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René Freund

Lesereise Salzkammergut

René Freund

Lesereise Salzkammergut

Skizzen aus der Mitte

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Copyright © 1998 Picus Verlag Ges.m.b.H., Wien

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René Freund, 1967 in Wien geboren, lebt als Schriftsteller im Salzkammergut. Er arbeitete als Dramaturg, schrieb aber bald schon selbst Theaterstücke. Im Picus Verlag erschienen die Romane »Wiener Theaterblut« und »Wechselwirkungen«, der Satirenband »Stadt, Land und danke für das Boot«, Sachbücher sowie die Lesereisen Jakobsweg und Linz. 2014 erschien seine Familiengeschichte »Mein Vater, der Deserteur« (Deuticke).

Inhalt

Vorher

Salz

Kammer

Gut

Hallstatt

Gosau

Ausseerland

Bad Goisern

Bad Ischl

Wolfgangsee

Ebensee

Unterwegs

Attersee

Gmunden

Nachher

Literatur

Danke

Vorher

»Wer die Alpen kennt«, schrieb Kurt Tucholsky, »weiß, wie sich Bewohner benachbarter Täler voneinander unterscheiden und wie doch der Reisende die gemeinsamen Züge herausfinden kann, eben weil er den Kleinkämpfen ein unbeteiligter Zuschauer ist.«

So ein »Reisender« bin ich geblieben, obwohl ich schon seit einigen Jahren am Rande des Salzkammerguts lebe. Man wird nicht einfach durch Einwanderung zum Salzkammergütler. Schon die Sprache lässt sich kaum erlernen, die Nuancen in den Ausdrücken, die von Tal zu Tal, von Ort zu Ort wechseln.

Und auch das im Salzkammergut fest verankerte Unabhängigkeitsdenken lässt sich nicht erlernen, weil es aus der Geschichte kommt und nicht erlernt werden kann.

Die Einwohner des Salzkammerguts stammen »aus der Mitte«: aus der Mitte Österreichs nämlich, und die liegt, offiziell vermessen, in Bad Aussee.

»Aus der Mitte« kann aber auch bedeuten: von der Mitte entfernt. So haben die Einheimischen, wenngleich aus der Mitte stammend, eine Abneigung gegen Zentralismus jeder Art entwickelt. Ihre rebellische Tradition, die lauwarme Standpunkte ausschließt, lässt sie von Mitte und Mäßigkeit abrücken. Vielleicht gewinnt man gerade deshalb den Eindruck, dass viele im Salzkammergut »aus der Mitte« leben, aus dem Herzen nämlich oder aus dem Bauch, wie man so sagt.

Salz

Lebenselixier

Salz ist mehr als das Salz des Lebens. Ohne Salz würde der menschliche Organismus nicht funktionieren. Auch die Tiere lieben es instinktiv, an den für sie aufgestellten Salzsteinen zu lecken. Wildtiere waren es wahrscheinlich auch, die durch das regelmäßige Aufsuchen von Salzquellen den prähistorischen Menschen zeigten, wo es das »weiße Gold« zu holen gab.

Den alten Völkern war das Salz heilig. Es galt als Symbol für die Ewigkeit, und ein wenig von dieser Ewigkeit verlieh es als wichtigstes Konservierungsmittel auch den Lebensmitteln.

Die Namen der Salzstädte müssen früher einen magischen Klang gehabt haben. Fast alle diese Namen enthalten die Silbe hal: Hallstatt, Bad Hall, Hallein, Bad Reichenhall. Hal ist das keltische Wort für Salz – eine sprachliche Verwandtschaft besteht auch zum gleichbedeutenden griechischen Begriff háls.

Salz war jahrhundertelang eine der begehrtesten Handelswaren. Zahlreiche Kriege wurden um die Salzvorkommen und die Beherrschung der Salzstraßen geführt, so wie heute um das Erdöl und demnächst, so steht zu befürchten, um das Wasser.

Mittlerweile ist Salz, der zu Stein verdichtete Rest der Urzeitmeere, zu einer alltäglichen Gebrauchsware geworden. Und dennoch: Ein paar kleine Prisen davon machen das Leben erst lebenswert. Wer das nicht glauben kann, der versuche auch nur einmal, ohne Salz zu kochen.

