cover.jpg

img1.jpg

 

Nr. 15

 

Stadt der Piraten

 

von Paul Wolf

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Nachdem der Lichtbote nach seinem Sieg über die Finsternis die Welt sich selbst überlassen hatte, begannen die Kräfte des Bösen, die sich in die Dunkelzone geflüchtet hatten, wieder zu erstarken. Inzwischen greifen sie aus der Dunkelzone, einem Ring kosmischer Trümmer, der die Welt umgibt und in eine Nord- und eine Südhälfte teilt, an und beeinflussen bereits weite Teile der nördlichen Länder und deren Bewohner.

Das gilt besonders für die Caer, ein Kriegsvolk, das, von Dämonenpriestern angeführt, einen Eroberungsfeldzug beginnt und seine Nachbarn mit Feuer und Schwert heimsucht.

Im Verhältnis zu den Horden der Caer ist die Zahl derer, die auf Seiten der Lichtwelt gegen die Mächte des Dunkels kämpfen, erschreckend gering. Eigentlich ist es nur ein Häuflein Tapferer und Unverzagter, das angeführt wird von Mythor, den man den Sohn des Kometen nennt.

Gegenwärtig befinden sich Mythor und seine Gefährten in der Gewalt des Ritters Coerl O'Marn und des Caer-Priesters Drundyr und gehen jetzt einem ungewissen Schicksal entgegen.

Doch die Lage der Gefangenen verändert sich drastisch, sobald man an die Elvenbrücke gelangt und in die Nähe von Thormain, der STADT DER PIRATEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Mythor – Der Helm der Gerechten weist ihm den Weg.

Kalathee, Nottr und Sadagar – Mythors Gefährten verkleiden sich als Musikanten.

Yargh Mainer – Ein Rechtloser.

Welleynn – Henker von Thormain.

Drundyr – Der Caer-Priester findet ein schreckliches Ende.

1.

 

»Rast!«, verkündete Coerl O'Marn mit erhobener Hand.

Während die Geräusche verrieten, dass seine Reiter absaßen, drängte der Ritter seinen Braunen durch das Unterholz zum Ufer des Goldenen Sees. Der schweigsame Hüne, der im Kampf ergraut war, blickte durch das Visier seines Helmes auf das dunkle Gewässer hinaus, über das sich die Abenddämmerung senkte.

In den kahlen Wipfeln der Bäume war ein anschwellendes Rauschen, das Zeugnis vom Zunehmen des Sturmes ablegte. Aber während die Baumkronen geschüttelt wurden, blieb die Oberfläche des Sees ganz ruhig. Keine Welle kräuselte sich, das Wasser war so glatt wie ein Spiegel. Wie ein schwarzer Spiegel, in dem man die Mauer der dichten Uferwälder kaum sehen konnte.

Der Ritter nahm mit bedächtiger Bewegung seinen Helm ab, dass der Wind in seiner grauen Mähne spielen konnte, und er mochte sich beim Anblick des großen schwarzen Gewässers, das bis an den hohen Wall der Elvenbrücke heranreichte, fragen, warum man es den Goldenen See nannte.

Die ersten Schneeflocken wurden durch die Luft gewirbelt und verschmolzen mit der unbewegten Wasseroberfläche.

Ein Geräusch in seinem Rücken ließ den Caer-Ritter aus seinen Betrachtungen schrecken. Gleich darauf tauchte neben ihm ein Reiter auf, der einen weiten, silbrigen Umhang trug und einen spitzen Helm, der mit Knochen verziert war. Es war Drundyr, der Priester der dunklen Mächte, der nahe Althars Wolkenhort mit seiner Begleiterin zu Coerl O'Marn und seinen Kriegern gestoßen war.

»Was befiehlst du da, Ritter«, sagte Drundyr mit seiner hohen Stimme, die O'Marn unangenehm in den Ohren klang. »Was verleitet dich dazu, die Sicherheit des Titanenpfades zu verlassen und am Ufer dieses gefährlichen Gewässers zu lagern?«

»Es steht ein Unwetter bevor«, sagte O'Marn. »Auf dem Titanenpfad wären wir den Unbilden des Wetters ausgesetzt gewesen. Der Wald bietet uns vor dem Sturm Schutz.«

»Und was ist mit dem mörderischen Getier, das in diesem See haust?«, rief Drundyr mit sich überschlagender Stimme. Dabei blieb sein wie gläsern wirkendes Gesicht maskenhaft starr. Der Drundyr beherrschende Dämon hatte auch in Momenten höchster Erregung Gewalt über ihn.

