so war sie nun mal. Wer hätte geglaubt, dass die eigenen Kinder mal so unromantisch werden? Wenn Siggi da an ihre Jugend dachte ... »Na ja, wenn es dich glücklich macht. Apropos Flitterwochen. Wo soll es denn hingehen?«

»Na, wohin schon?« Denise schüttelte den Kopf. »Wenn wir bei euch auf Sylt heiraten, können wir auch gleich da flittern. Wir haben eine supernoble Ferienwohnung gefunden mit Sauna und Whirlpool.«

»Wollt ihr nicht lieber irgendwo hinfliegen? So eine Hochzeitsreise macht man doch nur einmal im Leben. Da kann man es ruhig mal etwas krachen lassen. Ich kann dir auch was dazutun.«

»Wirklich, Mama. Nicht nötig«, wehrte Denise ab. »Andi fliegt eh nicht so gern. Und schädlich fürs Klima ist es auch noch. Wir machen uns das auf Sylt schon richtig schön, keine Sorge. Ich freu mich drauf. Außerdem ... na ja, wir planen da was.«

»Wer ist ›wir‹, und wieso ›planen‹?«, fragte Siggi.

»Nee, ich hab wahrscheinlich schon zu viel verraten.« Denise wandte sich ab und betrat erneut die Umkleidekabine. »Soll eine Überraschung werden. Du wirst schon sehen.«

»Na, hoffentlich eine erfreuliche«, sagte Siggi.

»Du meinst, nicht so ein Reinfall wie mein Kleid«, stichelte Denise mit einem schiefen Grinsen.

»Dat hab ich jetzt nicht gesagt, sondern du«, konterte Siggi.

»Aber gedacht.« Denise griff nach dem Vorhang und zog ihn zu.

»Nee, hab ich nicht«, verteidigte sich Siggi. »Sicher hab ich mir wat anderes vorgestellt, aber ist doch eure Hochzeit, und wenn ihr das so haben möchtet, hab ich da überhaupt kein Problem mit.«

Nach einer Weile öffnete sich der Vorhang wieder, und Denise erschien in Jeans, T-Shirt und Jacke. »Danke, Mama.« Sie grinste. »Ich versprech auch, dass ich nicht lästern werde, wenn du bei deiner Hochzeit aussiehst wie eine dreistöckige Sahnetorte mit Feenstaub.«

»Ts«, machte Siggi. »Pass auf, dass du dir nicht noch ’nen Satz heiße Ohren einfängst, du freches Stück.«

Denise hakte sich bei ihrer Mutter unter und küsste sie auf die Wange. »Ich hab dich auch lieb, Mama. Und weißte, was wir jetzt machen?«

»Nee, was denn?«

»Wir gehen bei Kleimann eine heiße Schokolade trinken und ein Stück Kuchen essen«, sagte Denise. »So wie früher.«

»Da war ich ja ewig nicht!«, rief Siggi. »Lebt denn der Acki noch?«

»Nee, leider nicht. Aber die haben jetzt zwei neue Papageien. Ich war neulich mit Tatjana mal da, so aus Nostalgie.«

Siggi seufzte. »Tja, eben noch mein kleines Mädchen, das quengelt, weil es den Papagei sehen und Kakao trinken will, und zack, schon heiratest du.«

Denise schob die Unterlippe vor. »Ich bin doch immer noch dein kleines Mädchen. Und ich will Kakao und die neuen Papageien sehen! Jetzt! Sofort! Oder ich schreie und werfe mich auf den Boden.«

Siggi lachte. »Na, es gibt auch Dinge, die ich nicht vermisse. Aber auf eine heiße Schokolade können wir uns einigen.«

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Barfuß oder Lackschuh

Stirnrunzelnd betrachtete Torsten das Zeitschriftenfoto. »Ich trag bestimmt keinen Frack!«

»Aber sieht doch schon sexy aus, Törtchen.« Siggi schaute ihren Herzensmann von der Seite an und dann wieder auf das Bild in der Zeitschrift. »Dat macht doch was her. Der hat bei der Royal Wedding allen die Show gestohlen.«

»Wenn man rank und schlank ist wie Beckham vielleicht«, meinte Torsten. »Aber bei meiner Plauze spreng ich höchstens die Knöpfe von der Weste, dann hat sich was mit ›sexy‹.«

»Jetzt übertreibst du aber! Ich mag dein Bäuchlein, und so ’ne Weste kaschiert.« Siggi kramte eine andere Zeitschrift hervor und suchte nach der mit einem Eselsohr versehenen Seite. »Oder hier. Da kannste nicht sagen, der wär jung und knackig.«

»Prince Charles? Das Ohrfeigengesicht? Den magste doch nicht mal leiden«, wehrte Torsten ab.

