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Für Christian – ich danke dir für die besten Umkrakungen der Welt (KB)
Für Regina, Judith, Jannis und Fips (HPZ)
Brandis & Ziemek – ein Autorenduo mit großer Meeresleidenschaft:
Katja Brandis, geboren 1970, ist seit vielen Jahren begeisterte Taucherin. In den Meeren dieser Welt hat sie unvergessliche Begegnungen mit Haien, Rochen und Delfinen erlebt. An Land arbeitet sie als freie Autorin und hat bereits zahlreiche Abenteuer- und Fantasyromane für Jugendliche veröffentlicht. Sie lebt mit Mann und Sohn in der Nähe von München. Mehr über Katja Brandis auf www.katja-brandis.de
Für Hans-Peter Ziemek, geboren 1960, ist die Welt unter Wasser nicht nur Passion, sondern auch Forschungsgegenstand: Als Biologe und Professor für Biologiedidaktik an der Universität Gießen arbeitet er mit seinen Studenten regelmäßig an der Nordsee und in den Aquarien des Instituts – in denen unter anderem auch ein kleiner, sehr intelligenter Krake lebt …
Ruf der Tiefe ist der erste gemeinsame Roman von Brandis & Ziemek.

Prolog

Der kleinen Shelley war es langweilig. Sehr langweilig sogar. Sie hatte eine Sandburg gebaut, wieder zertrampelt, mit Wasser übergossen und zu einem See ausgebaggert. Jetzt waren ihre Finger rosa geschrubbt vom feuchten Sand, ihr war heiß von der Sonne und ihre Mutter las immer noch.
»Wie lang musst du dich noch ausruhen?«, fragte Shelley enttäuscht.
»Noch ein bisschen, Darling, bau doch eine neue Sandburg. Oder schau mal, da drüben sind zwei Mädchen, mit denen kannst du bestimmt spielen.«
Die Mädchen hatten ihr schon einmal die Zunge rausgestreckt und zweimal einen Ball an den Kopf geworfen. »Nee, lieber nicht.« Shelley überlegte. »Darf ich mit der Luftmatratze ins Wasser?«
»Na gut. Aber du bleibst da, wo es flach ist, okay?«
»Okay«, sagte Shelley erfreut, schnappte sich die Luftmatratze und zerrte sie quer über den Strand zum Meer. Das war nicht ganz einfach, weil sie im Zickzack um Leute und Handtücher und Liegestühle und Sonnenmilchflaschen herumgehen musste.
Shelley schob ihre durchsichtige Luftmatratze in die kleinen Wellen, die ihr bis kaum zum Knie reichten und ihre Schienbeine kitzelten. Übermütig warf sie sich auf ihr Boot und fing mit beiden Armen an zu paddeln. Es ging besser, als sie gedacht hatte, und das Wasser war herrlich blau und klar. Sie konnte sogar ein paar Fische sehen, die unter der Oberfläche herumhuschten. Shelley tauchte eine Hand ins Wasser und lachte, als die Fische erschrocken wegflitzten.
Als sie aufblickte, sah sie, dass sie schon ein paar Meter vom Ufer entfernt war. Aber das machte nichts, hier war es immer noch flach, an manchen Stellen standen Leute herum und das Wasser ging ihnen nur bis zum Bauch. Shelley paddelte weiter. Wie schön warm es in der Sonne war, und wenn ihr zu heiß wurde, konnte sie sich nassspritzen oder die Arme ins Wasser hängen. Sie legte den Kopf auf die Luftmatratze und döste ein bisschen.
Es gab Stellen im Meer, die waren nicht hellblau, sondern dunkelgrünblau. Ihre Mutter hatte ihr mal erklärt, dass das manchmal die Schatten von Wolken waren und manchmal Korallen, die am Meeresboden wuchsen und auf die man nicht drauftreten durfte, weil sie spitz wie Nadeln sein konnten. Aber was war das da für ein Schatten dort vorne? Eben war er noch woanders gewesen, da war Shelley ganz sicher. Ja, er bewegte sich langsam. Und er war ziemlich groß. Bestimmt dreimal so groß wie ihre Luftmatratze.
Sie hob den Kopf, stützte die Arme auf dem Gummi ab und blickte sich um. Erschrocken bemerkte sie, dass sie jetzt doch ziemlich weit draußen war, hier stand auch niemand mehr im Wasser herum, nur zwei oder drei Köpfe von schwimmenden Leuten waren zu sehen.
Und dann sah Shelley noch etwas. Es war nicht nur ein großer Schatten, dort im durchsichtigen Wasser.
Es waren viele.
Shelley begann zu schreien.

Eins mit der Dunkelheit

Wenn die anderen Taucher außerhalb der Station waren, schalteten sie sofort die Lampen an und verließen sich auf ihren starken Schein, der die kahle Landschaft des Meeresbodens erhellte. Leon hatte immer das Gefühl, dass sie verzweifelt die Finsternis zurückzudrängen versuchten. Doch die Dunkelheit umgab sie, sie konnten ihr sowieso nicht entgehen, und die dünnen Lichtfinger der Kopf- und Handlampen fand Leon eher jämmerlich.
Dadurch entging den anderen mehr, als sie sahen.
Leon mochte die Dunkelheit der Tiefsee. Wenn er allein tauchte oder mit Lucy, dann schaltete er oft die Lampe ab. Die völlige Schwärze machte ihm nichts aus, irritierte ihn nicht – die Dunkelheit umhüllte ihn wie ein Mantel und er fühlte sich geborgen in ihr. Nach einer Weile hatten sich seine Augen an die Umgebung gewöhnt, und er sah das, was die anderen verpassten. Das schwache Leuchten der Tiefseegarnelen. Den glimmenden Punkt, der einen Anglerfisch verriet – über seinem unförmigen Körper hing eine verlängerte Flosse, die einer Angel glich. Mit der wie eine Laterne leuchtenden Spitze lockte er Beute vor sein zähnegespicktes Maul. Das schnelle Blink-Blink eines Blitzlichtfisches, der die leuchtenden Flecken unter seinen Augen buchstäblich an- und ausknipsen konnte, indem er ein Lid darüberschob.
Seine Nachbarn. Sie störten sich nicht an ihm, wenn er sich unter ihnen bewegte. Er war ein Teil dieser Welt.
Tief sog Leon mit Sauerstoff angereicherte Flüssigkeit, von seinem Anzug bereits auf Körpertemperatur angewärmt, in seine Lungen. Schon längst fühlte es sich nicht mehr fremd an, etwas Ähnliches wie Wasser zu atmen – schließlich machten das Fische und Kraken die ganze Zeit, mit ihren Kiemen nutzten sie den Sauerstoff im Meer. Ihm kam es viel seltsamer vor, Luft zu atmen, ein so dünnes Zeug, dass man richtig japsen musste.
Etwas ringelte sich um sein Handgelenk. Lucy war wieder da. Schon bei dieser leichten Berührung spürte er die Kraft, die in den muskulösen Armen seiner Krake steckte – sie war um ein Vielfaches stärker als er. Auch ein Grund, warum er die Tiefe und die Dunkelheit nicht zu fürchten brauchte. Leon tastete nach Lucys Gedanken, spürte den Kontakt mit ihr wie eine freundliche Wärme, die ihn umhüllte. Und, was gefunden?, erkundigte er sich.
