Zwei Bettler

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Zwei Bettler saßen an der Kirchentür. In der Kirche donnerte der Pfarrer von der Allmacht und von der Güte Gottes, ermahnte die Sünder und mahnte zum Glauben. Die Männer und Frauen blickten verstohlen aufeinander oder lasen in ihren Büchern oder schliefen. An dem großen Fenster rechts vom Hauptaltar zwitscherten die Schwalben.

Bis vor die Kirchentür hinaus hörte man von Zeit zu Zeit die eindringlichsten Stellen der Predigt. Denn es war Sommer, die Tür stand offen, und die Bettler hatten ihre Gebreste entblößt. Und Schwalben schossen hin und her und fingen im Fluge die kleinen Mücken. Der jüngere Bettler hatte nur einen Stelzfuß. Dem älteren Bettler fehlte ein Arm und seine Brust war grauenhaft zerfressen.

Der jüngere Bettler sagte: »Der Pfaff ist doch ein Feigling. Ich kann hier in der warmen Sonne sitzen und brauche immer nur: ›Vergelt’s Gott‹ zu sagen und stehe mich jahraus, jahrein ebenso hoch wie er. Dafür muß er aber Tag und Nacht ein Gesicht machen wie ein Leichenbitter und muß alle segnen, die ihm was geben, mit vielen hundert Worten segnen, und auf lateinisch, die Kinder, die Brautleute und die Toten. So eine Memme, und kommt nicht höher als ich! Pfaff, anstatt sich ein Bein abschießen zu lassen!«

Der alte Einarm schlug ein Kreuz und sagte: »Lästere nicht! Du wirst noch die ewige Seligkeit verscherzen.«

»Ewige Seligkeit?…! Du natürlich, du hältst zu den Pfaffen. Für dich hat Gott auch etwas getan. Er hat dich als Einarm auf die Welt kommen lassen und dir dazu den Aussatz gegeben. Du hast allen Grund, ihm dankbar zu sein. Aber ich? Nichts hat er mir gegeben, und ich pfeife auf den Pfaffen. Alles habe ich mir selber zu verdanken.« Und er schob den versteckten Fuß ein wenig zurück und schnallte das Stelzbein fester.

Die Palme und die Menschensprache

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