Kammer

Ein seltsamer Name

Warum heißt das Salzkammergut Salzkammergut? Das ursprüngliche Gebiet umfasste den Verlauf des Flusses Traun sowie die angrenzenden Berge und Wälder. Da dieses Gebiet für die Salzgewinnung und den Salztransport so ungemein wichtig war, wurde es sozusagen »verstaatlicht« und direkt der »Hofkammer« in Wien unterstellt. Es wurde also zu einem »Kammergut«, dem Salzkammergut eben. Als solches hatte es einen Großteil des Habsburger-Reiches mit Speisesalz zu versorgen: Österreich, Böhmen, Mähren, Ungarn. Etwa ein Fünftel der Einnahmen des Kaiserhofs in Wien stammte aus dem Salzmonopol.

Der oberste Verwalter des Salzkammerguts, urkundlich erstmals 1335 erwähnt, hieß Salzamtmann und saß im Kammerhof in Gmunden. Ihm unterstanden die Bergwerke, die Salinen, der Salztransport sowie das gesamte Forstwesen, weil das Holz für das Salzsieden unerlässlich war. Zudem war der Salzamtmann auch noch oberster Gerichtsherr in seinem Gebiet. So etwas wie Reisefreiheit existierte nicht, und selbst Eheschließungen bedurften lange Zeit der Zustimmung des Kammeramts. Diese Beschränkung des Liebeslebens durch die Obrigkeit bewirkte, dass sich die moralischen Vorstellungen über Ehe und Familie den Gegebenheiten anpassten, was zur Entstehung eigenartiger Bräuche führte.

»Beyde genießen ungestört …«

Bereits der Pionier der Salzkammergut-Forschung, Joseph August Schultes, berichtet in seinen »Reisen durch Oberösterreich«, erschienen 1809 in Tübingen, dass in manchen Jahrgängen die »volle Hälfte« der neugeborenen Kinder unehelich war. »Dessen ungeachtet«, meint Schultes, »bleibt die Sittlichkeit meiner Oberösterreicher doch unbescholten.« Und das, obwohl sich Bräuche durchsetzten, die damals als skandalös empfunden werden mussten – etwa das »Fensterlgehen«: »Der Junge (der Bua, d. h. der Bube, und jeder Unverheurathete bleibt hier so lange Bube, bis er nicht verheurathet ist, auch wenn er sechzig Jahre alt wäre), der Junge, der hier, aus was immer für einem Grunde, nicht heurathen kann, aus Armuth nicht, oder weil es seine reicheren Schwieger ihm nicht erlauben, kommt hier des Nachts zum Fenster seines Mädchens (seines Diändels). Er steigt ein, und beyde genießen hier ungestört, wenn nicht ein zu strenger Vater oder Hausherr diese spartanische Sitte in seinem Hause sich verbittet, der Freuden des Ehebettes. Mit der zärtlichsten Treue eines Gatten hängen die Geliebten, ohne alles Band der Kirche, einander an, wenn diese nächtlichen Besuche einen stillen Zeugen werden sehen. Man weiß wenige Beyspiele einer Untreue unter diesen Selbstverlobten. Es ist keine Schande hier für eine Braut, durchaus keine Schande, mit zwei oder drei Kindern zum Altare zu gehen.«

Eine Region expandiert

Heute spielen im Salzkammergut sowohl das »Fensterlgehen« als auch das Salz eine untergeordnete Rolle. Auch die »Kammer«, mittlerweile Finanzamt genannt, macht zwischen den Regionen keinen Unterschied mehr. »Salzkammergut«, das ist ein historischer Begriff. Seit sich dieser auch touristisch vermarkten lässt, nimmt das Salzkammergut ständig an Größe zu. (Heute befinden sich etwa zweiundsiebzig Prozent der Fläche in Oberösterreich, sechzehn Prozent in der Steiermark und zwölf Prozent in Salzburg.) Während früher Gebiete wie das Almtal, Tauplitz/Bad Mitterndorf oder Fuschl allenfalls als Grenzregionen durchgingen, findet man heute sogar schon das Ennstal oder den Irrsee in Salzkammergut-Führern.

