Albert Thiele

Argumentieren unter Stress

Albert Thiele

Argumentieren unter Stress

Wie man unfaire Angriffe
erfolgreich abwehrt

In Stress-Situationen gelassen bleiben

Selbstbewusst auftreten – Stärke signalisieren

Argumentations-AIKIDO – Aggressionen umlenken

Schlagfertig kontern und im Dialog bleiben

Dialektische Strategien für schwierige Situationen nutzen

Mit Trainingsprogamm zu Dialektik und Eristik

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Albert Thiele
Argumentieren unter Stress
Wie man unfaire Angriffe erfolgreich abwehrt
Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Frankenallee 71–81
0327 Frankfurt am Main
Geschäftsführung: Hans Homrighausen
8., ergänzte Auflage
Frankfurt am Main 2013
ISBN 978-3-95601-010-1
Bookshop und weitere Leseproben unter:
www.fazbuch.de
Copyright Frankfurter Societäts-Medien GmbH
Frankenallee 71–81
60327 Frankfurt am Main
Umschlag Anja Desch, F.A.Z.-Institut für Management-, Markt- und Medieninformationen GmbH, 60327 Frankfurt am Main
Satz Jan Hofmann
Titelbild ©Thinkstock
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einführung

I Grundlagen erfolgreicher Stress-Argumentation
1 Gelassenheit und Stress-Management
2 Zielgerechte Vorbereitung – Für die Stress-Prävention unverzichtbar
3 Selbstbewusst auftreten – Persönliche Autorität ausstrahlen
4 Mit unfairen Taktiken gekonnt umgehen
5 Subtile Manipulation und Psychotricks
6 Die zehn wichtigsten Schlagfertigkeitstechniken
7 Fünfsatztechnik – Die eigenen Botschaften auf den Punkt bringen
8 Einwände „weich“ und „wirksam“ behandeln
9 Basic Skills, die Sicherheit in der Stress-Argumentation geben
II Strategien für spezielle Stress-Situationen
10 Besprechungen und Diskussionen
11 Kritikgespräche
12 Verhandeln
13 Auftritte in Funk und Fernsehen
14 Präsentationen
15 Exkurs: Stressrhetorik für weibliche Führungskräfte
III Transfer- und Trainingsteil
16 Wie nutze ich den Alltag zur Optimierung meines Argumentationsverhaltens?
17 Trainingsprogramm und Checklisten

Fazit

Literatur

Abbildungsverzeichnis

Stichwortverzeichnis

Der Autor

Vorwort

Unfaire Angriffe haben in wirtschaftlich angespannten Zeiten Konjunktur. Wenn die Spielräume enger und brisante, emotional aufgeladene Themen diskutiert werden, führt das häufig zu aggressiven Auseinandersetzungen.

Zu den Spielarten, die als stressig erlebt werden, gehören persönliche Angriffe, Dominanzgebärden und Killerphrasen genauso wie Polemik, Schwarze-Peter-Spiele und Drohungen. „Argumentieren unter Stress“ gibt einen Überblick der wichtigsten Methoden unfairer Dialektik und zeigt Ihnen Erfolg versprechende Reaktionsmöglichkeiten. Darüber hinaus sensibilisiert das Werk für subtile und verdeckte Machtspiele, einschließlich sogenannter Dirty Tricks, die der Einschüchterung dienen. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie man offene und verdeckte unsachliche Spielarten früh erkennt, geschickt abwehrt und gleichzeitig den Dialog aufrechterhält.

Bei den empfohlenen Abwehrstrategien geht es um intelligente Reaktionen, die den betreffenden Kontext und die psychologischen Konsequenzen berücksichtigen. Einfache Schlagfertigkeitstechniken reichen hierbei nicht aus: Was nutzt es Ihnen langfristig, wenn Sie einen anderen Menschen verbal „ausknocken“, indem Sie ihn vor dem gesamten Führungskreis blamieren?

Dialektiktraining für Stress-Situationen geht in diesem Ratgeber weit über die Vermittlung von Techniken hinaus und berücksichtigt alle Faktoren, die auf Ihr Gegenüber einwirken. Je mehr persönliche Autorität und Sicherheit Sie ausstrahlen, umso eher signalisieren Sie einem Angreifer, dass Sie auf gleicher Augenhöhe kommunizieren und bei Einwänden und Unfairness dieses Gleichgewicht halten werden. Zum Dialektiktraining gehört somit auch die Entwicklung einer inneren Haltung, die Selbstzweifel überwindet und von Selbstvertrauen und Gelassenheit geprägt ist.

„Keine Kunst ohne Übung.“ Dieses Motto gilt auch für die Kunst des Argumentierens. Der Schlüssel für die kontinuierliche Verbesserung Ihrer Argumentationsfähigkeit liegt somit in der Praxis. In allen Kommunikationssituationen – in Gesprächen und Verhandlungen genauso wie in Besprechungen und Diskussionen – bietet sich die Chance, dazuzulernen, Neues auszuprobieren und die eigenen Fähigkeiten gezielt weiterzuentwickeln.

Dieses Buch bietet neben dem dialektischen Know-how ein korrespondierendes Trainingsprogramm, das Sie zur Vervollkommnung Ihrer Argumentationsfähigkeit nutzen können. Dieses Angebot hilft Ihnen, relevante Techniken selbstgesteuert einzuüben und so den Transfer in die Praxis zu begünstigen. Sie können die Übungen allein, zu zweit oder mit mehreren Lernpartnern ausprobieren. Mit Hilfe dieses Übungsprogramms können Sie zum Beispiel Ihre Fähigkeit verbessern,

Ihren Standpunkt knapp, klar und strukturiert zu formulieren,

aus dem Stegreif zu argumentieren,

unfaire Angriffe zu stoppen und den Dialog aufrechtzuerhalten,

auf sachliche Einwände gekonnt zu reagieren.

Betrachten Sie die Anregungen dieses Buches als Angebote: Suchen Sie sich diejenigen Empfehlungen heraus, die zu Ihren Anwendungssituationen, zu Ihrer Persönlichkeit und zu Ihren Karrierezielen passen.

