Die handelnden Personen
in der Reihenfolge ihres Auftretens

Richard Kolbach, Reporter beim Mühlhofener Merkur. Drei weitere Print-Journalisten aus der Region: Martin Rüttger, Thorsten Schmelzer und Katie Meggle.
Dazu das zweiköpfige Fernsehteam eines kleinen, ortsansässigen TV-Senders: Fred Harnik und sein Assistent.

Der Teufel in Menschengestalt. Ein Gentleman mittleren Alters. Er hat ein markantes Gesicht mit einem lässigen Viertagebart. Er sieht überaus elegant aus und trägt einen dunklen Designeranzug. Wenn er nicht gerade einen cholerischen Anfall hat, spricht er sanft und beherrscht. Gelegentlich kichert er etwas irre.

Janine Berger, Hotelangestellte und – wie sich herausstellen wird – eine sehr gute Bekannte von Kolbach.

Dr. Kuhn, Notfall-Psychiater auf der Suche nach einem Patienten.

Zwei Sanitäter.

Jens Böttcher

Interview mit dem Teufel

Ein Theaterstück
in zwei Akten

Inhalt

Titel

Impressum

Die handelnden Personen in der Reihenfolge ihres Auftretens

Erster Akt

Ein überraschendes Geständnis

Zweiter Akt

Die ganze Wahrheit

Ein überraschendes Geständnis

Auftaktszene, Bühnenbild. Das Konferenzzimmer eines Hotels. Hinter den Fenstern mit üppigen Vorhängen ein trübes Herbstszenario. Nachmittagslicht. Eine beinahe leere Bühne: nur ein Rednerpult mit Mikrofon, davor platziert ein Dutzend Stühle. Getragene, etwas schräge Kammermusik erklingt. Reporter Richard Kolbach betritt das Podium. Er geht zum vorderen Bühnenrand und wendet sich direkt an das Publikum. Die Musik endet.

KOLBACH
Guten Abend, meine Damen und Herren. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle: Mein Name ist Kolbach, Richard Kolbach, ich bin Journalist. Zugegeben, nicht gerade einer von Weltruf. Also, ich meine, keiner von denen, die in nächster Zeit für den Pulitzerpreis nominiert werden. Oder für irgendeinen anderen Preis. Ich schreibe für den Mühlhofener Merkur. Das ist eine sehr kleine Zeitung. Aber Mühlhofen ist ja auch ein kleiner Ort. Normalerweise ist nicht viel los hier. Es ist beschaulich und ruhig, eine fromme Gegend mit einfachen Menschen. Aber ich lebe gerne hier. Und ich mag meinen Job. Oder besser: Ich hab ihn gern gemocht, bis vor Kurzem. Alles hat sich verändert. An jenem Tag. Genau deshalb möchte ich Ihnen von dieser eigentlich ganz unglaublichen Begebenheit erzählen.

Er geht unruhig auf der Bühne umher und wirkt sehr konzentriert.

Alles begann, als eines Morgens eine dpa-Meldung in unserer Redaktion eintraf. Da hieß es schlicht, dass eine berühmte Persönlichkeit im Hotel Mühlhof zu einer Pressekonferenz einlädt. Jetzt denken Sie bestimmt: Eine berühmte Persönlichkeit in Mühlhofen? Wen könnte es wohl ausgerechnet hierher verschlagen haben? Brad Pitt und Angelina Jolie werden es kaum sein, wir sind ja nicht Berlin oder Hamburg. Dann also vielleicht irgendeiner von diesen C-Promis, der gerade mal zwischen vierzehn Kochshows im Fernsehen Zeit gefunden hat, uns zu beglücken? Genau das dachte ich auch zunächst. Aber: Nein, von denen war es auch keiner. Es war, und verzeihen Sie, wenn ich zögere, es auszusprechen – es hat mich damals sehr erschreckt, wenn auch aus einem anderen Grund als heute. Es war, also, es handelte sich bei dieser berühmten Persönlichkeit um, ja, um: den Teufel.

Pause und Schweigen.

Ja, meine Damen und Herren, genau dieses Schweigen überkam auch mich, als ich die dpa-Meldung betrachtete. 13. Oktober, 16 Uhr. Pressekonferenz mit dem Teufel. Weitere Informationen waren nicht zu bekommen.
Ich wollte die Mitteilung gerade zerknüllen und einfach wegwerfen, als mein Chefredakteur, Herr Westphal, lachend in mein Büro kam und sagte (ahmt ihn burschikos und autoritär nach): »Da gehen Sie hin, Kolbach! Ist doch herrlich, dass hier mal wieder was los ist in unserem Kaff! Irgend so’n Spinner, der einen wirklich witzigen Weg gefunden hat, auf sich aufmerksam zu machen. Das ist doch mal was anderes, als immer diese spießigen Pipifax-Christenveranstaltungen!«
Mein Chef kriegte sich kaum wieder ein. Ich entgegnete ihm nur trocken, dass es sich um eine christliche Veranstaltung handeln könnte. Ich hielt das für möglich, sogar für wahrscheinlich. Die Christen in der Gegend kamen manchmal auf sonderbare Gedanken. Vielleicht war es also nur der Gag einer modernen Jugendgruppe. Wie auch immer: Ich ging hin. Und werde Ihnen jetzt berichten, was an jenem unglaublichen Tag geschah, bei diesem (er zögert kurz) Interview mit dem Teufel.