»Geht ja nicht um den Mann, sondern um den Anzug«, konterte Siggi. »Ich fand, bei seiner zweiten Hochzeit sah er doch ganz schnieke aus. So ein Frack ist eben elegant, da achtet man gar nicht mehr auf die Segelohren.«

»’ne gestreifte Hose? Nee, bei aller Liebe, Siggi.« Torsten schüttelte vehement den Kopf. »Ich werd mich nicht verkleiden. Außerdem weiß ich nicht, warum ich überhaupt einen Anzug kaufen soll, den ich nie wieder trage. Ich bin nicht der Typ dafür, ich zieh so was nur an, wenn ich muss. Ich hab genau einen Anzug, der sitzt und in dem ich mich wohlfühle. Mehr brauch ich nicht.«

Siggi zog beide Brauen hoch. »Das schwarze C&A-Ding, das du immer bei Beerdigungen trägst? Das ist jetzt nicht dein Ernst.«

»Wieso? Der Anzug sieht gut aus, ist bequem, und damit werd ich auch noch inne Kiste fahren.«

»Na super. Unsere Hochzeit ist für dich also dasselbe wie ’ne Beerdigung.« Siggi fuchtelte empört mit der Hand in der Luft und fegte dabei die Zeitschriften vom Tisch. »Dann kann ich mir den ganzen Tullux ja sparen und guck am besten schon mal, ob ich nicht ’nen schicken Doppelsarg finde für unsere Hochzeitsnacht.«

Torsten atmete hörbar ein und aus. »Jetzt mach doch nicht so ein Drama da draus. Ich kann ja nicht ahnen, dass dir der ganze Zinnober drumherum so wichtig ist.«

»Nee, deswegen hab ich auch bisher keine royale Hochzeit verpasst, weil mich der Kram so gar nicht interessiert.« Siggi schob energisch den Stuhl zurück, sodass er kurz bedrohlich kippelte, und verschränkte die Arme vor der Brust.

Torsten machte ein hilfloses Gesicht. »Gut, meinetwegen kauf ich mir einen neuen Anzug. Ich dachte eben, bei uns kommt es nicht auf den ganzen Firlefanz an, sondern mehr auf dat Herz. Ich will morgens neben dir aufwachen, und ich will abends neben dir einschlafen, so lange, bis ich in meinem ollen C&A-Anzug in die Grube fahre. Das ist doch das Wichtigste. Dass wir beiden Doofen zusammenhalten, durch Dick und Dünn, so was eben, oder etwa nicht?«

Siggi verdrehte die Augen. »Ja, schon irgendwie. Aber wenn du ehrlich bist, bist du nur zu bequem, dir ein bisschen Mühe zu geben. Und jetzt drehste dir das so zurecht, dass es romantisch klingt. Gib es zu.«

Torsten wich ihrem Blick aus und grummelte. »Ja, vielleicht bin ich auch ein bisschen bequem. Kerl, mich nervt das einfach. Klamotten kaufen ist Stress pur. Wenn ich ’nen Horrorfilm drehen müsste, würde der bei ’nem Herrenausstatter spielen.«

Siggi lachte. »Du bist eine ganz schöne Diva, weißt du das?«

»Von wegen.« Torsten fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Ich hab da ein tief sitzendes Trauma von der Konfirmation. Anzug kaufen mit Oma. Und da war ich noch ein Spargeltarzan. Heute, bei meiner Größe und Statur, da komm ich mir doch vor wie ein Elefant im Porzellanladen. Und dann kommen diese halbgehangenen Milchbubis und wollen dir Plörren andrehen, in denen du die Schultern nicht mehr bewegen kannst, und Hosen, die am Sack kneifen und ...«

»... das nimmst du alles tapfer auf dich, weil du mich liebst«, beendete Siggi den Satz an seiner Stelle und klimperte mit den Wimpern.

»Ja, gut, meinetwegen. Ich kauf mir einen Anzug.«

»Aber nicht in Schwarz! Zumindest nicht ganz.« Siggi sah ihn scharf an.