Mein besonderer Dank gilt meinen Trainerkollegen, die mich in vielfältiger Weise unterstützt haben. Hervorheben möchte ich zunächst meinen langjährigen Partner Siegmar Saul, der durch zahlreiche Verbesserungsvorschläge zur Qualität und zum Praxisbezug dieses Buches wesentlich beigetragen hat. Zu Dank verpflichtet bin ich darüber hinaus meinen Co-Trainern Helmut Rehmsen und Ulrich Kienzle, mit denen ich gemeinsam viele Fernseh- und Medientrainings durchgeführt habe. Wichtige Praxistipps dieser Medienseminare wie zum Beispiel das Konzept „Blocken, Überbrücken, Kreuzen“ findet der Leser im Kapitel „Schwierige Situationen bei Auftritten in Funk und Fernsehen“.

Für die Lektüre dieses Ratgebers und für die Arbeit mit dem Trainingsprogramm wünsche ich Ihnen viel Freude und zahlreiche Heureka-Erlebnisse. Möge es Ihnen immer häufiger gelingen, unfaire Angriffe gelassen und souverän abzuwehren und dem besseren Sachargument zum Durchbruch zu verhelfen.

Düsseldorf, im Juni 2013 Dr. Albert Thiele

Einführung

Wer den Buchtitel „Argumentieren unter Stress“ auf sich wirken lässt, wird spontan an sehr unterschiedliche Situationen denken. Private Streitgespräche und Konflikte können genauso dazu gehören wie Killerphrasen und Verbalattacken im Beruf oder hitzige Debatten in Politik und Fernsehen. Stress erleben wir in täglichen Auseinandersetzungen vor allem dann, wenn wir Situationen oder Ereignisse als bedrohlich und schwierig erleben. Als besonders stressig empfinden Führungs- und Fachkräfte die Abwehr unfairer Angriffe, die Konfrontation mit kritischen Einwänden sowie Dominanzgebärden und Psychotricks, die auf den ersten Blick nicht zu durchschauen sind. Aggressive und boshafte Spielarten der Dialektik werden vor allem dann eingebracht, wenn brisante und emotional aufgeladene Themen diskutiert werden und die Fronten verhärtet sind. Darüber hinaus haben unfaire Taktiken noch eine andere Funktion: Der Angreifer möchte von den eigenen schwachen Sachargumenten ablenken und in jedem Falle recht behalten, auch wenn er objektiv nicht im Recht ist.

Wie die tägliche Erfahrung zeigt, kann man in jeder beruflichen Kommunikation durch offene und verdeckte unfaire Spielarten unter Stress geraten. Solche Stress-Situationen können in Gesprächen und Verhandlungen auftreten wie auch in Diskussionsrunden, bei Präsentationen oder in TV-Interviews. Hier typische Beispiele zur Veranschaulichung:

Wegen gravierender Qualitätsmängel der ausgelieferten Produkte kommt es zu einer lautstarken Diskussion. Der Vertriebschef greift Sie persönlich an und macht Ihnen heftige Vorwürfe: „Als Leiter des Qualitätsmanagements tragen Sie die alleinige Schuld für die schlechte Qualität der Chargen, die rausgegangen sind. Sie sind doch völlig überfordert und haben Ihr Team überhaupt nicht im Griff …“ Weitere Verbalattacken und Beleidigungen schließen sich an. Sie geraten unter Stress. Was tun?

Sie sind in einer harten Preisverhandlung bei einem wichtigen Kunden. Ihr neuer Verhandlungspartner entpuppt sich als „schwierig“: Er setzt Sie unter Druck, unterbricht ständig und spricht Ihnen durch Formulierungen wie „Wie lange sind Sie eigentlich im Vertrieb?“ unterschwellig die Kompetenz ab. In der entscheidenden Phase der Verhandlung konfrontiert Sie Ihr Gesprächspartner mit einem Wettbewerbsangebot, das um 25 Prozent unter Ihrem Preis liegen soll. Die Zahlen sind vermutlich „fingiert“. Was tun?

Ihre Geschäftsführung hat die strategische Neuausrichtung des Unternehmens beschlossen. Als Projektmanager haben Sie die Aufgabe, den kritischen Mitarbeitern der Produktion das neue Konzept vorzustellen. Sie sehen sich heftigen persönlichen Angriffen und Killerphrasen ausgesetzt. Besonders lautstark meldet sich der informelle Führer der Gruppe zu Wort: „Wir lehnen das neue Modell vollkommen ab. Unser Team kennt die Abläufe am besten. Trotzdem hat uns niemand gefragt. Die beteiligte Unternehmensberatung verdient sich mit dem Projekt doch nur eine goldene Nase.“ Und ein wenig später: „Ihnen geht es doch nur um Ihre Karriere, und zwar zulasten meiner Abteilung …“ Was tun?

In einer Konferenz bittet Sie der Geschäftsführer unerwartet um Ihre Einschätzung der Marktentwicklung. Zur Vorbereitung bleibt Ihnen keine Zeit. Die plötzliche Aufforderung des Chefs löst bei Ihnen eine Stress-Reaktion aus. Was tun?

Als weibliche Führungsnachwuchskraft haben Sie vor der männerdominierten Unternehmensleitung das neue Weiterbildungskonzept zu präsentieren. Allein der Gedanke an die statushohen und dominanten Manager löst in Ihnen Unwohlsein und Selbstzweifel aus. Es sind immer wieder diese selbstkritischen Fragen, die Sie beschäftigen: Haben Sie als junge Frau überhaupt die Kompetenz, um sich in diesem Kreis zu behaupten? Wird man Ihre Unsicherheit bemerken? Was machen Sie, wenn Ihre Zuhörer mit Desinteresse reagieren? Wie reagieren Sie, wenn Sie von Alphatieren mit Killerphrasen oder pauschalen Abwertungen angegriffen werden? Was machen Sie, wenn Teilnehmer Sie unterbrechen oder Monologe halten? Sie haben Angst davor, von den erfahrenen Führungskräften nicht ernst genommen zu werden. Wie können Sie diese mentalen Blockaden überwinden und mit Auftrittsfreude vor den Führungskreis treten?

