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Alfred Bekker

Henry Rohmer, N.Y.D. - Der Killer von Manhattan (New York Detectives)

Cassiopeiapress Thriller





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

DER KILLER VON MANHATTAN

Kriminalroman von Alfred Bekker

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 104 Taschenbuchseiten.

 

Eine Serie von Attentatsversuchen und Morden erschüttert New York. Aber die Opfer scheinen nichts gemeinsam zu haben. Privatdetektiv Bount Reiniger übernimmt den Fall, aber plötzlich will niemand mehr, dass er ihn auch tatsächlich aufklärt...

 

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Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

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© dieser Ausgabe 2015 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen

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1

Als Larry Kostler sich an diesem Morgen von seinem Chauffeur ins Büro fahren ließ, war seine Laune nicht gerade besonders gut.

Es gab Ärger in seiner Firma und wie es schien, würde er mit dem eisernen Besen fegen müssen, um da wieder aufzuräumen. Aber im Augenblick schienen seine Gedanken ganz woanders zu sein. Er blickte nachdenklich aus dem Fenster, während der Chauffeur die schwarze Limousine durch den New Yorker Stadtverkehr lenkte.

Es gab einen Punkt, an dem man sich fragte: Wozu das alles?

Und vielleicht war Larry Kostler an diesem Punkt. Zwischendurch schaute er kurz auf die Uhr.

Er war spät dran. Wenn man hinaus in den Regen sah und auf die Blechlawine schaute, die sich durch die Straßen quälte, konnte man auf die Idee kommen, dass es damit zu tun hatte, dass Larry Kostler heute zum ersten Mal seit Jahren nicht pünktlich war.

Aber daran lag es nicht.

Kostler hatte seinem Notar noch einen kurzen Besuch abgestattet. Auch eine Sache, die ihm nicht angenehm gewesen war und die er lange vor sich hergeschoben hatte. Was soll's!, dachte er. Jetzt habe ich wenigstens das hinter mir!

Und die Firma lief ihm schließlich nicht davon.

Wenn es sich einer leisten konnte, spät dran zu sein, dann er, denn er war der Boss.

Es dauerte nicht mehr lange und der Wagen hielt vor dem mächtigen Gebäude, in dessen Mauern die Kostler Holding Company ihre Büros hatte.

Der Wagen hielt; der Chauffeur stieg als erster aus, um seinem Boss die Tür zu öffnen.

Die Tür ging Sekunden später auf.

"Vielleicht brauche ich Sie in einer halben Stunde wieder!", meinte Kostler zum Chauffeur. "Halten Sie sich also bereit.

"Jawohl, Sir!"

Kostler stieg mit umständlichen, etwas ungeschickt wirkenden Bewegungen aus.

Er hatte mindestens ein Dutzend Kilo Übergewicht und das machte ihn langsam. Er keuchte erbärmlich und sein Gesicht war puterrot angelaufen, als er schließlich neben seinem Chauffeur stand.

Dann geschah es.

Kostler hörte quietschende Reifen und das Heranbrausen eines anderen Wagens.

Er drehte sich unwillkürlich dorthin um. Es war ein zweisitziger Sportwagen mit verdunkelten Scheiben, soviel sah er noch.

Alles Weitere dauerte nur Sekunden!

Eine der Scheiben ging ein Stück hinunter, etwas Längliches schob sich einige Zentimeter hindurch und dann blitzte es auf einmal.

Es war ein Mündungsfeuer ohne Schussgeräusch. Nur ein Klacken des Abzugs, das durch die Geräusche der Umgebung fast völlig verschluckt wurde.

Und trotzdem war es ein Geräusch, das Larry Kostler das Blut in den Adern gefrieren ließ, denn er kannte es nur zu gut... Es war ein verdammt hässliches Geräusch, auch wenn es kaum zu hören war.

Larry Kostler sah eine Kugel am Lack der Limousine kratzen, direkt vor seinen Augen, oben auf dem Dach.