Viel kommen die Orte herum neuerdings, hätte Alfred Polgar wohl gemeint.

Gut

Flöte statt Schwert

Es gibt keinerlei Anlass, die Vergangenheit des Salzkammerguts zu verklären. Es bildete ein abgeschlossenes Gebiet, das über lange Zeit ohne schriftliches Visum weder von Einheimischen verlassen noch von Fremden betreten werden durfte. Das brachte neben vielen Nachteilen allerdings auch einige Vorteile. Von direkten Kriegshandlungen zum Beispiel ist das Salzkammergut im Vergleich zu anderen Gebieten weitgehend verschont geblieben. Lange blieb hier das Tragen von Waffen verboten; die Männer, unentbehrlich als Holz- und Salinenarbeiter, waren vom Militärdienst befreit. Auch der älteste Fund, der von menschlichen Spuren im Salzkammergut zeugt, war kein kriegerischer, kein Dolch oder Schwert, wie das sonst so üblich ist. Es war eine Flöte, gefertigt aus dem Knochen eines Höhlenbären, gefunden im Toten Gebirge.

Die geografische und politische Abgeschlossenheit des Salzkammerguts bewirkte nicht nur, dass sich hier ein ganz eigenes soziales Gefüge entwickelte. Sie führte auch dazu, dass sich viele Bräuche und Eigenheiten der Bewohner unverändert über die Jahrhunderte erhalten konnten. Das Brauchtum im Salzkammergut tritt größtenteils »unverfälscht« auf, weil es heute noch zum eigenen Vergnügen und nicht als Show für Touristen betrieben wird. Das Brauchtum muss hier nicht gepflegt werden. Es geht ihm noch recht gut.

»Leichenähnliche Menschen«

Aber sonst? »Gut« lebten im Salzkammergut über viele Jahrhunderte nur ganz wenige. Die meisten Menschen arbeiteten in der Salzwirtschaft, und zwar in völliger Abhängigkeit von einem Dienstgeber, der gleichzeitig die politische und gerichtliche Gewalt innehatte.

Zwar billigte das Kammeramt den Arbeitern Krankengeld, medizinische Versorgung und sogar eine Pension zu, die nach vierzig Dienstjahren die Höhe des vollen Lohns erreichte. Doch vierzig überlebte Dienstjahre blieben ein Ausnahmefall, so schlecht waren Bezahlung und Arbeitsbedingungen. In spartanischen Behausungen lebten chronisch unterernährte Menschen, die in erster Linie »Schottensuppe« aßen: vergorene Brotstücke in saurer Milch.

Von einer »traurigen Erscheinung« sprach 1810 auch der Sekretär Erzherzog Johanns, als er über die »Verkümmerung und Armut der Salzkammergütler« berichtete: »Der Arbeiter musste sogar Schmalz und Korn verkaufen, um sich und die Seinigen notdürftig zu kleiden. Eine natürliche Folge davon war, dass es ihm nun an Nahrung und jeder Pflege seines Körpers fehlte, dass er verkümmerte und mit seinen Kindern verkrüppelte.« Der Reiseschriftsteller Johann Eduard Mader klagte 1809 das »empörendste Schauspiel menschlichen Elends an« und beschrieb die Arbeiter in den Sudhäusern als ein Heer »bleicher, hohlwangiger, leichenähnlicher Menschen, die fast ganz nackt arbeiten und in Wachen zu sechs Stunden einander ablösen, vegetieren, da die Sudarbeit Tag und Nacht ununterbrochen fortdauert …« Schon etwas früher bemerkte Joseph August Schultes in Ebensee, dass man »von allen Seiten von Bettlern angefallen wird«: »Die guten Leute sind doch alle Arbeiter, haben doch alle kaiserliches Brod, und es thut so wehe, wenn man sieht, dass man betteln muss, wenn man für einen Kaiser arbeitet.«