Mein Freund, ein paar Krusten gibt es von hier nicht weit, da werden sie sich freuen!
Leons Puls beschleunigte sich. Führst du mich hin?
Ja, komm! Lucy berührte noch einmal seinen Arm, wies ihn in die richtige Richtung, und Leon schwamm, ohne zu zögern, in die Dunkelheit hinein. Er hatte nicht das Gefühl, hier blind zu sein – Lucys Augen, mehr als dreimal so groß wie seine eigenen und perfekt an die Tiefsee angepasst, sahen für ihn. Und für den Notfall hatte er immer noch die Navigationsfunktion an seinem DivePad, einem speziellen Tauchcomputer, den er am Handgelenk trug.
Er zweifelte nicht daran, dass es tatsächlich Mangankrusten waren, die seine Krake gefunden hatte – wenn Lucy den Boden mit den Armen abtastete, konnten ihre Saugnäpfe die Stoffe des Bodens riechen und schmecken. Hoffentlich war es eine große Erzlagerstätte, die Lucy entdeckt hatte; sie brauchten dringend einen Erfolg. Das bisherige Feld JT-203 war schon fast ausgebeutet und die Anfragen der Zentrale wurden immer drängender, die Blicke des Projektleiters immer anklagender. Wieso findet deine Krake nichts?, hieß dieser Blick. Was machst du falsch, Leon?
Bevor er es sich versah, war er schon dabei, sich in Gedanken zu rechtfertigen, und es kostete ihn Mühe, die lautlose Diskussion abzuwürgen. Das war ein Nachteil der Dunkelheit und der Stille hier unten. Es gab viel Raum zum Nachdenken, und wenn man nicht aufpasste, liefen die schlechten Gedanken Amok und vergifteten den ganzen Kopf.
Neulich hatte er eine kleine Ewigkeit lang darüber nachgegrübelt, wieso jemand eine Plastikbox mit der Aufschrift Schokolade unter der Decke seiner Schlafkoje versteckt hatte. Erst hatte er gedacht, es könnte ein Geschenk sein, aber der Behälter war leer. Sollte das so eine Art Vorwurf sein, dass er zu viel Schokolade aß? Oder eine Racheaktion? Wenn Ellard, sein Ausbilder, das Ding zufällig gefunden hätte, wären ihm peinliche Fragen sicher gewesen. Die Rationen der jungen Taucher enthielten sorgfältig ausgewogene Nährstoffe, und die seltenen Lieferungen mit Süßigkeiten, die von der Oberfläche zu ihnen kamen, wurden streng kontrolliert. Aber wer auf der Station wollte ihm schaden? Sein Kumpel Julian bestimmt nicht. Vielleicht Billie? Sie war eigentlich sehr nett, aber neulich hatte sie ihn so seltsam von der Seite angeschaut. Oder Tom …?
Algenschleim! Mach den aus deinem Kopf, schimpfte Lucy. Da sind wir, da!
Jetzt musste Leon doch die Lampe einschalten. Ja, da waren sie. Aufgeregt blickte er sich um. Eine dicke graue Mangankruste überzog den Hang, es war ein ganz neues Feld. Das würde eine gute Ernte werden, dieses hässliche Zeug enthielt Metalle im Wert von vielen Hunderttausend Dollar: Mangan, Kobalt, Nickel und Platin. Metalle, die an der Oberfläche der Erde kaum noch zu finden waren.
Leon zog Werkzeug aus seinem Gürtel und löste einen großen Klumpen aus dem Boden, der später in der Station analysiert werden konnte. Durch die hauchdünne Oberfläche seines Anzugs fühlte er das Gestein, als hielte er es in der bloßen Hand. Das ist ganz schön schwer, hilf mir doch mal!
Hast du schlechten Fisch im Bauch?, stichelte Lucy. Soll ich dir einen guten fangen? Oder eine Meeresschnecke? Soll ich?
Kannst du selber essen, Lästermaul, schickte Leon zurück. Los, jetzt pack schon mit an!
Das tat sie dann auch, ringelte zwei ihrer rötlich braunen, dicht mit Saugnäpfen besetzten Arme darum und hob den Brocken mühelos in seinen Sammelbeutel. Leon schickte ihr einen lautlosen Dank und speicherte die Koordinaten seines Standorts auf dem DivePad. Zwanzig Meilen nördlich der größten Hawaii-Insel, die alle nur Big Island nannten.
Dann war es Zeit, sich über die Ultraschall-Sprechverbindung zu melden; nach den nervigen letzten Wochen freute er sich schon auf eine gehörige Portion Lob und Dank.
»Station Benthos II, Leon hier. Benthos II, bitte melden.« So zu sprechen wie an Land ging in der OxySkin nicht, doch das DivePad übersetzte seine Mundbewegungen in hörbare Sprache.
»Leon – na endlich.« Es war Ellard und er klang gereizt. »Wie schön, dass du dich auch mal meldest. Und wieso bist du wieder so lang draußen geblieben? Zwei Tage sind das jetzt!«
»Schon zwei Tage?« Leon heuchelte Überraschung. Sollten sie ruhig denken, dass einem hier unten das Zeitgefühl verloren ging.
»Wir müssen reden, Leon, wirklich, so geht das nicht weiter. Es gefällt mir nicht, dass du sogar da draußen schläfst, das ist …«
Langsam wurde das Gespräch unangenehm, wie so oft in letzter Zeit. Zum Glück hatte Leon diesmal einen Trumpf, den er ausspielen konnte. »Ach übrigens, Ellard – wir haben was gefunden …«
Bingo. Ellard sprang sofort auf das Thema an. »Ein neues Feld?«
»Ja, sieht gut aus. Wird uns wieder ein paar Wochen lang beschäftigen.«
»Welche Tiefe?«
»Etwas über achthundert Meter.«
»Perfekt!« Leon hörte die Erleichterung in Ellards Stimme. »Glückwunsch! Soll ich ein Tauchboot schicken, das euch abholt?«
Komm schon jetzt! Schwimmen wollen wir, schwimmen, drängelte Lucy. Oder Verstecken spielen bitte, bitte, jetzt!
Heute nicht, leider. Leon wusste, dass sie sein ehrliches Bedauern spüren würde. In Gedanken zu lügen ging einfach nicht. Wir müssen zurück. Sonst kriege ich noch mehr Ärger.
»Nee, lass mal, wir brauchen kein Tauchboot«, sagte er zu Ellard und verabschiedete sich.
Leon warf einen Blick auf sein DivePad, das ihm den Weg zurück zu seiner Heimatstation wies, schaltete die Lampe wieder ab und ließ dafür seinen Scooter an. Der knallgelbe, eineinhalb Meter lange Torpedo war ein praktisches Fortbewegungsmittel für mittlere Entfernungen, und Leon fand es sehr entspannend, sich davon durchs Wasser ziehen zu lassen. Selbst mit dem Scooter würden sie einen halben Tag für die Rückkehr brauchen. Aber das war kein Problem – die Atemluft konnte ihm nicht ausgehen, er holte sich ja alles, was er brauchte, direkt aus dem Meer. Die gesamte Oberfläche seines OxySkin-Anzugs zog pausenlos Sauerstoff aus dem Wasser und gab dafür das ausgeatmete Kohlenstoffdioxid ab.