In der Nordsee ist es zu einem Tankerunglück gekommen. Als Firmensprecher müssen Sie kurzfristig in einer Fernsehsendung die Sicht Ihres Unternehmens darstellen. In der ungewohnten Studioatmosphäre mit Kamera und Mikrofon haben Sie mit Lampenfieber und Schweißausbrüchen zu kämpfen. Innere Dialoge verstärken Ihre Unsicherheit: Wie werden Sie rüberkommen? Werden Sie den Erwartungen Ihres Unternehmens genügen? Was machen Sie, wenn Sie einen Blackout haben oder der Journalist unsachlich wird? Werden die Zuschauer an Ihrer Körpersprache und an Ihrer Stimme erkennen, wie nervös Sie sind? Was tun?

Sicherlich könnten Sie diese Beispiele problemlos erweitern durch Situationen und Ereignisse, in denen Sie mit ähnlichen oder anderen Spielarten unfairer Dialektik konfrontiert worden sind. In diesem Buch lernen Sie das breit gefächerte Spektrum unfairer und manipulativer Taktiken kennen und erhalten dabei auch das Rüstzeug, um die dialektischen Stress-Situationen zu meistern.

Die Inhalte dieses grundlegenden Teils:

1

Nutzen und Aufbau des Buches

2

Wie Sie dieses Buch bestmöglich nutzen

3

Ursachen unfairer Angriffe

4

Grundbegriffe

1 Nutzen und Aufbau des Buches

Dieses Buch hilft Ihnen, mit schwierigen Situationen in der täglichen Argumentation besser zurechtzukommen, unfaire Angriffe zu neutralisieren und – falls notwendig – zielwirksam und geschickt zu kontern. Es geht nicht darum, Schlagfertigkeitstechniken undifferenziert und schematisch einzusetzen. Vielmehr sind stets auch die psychologischen Konsequenzen zu bedenken. Wem ist damit geholfen, wenn Sie eine Redeschlacht mit einem Kunden gewinnen, dadurch aber gleichzeitig die Beziehung zu ihm belasten? Es ist ratsam, das eigene Verhaltensrepertoire dahingehend zu erweitern, dass man

gelassen auf unsachliche Spielarten oder verbale Angriffe reagiert,

wirkungsvolle Reaktionen verfügbar hat,

Strategien für festgefahrene Situationen und schwierige Gesprächspartner kennt und

je nach Situation und Bedarf schlagfertig kontern kann.

Die leitende Orientierung bei der Arbeit mit diesem Buch besteht darin, sich für eine Gesprächs- und Argumentationskultur zu entscheiden, die Erfolg versprechend ist und die zu Ihrer Persönlichkeit passt. Der Nutzen liegt dabei auf der Hand: Sie werden Ihre Energie wirkungsvoller auf die wichtigen Themen lenken und an Souveränität gewinnen. Sie werden sich das Heft des Handelns nicht so leicht von denjenigen aus der Hand nehmen lassen, die geringes Wissen mit rhetorischer Aggressivität verknüpfen. Wenn Sie beim Argumentieren unter Druck geraten, stehen Ihnen „Überlebensstrategien“ zur Verfügung, um gelassen und sicher zu agieren. Die Empfehlungen helfen Ihnen, das persönliche Stress-Niveau bei Vorträgen und Argumentationen optimal zu justieren. Sie lernen dabei dialektische Selbstverteidigungstechniken kennen, die – vergleichbar dem AIKIDO – zum Ziel haben, die Situation zu kontrollieren, den Angriff abzuwehren und die Energie des Angreifenden auf das Sachthema zu lenken.

Dieses Buch ist ein Leitfaden für die Stress-Argumentation. Theoretische Ausführungen sind zugunsten umsetzbarer Handlungsempfehlungen auf ein Mindestmaß beschränkt worden.

Argumentieren unter Stress

Unfaire Angriffe erfolgreich abwehren

I. Grundlagen erfolgreicher Stress-Argumentation

1. Wege zur inneren Gelassenheit

2. Zielwirksame Vorbereitung

3. Selbstbewusst auftreten

4. Unfaire Angriffe abwehren

5. Manipulation & Psychotricks

6. Sch la gfertigkeitstechniken

7. Fünfsatztechnik

8. Einwände behandeln

9. Basic Skills

II. Strategien für spezielle Stress-Situationen

10. Besprechungen und Diskussionen

11. Kritikgespräche

12. Verhandlungen

13. Auftritte in Funk und Fernsehen

14. Präsentationen

15. Stress-Rhetorik für Frauen

III. Transfer- und Trainingsteil

16. Transferhilfen

17. Trainingsprogramm

Die Übersicht zeigt den konzeptionellen Bezugsrahmen des Ratgebers. In den Kapiteln 1 bis 9 finden Sie die wichtigsten Voraussetzungen und Techniken für die optimale Bewältigung von Stress-Situationen, in denen Sie argumentieren. Hierbei geht es im Wesentlichen um allgemeine Empfehlungen, die Sie im Regelfall in allen Kommunikationssituationen anwenden können.

In den Bausteinen 10 bis 14 stehen konkrete Anwendungssituationen im Mittelpunkt. Die Ausführungen konzentrieren sich auf schwierige Passagen, die erfahrungsgemäß ein erhöhtes Stress-Niveau mit sich bringen. In Kapitel 15 geht es um spezielle Hinweise für weibliche Führungskräfte zur Weiterentwicklung ihrer Stress-Rhetorik. Zwei ergänzende Teile befassen sich mit dem erfolgreichen Transfer (Kapitel 16) und dem Training der beschriebenen Techniken (Kapitel 17).

Zur besseren Orientierung zunächst einige Details zu den einzelnen Kapiteln.

I. Grundlagen erfolgreicher Stress-Argumentation

Das Kapitel 1 behandelt Erfolg versprechende Wege zu einer gelassenen und positiven inneren Haltung, damit Sie bei unfairen Angriffen und in Stress-Situationen nicht in Panik geraten. Im Mittelpunkt steht hier die Frage, wie man am besten mit Ängsten umgeht, die unser Denken blockieren und die uns im Worst Case einen Blackout bescheren.

