Eiskaltes Spiel

Erzählt von Boris Pfeiffer

Mit Illustrationen von Jan Saße

Vignette

KOSMOS

Umschlag- und Innenillustrationen von Jan Saße, Wilhelmsdorf

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© 2013, Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart

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ISBN 978-3-440-14170-0

eBook-Konvertierung: le-tex publishing services GmbH, Leipzig

Gähnende Leere

»Oh nein!« Entsetzt starrte Justus Jonas in die große Plastikbox, die in der Mitte der Kaffeekanne auf dem Boden stand. Die Kaffeekanne war das Geheimversteck der drei ???. Es handelte sich dabei natürlich nicht wirklich um eine Kaffeekanne, sondern um einen ausgedienten Wassertank für Dampflokomotiven, der mit seinem Einfüllstutzen an der Seite tatsächlich an eine Kaffeekanne aus Großmutters Zeiten erinnerte. Der Tank stand in einem Waldgebiet nahe der Küste vor Rocky Beach, und in diesem hatten sich Justus, Peter und Bob ihren geheimen Treffpunkt eingerichtet. Hierher verzogen sich die Detektive, wenn sie über einen Fall sprechen wollten oder auch einfach, um in Ruhe Comics zu lesen und dazu Süßigkeiten zu naschen.

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Und genau das hatten sie sich auch für heute vorgenommen. Justus’ Onkel Titus, Gebrauchtwarenhändler und Besitzer des Titus Jonas Gebrauchtwarencenters in Rocky Beach, hatte nämlich auf dem Flohmarkt einen ganzen Koffer voller Comic-Hefte gekauft und ihn den drei ??? geschenkt. Mit diesem Schatz hatten sich die Freunde gleich in ihre Kaffeekanne verzogen. Dort aber erwartete sie eine böse Überraschung. »Unsere ganzen Süßigkeitenvorräte sind aufgebraucht!«, beschwerte sich Justus empört. »Es herrscht gähnende Leere. Wie konnte das denn passieren? Letzte Woche war die Box doch noch fast voll.«

»Oh, das ist ganz einfach zu erklären«, gab Peter Shaw gelassen zurück. »Ich erinnere mich zufällig daran, dass ein gewisser Justus Jonas vor zwei Tagen beim Nachdenken ganz alleine eine Riesenschachtel Kekse aufgefuttert hat …«

»Richtig«, bemerkte Bob Andrews. »Und als die Schachtel leer war, hat derselbe Justus Jonas sich auch noch eine Megatüte Gummibärchen einverleibt. Und dann in einem Affenzahn die letzten Marshmallows weggemampft.«

Justus begann nachdenklich, seine Unterlippe mit Daumen und Zeigefinger zu kneten. »Ihr meint, ich hätte unsere gesamten Süßigkeitenvorräte aufgegessen? Das muss mir entgangen sein. War das etwa, als wir darüber nachgedacht haben, ob wir nächste Woche heimlich in der Kaffeekanne übernachten wollen?«

»Richtig, du Superhirn«, bestätigte Peter. »Als du dir überlegt hast, was wir unseren Eltern und du deinem Onkel und deiner Tante für eine Geschichte erzählen, warum wir jeder angeblich bei einem der anderen schlafen.« Justus nickte. Er war schließlich auf die geniale Idee gekommen, dass jeder der drei Jungen zu Hause sagen würde, dass er wegen des Sportfestes in der Schule auswärts übernachten würde. Gemeinsam hatten die drei ??? dann beschlossen, sich kurz beim Sportfest in der Schule zu zeigen, sich dann aber heimlich in die Kaffeekanne zu verziehen. Die Schlafsäcke hatten sie bereits dort hingebracht. Justus hatte seiner Tante und seinem Onkel erzählt, er würde bei Peter schlafen, Bob sagte, er bliebe über Nacht bei Justus, und Peter informierte seine Eltern, er übernachte bei Bob. So machten sich weder Bobs noch Peters Eltern Sorgen, und das galt natürlich auch für Justus’ Tante Mathilda und Onkel Titus. Bei ihnen lebte Justus, weil seine Eltern bei einem Unfall ums Leben gekommen waren, als er noch ein kleiner Junge war.