Lucy glitt neben ihm dahin. Sie konnte voranschießen wie eine Rakete, indem sie Wasser in die weiche Höhle ihres Körpersacks aufnahm und schnell wieder ausstieß. Dabei wölbte und streckte sie die fast zwei Meter langen Arme, ihr ganzer Körper wogte. Leon fand, dass sie einen sehr eleganten Schwimmstil hatte. Doch lange hielt sie das Tempo nicht durch; meist saugte sie sich nach ein paar Minuten am Scooter fest und ließ sich ebenso mitziehen wie ihr menschlicher Partner.
Leon kannte die Gegend und wusste, dass sie sich nun am Rand des Kohala Canyons entlangbewegten. In dieser Unterwasserschlucht fiel der Meeresboden bis auf viertausend Meter ab. Es wäre kein Problem gewesen, quer darüberzuschwimmen – man bewegte sich einfach weiter geradeaus, schwerelos über den schier endlosen Abgrund hinweg. Oft fiel es Leon in solchen Situationen schwer zu sagen, wo oben und unten war, aber das störte ihn nicht weiter, er war es gewohnt. Doch jetzt wollte er am Sockel der Insel entlang zurückkehren, vielleicht war ja heute sein Glückstag und er entdeckte noch mehr Mangankrusten. In fünfhundert Meter Tiefe, knapp über dem Meeresboden, wandte er sich nach Norden.
Der erste Hinweis darauf, dass es vielleicht doch kein Glückstag werden würde, kam von Lucy. Es waren nur Gedankenfetzen, die Leon auffing. Kawon … sie kommen hoch … rotes Wasser … großviele sind es!
Was?, hakte Leon irritiert nach. Was ist rotes Wasser? Lucy nahm Farben nicht mit den Augen wahr, sondern mit anderen Sinnen – sie spürte sie eher. Leon hatte nie herausgefunden, ob seine Partnerin mit den Farbworten, die sie ab und zu benutzte, wirklich das Gleiche meinte wie ein Mensch. »Kawon« dagegen verwendete sie immer mal wieder, damit bezeichnete sie andere Wesen ihrer Art.
Da! Sie kommen! Lucys Gedanken waren so heftig, dass Leon instinktiv den Scooter stoppte und seine Lampe einschaltete. Es lohnte sich, so etwas hatte er noch nie gesehen. Der Lichtstrahl erhellte unzählige etwa handlange Körper im nachtschwarzen Wasser um sie herum. Kalmare! Eng mit den Kraken verwandt, aber zehnarmig. Es war ein Schwarm von vielleicht sogar tausend Tieren und er hatte es richtig eilig. Die Kalmare schossen noch schneller durchs Wasser als Lucy vorhin.
Die sind auf der Flucht, stellte Leon verdutzt fest. Was ist da vorne los, jagt ein Pottwal?
Eine Welle des Unbehagens schwappte aus Lucys Gehirn auf ihn über. Nicht Pottwal – rotes Wasser! Ihre Arme ringelten sich um ihn, verkrampften sich um eins seiner Beine.
Leon wurde nervös. Ihm dämmerte, wie seine Partnerin auf das »Rot« kam. Rot waren die Warnsymbole auf der Außenseite von Benthos II und ein rotes Licht begann zu rotieren, wenn in der Station Alarm ausgelöst wurde. Rot hieß Gefahr.
Hastig drehte er sich im Wasser um die eigene Achse, ließ den Schein in Richtung Meeresboden wandern, versuchte zu erkennen, was genau Lucy so bedrohlich fand. Auf den ersten Blick sah er nichts Besonderes, nichts, was die Kalmare erschreckt haben könnte. Vielleicht war es nur ein kleiner Erdrutsch gewesen – Kalmare und Kraken waren ängstliche Tiere.
Doch dann fiel ihm auf, dass er schon länger keinen Fisch mehr gesehen hatte. Auf dem Meeresboden vor ihm entdeckte er zwar ein paar Muscheln und Seesterne; aber auf den zweiten Blick erkannte er, dass sie alle tot waren. Da vorne lag der Kadaver eines Stelzenfischs – normalerweise konnten solche Fische mithilfe ihrer drei langen, spitzen Bauchflossen auf dem Meeresboden stehen und warteten so auf Beute.
Weit und breit nur Leichen!, schickte Leon beunruhigt zu seiner Partnerin hinüber – und merkte plötzlich, dass ihm das Atmen schwerfiel. Er musste immer mehr Flüssigkeit einsaugen und wieder ausstoßen, damit sein Körper genug Sauerstoff bekam. Schnell kontrollierte er die Einstellungen seines Anzugs, doch an der OxySkin lag es nicht.
Du hast recht, irgendetwas stimmt hier nicht mit dem Wasser, durchzuckte es ihn, aber von Lucy kam keine Antwort mehr, sondern nur noch ein panisches Weg hier, weg, Leon, schnell, komm!
Sie löste sich von ihm und sauste davon.
»Ich glaube, heute wird das Nobu seinem Ruf gerecht.« Carimas Mutter schnitt mit eleganten, präzisen Bewegungen ein Stück des Gelbflossen-Thunfischs mit Jalapeño-Pfeffer ab und schob es sich in den Mund. »Hm, ja, nicht übel. Sehr zart.«
Carima konnte sehen, dass ihre Mutter schon halb vergessen hatte, dass ihre Tochter bei ihr war. Ihr Blick war nach innen gewandt, wahrscheinlich lief in ihrem Kopf gerade eine hochprofessionelle Analyse sämtlicher Zutaten ab. Oder sie dachte schon darüber nach, wie sie das Ganze in ihrem eigenen Vier-Sterne-Restaurant auf den Cayman Islands nachkochen und variieren würde.
Carima war genervt. Sie hatte nicht darum gebeten, in einen Luxusschuppen wie das Waikiki Parc Hotel geschleift zu werden, eine gemütliche Hütte am Strand hätte ihr viel besser gefallen. Und wahrscheinlich erwartete ihre Mutter auch noch Dankbarkeit für das Essen in diesem Edelrestaurant mit den protzigen Kronleuchtern, in dem man pro Person locker hundertzwanzig Dollar loswurde. Dabei aß Carima am liebsten ganz einfache Spaghetti und fürs Kochen interessierte sie sich nicht besonders. Ihre Mutter hatte auch nie versucht, es ihr beizubringen.
Lustlos zerlegte Carima mit der Gabel ihr Sashimi und ertränkte es in Sojasoße. Nach der Scheidung hatte ihre Mutter nicht einmal gefragt, ob Carima bei ihr wohnen wollte – stattdessen war sie ans andere Ende der Welt gezogen, um ihre Träume zu verwirklichen. Carima hatte Jahre gebraucht, um sich damit abzufinden, dass sie nicht Teil dieser Träume gewesen war, doch immer wieder kam die Bitterkeit in ihr hoch. Diesmal, weil Ma Jeremy nicht mitgebracht hatte – warum eigentlich? Drei Jahre war er jetzt alt und sie kannte ihn so gut wie nicht. Gerade zweimal hatte sie ihn gesehen, dabei war er ihr Bruder! Okay, Halbbruder. Aber er gehörte zur Familie und sie hatte sich auf ihn gefreut.