Gegenstand des 2. Kapitels ist die zielgerichtete Vorbereitung auf das Argumentieren. Hierdurch können Sie zusätzlich Ihre Sicherheit und Erfolgszuversicht fördern, weil Sie Ihre Argumentationsstrategie optimiert und präventiv Reaktionen für mögliche schwierige Situationen entwickelt haben.

In Kapitel 3 lernen Sie die wichtigsten Voraussetzungen für den überzeugenden Auftritt kennen. Sie erfahren hier, wie Sie Ihrem Gegenüber durch Ihre äußere Haltung Selbstsicherheit und persönliche Stärke signalisieren.

Die Kapitel 4 und 5 zeigen Ihnen, wie Sie sich vor unfairen Angriffen sowie Spielarten subtiler Manipulation und Psychotricks schützen können. Dieser Teil behandelt auch die nonverbalen Dominanz- und Kampfsignale, die ein Manipulator nutzt, um bei Ihnen Unterlegenheitsgefühle zu provozieren.

In Kapitel 6 werden die 10 wichtigsten Schlagfertigkeitstechniken vorgestellt. Der Fokus liegt auf den weichen, deeskalierend wirkenden Techniken.

Die Kapitel 7 bis 9 behandeln elementare Fähigkeiten, die für die erfolgreiche Überzeugungsarbeit notwendig sind. Im Einzelnen erhalten Sie Tipps zur Fünfsatztechnik (Kapitel 7), zur Einwandbehandlung (Kapitel 8) sowie zu weiteren speziellen Basistechniken (Kapitel 9).

II. Strategien für spezielle Stress-Situationen

In den Kapiteln 10 bis 14 geht es um dialektische Anwendungssituationen, in denen Sie konkret unter Argumentationsdruck geraten können. Handlungsempfehlungen werden formuliert für besonders schwierige Situationen

in Besprechungen und Diskussionen (Kapitel 10),

in Kritikgesprächen (Kapitel 11),

in Verhandlungen (Kapitel 12),

bei Auftritten in Funk und Fernsehen (Kapitel 13),

bei Präsentationen (Kapitel 14).

Im Mittelpunkt des 15. Kapitels stehen besondere Schwerpunkte für das Argumentationstraining von Frauen. Ausgangspunkt sind Lernwünsche und Erwartungen, die Frauen in unseren Seminaren und in empirischen Untersuchungen für besonders wichtig und dringlich halten. Die Praxistipps kommen der Aufstiegskompetenz von Frauen zugute und erleichtern es, in männlich dominierten Gremien auf Augenhöhe zu argumentieren.

III. Transfer- und Trainingsteil

Kapitel 16 zeigt Ihnen, was aus lernpsychologischer Sicht sinnvoll ist, um neue Gewohnheiten im Alltag aufzubauen. Im abschließenden Kapitel 17 finden Sie ein Trainingsprogramm zum selbstgesteuerten Einüben der wichtigsten dialektischen Techniken.

2 Wie Sie dieses Buch bestmöglich nutzen

Dieser Ratgeber zielt darauf, Ihre dialektischen Fähigkeiten nachhaltig zu verbessern. Die folgenden Arbeitshinweise helfen Ihnen, die Praxistipps und Inhalte rasch herauszufinden, die zu Ihren Anwendungssituationen passen:

Aufgrund der modularen Struktur des Buches können Sie sich bei Bedarf ein einzelnes Kapitel ohne Rücksicht auf die Reihenfolge herausgreifen und durcharbeiten.

In Kapitel 17 finden Sie ein Trainingsprogramm mit Übungsangeboten und Lösungsvorschlägen zu den wichtigsten dialektischen Fähigkeiten. Die Übungen korrespondieren mit Kapitel 7 „Fünfsatztechnik“, Kapitel 4 „Unfaire Angriffe abwehren“, Kapitel 6 „Schlagfertigkeitstechniken“ sowie Kapitel 8 „Einwände behandeln“.

Denken Sie schon während des Lesens daran, besonders hilfreiche Tipps und Anregungen herauszuschreiben und gegebenenfalls einen Anwendungsplan zu erstellen.

Wie Sie Anwendungspläne erstellen und günstige Voraussetzungen für die nachhaltige Verbesserung Ihrer Dialektik schaffen, ist Gegenstand des 16. Kapitels.

Machen Sie sich zu Anfang Ihre Ziele und Ihren Lernbedarf bewusst. Der folgende Fragenkatalog hilft Ihnen, Ihre aktuellen Stärken und Ihre Verbesserungspotentiale zu erkennen:

Wie schätzen Sie Ihr Argumentationsgeschick ein?

• Wo sehen Sie Ihre besonderen dialektischen Stärken, wo Ihren Lernbedarf?

• Wie beurteilen Sie Ihre Fähigkeit, mit Einwänden, Kritik und schwierigen Fragen umzugehen?

• Inwieweit bleiben Sie sicher und souverän, wenn Sie in einem Streitgespräch sind?

• Mit welchen Formulierungen würden Sie auf diese unfairen Angriffe reagieren:

– „Totaler Blödsinn, was Sie da erzählen.“

– „Sie haben sich wieder mal schlecht vorbereitet.“

– „Was machen wir, wenn sich Ihr Vorschlag in einem Jahr als Flop herausstellt?“

– „Ihre Präsentation fand ich ausgesprochen langweilig.“

– „Sie sehen aber schlecht aus, Frau Schmidt. Ihnen würde eine Wellness-Kur mal wieder gut tun.“

– „Nun werden Sie mal nicht weinerlich, Frau Schumann.“

• Ihr Gesprächspartner fixiert Sie die gesamte Zeit mit Blicken. Was tun Sie?

• Ihr Chef kritisiert Sie vor versammelter Mannschaft. Was tun Sie?

• Ihr Gesprächspartner schaut provokativ weg, während Sie sprechen. Wie reagieren Sie?

• Inwieweit halten Sie sich für schlagfertig?