»Was ist damit?«, fragte der Ritter zurück.

»Du weißt, welche Gefahren der Goldene See birgt, O'Marn«, sagte Drundyr wütend. »Die Elven haben einst dieses Gewässer als zusätzlichen Schutz für ihren Wall mit furchtbaren Ungeheuern belebt. Es gibt genügend Geschichten über Reisende, die sich zu nahe an das Ufer herangewagt haben und Opfer dieser Bestien wurden. Wären wir auf dem Titanenpfad geblieben, hätten wir die Elvenbrücke noch vor Einbruch des Unwetters überwinden und in Sicherheit gelangen können.«

»Das sagst du, aber du bist kein Krieger«, erwiderte Coerl O'Marn. »Du solltest bei deinen magischen Praktiken bleiben, doch beginne ich daran zu zweifeln, ob du genügend von deinem Handwerk verstehst. Eigentlich habe ich erwartet, dass du mit einem Wetterzauber den Sturm von uns fernhältst. Da du es nicht getan hast, mussten wir den Titanenpfad verlassen.«

»Du kannst mich nicht ungestraft beleidigen«, wetterte Drundyr. »Dafür wirst du noch büßen.«

Coerl O'Marn war vom Pferd gestiegen und bis dicht ans Ufer getreten. Als er sich jetzt zu der spiegelglatten Wasseroberfläche hinunterbeugte, wurde diese auf einmal aufgewühlt. Der sonst furchtlose Ritter wich unwillkürlich zurück, als das Wasser plötzlich von zuckenden und sich schlängelnden Körpern gepeitscht wurde.

Der See wurde zuerst nur in der Nähe des Ritters von den sich wie rasend gebärdenden Seeungeheuern aufgewühlt. Aber die Raserei griff blitzartig um sich, bis die gesamte Oberfläche des Gewässers zu brodeln schien.

Es ging alles so schnell, dass der Ritter keine Einzelheiten erkennen konnte. Er sah da und dort gepanzerte Schädel mit hervorquellenden Augen, sich ringelnde Körper, Krallen und Flossen und gezackte Schwänze im schäumenden Wasser.

Und dann war wieder alles vorbei. So unverhofft der Spuk begonnen hatte, so rasch legte er sich auch wieder. Der See beruhigte sich, die letzten Ausläufer der Wellen rollten noch gegen das Ufer, dann war die Wasseroberfläche wieder glatt und bewegungslos.

Coerl O'Marn hatte sich nach der ersten Überraschung schnell gefasst. Nicht aber so der Caer-Priester.

»War dir das nicht Warnung genug?«, kreischte er. »Lass das Lager abbrechen und auf die andere Seite der Elvenbrücke verlegen.«

»Das ist nicht nötig«, sagte O'Marn und blickte dabei Drundyr geradewegs in die Augen; er war einer der wenigen, die dem Blick der Caer-Priester auch für längere Zeit widerstehen konnten. »Für uns besteht keine Gefahr, denn du wirst uns mit deiner Magie vor den Ungeheuern des Goldenen Sees schützen.«

Drundyr heulte auf, wendete sein Pferd und ritt davon. Vor der Lichtung, auf der die achtzehn Caer-Krieger mit ihren Gefangenen haltgemacht hatten, stieg er vom Pferd und überließ es einem der Krieger. Dann tauchte er im Unterholz unter.

Mythor beobachtete ihn, bis er seinen Blicken entschwand.

»Absitzen!«, sagte der Caer, der den Knoten des Stricks gelöst hatte, mit dem er am Sattelknauf festgebunden gewesen war.

Mythor hielt seine aneinandergebundenen Hände hoch und fragte:

»Und was ist damit? Wie soll ich mich kratzen, wenn es mich juckt?«

»Das könnte dir so passen«, rief der Krieger. »Wenn du Flöhe hast, musst du selber sehen, wie du damit zurechtkommst.«

Ein paar andere Caer, die Kalathee, Sadagar und Nottr von den Sattelfesseln befreiten, lachten dazu. Einer sagte:

»Seid froh, dass euch nichts Schlimmeres widerfährt, als gefesselt zu sein. Wenn es nach Drundyr ginge ...«

Er verschluckte den Rest des Satzes.