»Was hast du gegen Schwarz? Das ist zeitlos und elegant«, verkündete Torsten. »Und macht schlank.«

»Ich weiß. Zwei Drittel deines Kleiderschrankinhalts sind schließlich schwarz. Doch ich will keinen Bestatter heiraten, sondern den schmucken Kerl, in den ich mich damals verliebt hab.«

»Der ist aber dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, ist jetzt alt und grau und hat ’ne Bierplauze.« Torsten grinste und klopfte sich auf den Bauch.

Siggi lachte und schüttelte den Kopf. »Blödsinn. Du bist noch immer ein attraktiver Kerl, und das weißt du auch ganz genau. Du fischst jetzt bloß nach Komplimenten.«

»Möglich.« Er grinste. »Was du kannst, kann ich schon lange. Aber gut, ich guck nach ’nem Anzug. Ich nehm den Heiko mit. Vonne Arbeit. Der hat ein Auge für so wat.«

»Bevor du was kaufst, segne ich es ab«, sagte Siggi streng. »Soll ja auch zu meinem Kleid passen und anständig aussehen auf den Hochzeitsfotos. Apropos. Das erinnert mich daran, dass ich mich noch um einen Fotografen kümmern muss.«

»Nee, musste nicht«, bemerkte Torsten trocken.

»Wieso? Jetzt sag nicht, du willst keine Hochzeitsfotos.«

»Ruhig, Brauner!«, beschwichtigte Törtchen. »Bevor du gleich wieder an die Decke gehst, solltest du vielleicht mal zuhören. Wir haben neulich ein Fotostudio umgerüstet. Die Fotografin hat da gerade komplett renoviert. Richtig chic und alles vom Feinsten. Scheint also zu laufen, der Laden. Die Fotos, die se hängen hatte, sahen auch gut aus. Ist in Westerland. Ich such dir nachher die Adresse raus, dann kannste dir die Frau ja mal angucken.«

»Ha! Törtchen, du bist der Knaller!« Siggi drückte ihm einen Kuss auf. »Das wär ja fantastisch. Ein Punkt weniger auf meiner Liste.«

»Will ich wissen, wie viele Punkte deine ominöse Liste hat?«, fragte Torsten und zog eine Augenbraue hoch.

»Nee, dat willste bestimmt nicht.« Siggi grinste. »Deine Aufgabe ist ja auch bloß, die Klappe zu halten und meine Planung abzunicken.«

»Na super.« Torsten schüttelte den Kopf. »Und ich hab da nicht mitzureden?«

»Nä. Gewöhn dich schomma dran.« Siggi grinste. »Ab dann stehste endgültig unter meiner Knute.«

»Hör auf, sonst überleg ich mir das noch mal«, flachste Torsten und küsste sie. »Aber mach du mal. Ich bin ja froh, wenn ich mich um den Kram nicht kümmern muss. Doch ich hab ein Veto-Recht!«

Siggi verdrehte die Augen. »Ja, keine Angst. Sag mal, kriegst du noch ’nen langsamen Walzer hin?«

»Keine Ahnung. Die Tanzschule ist ’ne Weile her. Headbangen geht noch, na ja, bis auf die Matte.« Er deutete auf sein gelichtetes Haupthaar.

Siggi stand auf und streckte die Arme in Tanzhaltung vor sich. »Los, hopp, Hintern hoch. Wir probieren das jetzt. Ansonsten muss ich mich nämlich noch um einen Auffrischungskurs kümmern.«

Seufzend erhob sich Torsten, ergriff Siggis Hand mit der Linken und legte die Rechte unter ihre Schulter. »Aber dass das klar ist: Beim Tanzen führt der Herr.«

»Ja, ja.« Siggi lachte. »Und trampelt mir auf den Zehen rum.«

»Von wegen.« Torsten grinste und begann zu zählen: »Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.«

»Törtchen!«, rief Siggi erstaunt und ließ sich langsam und elegant von ihm durch das Wohnzimmer drehen. »Jetzt bin ich baff! An dir ist ja ein Fred Astaire verloren gegangen.«

»Tja, da guckste«, meinte Torsten. »Deine Tochter hat mich schon durchs Tanz-Bootcamp gejagt. Sie will, dass ich auf ihrer Hochzeit nach dem Eröffnungswalzer mit ihr tanze.«

»Ach! Ehrlich? Nicht mit ihrem Erzeuger?«, staunte Siggi.