Suchen Sie sich aus den Anregungen dieses Buches diejenigen heraus, die zu Ihrer Persönlichkeit passen und die in Ihren konkreten Anwendungssituationen den größten Erfolg versprechen. Ihre große Chance: Sie können sofort beginnen, die eine oder andere Empfehlung zu erproben. Beachten Sie, dass Sie das persönliche Stress-Niveau nur schrittweise auf das erwünschte Maß reduzieren werden. Und dass Sie bei der Anwendung der vorgestellten Techniken Erfolg und Misserfolg erleben werden. Für das Selbstwertgefühl ist es unerlässlich, Misserfolge konstruktiv zu verarbeiten und als Lernquelle umzudeuten.

3 Ursachen unfairer Angriffe

Unfaire Angriffe kommen häufig überraschend. Dies macht eine angemessene Reaktion besonders schwierig. Durch seinen Angriff bestimmt der Angreifer1 die Art der Interaktion und beeinflusst somit auch die Emotionen, die dabei eine Rolle spielen. Die Motive für unfaire Angriffe können – je nach Situation, Gesprächspartner und Vorgeschichte – sehr unterschiedlich sein:

Spannungen und latente Konflikte zwischen Personen, Abteilungen oder Unternehmen: Die Gefahr unsachlicher Interventionen ist umso größer, je frostiger das Klima und je belasteter die Beziehung ist. Die Verbalattacke eines Angreifers kann beispielsweise durch den folgenden inneren Dialog ausgelöst werden: „Heute werde ich dem Dr. Meier mal zeigen, wo es langgeht. Der versucht sowieso immer, sich auf Kosten anderer zu profilieren.“ Und wie aus heiterem Himmel wird ein Angriff gegen Sie gestartet. Je nach Persönlichkeitstyp: offen oder verdeckt.

Der Angreifer will bei Ihnen direkt oder indirekt Schuld- oder Angstgefühle erzeugen. Beispiel: Sie sind freiberuflich in der Softwarebranche tätig und arbeiten seit drei Jahren mit einem Großunternehmen zusammen. Der Einkäufer möchte Ihr Honorar neu verhandeln und übt zu diesem Zweck unterschwellig Druck aus: „Wir haben in letzter Zeit vergleichbare Angebote hereinbekommen, die um 30 Prozent günstiger liegen. Wir sind zwar zufrieden mit Ihrer Leistung. Aber 30 Prozent sind viel Geld

Dominanzgebärden und Imponiergehabe: Jemand möchte durch seine unsachlichen Spielarten zeigen, wie wichtig und unentbehrlich er ist. Er hält lange Monologe, sendet durch laute Stimme und große Gestik Dominanzsignale aus und behandelt die Gesprächspartner von oben herab. Nicht die Qualität der Argumente und der Dialog stehen bei ihm im Mittelpunkt, sondern Selbstdarstellung und das Motiv, in jedem Falle recht zu behalten.

Unsachliche Dialektik als Mittel zum Zweck: Hierbei versucht Ihr Gesprächspartner, Ihre Position zu schwächen und seine Interessen zu Ihren Lasten durchzusetzen. Je nach Situation werden unfaire Taktiken, subtile Manipulation oder Psychotricks eingesetzt.

Der Frustrations-Aggressions-Mechanismus: Der Angreifer hat Frustrationserlebnisse im Beruf oder in anderen Lebensbereichen und reagiert darauf mit emotionalen Angriffen. Er sucht ein Ersatzobjekt, um seine aufgestauten Aggressionen abzureagieren.

Häufige Fehlerquellen bei der Reaktion auf unfaire Angriffe

• Sie springen zu schnell auf den unfairen Angriff an. Dies birgt die Gefahr blinder Reizreaktionen. Je stärker die emotionale Besetzung eines Wortes (Reizwort) oder eines Themas (Reizthema), umso größer diese Gefahr.

• Sie lassen sich Emotionen und Stimmungen vom Angreifer diktieren.

• Sie übernehmen – unbewusst – seine Lautstärke, seine Sprechgeschwindigkeit und sein „Niveau“.

• Sie versuchen, mit gleicher Münze zurückzuzahlen und eskalieren damit die Auseinandersetzung.

• Sie verteidigen sich, erklären langatmig den Hintergrund oder entschuldigen sich.

• Sie verlieren Ihre Gelassenheit und Souveränität und geraten in eine passive Rolle.

4 Grundbegriffe

Bei den folgenden Ausführungen und Handlungsempfehlungen tauchen einige Schlüsselbegriffe und Disziplinen immer wieder auf, die hier zum besseren Verständnis präzisiert werden sollen. Dazu gehören die Begriffe „Dialektik“, „Schlagfertigkeit“, „Rhetorik“ sowie „Kinesik“. Was mit „Stress“ gemeint ist, erfahren Sie zum Ende dieses Abschnitts.

Fried- und Kampfdialektik

In einer weiten Begriffsfassung beschäftigt sich Dialektik2 allgemein mit der Kunst des sachgerechten Argumentierens im Dialog wie auch mit der Disputierkunst, also mit der Fähigkeit, sich im kontrovers geführten Gespräch zu behaupten. In der Jesuiten-Schulung gliedert sich die „ars dialectica“ in zwei Bereiche: Frieddialektik und Kampfdialektik.

Frieddialektik

In der fairen Dialektik (= Frieddialektik) geht es um die Kunst,

1. andere zu überzeugen und

2. Sachprobleme im Dialog zielwirksam zu lösen.

Dies impliziert die Fähigkeit, komplexe Überzeugungsprozesse, die aus mehreren Gesprächen oder Verhandlungen bestehen, erfolgreich zu organisieren.

Beispiele zu 1:

Sie wollen Ihr Team von der Richtigkeit einer neuen Vertriebsstrategie überzeugen.

Sie wollen Ihren Vorstand für die Freigabe eines Budgets gewinnen.

Sie wollen Ihr Unternehmen möglichst überzeugend in einem Fernsehinterview darstellen.

Beispiele zu 2:

Sie wollen in einer Besprechung einen Kompromiss erreichen, der von allen Beteiligten oder von der Mehrheit getragen wird.