Mythor schwang sich aus dem Sattel und sprang zu Boden. Er wollte zu Kalathee eilen, um ihr vom Pferd zu helfen, aber Nottr kam ihm zuvor. Irgendein Caer machte deswegen eine abfällige Bemerkung. Nottr entging das nicht, und er drehte sich wütend dem Spötter zu. Doch dieser hatte die Heißblütigkeit des Lorvaners in den vergangenen sechs Tagen zur Genüge kennengelernt und war gewitzt genug, sofort zur Waffe zu greifen. Nottr hielt inne, als ihm die Schwertspitze an sein weißes Herzfell gesetzt wurde.

»Nur zu, Barbar«, spottete der Caer. »Ich wollte schon immer wissen, ob dein Fell mehr als nur Zierde ist.«

»Aufhören!«, befahl eine heisere Stimme. Sie gehörte Pethorn, einem rothaarigen, muskulösen Krieger, den Coerl O'Marn als Bewacher für Nyala von Elvinon abgestellt hatte. Es hatte sich während des sechs Tage dauernden Rittes von Althars Wolkenhort bis an die Ufer des Goldenen Sees immer deutlicher gezeigt, dass Pethorns Wort gleich nach dem des Ritters kam. Und zweifellos stand er O'Marn auch nicht viel nach, was die Kampfkraft betraf. Der Ritter hatte also das Schicksal der Herzogstochter in die Obhut seines besten Mannes gelegt. Das, so hatte Mythor erkannt, war darauf zurückzuführen, dass der Ritter eine deutliche Zuneigung für Nyala entwickelt hatte.

Pethorn gab Nottr einen Stoß, dass er stolperte und zu Boden fiel. Als er sich dem Krieger zuwandte, hatte dieser das Schwert bereits zurückgesteckt. Der Unterführer warf noch einige drohende Blicke um sich, dann stapfte er zum Rand der Lichtung, wo Nyala noch hoch zu Ross saß. Sie war völlig teilnahmslos, ihre dunklen Augen starrten ins Leere. Pethorn hob sie einfach vom Sattel. Sie schien gar nicht richtig zu merken, was mit ihr geschah, denn sie stand immer noch im Bann Drundyrs, der sie mit seiner dämonischen Kraft beeinflusste.

»Hast du gehört?«, raunte da Sadagar neben Mythor. »Die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Ritter und dem Priester werden immer lautstarker.«

»Es war nicht zu überhören«, sagte Mythor beipflichtend. »Eigentlich habe ich gehofft, dass es zwischen den beiden endgültig zum Bruch kommt. Das hätte nur Vorteile für uns. O'Marn ist wenigstens ein Mann von Ehre.«

Sadagar wiegte den Kopf.

»Das mag schon sein, aber ausnahmsweise würde ich diesmal Drundyr recht geben«, sagte er unbehaglich. »Von allen unheimlichen Orten im Lande Yortomen ist mir dieser Goldene See der unheimlichste. Ich habe gehört, als sich zwei Caer über die Scheusale unterhielten, die dieses Gewässer beherbergen soll. Wenn nur ein Bruchteil davon stimmt, dann können wir uns auf etwas gefasst machen.«

»Mir auch ein Rätsel«, mischte sich Nottr ein, der sich zu ihnen gesellt hatte. Bevor er weitersprechen konnte, kam ein Caer-Krieger zu ihnen, überprüfte die Fesseln und nötigte sie dann, sich in einer Reihe auf den kalten, gefrorenen Boden zu setzen.

»Beim Kleinen Nadomir!«, rief Sadagar entrüstet, »habt ihr nicht wenigstens ein paar Felle übrig, damit wir nicht erfrieren?«

»Dein Schutzgeist ist dir wohl in die Hose gefallen!«, rief der Caer und grölte dazu.

»Was verstehst du nicht, Nottr?«, erkundigte sich Mythor, als sie wieder unter sich waren. Während er das sagte, wurde Kalathee zu ihnen geführt.

»Es sieht so aus, dass O'Marn absichtlich die gefährlichere von zwei Möglichkeiten gewählt hat«, sagte Nottr. »Sturm oder nicht, der Titanenpfad wäre sicherer gewesen.«

»Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht«, sagte Mythor. »Ich vermute, dass der Ritter diesen gefährlichen Ort aufgesucht hat, um eine Änderung der Situation durch äußere Umstände herbeizuführen.«

»Du kannst ruhig ganz deutlich aussprechen, dass der Ritter alles nur für die Herzogstochter tut, Mythor«, warf Kalathee ein. »O'Marn hat sich in Herzog Krudes Tochter vergafft. Schmerzt dich das, Mythor?«

»Fragen stellst du, Kalathee«, sagte Mythor, wich aber dem forschenden Blick des Mädchens aus, dessen Gefühle er zu kennen glaubte.