Und noch ehe er wirklich begriffen hatte, was vor sich ging, und dass der Fahrer des fremden Wagens es ganz offensichtlich auf sein Leben abgesehen hatte, wurde ein zweiter Schuss abgefeuert. Und ein Dritter und dann noch ein Vierter. Kostler sah den Chauffeur mit einem kleinen, runden Loch im Kopf auf dem Pflaster liegen.

Die Augen starrten weit aufgerissen in den smogverhangenen Himmel. Er war tot.

Kostler war wie gelähmt.

Dann fühlte er einen höllischen Schmerz in der linken Schulter. Die Wucht des ersten Treffers riss ihn herum. Die zweite Kugel fuhr ihm seitlich in den Brustkorb.

Das letzte, was er fühlte, war Schwindel.

Alles begann sich drehen.

Und dann kam die Schwäche.

Seine Beine knickten ihm unter dem Körper weg, und er sackte zu Boden. Er hörte noch wie Leute zusammenliefen und aufgeregt durcheinander redeten.

Irgendjemand schrie hysterisch.

Und dann hörte Kostler die quietschenden Reifen des Sportwagens mit den verdunkelten Scheiben, der offensichtlich davonraste.

Dann wurde es auf einmal stumm in seiner Umgebung und dunkel vor seinen Augen.

Sehr, sehr dunkel...



2

Die Tür flog auf und Bount Reiniger kam schwungvoll herein. Er hatte den Mantel bereits ausgezogen, knöpfte sich nun den obersten Hemdknopf auf und lockerte dann seine Krawatte etwas.

"Guten Morgen, June!", grüßte er gutgelaunt June March, seine Assistentin.

"Tag, Bount!"

"Ich weiß, ich bin etwas spät dran. Aber dieser verdammte Verkehr!"

June erhob sich von ihrem Platz und trat zu Reiniger heran, der unterdessen seinen Mantel irgendwo abgelegt hatte.

"Du hast Glück, Bount!"

"In wie fern?"

"Die Klientin, die seit fast einer Stunde in deinem Büro wartet und der ich bereits die dritte Tasse Kaffee aufgebrüht habe, sieht dermaßen verzweifelt aus, dass sie wahrscheinlich auch noch ein paar weitere Stunden auf sich genommen hätte!" Bount zuckte mit den Schultern.

"Leute, die ein sorgloses Leben führen und keinerlei Probleme haben sind ja auch nicht gerade die typische Kundschaft eines Privatdetektivs, oder?"

Als Bount Reiniger einen Moment später sein Büro betrat, wusste er, was June gemeint hatte.

Da saß eine junge Frau vor ihm im Sessel, die wirklich alles andere, als ein glückliches Gesicht machte. Sie hatte ausdrucksstarke, grün-graue Augen, ein feingeschnittenes Gesicht und das lange blonde Haar fiel ihr auf die Schultern herab.

Sie gefiel Bount.

Aber es war ihrem Gesicht anzusehen, dass sie große Sorgen haben musste.

Bount grüßte höflich.

"Tag, Miss..."

"Geraldine Kostler", sagte sie.

Bount gab ihr die Hand und versuchte zu lächeln.

"Angenehm."

"Sie sind Bount Reiniger, der Privatdetektiv?"

"Richtig."

"Eigentlich eine dumme Frage. Ich habe Ihr Bild nämlich vor ein paar Tagen in der Zeitung gesehen... Sie sollen der Beste sein, Mr. Reiniger."

"Man tut was man kann", erwiderte Bount bescheiden und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. "Aber nennen Sie mich Bount! Und dann sagen Sie mir bitte, was Sie auf dem Herzen haben, Miss."

"Vielleicht haben Sie schon einmal den Namen meines Vaters gehört - Larry Kostler."

Bount überlegte kurz, aber dann schüttelte er den Kopf.

"Nein, tut mir leid. Jedenfalls fällt es mir im Moment nicht ein."