Sie haben vor einem Kundenkreis einen Lösungsvorschlag präsentiert und wollen diesen im Dialog mit den Zuhörern weiterentwickeln, sodass am Ende eine Lösung steht, mit der beide Seiten leben können.

Sie wollen bei den Mitarbeitern Ihrer Sparte Akzeptanz für eine strategische Neuausrichtung der Arbeitsabläufe aufbauen.

Im Rahmen der Frieddialektik kommen ausschließlich faire Mittel zum Einsatz. Diese Form des Miteinander ist durch eine konstruktive Grundhaltung auf beiden Seiten sowie durch Sachlichkeit und Dialog gekennzeichnet.

Zentrale Merkmale der Frieddialektik

• Das Regelwerk des Fair Play wird beachtet.

• Die Beteiligten suchen im Miteinander nach Lösungen.

• Andere Meinungen werden wertschätzend behandelt.

• Verbale Auseinandersetzungen gehen nicht zulasten des Gesprächsklimas.

• Die Beteiligten räumen dem besseren Argument Vorrang ein.

• Macht- und Dominanzrituale spielen keine Rolle.

• Die Beteiligten agieren auch dann fair und gelassen, wenn es zu einem Streitgespräch kommt.

Bildlich können wir uns den Kerngedanken so verdeutlichen, dass die Waage des Gesprächs oder der Disputation im Gleichgewicht ist. Alle Beteiligten gehen aufeinander zu, versuchen im Miteinander Sachprobleme zu lösen und betrachten den anderen als Partner. Dabei gehört es zu einer partnerschaftlichen Gesprächskultur durchaus, mit Leidenschaft um den besten Weg zu ringen oder den Advocatus Diaboli zu spielen. Wichtig ist, dass auch in heftiger Disputation alle Beteiligten ihr Gesicht wahren können. Bei Diskussionen und Gesprächen, die dem Regelwerk des Fair Play folgen, hält sich das erlebte Stress-Niveau in der Regel in vertretbaren Grenzen. Im betrieblichen und privaten Alltag wird zwar häufig über die Befähigung zum guten Gespräch, zum Zuhören und zur Partnerschaft gesprochen, nur fällt es vielen leichter, von der Tugend zu reden, als die Tugend selbst zu beherzigen. Jeder kennt Reizthemen, Schwarze-Peter-Spiele, persönliche Angriffe und andere subtile unfaire Tricks und Winkelzüge, die einem sachlichen Gedankenaustausch im Wege stehen können. Dieses unfaire Repertoire ist vor allem dann anzutreffen, wenn brisante und emotional aufgeladene Themen diskutiert werden und die Fronten verhärtet sind. Je nach Situation, Thema und Chemie zwischen den Beteiligten kann der Anteil der unfairen Mittel unterschiedlich groß sein.

Kampfdialektik

Im Vordergrund steht hier das Ziel, in der Argumentation zu siegen, recht zu behalten und die eigene Position unter allen Umständen durchzusetzen. In seiner „Eristischen Dialektik“ spricht Schopenhauer von der Kunst, recht zu behalten (auch wenn man die schwächeren Sachargumente hat). Während es bei der Frieddialektik nur Sieger gibt, gibt es bei der Kampfdialektik Sieger und Verlierer, die Feinde werden können. Dem Kampfdialektiker sind auch boshafte Mittel willkommen, um dem Gegenüber eine Niederlage zu bereiten und seine Ziele durchzusetzen. Das Arsenal unfairer Taktiken, subtiler Manipulation und Psychotricks sowie harter Schlagfertigkeitstechniken lernen Sie in den Kapiteln 4 bis 6 kennen.

Zentrale Merkmale der Kampfdialektik

• Das Regelwerk des Fair Play wird missachtet.

• Der Gegner wird offen oder verdeckt angegriffen.

• Beim Gegner sollen gezielt Unterlegenheitsgefühle und Ängste erzeugt werden.

• Nonverbale Droh- und Kampfgebärden werden „bei Bedarf“ eingesetzt.

• Das Klima ist angespannt und oft frostig (Antipathiefeld).

• Infolgedessen stellt sich beim Angegriffenen ein hohes Stress-Niveau ein.

Es lohnt sich aus verschiedenen Gründen, das Repertoire unfairer Techniken zu kennen:

1.

Sie werden sich wirkungsvoll schützen können, wenn Sie unsachliche Spielarten früh erkennen. Hier liegt der Schwerpunkt dieses Buches.

2.

Es gibt Situationen, in denen Kampfdialektik hilfreich oder gar geboten sein kann. Denken Sie an kontroverse Auseinandersetzungen mit (fundamental-)kritischen Umweltschützern, die Ihr Unternehmen massiv angreifen und Sie persönlich provozieren und beleidigen. In diesen Fällen kann ein rhetorischer Befreiungsschlag durch eine harte schlagfertige Retourkutsche wirkungsvoll sein. In Kapitel 5 finden Sie dazu Anregungen und Formulierungsbeispiele. Auch in politischen Debatten und Diskussionen gilt es als Zeichen von Stärke, wenn man in der Lage ist, auf Angriffe geistreich und schlagfertig zu entgegnen. Schlagfertigkeit, verknüpft mit einem Gegenangriff, ist häufig die beste Verteidigung. Wer dabei Witz und Humor einsetzen kann, hat im Regelfall die besseren Karten.

Die Risiken des Einsatzes kampfdialektischer, also auf Sieg setzender Taktiken halten sich in Grenzen, wenn Sie mit dem Gegner allein sind (Beispiel: Sie beschweren sich telefonisch bei Ihrem Automobilhersteller, dass Sie mit Ihrem neuen Fahrzeug zum dritten Mal liegen geblieben sind) oder wenn Sie die Mehrzahl der Anwesenden auf Ihrer Seite haben (Beispiel: Bei einer Präsentation reagieren Sie auf einen Zuhörer, der sich in der Rolle eines Besserwissers zum x-ten Mal zu Wort meldet und alle Beteiligten mit seinen Koreferaten nervt) und Ihnen die Qualität der emotionalen Beziehung zum Gegenüber gleichgültig ist.