»Immerhin war es Nyala, die als erste den Sohn des Kometen in dir sah«, fuhr Kalathee beharrlich fort. »Du hast ihr einiges zu verdanken – und du hast mit ihr einiges erlebt.«

»Eifersucht!«, stellte Nottr fest und lachte rau. »Lassen wir solche Gefühle beiseite. Sie machen blind. Ich weiß das.«

Sie wussten, wie er das meinte. Der Lorvaner hatte einmal versucht, Kalathee für sich zu gewinnen, obwohl er wusste, wie sehr das Mädchen aus Xanadas Lichtburg Mythor zugetan war. Es fiel ihm sicherlich nicht leicht, auf diesen für ihn beschämenden Zwischenfall hinzuweisen. Er überspielte das auch sofort, indem er schnell fortfuhr:

»Das verstehe einer! Warum soll O'Marn seine Angebetete absichtlich in Gefahr bringen?«

»Das geht natürlich nicht in den Kopf eines Barbaren«, sagte Sadagar in gutmütigem Spott. »O'Marn will, dass es mit dem Caer-Priester zum Bruch kommt. Aber er will gleichzeitig den Anschein erwecken, nichts dafür zu können.«

Jetzt verstand Nottr.

»Und ich dachte, der Ritter sei ein tapferer Mann«, sagte er abfällig. »Kein Lorvaner würde eine so schäbige List anwenden.«

»Aus dir spricht wieder mal der Barbar«, sagte Sadagar.

»Wenn es darauf ankommt, dann stellt O'Marn seinen Mann«, sagte Mythor überzeugt. »Sein Problem ist, dass er dem Caer-Priester untergeordnet ist und ihm gehorchen müsste.«

Kalathee stieß Mythor an. Als er hochblickte, sah er Coerl O'Marn auf die Lichtung treten, den Braunen am Zügel führend.

»Entzündet einige Lagerfeuer!«, trug er seinen Leuten auf, die damit beschäftigt waren, die Pferde zu versorgen, Schlafstellen vorzubereiten und die Nahrungsvorräte aufzuteilen. »Verteilt Felle an die Gefangenen und gebt ihnen genügend zu essen.«

Mythor beobachtete, wie der Ritter in Richtung des Packpferds blickte, das neben anderer Ausrüstung auch ihre Waffen trug, darunter den Helm der Gerechten aus Althars Wolkenhort und das gläserne Schwert Alton. Mythor wurde wehmütig daran erinnert, dass er sich des kostbaren Helmes nicht lange hatte erfreuen können.

»Lockt es dich nicht, Ritter O'Marn«, rief Mythor über die Lichtung, »Helm und Schwert gegen diese wunderbaren Zauberwaffen zu vertauschen?«

O'Marn gab keine Antwort. Er näherte sich Nyala, die auf einem dicken Fell saß und mit dem Rücken an einen Baum lehnte. Schweigend griff der Ritter in einen Fellballen, den ein Krieger an ihm vorbeitrug, und legte Nyala zwei dicke Pelze über die Schultern. Sie hob den Kopf, und Mythor bildete sich ein, dass für einen Moment Dankbarkeit in ihren Augen aufglomm.

Plötzlich hob ein gewaltiges Rauschen an. In den Baumkronen über ihnen brachen Äste. Ein heftiger Windstoß fegte über die Lichtung. Zwei der von den Caer entfachten Lagerfeuer wurden erstickt, die anderen flackerten wild auf. Gleichzeitig mit dieser stürmischen Bö kam vom See ein Geräusch wie von einer tosenden Brandung. Dazwischen war das Aufklatschen unzähliger Körper auf der Wasseroberfläche zu hören. Als Mythor durch eine Lücke in den Büschen hindurchblickte, hatte er für kurze Zeit den Eindruck, als würde der See brodeln und kochen. Aber schon im nächsten Augenblick beruhigte sich das Gewässer wieder.

Sadagar schluckte und sagte:

»Die Seeungeheuer machen sich bereits gegenseitig Appetit auf uns. Wäre ich nicht gefesselt, ich würde ...«

Er verstummte, als ein Caer-Krieger ein zottiges Fell über ihn warf. Auch Nottr, Mythor und Kalathee bekamen Pelze zugeworfen.