Fehlanzeige. Keine Ferien mit kleinem Bruder. Möglicherweise wollte Ma nicht, dass Carima sich mit ihm anfreundete. Konnte ja sein, dass Jeremy sie tatsächlich mochte – dass er sie ab und zu in München besuchen wollte. Gott bewahre.
»Könntest du bitte mal ein fröhliches Gesicht machen? Einmal nur?« Offensichtlich hatte ihre Mutter doch bemerkt, dass Carima da war.
Na klar, aber gerne. Carima lächelte strahlend. »Na, wie schmeckt dir dein vom Aussterben bedrohter Fisch? Kann man den jetzt doch schon in Aquafarmen züchten?«
Ihre Mutter verzog den Mund und legte die Gabel hin. »Dir schmeckt es also nicht. Schade. Wäre nett, wenn du mir nicht auch den Appetit verderben würdest.«
Carima legte noch ein Lächeln nach. »Ich glaube, ich würde nach dem Essen gerne noch ein bisschen fernsehen, wenn du nichts dagegen hast.«
Ihre Mutter ließ sich nichts anmerken, aber Carima wusste, dass sie jetzt innerlich aufstöhnte. Nur zwei Wochen verbrachten sie jedes Jahr miteinander und Carima wollte einfach nur fernsehen? Außerdem suchte Carima immer Sendungen aus, von denen sie wusste, dass ihre Mutter sich dabei zu Tode langweilen würde.
»Anderes Thema«, sagte ihre Mutter und seufzte. »Wollen wir morgen wieder zusammen tauchen gehen?«
Carima tat so, als würde sie zögern. »Okay«, sagte sie betont gleichgültig, obwohl sie wusste, dass ihre Mutter sie durchschaute. Die Leidenschaft fürs Tauchen war eines der wenigen Dinge, die sie beide gemeinsam hatten. Gestern waren sie im glasklaren Wasser des Meeresschildkröten-Schutzgebiets getaucht, das direkt vor Waikiki Beach lag; dort ging es bis auf vierzig Meter runter und es gab sogar ein interessantes Wrack. Ein tolles Erlebnis, und Carima musste zugeben, dass es eine gute Idee ihrer Mutter gewesen war, diesmal in Hawaii Urlaub zu machen. Obwohl die Tickets wahrscheinlich ein Vermögen gekostet hatten. Autobenzin stand derzeit bei zwei Euro fünfzig pro Liter und die Preise für Flugzeugtreibstoff zwangen viele ihrer Klassenkameraden inzwischen zu Urlaub am Bodensee statt in Kuba.
»Diesmal haben Papa und ich uns eine Überraschung für dich ausgedacht«, sagte ihre Mutter und nippte an ihrem Cocktail.
Papa und ich? Was, wie? Seit wann sprechen die sich denn ab? Irritiert wartete Carima ab, was jetzt kam. Doch einen Moment musste sie sich noch gedulden, denn gerade trat der Koch des Nobu, ein älterer Japaner, an ihren Tisch. Er und ihre Mutter fachsimpelten einen Moment lang über Filetsteak mit Wasabi und andere Geschmackskombinationen, die man wahrscheinlich nur mit Mühe herunterwürgen konnte. Dann kam Jill, die Bedienung, mit der Rechnung und zog mit Mas Kreditkarte wieder ab.
»Also.« Endlich wandte ihre Mutter sich wieder Carima zu und schenkte ihr ein schwachsinnig breites Lächeln. »Dein Vater hat seine Kontakte spielen lassen. Wir dürfen mit ein paar Profis tauchen … und zwar so tief, wie du garantiert noch nie warst. Fünfhundert Meter.«
»In die Tiefsee?« Carima war nicht sicher, ob ihr der Gedanke gefiel. Was gab es da unten schon zu sehen? Öden Meeresboden und mit viel Glück ein paar Fische. Kein Vergleich mit einem lebendigen Korallenriff. »Äh, tolle Idee, aber könnten wir dann als Nächstes wieder zu den Meeresschildkröten?«
Ihre Mutter warf ihre Serviette auf den Tisch und schob ihren Stuhl zurück. »Wie du willst«, sagte sie knapp, steckte ihre Kreditkarte wieder ein und marschierte ohne einen Blick zurück aus dem Restaurant.
Betont locker stand auch Carima auf, zog ihr violettes Kapuzen-Sweatshirt über und tat so, als sei es ganz normal, dass ihre Mutter sie einfach sitzen ließ.
Auf einmal fühlte sie sich schrecklich müde.
Für einen Notruf über die Ultraschall-Verbindung war keine Zeit. Auf Benthos II würden sie auch so an seinem schnellen Herzschlag merken, dass etwas nicht stimmte – Sensoren in der OxySkin überwachten seine Körperfunktionen und meldeten sie an die Station weiter.
Leon tat es Lucy nach und sah zu, dass er hier wegkam. Er jagte den Motor des Scooters hoch, und das Gerät schoss so abrupt voran, dass Leon nach vorne gezerrt wurde. Das schwarze Wasser flutete gegen sein Gesicht und er duckte sich über den Rumpf des Torpedos. Doch so schnell ihm der Scooter sonst vorkam, diesmal schien er voranzukriechen wie eine Seegurke. Leon half mit kräftigen Flossenschlägen nach und versuchte Lucy einzuholen, die schon ein Stück voraus war.
Ein Fehler. Die Anstrengung und sein hämmernder Puls machten alles nur noch schlimmer, weil er dadurch mehr Sauerstoff verbrauchte. Und sein Anzug fand in diesem Teil des Meeres anscheinend keinen Nachschub. Noch nie war das passiert! Instinktiv versuchte Leon mit weit geöffnetem Mund, mehr von der Atemflüssigkeit einzusaugen, die in seinem Anzug zirkulierte. Seine Brust hob und senkte sich krampfhaft. Trotzdem fühlte es sich an, als schließe sich ein eiserner Ring, der immer enger wurde, um seinen Hals. Was war mit diesem Wasser los, diesem roten Wasser, wie Lucy es genannt hatte? Da war nichts mehr drin, was einen am Leben erhalten konnte!
»Leon – alles in Ordnung?« Das war Ellard. Doch Leon war gerade nicht fähig zu antworten. An seinem Werkzeuggürtel hing ein kleiner Behälter mit einem Notvorrat sauerstoffgesättigter Atemflüssigkeit. Ja, das hier war eindeutig ein Notfall! Er brauchte das Zeug, und zwar jetzt! Leon bremste den Scooter etwas, um die Hand von den Haltegriffen nehmen zu können, dann tastete er nach dem Auslöseknopf des Vorrats, fand ihn, drückte. Wartete auf den erlösenden Schwall, der in seine Lungen strömte. Doch nichts passierte. Verzweifelt hämmerte er den Daumen auf den Knopf, wieder und wieder. Nichts! Anscheinend hatte sich das Ding verklemmt.
Ich ersticke! Verdammt, ich ersticke!