Schlagfertigkeit – eine Facette der Dialektik

Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer Diskussionsrunde, in der es sehr emotional zugeht. Der eloquente Kollege aus dem Vertrieb greift Sie frontal an und schiebt Ihrer Abteilung – der Produktion – den Schwarzen Peter für Qualitätsmängel zu. Er macht Ihnen massive Vorwürfe und kritisiert Ihre Führungsfähigkeiten. Sie sind so perplex, dass Ihnen in diesem Moment die Worte fehlen, bis ein anderer Teilnehmer nach einigen Sekunden der Funkstille die Wogen glättet und zum Sachthema zurückführt. Auf der Heimfahrt fällt Ihnen eine passende Retourkutsche ein. Leider einige Stunden zu spät.

Was Ihnen in der Diskussionsrunde fehlte, ist eine schlagfertige Reaktion, also die Fähigkeit, im richtigen Moment eine passende Antwort zu bringen und sie – falls möglich – geistreich, witzig und situativ angemessen zu formulieren. Ein Gütesiegel der Schlagfertigkeit besteht darin, dass man auf eine Frage, einen Einwand oder einen Angriff schnell, treffend und originell antworten kann. Schlagfertigkeit ist damit eine Fähigkeit, die sowohl in der Fried-wie in der Kampfdialektik ihren Platz hat.

Seminare oder Bücher, die bloße Schlagfertigkeitstechniken vermitteln, greifen zu kurz. Die praktischen Anwendungssituationen sind zu komplex und vielfältig, um witzige und schlagfertige Retourkutschen schematisch einsetzen zu können. Auf Killerphrasen eines Geschäftsführers, eines wichtigen Kunden oder eines Journalisten werden Sie anders reagieren müssen als auf unsachliche Spielarten in der politischen Auseinandersetzung oder im privaten Bereich. Nur schlagfertig zu sein, ist also in vielen Situationen zu wenig: Ein Dialektiktraining für schwierige Szenarien sollte einerseits darauf zielen, sich vor Beleidigungen, Polemik und Rabulistik zu schützen und einem mentalen „Schachmatt-Effekt“ entgegenzuwirken.

Andererseits sollte man in der Lage sein, die Kommunikation aufrechtzuerhalten, das Klima nicht unnötig zu belasten und einen Dialog weiterzuführen. Prüfen Sie also die verfügbaren Schlagfertigkeitstechniken daraufhin, inwieweit sie zum Kontext und zu Ihren übergreifenden Zielen passen. Verzichten Sie im beruflichen Bereich nach Möglichkeit darauf, harte Schlagfertigkeitstechniken einzusetzen. Denn sie bringen die Gefahr mit sich, dass sich die Fronten verhärten und die Beziehung dauerhaft Schaden nimmt.

Was bringt es Ihnen, wenn Sie einen anderen Menschen verbal „ausknocken“, indem Sie ihn durch herabsetzende Floskeln oder unsachliche Kritik vor der ganzen Gruppe blamieren? Auch wenn es auf den ersten Blick nach einem „Sieg“ für Sie aussieht, so ist es doch ein Pyrrhussieg. Denn Sie haben sich einen Feind geschaffen und damit einen negativen Multiplikator („Maulwurf“) für Ihre Person. Solche Niederlagen führen in der Psyche des Angegriffenen ein Eigenleben. In meinen Seminaren erlebe ich immer wieder, dass Teilnehmer noch nach Jahren sehr emotional davon berichten, dass der Chef sie unter Missachtung des „Vier-Augen-Prinzips“ vor versammelter Mannschaft massiv kritisiert habe: In der Regel lohnt es sich nicht, das Selbstwertgefühl eines anderen herabzusetzen. Rupert Lay (2003) weist zu Recht darauf hin, dass man lernen sollte, auf den Sieg zu verzichten, um gewinnen zu können! Denn: Wer immer siegt, verliert – und zwar seine Mitmenschen und Kollegen.

Dialektik ist die Kunst zu gewinnen, ohne zu siegen. Wer das dialektische Instrumentarium beherrscht, wäre zwar in der Lage zu siegen. Er verzichtet jedoch darauf, den anderen klein zu machen und „abzubügeln“, damit er sich nicht ohne Not „Feinde“ schafft. Bei strittigen beruflichen Disputationen fährt man am besten mit dem Grundsatz, hart um den richtigen Weg und die besten Sachargumente zu ringen und gleichzeitig die emotionalen Bedürfnisse der Beteiligten zu beachten. Dies verlangt auch, wirkungsvolle Argumentations- und Lenkungstechniken verfügbar zu haben, um unfaire und häufig zeitraubende Spielarten rasch neutralisieren zu können. Hierbei spielt die persönliche Schlagfertigkeit eine wichtige Rolle.

Zwei weitere Begriffe, die eng mit der praktischen Argumentation verknüpft sind:

Rhetorik

Der Brockhaus definiert diese Disziplin als die Kunst, gut zu reden (lateinisch: ars bene dicendi). Die Angewandte Rhetorik bezieht sich vor allem auf die Redepraxis in Wirtschaft, Medien, Politik und vor Gericht. Im Mittelpunkt eines Rhetoriktrainings steht die Entwicklung der Fähigkeit, vor Zuhörern überzeugend und sicher zu sprechen. Zu den rhetorischen Mitteln gehören insbesondere sprechtechnische, körpersprachliche, dramaturgische, psychologische und sprachliche Faktoren. In einer weiten Begriffsfassung bezieht sich Rhetorik nicht nur auf den Monolog, sondern auch auf den Dialog. Dieser Teil der Rhetorik wird auch als Gesprächsrhetorik bezeichnet.

Kinesik

Kinesik (griechisch: kinesis = Bewegung) ist die Lehre von der Sprache des Körpers. Sie ist angewandte Ausdruckspsychologie und beschäftigt sich mit der Beschreibung und Erklärung körpersprachlicher Signale des Menschen. Die Kinesik hat für unser Thema eine doppelte Bedeutung:

1.