Die katholische Kirche stellte wie so oft anschaulich unter Beweis, dass sie sich nicht im geringsten um die Lehren ihres Gottes kümmerte. Sie verkündete den Menschen ein Himmelreich, das nur durch großes Leiden erreicht werden könne. Sie sorgte dafür, dass die Reichen reicher wurden und half ihnen dabei, den Armen noch den letzten Rock auszuziehen. Zahlreiche Fälle von Trink- und Spielsucht unter Geistlichen, aber vor allem das »Beichtgeld«, mit dem sich die Wohlhabenden schon vor dem Sündigen die Absolution erkaufen konnten, erregten die Gemüter. Gerade in der explosiven sozialen Situation des Salzkammerguts wirkte die Lehre Martin Luthers wie ein zündender Funke. Die Protestanten traten mit Streiks und Aufständen gegen kirchliche und staatliche Machthaber auf. Rund um 1550 hatte fast das gesamte Salzkammergut das evangelische Bekenntnis angenommen. Mit entsprechend großer Härte setzte fünfzig Jahre später die Gegenreformation ein. »Man fieng im Jahr 1599 den Krieg gegen diese ruhigen Leute im Salzkammergut in allem Ernste an, viele Familienväter wurden getödtet, noch mehrere verbannt, und katholische Priester den Leuten aufgedrungen«, berichtet Joseph August Schultes. »Nirgendwo durfte man einen evangelischen Prediger beherbergen; wer sich dies zu thun unterstand, wurde als Rebelle hingerichtet.«

Die Protestanten bildeten zwar eine Volkswehr, doch der direkten Konfrontation mit der Übermacht des kaiserlichen Söldnerheeres war diese nicht gewachsen. Nach kurzem Kampf – 1602, bei Ischl – wurden die Rädelsführer der Lutheraner gefangen genommen und öffentlich gevierteilt. Auch die »einfachen Leute« mussten Repressionen erdulden: »Im Zuge der Gegenreformation wurden ungezählte Familien verfolgt, bekämpft und zur Emigration gezwungen«, schreibt Franz Gillesberger. »Noch 1742 erging der Befehl, alle Arbeiter, die nicht in der Kirche zu sehen waren, oder die den Gottesdienst früher verließen, zu entlassen!«

Rebellen aus Prinzip

Angesichts dieser Zustände ist es wenig verwunderlich, wenn es immer wieder zu Aufständen und Revolten kam. Das Aufbegehren gegen die Obrigkeit hat sich im Salzkammergut im Lauf der Jahrhunderte fast zu einer Tradition entwickelt, genauso wie die geheime Rebellion. Auch die aufständischen Lutheraner von damals behielten ihren Glauben insgeheim. Als im Jahr 1781 Kaiser Josephs Toleranzpatent auch ihnen freie Religionsausübung zusicherte, staunten viele nicht wenig, als ganze Ortschaften sich plötzlich zum evangelischen Glauben bekannten.

Später, als es den Sozialismus und Wahlen gab, wählte man sozialistisch oder kommunistisch – natürlich auch aus lutherischem Protest gegen den katholischen Ständestaat. Einige Orte wie Bad Goisern oder Gosau sind heute noch überwiegend protestantisch, eine Rarität im katholischen Österreich. Entlang des »Red Canyon« von Ebensee über Ischl, Goisern, Gosau bis Hallstatt sind die Gemeinden mit Mehrheiten bis zu dreiundneunzig Prozent fest in sozialdemokratischer Hand. Das ist in ländlichen Gebieten ungewöhnlich, gehört aber zur Identität des Salzkammerguts, dem das nostalgisch-kaisertreue Image erst von Operettendichtern und Tourismusmanagern verpasst wurde.

Glöcklerlauf und Internet

In den heimatlich-rustikalen Fernsehsendungen präsentiert man auch heute gerne das verlogene Salzkammergut-Bild von gemütlichen, wenngleich leicht zurückgebliebenen Eingeborenen, die beschaulich in einer Welt leben, in der angeblich die Zeit stehen geblieben ist. Im Fernsehen sieht man nur die urige Hütte und den Wirt in der Lederhose und die Wirtin im Dirndl und die Musiker beim Stammtisch. Dass die Hütte mit Solarzellen und einer Bio-Kläranlage ausgestattet ist, bleibt ebenso ausgespart wie die Tatsachen, dass die Musiker vielleicht auch auf YouTube veröffentlichen und die Wirtsleute auf Facebook aktiv sind.