Angst brannte in seinem Körper, füllte seinen Kopf wie ein roter Nebel. Doch das harte Training siegte. Leon rang die Panik nieder und hielt den Atem an. Er drehte den Scooter bis zum Anschlag auf und legte alle Kraft, die er hatte, in peitschende Flossenschläge. Er musste hier weg, nichts anderes war jetzt wichtig! Vielleicht konnte er es doch noch schaffen, dieser Todeszone zu entkommen, auch ohne den Notvorrat …
»Leon! Melde dich!«
Zu spät merkte Leon, dass er zu heftig Gas gegeben hatte. Durch den Ruck glitten seine Hände von den Haltegriffen des Scooters ab. Der Torpedo riss sich los und sauste, von Leons Gewicht befreit, in die Dunkelheit davon. Shit!
Wahrscheinlich hatte das Ding schon wieder gestoppt; wenn keine Hände die Haltegriffe berührten, dann wurde automatisch der Motor gedrosselt. Doch selbst wenn der Scooter nur zwanzig Meter entfernt driftete – das war jetzt zu weit, viel zu weit. So weit schaffte er es nicht mehr.
Leon war schwindelig, sein Körper begann zu kribbeln, und er wusste, dass er gleich ohnmächtig werden würde. Er hatte nur noch eine Minute, höchstens.
Sechzig Sekunden Leben.
Plötzlich war Lucy neben ihm, zerrte ihn weiter. Jetzt komm! Nicht so lange brauchen!
Leon ließ es geschehen. Sein ganzer Körper fühlte sich schwach und matt an, und sein Geist glitt einfach weg, er konnte nichts dagegen tun. Das helle Oval eines Gesichts schwebte vor sein inneres Auge, kurze helle Haare leuchteten in der tropischen Sonne, ein jungenhaftes Lachen echote in seinem Kopf … Tim, der nun schon so lange sein Vater war … Tim … und da waren auch seine Eltern, verschwommen nur, wie auf einem unscharfen Foto … das Bild kippte, strudelte weg, und dann war da wieder nichts als Schwärze, die ihn zu verschlingen drohte.
Schwach versuchte Leon noch einmal zu atmen, musste würgen, versuchte es noch mal – und fühlte, wie der eiserne Ring um seinen Hals sich ein klein wenig lockerte. Konnte das wirklich sein, war hier wieder Sauerstoff im Meer? Gierig keuchte er die Flüssigkeit ein, die sein Anzug ihm lieferte, und schon bald schrie sein Körper nicht mehr, jammerte nur noch ein wenig vor sich hin. Auf seinem DivePad blinkten alle möglichen Warnmeldungen, doch Leon ignorierte sie. Ihm war noch immer schwindelig, hoffentlich ging das in ein paar Minuten vorüber.
Was war das?, fragte er Lucy und ihre Antwort war klein und kläglich, der winzige Funke eines Gedankens. Weiß nicht. Schrecklich ist das.
Leon tastete nach seinem Sprechgerät, schaltete es ein. »Ellard? Hörst du mich?«
»Was passiert da bei dir, Leon? Dein Puls war vor einer Minute über hundertneunzig!«
Leon bewegte schwach die Lippen und die Computerstimme seines DivePads übersetzte es als Flüstern. »Ich glaube, jetzt könnten wir doch ein Tauchboot gebrauchen. Wär toll, wenn ihr euch beeilen würdet.«
Dann ließ er sich treiben und versuchte seinen noch immer rasenden Herzschlag zu beruhigen. Zum ersten Mal konnte er sich vorstellen, warum andere Menschen die Dunkelheit der Tiefsee so finster und bedrohlich fanden.

Zwei Welten

Sie versprachen ihm, dass die Marlin – eins der großen Tauchboote der Station – ihn aufnehmen würde. Es war zufällig nur ein paar Meilen entfernt, weil es gerade Besucher von der Oberfläche abgeholt hatte.
Zuerst hörte Leon ein Summen, das sich im ganzen Wasser ausbreitete, dann sah er die Lichtpunkte von Bordlampen in der dunklen Unendlichkeit. Größer, immer größer wurden die Lichter, und schließlich kam das Tauchboot vor ihm zum Halten, ein gewaltiges Geschöpf aus Metall und Glas, an dessen Seiten Steuerpropeller kreisten. Scheinwerfer blendeten Leon, metallene Greifarme schienen sich ihm entgegenzurecken. Durch die große durchsichtige Halbkugel an der Vorderseite der Marlin konnte er Menschen erkennen – aha, Patrick saß am Steuer. Er hatte Leon gesehen und fragte mit einem Taucher-Handzeichen, ob bei ihm alles in Ordnung sei. Leon bog Daumen und Zeigefinger zu einem O, um das Zeichen zu erwidern. Ja, alles okay. Jetzt schon.
Kommst du zurecht?, fragte er Lucy und strich über ihre weiche Haut. Ich bleibe ganz nah bei dir.
Zögernd löste sie die Arme von ihm, glitt zum Tauchboot und heftete sich mit den Saugnäpfen an eine geschützte Stelle der Außenhülle. Schwimm gut, schwimm weit!
Bis bald. Erleichtert näherte sich Leon der Marlin und schlüpfte in die Schleuse, die sich für ihn öffnete. Nun kam der unangenehme Teil – einer der Gründe, warum er es nicht besonders mochte, ins Trockene zurückzukehren. Er deaktivierte seine OxySkin, was bedeutete, dass der Kreislauf der Flüssigkeit im Anzug stoppte. Für ein paar Momente konnte Leon jetzt nicht atmen, und er spürte, wie die Angst von vorhin wieder in ihm hochstieg.
Ruhig, ganz ruhig. Gleich bist du so weit. Rasch trennte Leon mit einem Spezialwerkzeug die Anzughaut um seinen Kopf herum auf. Jetzt musste er nur noch die Flüssigkeit in seiner Lunge – einen Stoff namens Perfluorcarbon – loswerden. Auch nicht gerade angenehm. Er beugte sich vor und hustete und würgte die Flüssigkeit aus. Das »Fluo« – wie er und die anderen Taucher das Zeug nannten – klatschte in die Auffangschale und verschwand in einem Behälter. Leon rang nach Luft, japste, versuchte sich wieder mit dem fremden Element anzufreunden. Er hatte das Gefühl, dass es ihm jedes Mal schwerer fiel. Durch die Anstrengung verkrampften sich seine Halsmuskeln.
Erschöpft streifte er sich den teuren Hightech-Tauchanzug herunter und löste vorsichtig dessen Verbindung zu der Kanüle in seiner Armbeuge. Zum Glück tat das nicht weh, außer wenn sich die Einstichstelle an seiner Vene mal wieder entzündet hatte. Leon rieb sich die kurzen, dunklen Haare mit einem Handtuch trocken und zog einen Overall mit ARAC-Logo über. Inzwischen konnte er auch wieder klar sehen; es dauerte immer ein paar Sekunden, bis seine Augen es schafften, sich auch ohne die automatischen Linsen des Anzugs scharf zu stellen.
Das Erste, was er sah, war, dass die innere Schleuse des Tauchboots sich schon geöffnet hatte. Oh Mann, hatte etwa jeder beobachten können, wie er das Fluo ausgespuckt und sich fast komplett ausgezogen hatte? Patrick, dieser Bastard! Hätte er die Schleuse nicht geschlossen lassen können?