Zum einen für Sie als Sprecher: Was können Sie tun, um überzeugend zu wirken? Was ist im Hinblick auf Haltung, Gestik und Mimik zu bedenken, damit Sie sich in einer argumentativen Stress-Situation als sicher und souverän darstellen? Bedenken Sie, dass Ihr gesamtes nonverbales Verhalten dem Angreifer signalisiert, ob Sie sich stark und gleichberechtigt oder unterlegen und schwach fühlen.

2.

Zum anderen hilft Ihnen die Lehre von der Körpersprache, bei Ihrem Gegenüber früh dessen innere Befindlichkeit zu erkennen und in geeigneter Weise darauf zu reagieren.

Zu viel Stress blockiert gelassenes Argumentieren

Eine argumentative Herausforderung erlebt man als Stress-Situation und bedrohlich, wenn man die eigenen dialektischen Fähigkeiten für die erfolgreiche Bewältigung als unzureichend einschätzt. Führungsund Fachkräfte empfinden besonders viel Stress bei der Abwehr unfairer Angriffe, beim schlagfertigen Kontern und beim Umgang mit festgefahrenen Situationen – vor allem wenn wichtige Personengruppen involviert sind (z.B. A-Kunden, Vorstand, Entscheidungsgremien) oder wenn einem das Szenario (z.B. Fernsehauftritt, Pressekonferenz, Podiumsdiskussion) wenig vertraut ist. Das persönlich empfundene Stress-Niveau variiert allerdings je nach Persönlichkeit, dem verfügbaren dialektischen Repertoire und dem Trainingszustand.

Wir sind mit der automatischen Stress-Reaktion ausgestattet, in kritischen Situationen kämpfen oder fliehen zu können. Dieses Alarmprogramm sichert seit den Anfängen der Menschheit unser Überleben. In einer bedrohlichen Situation wird viel nervöse Energie freigesetzt und unser Denkhirn teilweise blockiert. Wir erleben subjektiv Angst. Im Grenzfall geraten wir in Panik. Gelassenheit und Sicherheit weichen, die Unsicherheit nimmt zu. Im ungünstigsten Fall geraten wir in „psychologischen Nebel“ (Festinger 1957). Wie beim witterungsbedingten Nebel ist unsere Wahrnehmung dann außerordentlich eingeschränkt. Eine mentale Blockade verhindert überlegtes Handeln. Dieses Phänomen kennt wohl jeder auch aus anderen Lebensbereichen: Sie sind in einen Verkehrsunfall verwickelt und können sich an nichts erinnern; heftige Flugturbulenzen versetzen Sie in Angst; Sie werden lautstark angegriffen und fühlen sich mental schachmatt gesetzt. Ein Übermaß an Stress3 führt zu Ängsten und zunehmender psychischer Anspannung (Distress) sowie zu physiologischen Veränderungen im eigenen Körper. Dazu gehören Schweißausbrüche, Herzklopfen, hohe Atem- und Pulsfrequenz genauso wie weiche Knie und zitternde Gliedmaßen.

Diese Zusammenhänge zeigt Abbildung 1.

Abbildung 1: Stress-Kurve beim Argumentieren

Ein mittleres bis leicht erhöhtes Stress-Niveau ist günstig für ein sicheres und zielführendes Handeln. Skaliert man die subjektiv erlebte Erregung in einer Skala von 0 bis 10, so ist ein Erregungslevel zwischen 5 und 7 optimal. Hier verfügt unser Nervensystem über eine ausreichende Spannung, um überzeugend zu agieren und zu reagieren. Wer nicht trainiert ist, mit Angriffen, Fangfragen oder anderen unsachlichen Taktiken umzugehen, läuft Gefahr, zu stark zu reagieren und in Panik zu geraten. Dies symbolisiert der Punkt A: „Das glauben Sie doch selbst nicht, was Sie da sagen“, „Völliger Nonsens, den Sie da von sich geben“ oder noch härtere Angriffe können Sie in Sekundenbruchteilen schachmatt setzen. Ihre Psyche wird sozusagen in den Panikbereich katapultiert. Die Konsequenzen kennt jeder aus vergleichbaren Situationen: Die Erregung steigt, es fehlen einem die Worte; die Synapsen im Denkhirn arbeiten nicht so, wie man sich das wünscht.

Worum es beim emotionalen Distress geht, kann man mit Hilfe des ABC-Modells von Albert Ellis besser verstehen und somit die richtige Strategie für mehr Souveränität und Gelassenheit in Stress-Situationen finden:

Das ABC-Modell

A steht für Activating Event: Das ist das auslösende Moment, die potenziell stressende Situation.

B steht für Beliefs, also Ihre Wahrnehmungen, Gedanken und Annahmen über A.

C steht für Emotional Consequence, also die emotionale Konsequenz oder den Stress, der aus diesen Annahmen resultiert.

Ein Praxisbeispiel mag dies veranschaulichen:

Stress kann durch einen „persönlichen Angriff“ Ihres Gegenübers verursacht werden. Der „persönliche Angriff“ (oder auch nur Gesicht oder Stimme der betreffenden Person) ist Teil „A“ des Modells. Inwieweit Sie wegen des persönlichen Angriffs Stress (Teil „C“) erleben, hängt davon ab, wie Sie die Situation wahrnehmen – von Ihren Gedanken, Ihren Vorerfahrungen und dem Schwierigkeitsgrad, den Sie der Situation zuschreiben. Das bedeutet: „C“ hängt von „B“ ab.

Der Stress-Vorgang sieht also so aus: „persönlicher Angriff“ → meine Gedanken über den Angriff → potenzieller Stress.

Inwieweit Sie Stress erleben, hängt also maßgeblich von Ihren Gedanken, Wahrnehmungen und Interpretationen ab. Wenn Sie sich dem Angreifer unterlegen fühlen, Ihnen keine geeignete Reaktion in den Sinn kommt oder Sie auf die Verbalattacke zu schnell anspringen, wird das Stress-Niveau mit Sicherheit steigen. Wer ein Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten verfügbar hat und gleichzeitig hinreichend Selbstbewusstsein und Gelassenheit mitbringt, wird sich kaum aus dem Konzept bringen lassen.