»Doch, mit dem tanzt se danach auch noch. Aber sie meinte, ich wäre für sie doch mehr ihr Papa, und ich war so gerührt, dass ich mich hab bequatschen lassen. Die kann mich schon genauso um den kleinen Finger wickeln wie du.«

Siggi lachte. »Du hast halt doch ein zu weiches Herz, egal, wie de immer auf harter Kerl machst.«

Torsten wirbelte sie herum und zog sie fest in seinen Arm. »Das bleibt aber unter uns«, raunte er ihr ins Ohr und küsste die empfindliche Stelle dahinter. »Hast du eigentlich noch was vor heute?«

Ein angenehmer Schauer rieselte über Siggis Rücken. »Nein. Du?«

»Ich hätte da schon ein paar Ideen. Alle nicht jugendfrei.« Torstens raue Stimme kitzelte in ihrem Ohr.

»Klingt gut«, schnurrte Siggi.

»Nicht vergessen, ich führe.« Torsten grinste und zog sie mit sich in Richtung Treppe.

Es war zwei Uhr nachts, und die meisten Gäste waren bereits gegangen, als das Taxi vor dem Hotel Widmans Hof vorfuhr, um die frisch Getrauten zu ihrer Ferienwohnung zu bringen.

»Ich bin richtig stolz auf dich, Mama. Du hast kaum geheult. Also, so höchstens drei Liter.« Denise grinste und drückte Siggi noch einmal fest.

»Mach bloß, dass du ins Taxi kommst, du!«, drohte Siggi lachend. »Das kriegst du alles zurück, wenn du mal Kinder hast, die flügge werden und du merkst, was für eine alte Schabracke du geworden bist.«

»Moment mal!«, protestierte Torsten. »Das ist immer noch meine Schabracke, und die ist nicht alt.«

»Ach, jetzt hätte ich es beinahe vergessen.« Denise winkte Siggis Freundinnen heran. »Carla, Leevke und ich haben ja noch eine Überraschung für dich. Gebt ihr mir mal den Umschlag?«

»Eine Überraschung? Für mich? Ich dachte, das ist eure Hochzeit. Und da krieg ich jetzt die Geschenke?«, meinte Siggi.

»Tja, bei unserer Hochzeit ist halt alles ein bisschen anders«, entgegnete Denise und wandte sich ihrer Mutter und Torsten zu. »Also, ihr heiratet ja nun auch schon bald.«

»Erinner mich nicht daran!«, seufzte Siggi. »Nur noch etwas über einen Monat, und ich muss noch immer so viel organisieren. Beim Kleid bin ich auch bisher nicht sicher. Wenigstens steht die Location. Wird auch Zeit, ich muss schließlich jetzt langsam die Einladungen verschicken.«

»Mama!«, schimpfte Denise. »Vielleicht solltest du aufhören, Panik zu schieben. Das wird sich schon alles finden. Also, was ich eigentlich sagen wollte: Carla und Leevke wollten eine Junggesellinnenparty organisieren, und da wäre ich natürlich gern dabei. Also haben wir uns überlegt, wir machen das ein bisschen früher. Andi und ich sind ja jetzt noch zwei Wochen hier zum Flittern. Daher dachten wir uns, dass wir die Party am letzten Wochenende machen, bevor ich wieder nach Hause fahre.«

»Klingt gut«, meinte Siggi. »Und was habt ihr geplant? Oder ist das geheim?«

»Zum Teil«, erklärte Carla und warf Leevke und Denise einen verschwörerischen Blick zu. »Doch eine Sache können wir schon verraten. Und damit kommen wir zu dem Umschlag.«

Siggi nahm das längliche Kuvert, das ihre Tochter ihr reichte, öffnete es und betrachtete die innenliegende Karte. Sie runzelte die Stirn. »Das ist doch dieses Wellness-Resort in List. Das ist aber ein ziemlich nobler Schuppen. Das könnt ihr doch unmöglich ...«

»Halt! Bevor du meckerst. Das hat die Gräfin organisiert: ein Wellness-Wochenende, all inclusive. Es ist alles bezahlt, und du sollst dir keine Gedanken machen.«

Siggi schüttelte den Kopf. »Die Gute hat wirklich zu viel Geld. Das kann ich doch gar nicht annehmen.«

Denise lachte. »Sie hat prophezeit, du würdest genau das sagen, und gemeint, es wäre ihr allemal lieber, als wenn ihre Familie das Geld später erbt. Sie ließ sich nicht davon abbringen. Du kennst sie ja.«

»Allerdings. Die Dame hat einen Betonschädel – und übertreibt es manchmal ganz schön, wenn du mich fragst. Aber irgendwie finde ich es ja rührend von ihr. Wäre ja schon nicht verkehrt, sich vor dem ganzen Hochzeitsstress noch mal ordentlich verwöhnen zu lassen.«

»Siehste? Das hab ich auch gesagt«, bekräftigte Denise.