Patrick grinste breit und zwinkerte ihm zu. Die anderen beiden Menschen im Tauchboot grinsten nicht, sie starrten nur. Eine dünne blonde Frau, die in einen von Patricks riesigen, echt neuseeländischen Wollpullis gehüllt war. Wahrscheinlich hatte sie vergessen, ein paar warme Sachen nach hier unten mitzunehmen. Neben der Frau saß ein Mädchen etwa in seinem Alter. Leon streifte sie mit einem kurzen, verlegenen Blick. Glatte honigblonde Haare, die ihr hübsches ovales Gesicht umrahmten, braune Augen. Vielleicht ein bisschen rundlich, besonders um die Hüften. Was machten die beiden hier, wollten sie etwa runter auf die Station? Es kam doch sonst nicht vor, dass irgendwelche Touristen bei ihnen vorbeischauten.
»Hi«, sagte das Mädchen und lächelte ihn an.
»Hallo«, sagte Leon und musste es dann noch einmal wiederholen, weil seine Stimme am Anfang immer etwas heiser und atemlos klang. Er fühlte, wie er rot wurde. Dass er immer noch in der Schleuse stand, bemerkte Leon erst, als Patrick dröhnte: »He, Octoboy, setz dich und mach’s dir bequem, wir fahren weiter. Alles in Ordnung mit dir?«
»Äh, ja. Nicht viel passiert.« Das stimmte zwar nicht ganz, immerhin wäre er beinahe draufgegangen. Aber irgendwie war es nicht der richtige Zeitpunkt für eine dramatische Geschichte. Er konnte sie Ellard und den anderen immer noch erzählen, wenn er und Lucy daheim angekommen waren.
Leon legte seine Flossen, die OxySkin und seinen Werkzeuggürtel in den Gepäckbereich. Dann zog er sich auf einen Sitz in der äußersten Ecke des Tauchboots zurück und war froh darüber, dass sich das Mädchen und die Frau, wahrscheinlich ihre Mutter, wieder auf den Blick durch das große vordere Bullauge konzentrierten. Leider gab es da draußen nicht viel zu sehen, nur das endlose Schwarz der Tiefe.
»Wieso hat er dich Octoboy genannt?« Das Mädchen wandte sich zu ihm um. Ihr Englisch hatte einen eigenartigen Akzent, einen, der ihn an Tim erinnerte. Kam sie etwa auch aus Deutschland?
»Ich arbeite mit einem Oktopus – einer Krake«, erklärte Leon verlegen. »Im Wasser sind wir fast immer zusammen.«
Er sah, dass sie das komisch fand. Oder es sich jedenfalls nicht richtig vorstellen konnte. »Ist das so was wie dein Haustier?«
Entsetzt schüttelte Leon den Kopf. »Nein, nein, wir sind Partner.« Er zögerte. Durfte er ihr überhaupt davon erzählen? So richtig viel Wert legte der Konzern nicht darauf, dass sich das mit den Mensch-Tier-Partnerschaften herumsprach, solange alles noch ein Experiment war. Aber es hatte ihn auch niemand von der ARAC ausdrücklich gebeten, den Mund zu halten. »Wir helfen uns gegenseitig. Im Meer ist das eine Menge wert.«
Das Mädchen spähte neugierig nach draußen. »Wie heißt dein Krake? Und wo ist er jetzt? Ich sehe ihn gar nicht …«
Lucy hatte sich selbst einen Namen gegeben, doch diesen Namen auszusprechen hatte Leon noch nie geschafft, er war auch mehr ein fremdartiges Gefühl oder ein Bild als ein tatsächliches Wort. Deswegen hatten sie sich auf »Lucy« geeinigt, und das war auch der Name, den er jetzt Carima nannte. »Es ist ein Weibchen. Deshalb sage ich auch lieber die Krake. Sie ist hier hinter uns«, fügte er hinzu und deutete auf eine Stelle der Außenhülle.
»Aber wird sie denn nicht weggespült, wenn wir so schnell fahren?«
Leon musste unwillkürlich lächeln. »An ihren Armen sind ziemlich große Saugnäpfe. Sie gegen ihren Willen abzureißen, wenn sie sich an einer glatten Fläche festklammert, schafft man nicht mal mit einem Brecheisen.«
Das Mädchen gab auf, nach Lucy Ausschau zu halten, und drehte sich wieder zu ihm um. »Sag mal, wie alt bist du eigentlich?«
»Sechzehn«, erwiderte Leon und hoffte, dass die Fragestunde allmählich beendet war.
»Wow, nur ein Jahr älter als ich«, meinte das Mädchen und schien irgendwie beeindruckt.
Zum Glück kamen in diesem Moment ein paar handtellergroße rote Atolla-Quallen in Sicht, keine Armlänge waren sie vom Tauchboot entfernt und versuchten sich unruhig pulsierend davon zu entfernen. Staunend glotzten die beiden Besucherinnen nach draußen. Natürlich schaltete Patrick sofort die Scheinwerfer des Tauchboots aus: AtollaQuallen, die sich bedroht fühlten, waren ein toller Anblick, sie glitzerten in einem wahren Feuerwerk aus blauen Blitzen. Das lockte Beutegreifer aus der ganzen Umgebung herbei, doch genau das war Sinn der Sache – die Neuankömmlinge würden mit etwas Glück denjenigen verjagen, der die Qualle angegriffen hatte. »Lebende Alarmanlagen« hatte Ellard die Atollas mal genannt.
Leon hatte schon viele Atolla-Quallen gesehen, und nach einem kurzen Blick wandte er sich der Seitentasche des Sitzes zu, in der normalerweise immer ein paar Müsliriegel oder Traubenzuckerstücke deponiert waren. Na also, da waren sie. Gierig schlang er zwei der Riegel herunter. Es war gut und schön, dass sein Anzug für ihn Plankton aus dem Meer aufbereitete, aber ständig durch einen Schlauch in seiner Armvene ernährt zu werden war nicht wirklich ein Genuss. Außerdem verbannte der Riegel den leicht chemischen Geschmack des Perfluorcarbons aus seinem Mund.
Eigentlich war er müde, und er wusste, dass ihnen eine lange, eintönige Fahrt zur Station bevorstand. Aber Leon schaffte es nicht, einzuschlafen, während diese Fremden da waren. Sie machten ihn nervös. Schließlich tat er so, als würde er schlafen, und so mussten sie sich mit ihren Fragen an Patrick wenden.
»Was bringt es eigentlich, mit Flüssigkeit zu tauchen?« Die Stimme des Mädchens. »Ich meine, es geht doch auch prima mit Pressluft, Edelgasen und so …«
Patrick schnaubte. »Aber nur bis zu einer bestimmten Tiefe, dann ist es aus. Richtig tief, weit unter tausend Meter, kommt man nur mit Flüssigkeit, sonst wird einem durch den Druck die Lunge zerquetscht. Das Problem ist: Eigentlich können nur Kinder richtig gut Flüssigkeit atmen. Schließlich lebt jedes Baby im Bauch der Mutter neun Monate lang praktisch im Wasser und schnauft es ab und zu ein, damit sich die Lunge richtig entwickelt. Jugendliche können dieses Atmen noch lernen, so ein alter Knacker wie ich hätte keine Chance. Aber ich bin ja auch nur ein einfacher U-Boot-Pilot. Wie sagte schon Jean-Jacques Rousseau: ›Der höchste Genuss besteht in der Zufriedenheit mit sich selbst.‹«
Leon fand, dass Patrick manchmal arg weit heraushängen ließ, dass er Philosophie studiert hatte. Aber es funktionierte auch diesmal.
