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Vorwort des Herausgebers

»Der Grund, weshalb Milton in Fesseln über Engel und Gott,

und in Freiheit über Teufel und Hölle schreibt, ist,

dass er ein wahrer Dichter und auf der Seite des Teufels war,

ohne es zu wissen.«

William Blake (in: ›The Marriage of Heaven and Hell‹)

 

Paradise Lost ist die Geschichte aller Geschichten. Es ist der Anfang und die Quelle. Es erzählt uns, wie alles begann, und warum wir so leben, wie wir leben. Jedenfalls sinnbildlich. So sah es der Autor, und so kann man es heute noch betrachten.

Es sind die wenigen ersten Seiten der Genesis, die hier neu erzählt werden, die Schöpfungsgeschichte und die Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies. Angereichert mit einem spannenden Auftakt, der sich aus vielen Quellen der Bibel speist: Die Herkunft Satans, der – ursprünglich als Luzifer ein Engel des Himmels – seine Anhänger in einem Krieg gegen Gott führt, und nach einer vernichtenden Niederlage mit seinem Gefolge in die Hölle verbannt wird. Satans Rachegelüste sind es dann, die ihn dazu veranlassen, den Weg zum Paradies zu suchen, und Eva dazu zu verleiten, von der verbotenen Frucht zu essen.

Die Handlung nimmt ihren Ausgangspunkt in der Hölle, wo sich Satan und seine Anhänger nach der Niederlage gegen Gott erholen. Sie bauen einen Palast, genannt Pandemonium, und halten Rat, ob sie in die Schlacht zurückkehren sollen. Doch dann beschließen sie, auf eine andere, subtilere und auch sicherere Art Rache zu nehmen: Gottes neu geschaffener Garten Eden soll ihr Ziel sein, und Satan wird die Sabotage-Mission alleine übernehmen.

Als Gott sieht, dass Satan sich in Richtung dieser unschuldigen Welt begibt, prophezeit er den Fall des Menschen. Christus aber, der zu seiner Rechten sitzt, bietet sofort an, sich selbst für das Heil der Menschen zu opfern.

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Milton schuf Paradise Lost als episches Gedicht in Blankversen (reimlose Verse) im fünfhebigen Jambus, den auch Shakespeare häufig verwendete. Der Inhalt ist in zwölf (ursprünglich zehn) Bücher gegliedert, die jeweils zwischen 640 und 1200 Zeilen umfassen.

Der Sprachstil, den Milton wählte, ist durchaus eigenwillig. Das Verb steht – untypisch für das Englische – oft am Satzende. Groß-, Kleinschreibung und Rechtschreibung sind stark stilisiert, was sich auch in der übersetzten Form zum Teil wieder findet. Das Epos enthält zahlreiche Wörter aus anderen Sprachen, insbesondere aus dem Lateinischen, die Milton übernahm und anpasste. Viele dieser Neuschöpfungen erscheinen uns nicht nur heute ungewöhnlich, sondern waren auch zur damaligen Zeit ungebräuchlich.

Seit Jahrhunderten setzen sich Kritiker und Rezensenten mit Miltons Text auseinander, und er erntet sowohl höchste Anerkennung, als auch gelegentlich süffisanten Spott. Letzteres deshalb, weil man unterstellt, dass Milton unterbewusst und unwissentlich Satan zum eigentlichen Helden der Geschichte gemacht habe. Darauf zielt auch die Bemerkung des Schriftstellers und Graphikers William Blake, dessen begleitende Illustrationen auch in diesem eBook zu finden sind: »Der Grund, weshalb Milton in Fesseln über Engel und Gott, und in Freiheit über Teufel und Hölle schreibt, ist, dass er ein wahrer Dichter und auf der Seite des Teufels war, ohne es zu wissen.«

Dennoch – oder gerade deswegen – hält sich der allgemeine Konsens, dass Paradise Lost das größte Epos in der englischen Sprache ist und bleibt.

Milton wollte dabei nicht nur zeigen, was die Ursache des Sündenfalls war, sondern mehr noch, was daraus erwächst. Dahinter steht die Philosophie der ›Felix Culpa‹, der ›glücklichen Schuld‹, wonach das Gute, das auf der Welt ist, sich erst als Folge des Sündenfalls entfalten konnte. Die Barmherzigkeit Gottes, das Kommen Christi, die Erlösung und Errettung lassen uns an einen besseren Ort gelangen, mit der Möglichkeit für ein größeres Heil, als es ohne den Sündenfall möglich gewesen wäre.

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Über den Autor. John Milton (1608–1674), einer der einflussreichsten und bedeutendsten politischen Denker seiner Zeit, hatte schon in jungen Jahren eine Vision: Ein großes Epos wollte er schreiben, nicht weniger bedeutsam als die Ilias und die Odyssee, das in die Identität seines Landes und seiner Kultur einfließen sollte. Als Mann mit profunder klassischer Bildung aus bestem Hause, des Lateinischen ebenso wie des Griechischen mächtig, später auch weit gereist und welterfahren, brachte er beste Voraussetzungen dafür mit.

Dennoch wäre es vermessen, an eine bloße Planbarkeit so eines Werkes zu glauben. Es musste reifen, es musste warten. Das wusste auch John Milton, und er schob es auf die lange Bank. Mit politischen und religionskritischen Schriften trat er statt dessen hervor, geriet in die Wirren des englischen Bürgerkriegs, (1642 –1649), wobei er auf der Seite der Republikaner um Cromwell stand, sich gegen den autokratischen König Charles I. wandte, und sogar kurzzeitig inhaftiert wurde. Erst im Jahr 1658 begann er, nun fast erblindet, sein Werk zu diktieren, und vollendete es 1665.

Nachdem sein Vermögen im Bürgerkrieg verloren und zudem sein Haus 1666 im großen Brand von London zerstört worden war, musste der nun vollständig erblindete Schriftsteller das Manuskript und Urheberrecht des großen Werkes schließlich am 27. April 1667 für nur 10 Pfund Sterling verkaufen.

Sein Ziel aber erreichte Milton: Wenige Werke beeinflussten die zeitgenössische und nachfolgende Kunst und Kultur so stark wie seines. Bis heute finden sich immer wieder Anspielungen auf Paradise Lost in Literatur und Kunst, bis hin zu Hollywood-Produktionen. So etwa im Film ›Im Auftrag des Teufels‹ von 1997. Hier trägt der Teufel, gespielt von Al Pacino, getarnt in bürgerlicher Existenz, den Namen John Milton.

Redaktion eClassica