Die Nacht war über das Land an der Elvenbrücke hereingebrochen. Der Wind kam in vehementen Böen und brachte Schnee mit sich. Die Pferde wieherten unruhig, von irgendwoher erklang das Bersten eines Baumes. Die Tiere des Sees gerieten wieder in Raserei, und diesmal beruhigten sie sich nicht so schnell wieder.

Ein markerschütternder Schrei erklang vom Ufer. Die Caer griffen augenblicklich zu ihren Waffen und nahmen Kampfstellung ein. Selbst Coerl O'Marn sprang auf die Beine, ergriff seinen verbeulten Rundschild und stellte sich schützend vor Nyala.

»Tanur! Tanur!«, rief eine aufgeregte Stimme vom Seeufer. Die Schritte eines Mannes, die vom Rascheln der Büsche und des Unterholzes begleitet wurden, näherten sich dem Lager. Ein Caer erschien mit gezücktem Schwert. Er rief mit atemloser Stimme: »Sie haben Tanur verschlungen. Es waren Scheusale so groß wie Pferde, und mit Schlangenkörpern. Tanur wollte eines der Ungeheuer mit dem Widerhaken fangen, aber es zog ihn in den See.«

»Ich habe euch gewarnt«, sagte Coerl O'Marn in die folgende Stille und legte Schwert und Schild wieder ab. »Tanur soll euch ein mahnendes Beispiel sein.«

Ein schrilles Gelächter ertönte, und Drundyr erschien auf der Lichtung.

»Es wird euch allen wie Tanur ergehen«, verkündete er dann. Er wandte sich einem Krieger zu und packte ihn mit beiden Händen an der Jacke. »Willst du bei lebendigem Leib gefressen werden?«

Der Caer straffte sich und sagte: »Ich habe meinem Ritter zu gehorchen.«

Drundyr stieß ihn von sich.

»Wenn ihr alle so denkt, dann wartet meinetwegen, bis das schleichende Grauen über euch kommt.«

Der Caer-Priester stimmte einen schrillen Singsang an und begab sich in den vom See am weitesten entfernten Teil des Lagers, wo er sich niederkauerte und sich in Felle vermummte.

»Macht größere Feuer!«, befahl Coerl O'Marn. »Das wird die Bestien abhalten.«

Er wollte sich wieder Nyala zuwenden. Aber diese hatte sich erhoben und richtete ihre Augen starr in Drundyrs Richtung. Der Caer-Priester gab noch immer einen verhaltenen Singsang von sich und hatte dabei sein gläsern wirkendes Gesicht der Tochter Herzog Krudes zugewandt.

»Komm nur, schöne Nyala«, sagte er zwischendurch und warf Coerl O'Marn einen triumphierenden Blick zu. »Komm zu deinem Herrn und Gebieter, der dich ruft.«

Und Nyala gehorchte, kam zu Drundyr und kniete vor ihm nieder. Als Mythor wieder zur der Stelle blickte, an der O'Marn gerade noch gestanden hatte, war der Platz leer.

»O'Marn wird diese Schmach nicht auf sich sitzen lassen«, behauptete Sadagar. »Wenn er den Caer-Priester nur endlich in Stücke schlagen würde, damit wir diesen unheimlichen Ort verlassen könnten.«

Als hätte Sadagar die bösen Geister beschworen, setzte das Toben der Ungeheuer im See wieder ein. Diesmal dauerte es jedoch an, und es schien, als wollten sich die entfesselten Wasserbewohner überhaupt nicht mehr beruhigen.

»Irgendwann wird die Feindschaft zwischen dem Priester und dem Ritter offen zum Ausbruch kommen«, raunte Mythor seinen Kameraden zu. »Das kann schon sehr bald sein. Haltet euch für alle Fälle bereit.«

Das Toben im See ging weiter. Es wurde immer wilder, die dabei entstehenden Geräusche erreichten eine Lautstärke, die selbst das Heulen der Sturmböen übertraf.

Gischt spritzte am Ufer auf. Eine Welle ergoss sich über ein Lagerfeuer, das zischend erlosch.

Von der Pferdekoppel erklang ein Wiehern in höchster Not. Man hörte die verzweifelten Rufe des Kriegers, der dort Wache hielt und offenbar versuchte, die aufgescheuchten Tiere zu beruhigen.