»Sie kennen sich in der Philosophie aus?«, fragte die blonde Frau beeindruckt.
Patrick schlug einen bescheidenen Ton an. »Na ja, ich habe mich fünf Semester lang damit beschäftigt. Tatsächlich ist das hier eine meiner letzten Fahrten, dann gehe ich zurück an die Uni.«
Soso, dachte Leon. Diesen Spruch hörte er jetzt auch schon seit vier Jahren!
Dass er tatsächlich eingeschlafen war, merkte Leon erst, als ihn eine Hand am Arm berührte. Leon fuhr hoch wie von einem Steinfisch gestochen, sein Puls donnerte in seinen Ohren. »Mann, bist du schreckhaft«, sagte das blonde Mädchen und lächelte. »Wir sind da. Nur für den Fall, dass du aussteigen möchtest.«
Sein Kumpel Julian hätte wahrscheinlich mit einem witzigen Spruch gekontert. Leon fiel natürlich nicht rechtzeitig etwas ein, also nickte er nur und faltete seinen langen, schlaksigen Körper vom Sitz hoch, klemmte sich seine Sachen unter den Arm und schob sich durch die Schleuse nach draußen.
Neugierig spähte Carima durch das Frontfenster, als sie sich Benthos II näherten. Schemenhafte Umrisse traten aus dem Dunkel hervor, nur von schwachem blaugrünem Licht erhellt. Soweit sie erkennen konnte, sah die Station aus wie ein Seestern mit sechs Armen, nur dass diese Arme größer waren als die Waggons eines Zuges und nicht direkt auf dem Meeresboden ruhten, sondern auf Metallstützen.
Patrick drosselte die Motoren und ließ die Marlin näher an die Station herangleiten. Jetzt erkannte Carima an den Außenseiten hier und da Bullaugen aus nach außen gewölbtem Glas, grüne Lämpchen beleuchteten codierte Beschriftungen: DL-1, COM-L, SO/N. Was auch immer das bedeutete.
»Man sieht ja kaum etwas«, beklagte sich ihre Mutter. »Wieso stellt ihr nicht mal ein paar ordentliche Scheinwerfer auf?«
Was für eine dämliche Bemerkung. Wer konnte sich so was noch leisten, bei den immer höheren Strompreisen? In manchen Städten wurde inzwischen sogar nachts die Straßenbeleuchtung abgeschaltet. Carima wunderte sich nicht darüber, dass Patrick lachte. Doch seine Antwort überraschte sie. »Weil wir mit den ordentlichen Scheinwerfern unsere Nachbarn völlig durcheinanderbringen würden«, sagte er. »Für die Tiere hier unten ist Licht nicht einfach etwas, mit dem man besser sehen kann, es hat immer irgendeine Bedeutung. Deshalb können auch mehr als drei Viertel der Tiere, die hier unten leben, in irgendeiner Form selbst leuchten.«
»Wozu ist das denn gut?« Carima war fasziniert. Die Fahrt hier runter war viel interessanter, als sie gedacht hätte.
Patricks verschmitzte braune Augen richteten sich auf sie. »Zum Beispiel als Kontaktanzeige. Wie soll man hier unten jemanden finden, der zur eigenen Art gehört und sich paaren will? Da hilft nur fleißiges Leuchten.« Schon hatte er sich wieder abgewandt. Wie zu Beginn der Fahrt wirkte er hoch konzentriert, mit winzigen Bewegungen eines Joysticks steuerte er das Tauchboot. »Seht ihr? Da vorne ist die Schleuse, da müssen wir hin.«
Sie glitten in Zeitlupe an einem riesigen Logo des ARAC-Konzerns vorbei, das auf der Oberseite der Station prangte – dunkel erinnerte sich Carima, dass die Abkürzung ARAC für »Aquatic Resources Analysis Corporation« stand und dass die Firma irgendetwas mit Meeresrohstoffen zu tun hatte.
Im Funk quäkten Stimmen, die Carima kaum verstand, und Patrick antwortete in knappen Sätzen – dann änderte sich sein Ton, er redete wieder mit ihr und ihrer Mutter. »Allerdings können manche Raubfische diese Lichtsignale nachmachen, und wenn die einsamen Herzen hoffnungsfroh zu ihnen geschwommen kommen – haps! Gemein, was?«
Ein kurzer Ruck ging durch das Tauchboot. Patrick lehnte sich sichtlich zufrieden in seinem Sitz zurück und fuhr mit beiden Händen durch seine widerspenstigen rotbraunen Haare. »Geschafft – wir sind da. Herzlich willkommen am tiefsten bewohnten Ort der Erde.«
»Moment, ich gebe Ihnen Ihren Pulli zurück.« Nathalie Willberg begann, sich die dicke Wolle über den Kopf zu streifen. Carima sah, dass ihre Arme von Gänsehaut bedeckt waren. Seit ihre Mutter nicht mehr in München, sondern auf den Cayman Islands lebte, war sie eine richtige Frostbeule geworden. Pech, dass ihr der Fleece-Pullover, den sie auf den Ausflug mitnehmen wollte, noch vor Beginn der Tauchfahrt mit den Worten »Synthetische Kleidung kann gefährliche Funken verursachen!« freundlich, aber bestimmt abgenommen worden war. Zum Glück hatte Carimas violettes Sweatshirt die Prüfung bestanden.
»Behalten Sie das Ding ruhig, solange Sie da sind.« Patrick grinste. »Blau gefrorene Besucher sind ja kein wirklich schöner Anblick. Und ich als Neuseeländer bin’s kalt und feucht gewohnt. Alles kein Problem.«
»Das ist aber sehr nett von Ihnen.« Ihre Mutter wirkte erleichtert. Auf dünnen, weichen Überziehschuhen tappten sie und Carima zur Schleuse; auch ihre normalen Schuhe hatten sie nicht mit hinunternehmen dürfen, weil man mit denen im Tauchboot versehentlich gegen einen der hochsensiblen Schalter treten konnte. Carima konnte sich nicht daran erinnern, wann sie das letzte Mal so dermaßen kalte Füße gehabt hatte. Kein Wunder, dass der Pilot zwei dicke Paar Socken übereinander trug.
Als Carima ihren Rucksack holte, merkte sie, dass der Junge immer noch schlief. Er sah erschöpft aus. Wie hieß er noch mal? Ach ja, Leon. Als sie ihn vorsichtig weckte, zuckte er vor ihr zurück, als wäre sie dieser gefräßige Fisch, von dem Patrick erzählt hatte. Ohne ein weiteres Wort schob er sich in die Station und verschwand in irgendeinem Gang. Schade, jetzt konnte sie ihn nicht mal fragen, wo seine Krake nun hinschwimmen würde. Sie musste wieder daran denken, wie er in der Schleuse auf den Boden gespuckt hatte. Mann, was für ein Freak. War er überhaupt ein richtiger Mensch?