"Larry Kostler von der Larry Kostler Holding."

"Ich lese zwar nicht regelmäßig den Wirtschaftsteil in der Zeitung, aber den Namen der Firma habe ich schon gehört. Was ist mit Ihrem Vater?"

"Auf ihn wurde gestern ein Mordanschlag verübt. Es steht heute in den Zeitungen."

Bount sah das zusammengefaltete Exemplar der New York Times auf seinem Tisch liegen.

"Ich bin heute noch nicht dazu gekommen, in die Times zu sehen!", gab er zu.

"Ein Wagen kam vorbei. Mit verdunkelten Scheiben. Und dann wurde geschossen. Der Chauffeur ist dabei ums Leben gekommen, aber es sieht wohl ganz so aus, als hätte man es eigentlich auf Dad abgesehen gehabt... Mein Vater liegt jetzt noch immer auf der Intensivstation. Er ist noch nicht über den Berg."

"Hat die Polizei schon...?"

"Die können nicht viel machen."

"Aber..."

"Es ist nicht der erste Versuch, Dad umzubringen, Mister Reiniger - ich meine: Bount!"

"Ach, nein?"

"Nein. Einmal hat jemand seinen Wagen in die Luft gesprengt. Das ist drei Wochen her. Er hatte Glück, denn er ist noch mal ausgestiegen, weil er etwas vergessen hatte. Da ist der Wagen in die Luft gegangen."

"Das sieht nach der Arbeit von Profis aus", meinte Reiniger. Geraldine Kostler nickte.

"Ja, das haben die Leute von der Polizei auch gesagt."

"Haben Sie eine Ahnung, wer dahinterstecken könnte?"

"Ja. Die Sache ist ziemlich eindeutig." Bount runzelte die Stirn.

So etwas hatte man selten.

"Und wer?"

"Tony Maldini. Ich denke, dass er hinter den Killern steckt." Bount pfiff durch die Zähne.

"Maldini?" Er atmete tief durch. "Wenn das der Maldini ist, den ich im Auge habe, dann hat Ihr Dad aber keinen besonders guten Umgang, Miss!"

"Ich weiß, Bount."

"Haben Sie Polizeischutz für Ihren Vater gefordert?"

"Nein."

"Warum nicht?"

"Er hat seine eigenen Bewacher und Sicherheitsleute!"

"Die kann Maldini mit seiner Portokasse kaufen!"

"Das könnte er auch bei einem Polizisten, oder etwa nicht?" Da musste Bount ihr Recht geben.

"Stimmt. Aber er ist in Gefahr. Und Sie auch."

"Ich bin nicht ängstlich!"

"Das sollten Sie in diesem Fall aber. Maldini war schon eine große Nummer in der Unterwelt, als ich noch bei der New Yorker Polizei war. Man konnte ihm allerdings nie etwas nachweisen, obwohl jedem klar war, dass seine Geschäfte faul waren. Waffen, Drogen, Prostitution, Schutzgelderpressung - der hat seine Finger überall, wo es viel zu verdienen gibt." Bount beugte sich etwas vor. "Was hatte Ihr Vater mit Tony Maldini zu tun? Wie kommt es, dass Maldini ihn tot sehen will. Vorausgesetzt es stimmt, was Sie mir da erzählt haben."

Geraldine schwieg.

Bount lehnte sich zurück und legte etwas die Stirn in Falten. Etwas war faul an der Sache. Etwas stimmte hier nicht, vielleicht betraf das nicht die junge Frau, die vor ihm saß, aber bestimmt ihren Vater.

"Dazu möchte ich nichts sagen", meinte sie. "Und ich denke, Sie müssen das auch nicht wissen! Ich möchte einfach nur, dass Sie dafür sorgen, dass mein Vater am leben bleibt. Mehr nicht!"

"Warum können das nicht die Sicherheitsleute Ihrer Firma?"

"Sie können das schon, aber ich traue ihnen nicht."

"Aber mir trauen Sie?"