Gerade dieses Nebeneinander von Tradition und Moderne macht aber das Salzkammergut so spannend und lebendig. In Ebensee zum Beispiel finden der Glöcklerlauf, der Faschingsumzug und viele andere Brauchtumsveranstaltungen statt. Es gibt dort aber auch ein Programmkino, Rock- und Popkonzerte vom Feinsten sowie die Salinen Austria als ebenso traditionsreichen wie innovativen Arbeitgeber.

Auch die großen Industriebetriebe, die Solvay in Ebensee oder die Laufen Austria in Gmunden oder die Rigips-Werke in Bad Aussee oder die Papierfabrik in Steyrermühl passen trotz ihrer wenig charmanten Architektur in die Region. Gerade weil es im Salzkammergut eine vergleichsweise gute Arbeitsmarktsituation gibt, bleibt das Gebiet auch für Besucher interessant. Ganze Landstriche verlieren ihren Charme, wenn alles und alle nur noch darauf aus sind, den Gast zu »bedienen«.

Im Salzkammergut hatte man mit dem Dienen zum Glück schon immer Schwierigkeiten.

Hallstatt

Schattenwelt

Kein Mensch würde sich freiwillig dort ansiedeln, wo heute Hallstatt steht: Es gibt kaum Platz zum Wohnen und keinen Boden für die Landwirtschaft. Die Berge kommen einem unanständig nahe, und während man sich ängstlich nach ihnen umdreht, liegt man auch schon fast im See. Und das Schlimmste: Viele Plätze dieses ungastlichen Fleckens sehen monatelang keine Sonne.

Und doch hat Hallstatt einer ganzen geschichtlichen Epoche ihren Namen gegeben. Denn bereits vor dreitausendzweihundert Jahren kamen unsere Vorfahren auf die Idee, hier Salz in Gruben abzubauen. Der Handel mit dem kostbaren Gut und der daraus resultierende Reichtum brachten eine Kultur zum Blühen, die als Hallstattzeit (8.–5. Jahrhundert vor Christus) bekannt ist und deren Kunst- und Gebrauchsgegenstände eine für das damalige Europa einmalige Perfektion erreichten. »Rom war noch nicht gebaut, als Hallstatt bereits Weltgeltung als Handelspartner hatte«, so Alfred Komarek.

Hallstatt ist heute noch eine eigene Welt und die Hallstätter sind, das sagen sogar sie selbst, eigene Leute. Wenn sich diese Welt von ihrer schönsten Seite zeigt, an ruhigen, sonnigen Tagen im Herbst, dann bekommt sie etwas Überirdisches. Weil das Überirdische mit dem Tod zu tun hat, wirkt Hallstatt vielleicht auf viele Menschen unheimlich. »Oh wie schön«, sagen die Touristen, fotografieren reihum den Hauptplatz und wanken durch die engen Gassen, in denen man sich, so wunderbar wie sonst nur in italienischen Altstädten, vorstellen kann, man lebe in einer anderen Zeit. Die Touristen bewundern die Hallstätter Häuser mit ihren Spalierbäumen und schütteln den Kopf über die Tatsache, dass viele dieser Häuser an der Vorderseite drei Stockwerke haben, in dessen oberstes man auf der Rückseite, am Hang, ebenerdig eintreten kann. Aber immer wieder werfen die Besucher sorgenvolle Blicke auf den schwarzen tiefen See, auf die schroffen Felswände, zum Gräberfeld hinauf, zum mächtigen Dachstein hinüber, der seinen alten Namen Thorstein dem blitzeschleudernden Donnergott verdankt. Und wenn sie dann wieder in ihren Bussen sitzen, die Touristen, den Gosaubach überqueren und bei Goisern merken, dass der Druck der Gebirge langsam nachlässt, dann atmen manche von ihnen ein klein wenig auf.