Ein paar Minuten später hatten sie sich alle aus dem Tauchboot hinausgezwängt und standen in einem kleinen Vorraum, umgeben von Kunststoffkisten mit kryptischen Beschriftungen, blau lackierten Gasflaschen und anderem Krempel. Carima beäugte alles neugierig, während Patrick sämtliche mitgebrachte Fracht auslud. Dann folgten sie und ihre Mutter Patrick durch einen schmalen Gang, der hinter dem Vorraum begann. In der Luft lag ein metallischer Geruch, und das war kein Wunder, denn nicht nur sämtliche Wände und Türen waren aus beige gestrichenem Metall, sogar der Boden, über den sie tappten, bestand aus geriffeltem Stahl.
»Was passiert eigentlich, wenn eine dieser Wände ein Leck hat?« Ihre Mutter klang nervös. »Der Druck hier unten …«
Ja, der Druck. Er war in dieser Tiefe fünfzig Mal höher als in einem Autoreifen. Carima blickte instinktiv zur Decke. Was für ein seltsamer Gedanke, dass jetzt Tausende von Tonnen Wasser – oder waren es Millionen? – auf ihnen lasteten. Auf der Fahrt hier herunter hatte Patrick vergnügt eine leere Plastikflasche in den offenen Sammelkorb des Tauchboots gelegt und sich geweigert, zu verraten, wofür das gut sein sollte. Als sie mit der Marlin in die Tiefe fuhren, war die Flasche nach und nach zerquetscht worden wie von der Faust eines Riesen – der jämmerliche Rest hätte in einen Fingerhut gepasst. Kein sehr beruhigendes Experiment!
»Ach, keine Sorge, die Außenhülle der Station ist doppelwandig.« Patrick winkte ab. »Wir hatten vor zwei Jahren nur mal einen kleinen Wassereinbruch in den Labors. Zum Glück gab es fast keine Verletzten.«
»Oh«, murmelte Carima. Anscheinend war das ganz in der Nähe passiert, denn gerade gingen sie an einer Tür vorbei, auf der Laboratory 01/S/BN stand. Die nächste Tür war offen und Carima erhaschte einen Blick auf ein paar Tische mit Geräten, ein Mikroskop und ein paar Aquarien. Dann ging es weiter in einen gebogenen Gang, von dem aus seltsam geformte Türen – runde Öffnungen in der Wand, die erst auf Knöchelhöhe begannen – in die verschiedenen Arme des Seesterns führten.
Patrick hatte ihren Blick auf die runden Türen bemerkt. »Die nennt man Schotts. Im Notfall können sie alle automatisch geschlossen werden und riegeln jeden Bereich druckdicht ab.« Ein paar Meter weiter kündigte er an: »Da sind wir. In diesem Modul befinden sich fast alle Quartiere.« Er stieg durch das Schott und öffnete eine Tür am Ende des Moduls. »Hier werdet ihr wohnen.«
Das Zimmer, das er ihnen mit großer Geste präsentierte, wirkte kahl und nicht sehr gemütlich. Es gab darin zwei Kojen, von denen eine gerade an die Wand geklappt war, einen Tisch von der Größe eines Gästehandtuchs – ebenfalls hochklappbar natürlich – und daneben ein fest installiertes Computerterminal. »Ein Gemeinschaftsbad ist gleich nebenan. Lunch gibt’s um 11.30 Uhr drüben in der Messe. Also dann, bis später!« Patrick winkte noch einmal und verschwand wieder im Gang.
Sie waren allein.
»Tja, nicht gerade das Waikiki Parc«, sagte ihre Mutter mit einem schiefen Lächeln und ließ sich auf die Koje fallen.
»Hast du das erwartet?«, sagte Carima, inspizierte die Bettdecke – oje, schrecklich dünn, und dabei wurde ihr nachts so leicht kalt – und musterte dann die beiden gerahmten Fotografien an den Wänden. Die eine zeigte eine Art Erdbeere mit Fangarmen am spitzen Ende, die andere das Pokemon Pikachu, beide auf schwarzem Hintergrund. Carima beugte sich näher, um die Bildunterschriften lesen zu können. Unter der Erdbeere stand Schmuck-Kalmar, unter dem Pokemon Dumbo-Tintenfisch. Dumbo – war das nicht dieser fliegende Elefant von Disney? Versuchte hier jemand, die Besucher der Station zu veralbern?
Ihre Mutter packte doch jetzt allen Ernstes ihren Waschbeutel aus und kramte in ihren Schminksachen. Womöglich wollte sie jetzt erst mal eine warme Dusche nehmen oder so was. Wenn sie nicht in einer Küche stand, war sie manchmal unglaublich langsam und umständlich.
»Räum doch mal deine Sachen in den Schrank«, sagte sie jetzt auch noch und Carima starrte sie an. Einräumen? Sie würden gerade mal eine Nacht bleiben und ihr gesamtes Gepäck bestand aus einem Rucksack pro Person! Sie verzichtete auf eine Antwort und sagte stattdessen: »Ich sehe mich mal ein bisschen um.« Bevor ihre Mutter etwas erwidern konnte, war Carima schon durch die Tür geschlüpft und ging mit schnellen Schritten den Gang entlang. Kaum war ihre Mutter außer Sicht, fühlte Carima sich befreit. Als sei eine Schicht aus Blei von ihrer Seele abgebröckelt.
Sie folgte dem Gang, der halbkreisförmig an der Außenseite der Station entlang verlief, und kam noch einmal an den Laboren vorbei, dann an einem Trakt mit der Aufschrift Medical Center H/A. Wieder ein langer Flur mit vielen Türen. Eine davon stand halb offen, und Carima sah eine asiatisch aussehende Frau, die gerade damit beschäftigt war, dem schlaksigen jungen Taucher von vorhin Blut abzunehmen. Im Profil wirkte sein Gesicht scharf geschnitten, das ließ ihn irgendwie erwachsen aussehen.
Ein drahtiger grauhaariger Mann sprach mit dem Jungen, und Carima hörte, dass seine Stimme beunruhigt klang. Auch der Junge wirkte ernst, fast grimmig. Carima spitzte die Ohren, verstand aber leider nichts, die beiden unterhielten sich zu leise.
Die Ärztin und der Grauhaarige hatten anscheinend Carimas Schritte nicht gehört – diese dünnen, weichen Stationsschuhe hatten echte Vorteile –, doch der Junge schien aus dem Augenwinkel etwas gesehen zu haben. Er wandte den Kopf und ihre Blicke trafen sich. Grüne Augen hatte er, das war ihr schon im Tauchboot aufgefallen. Auf den zweiten Blick sah der Freak eigentlich ganz interessant aus. Es war schwer, seinen Blick zu deuten, und Carima wusste nicht einmal, ob er sie erkannt hatte.
Verlegen und mit klopfendem Herzen stahl sie sich davon. Ein paar Meter weiter kam ein Schott mit der Aufschrift To Main Lock – aha, hier ging es zur Hauptschleuse. Carima schlüpfte hindurch. Einen Moment lang lehnte sie sich gegen eine Wand, während ihr Herzschlag sich wieder beruhigte, und sah sich einfach nur um. Hey, das sah spannend aus hier. Überall Regale mit Tauchausrüstung, zwei Unterwasserroboter von der Größe einer Einfamilienhaus-Mülltonne und mehrere Tiefsee-Tauchanzüge aus Metall, mit einer gewölbten Sichtscheibe am Kopfteil und Greifzangen dort, wo bei einem Menschen die Hände saßen. Eine Art knallgelbe Ritterrüstung.