Der Anführer der drei ??? seufzte. »Es tut mir leid Freunde, dass die Süßigkeiten weg sind. Das bedeutet wohl, dass wir uns jetzt erst einmal einen ordentlichen Nachschub an Leckereien besorgen müssen. Ohne die macht es nämlich gar keinen richtigen Spaß, die Comics zu lesen. Seid ihr einverstanden, wenn wir zu Mr Porters Laden gehen?«

»Aber nur, wenn du nicht wieder alles alleine aufisst«, wandte Bob ein. »Wir legen schließlich unser Geld zusammen, da darfst du nicht alles wegfuttern.« Justus verzog den Mund. »Freunde, ich merke es einfach nicht, wenn ich mir ab und zu beim Nachdenken etwas in den Mund schiebe. Das Problem dabei ist eigentlich nur, dass ich viel schneller denke als ihr. Deswegen esse ich natürlich auch schneller.«

»Echt, Just!«, stöhnte Peter. »Wenn ich nicht sicher wäre, dass du das ernst meinst und es wirklich nicht merkst, was du so an Süßigkeiten vertilgst, würde ich sagen, du bist ein Vielfraß!«

Justus schluckte, griff dann schnell in seine Tasche und zog einen Fünfdollarschein hervor. »Hier, den hat mir Onkel Titus gegeben, weil ich ihm gestern drei Stunden lang auf dem Schrottplatz geholfen habe. Ich spendiere die nächste Ladung Süßes. Und ihr dürft sogar aussuchen, was wir nehmen. Abgemacht?«

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Peter und Bob klatschten sich ab. »Abgemacht, Just!«, rief Bob. »Du bist vielleicht ein Vielfraß, aber du bist auf alle Fälle ein sehr netter und gerechter Vielfraß!« Justus lächelte seinen Freunden zu. »Ich glaube, das stimmt! Und ich wette, wenn wir einmal berechnen würden, wie viele gute Ideen jeder von uns pro Keks bisher hatte, dass ich den besten Durchschnitt erreiche. Ich esse zwar mehr als ihr, aber dafür kommt am Ende bei mir auch mehr raus. Und das ist wirklich nur gerecht!«

Ein berühmter Sohn

Wenig später erreichten die drei ??? auf ihren Fahrrädern den Marktplatz von Rocky Beach. Die Freunde schlossen die Räder neben dem Brunnen mit der Bronzestatue von Fred Fireman an und liefen dann quer über den Platz zu Mr Porters Laden. Justus ging zielstrebig zum Süßigkeitenregal und nahm ein paar Schokoriegel und einige Tüten Brausepulver heraus. Dann legte er diese auf den Verkaufstresen.

»Habt ihr auch genug Geld dabei, um all das zu bezahlen?«, erkundigte sich Mr Porter misstrauisch. Es war allgemein bekannt, dass der Ladenbesitzer Kindern nicht recht traute und dazu ausgesprochen geizig war. Kredit gab es bei Mr Porter nie. Er verlangte immer Bargeld.

»Klar, Mr Porter«, antwortete Justus und legte seinen Fünfdollarschein auf den Tresen. »Das hier wollen wir heute alles bei Ihnen investieren. Und zu den bereits von mir persönlich ausgewählten Süßigkeiten dürfen sich Bob und Peter für den Rest des Geldes aussuchen, was sie wollen.«

»Oh!« Mr Porter blickte überrascht auf. Dann schnappte er sich den Geldschein und blickte erwartungsvoll zu Peter und Bob. »Also, was wollt ihr?«

»Drei Riesentüten Marshmallows«, rief Peter sofort.

»Und sechs Schachteln Schaumküsse«, fügte Bob hinzu.

Mr Porter holte das Gewünschte und tippte dann auf seiner Rechenmaschine. »Ihr habt immer noch zwei Dollar und 50 Cent übrig. Weiter!« Doch ehe einer der drei ??? noch etwas sagen konnte, schob sich eine merkwürdige Gestalt in den Laden. Der Größe nach war es ein Junge, ein wenig jünger als Justus, Peter und Bob. Aber der Junge steckte in einem überaus bemerkenswerten Kostüm. Jedenfalls sah das, was er anhatte, wie eine Verkleidung aus: Auf dem Kopf trug er einen roten Helm mit einem Schutzgitter vor dem Gesicht. Seine Schultern waren breit ausgepolstert, und die Hosenbeine wirkten ebenfalls ausgestopft und waren zudem dick mit Klebeband umwickelt.