»Und wer kommt alles mit? Du? Carla? Leevke? Die Gräfin?«

»Das wird noch nicht verraten«, meinte Nisi und zwinkerte Siggi zu. »Eine kleine Überraschung muss ja noch dabei sein.«

»Na dann ... Ich bin sprachlos. Aber jetzt sieh mal zu, dass du ins Taxi kommst. Ihr sollt ja noch ein bisschen was haben von eurer Hochzeitsnacht.«

»Von wegen Hochzeitsnacht! Wir werden beide nur noch tot ins Bett fallen. Die Romantik kann warten.«

»So ist das heutzutage, da wisst ihr ja auch schon, dat ihr nix verpasst«, meinte Torsten und grinste.

»Musst nicht von dir auf andere schließen«, konterte Siggi und boxte ihm sanft in die Rippen.

»Haste Grund zur Klage?«, fragte Törtchen mit einem verschmitzten Lächeln, schlang den Arm um ihre Taille und zog sie an sich. »Das wär mir neu.«

»Nee, nee, ich hätte mich schon beschwert.« Siggi grinste.

»Ich fahr mal besser. Das ist mir eindeutig zu viel Information«, meinte Denise und kletterte neben Andi auf die Rückbank des Taxis.

»Es war eine richtig schöne Feier, fand ich«, meinte Siggi. »Gute Nacht, ihr beiden. Schöne Flitterwochen! Meldet euch bei Gelegenheit mal.«

»Machen wir«, versprach Denise, und Andi winkte.

Törtchen und Siggi blieben noch eine Weile in der Einfahrt stehen und schauten dem Taxi nach, bis die Nacht die Rücklichter verschluckt hatte.

»Hach, nun hat das Küken das Nest endgültig verlassen.« Siggi seufzte.

»Ach, komm, sie ist doch nicht aus der Welt. Und mit dem Andi hat sie wirklich einen anständigen Kerl an ihrer Seite«, bemerkte Torsten. »Da musste dir nicht mehr so viele Sorgen machen.«

»Ja, ich weiß. Du hast recht.« Siggi lächelte. »Aber es fällt mir doch ein bisschen schwer. Ist und bleibt halt meine Kurze.«

»War wirklich eine schöne Feier, oder nicht?« Torsten drückte Siggi an sich. »Klein, aber fein, nicht so viel Brimborium. Ganz locker aus der Hüfte, die Zeremonie am Strand und so. Fand ich richtig gut. Und das Wetter hat auch noch mitgespielt. Was will man mehr?«

Siggi hob eine Augenbraue. »Nachtigall, ick hör dir trapsen. Willst du mir damit etwa irgendetwas sagen?«

Törtchen wich ihrem Blick aus. »Nee, ja ... Na, du kennst ja meine Meinung. Übertreib es nicht mit der ganzen Planung und so. Letzten Endes ist es doch nicht so wichtig, dass alles perfekt ist, oder?«

»Mir schon«, entgegnete Siggi. »Ich hatte eben damals schon keine richtige Hochzeit, und jetzt will ich das volle Paket. Mit allem Pipapo.«

»Versteh ich ja, aber mach dich nicht verrückt wegen irgendwelchen Kleinigkeiten, ja?« Er küsste ihre Nasenspitze. »Kann doch auch ohne Tüdelü und Chichi schön sein. Oder fandeste das etwa nicht?«

»Ja, schon, für Denise und Andi war es genau richtig, das muss ich zugeben«, lenkte Siggi ein. »Ich war ja erst nicht so begeistert von ihrem Kleid, doch sie sah wunderhübsch aus. Wie ein Model!«

»Das hat se von der Mutter.« Torsten schlang von hinten die Arme um Siggi und küsste ihren Nacken.

»Die Zeremonie am Strand hat mir gut gefallen«, meinte sie. »Alle in den Strandkörben, und die Hochzeitsrednerin hat das toll gemacht. Das war so persönlich und schön. Der Andi war auch ganz gerührt, der hatte richtig ’nen Kloß im Hals, haste gemerkt? Hat sich auch ein paar Tränchen verdrückt, hab ich genau gesehen.«

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