Sie zuckte mit den Schultern.

"Vielleicht. Irgendetwas muss man ja unternehmen!" Bount sah sie einen Moment lang nachdenklich an. Dann sagte er: "Sie sollten mir sagen, was zwischen Ihrem Vater und Maldini war und wodurch er ihm auf die Füße getreten hat!"

Einen Moment lang schien sie unschlüssig zu sein. Dann schüttelte sie mit Entschiedenheit den Kopf.

"Nein", sagte sie. "Das kommt nicht in Frage!"

"Dann kann ich leider nichts für Sie tun!"

"Aber..."

"Ich muss wissen, worum es geht, wenn ich Ihren Vater schützen soll! Jedenfalls ungefähr! Wenn Sie nur einen Mann brauchen, der mit einer Kanone umzugehen versteht, sollten Sie sich jemand anderen suchen!"

Bount hatte sich erhoben.

"So war das nicht gemeint", beeilte sich Geraldine. "Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen?"

"So, als wenn Sie zur Beichte gehen würden." Sie schluckte.



3

Als Geraldine gegangen war und bei Miss March ihre Adresse, sowie die Adresse des Krankenhauses, in dem sich ihr Vater befand, hinterlassen hatte, wusste Bount Reiniger, dass sie ihm nicht alles gesagt hatte, was sie wusste.

Fest stand wohl, dass Larry Kostler nicht immer jener seriöse Geschäftsmann gewesen war, als der er heute auftrat. Die Tatsache allein, dass Kostler mit einem Mann wie Tony Maldini in Beziehung stand, belegte das noch nicht, denn Maldinis Unternehmen teilten sich in einen legalen und einen kriminellen Zweig - sowie alles was dazwischen denkbar war. Geraldine hatte gesagt, es sei vor vielen Jahren um ein illegales Waffengeschäft gegangen, bei dem Kostler dann ausgestiegen sei.

Und das hätte Maldini ihm nicht verzeihen können. Aus seinem Syndikat stieg man nicht so einfach aus. Kostler - er hatte damals diesen Namen noch nicht getragen - war untergetaucht und hatte unter neuer Identität von vorne angefangen. Aber jetzt - nach all den Jahren - schien Maldini auf ihn aufmerksam geworden zu sein...

Der Instinkt sagte Reiniger, dass da noch mehr war... Er konnte das nicht begründen, jedenfalls nicht logisch. Es war einfach so ein Gedanke, der ihn angeflogen hatte und sich nun hartnäckig in seinem Gehirn festsetzte.

Wie beiläufig griff Bount zum Telefon und wählte eine Nummer - eine Nummer, die er im Schlaf kannte.

"Hallo?", kam zwischen seinen Lippen hindurch, als auf der anderen Seite jemand den Hörer abnahm.

"Wer spricht dort?"

Es war eine unfreundliche, gestresste Männerstimme, die er da auf der anderen Seite hörte. Aber sie gehörte nicht dem Mann, den er jetzt sprechen wollte.

"Hier ist Bount Reiniger. Ist Captain Rogers zu sprechen?"

"Nein, Sir. Ist nicht da. Vielleicht kann ich Ihnen helfen!"

"Wann kommt Rogers zurück?"

"Keine Ahnung. Könnte länger dauern. Vielleicht am Nachmittag."

Reiniger verzog ärgerlich das Gesicht.

"Wiederhören", brummte er und legte auf. Dann erhob er sich ging hinaus zu June.

"Du kannst etwas für mich tun", meinte er. June lächelte von einem Ohr zum anderen.

"Aber immer, Bount!"

"Bring alles in Erfahrung, was sich über Larry Kostler herausbekommen lässt! Das dürfte nicht allzu schwierig sein, schließlich ist er relativ bekannt!"

"Okay, Bount. Und wohin gehst du?"

"Kleiner Ausflug", meinte er nur und grinste. Und dabei hatte er schon den Mantel gegriffen. Draußen regnete es Bindfäden.