Die schräge Kammermusik setzt wieder ein, während die Bühne sich mit weiteren Protagonisten füllt. Drei Reporter, zwei Männer, eine junge Frau, nehmen auf den Stühlen vor dem Rednerpult Platz; die Mehrzahl der Stühle bleibt frei. Ein Zwei-Mann-Kamerateam, bestehend aus dem Kameramann und seinem Assistenten (mit Ton-Equipment: Mikro mit Puschel, Stativangel etc.), kommt dazu und platziert sich am hinteren Ende des Raums. Auch Kolbach setzt sich.

KOLBACH (jetzt zum Publikum gewandt)
Wir waren nur eine Handvoll Lokalreporter. Mein Chef mochte recht gehabt haben, dass es eigentlich eine clevere Marketing-Idee gewesen war, die Pressekonferenz derart unverschämt anzukündigen, aber es hatte trotzdem nicht funktioniert. Offensichtlich interessierte sich kaum jemand für das Event. Wir waren nur zu (er schaut sich um) … äh … sechst. Doch dann, in diese Atmosphäre aus irritierter, vielleicht sogar irgendwie belustigter innerer Anspannung – wir alle starrten gespannt auf das Rednerpult, versuchten einen Blick zu erhaschen, aus welcher Richtung nun der Missionar oder vermeintliche Witzbold oder Wasauch-immer-er-war auftauchen würde –, kam er.

Dramatischer Moment in der Kammermusik, dann abruptes Musik-Ende. Der Teufel betritt die Bühne, geht gockelhaft eine Ehrenrunde am vorderen Bühnenrand, lächelt gewinnend und stellt sich am Rednerpult in Position.

TEUFEL
Guten Tag, meine Damen … (er lächelt) … und Herren natürlich. Wobei ich den, äh, der Dame ein, sagen wir, klitzeklein bisschen einen noch besseren Tag wünsche.

Er lacht leise. Sein Blick verharrt dabei auf der Journalistin Katie Meggle. Er kommt hinter dem Rednerpult hervor, geht zu ihr, streichelt ihr über die Wange. Sie reagiert unsicher, halb empört, halb eingeschüchtert.

TEUFEL
Oh, was für ein schönes Kind. Vielleicht haben Sie anschließend noch etwas Zeit? Ich würde Sie gerne zu einem Abendessen einladen. Etwas schweren Rotwein, dazu Rinderfilet in Pfefferkruste …

Katie Meggle wendet sich echauffiert ab. Der Teufel wendet sich ebenfalls ab, geht lächelnd zurück zum Pult und fährt mit überraschend garstigem Unterton fort.

TEUFEL
Aber nun, wir sind ja nicht zum Vergnügen hier. Jedenfalls Sie nicht. Ich schon. Die amourösen Details können wir auch später noch klären. (Seine Stimme wird wieder zärtlich.) Und Sie, meine Liebe, überlegen sich doch vielleicht inzwischen, auf welche Sorte Wein Sie Lust verspüren.

KOLBACH (steht auf)
Guten Tag, Herr, äh … Würden Sie uns vorab verraten, wer Sie sind?

TEUFEL (überrascht)
Aber, mein Bester, haben Sie das denn nicht in der Einladung gelesen?

KOLBACH
Nun ja. Dort stand nur: Pressekonferenz mit …

TEUFEL
Ja?

KOLBACH
… mit dem Teufel. Das ist eine wirklich interessante Idee. Aber wer sind Sie wirklich, und was wollten Sie mit dieser ungewöhnlichen Einladung bezwecken?

Die Reporter zücken ihre Blöcke und Laptops und warten gespannt auf die Antwort.

TEUFEL (charmant)
Haha, das ist … Nun, ich muss Ihnen gestehen, dass ich damit gerechnet habe. Sonst hätte ich natürlich eine größere Lokalität für unsere Zusammenkunft ausgesucht.

KOLBACH
Haben Sie eine Pressekonferenz dieser Art schon einmal abgehalten? In einer anderen Stadt?

TEUFEL (amüsiert)
Nein, niemals.

KOLBACH
Na schön, dann verraten Sie uns doch jetzt bitte, wer Sie sind und was es damit auf sich hat.

TEUFEL
Sie haben recht. Die Höflichkeit gebietet, dass man sich persönlich bekannt macht, besonders in so kleiner, illustrer Runde. Sagen Sie mir also bitte auch Ihren Namen.

KOLBACH
Richard Kolbach, Mühlhofener Merkur.

TEUFEL (lächelnd)
Hm, tatsächlich. Das ist gut. Herr Kolbach, sehr angenehm. Meinen Namen haben Sie, wie gesagt, bereits auf der Einladung gelesen.

RÜTTGER (der zweite Reporter)
Sie wollen also ernsthaft behaupten, dass Sie der Teufel sind?

TEUFEL
Selbstverständlich.

SCHMELZER (der dritte Reporter)
Aber Sie erwarten nicht ernsthaft, dass wir das glauben, oder?

TEUFEL
Ganz ehrlich? Doch.

KATIE MEGGLE (Reporterin)
Ich möchte mich auch vorstellen, bitte.

TEUFEL
Aha?

KATIE MEGGLE (schnippisch)
Ich heiße Lady Bärbel Shakira-Rübbach und bin die Kaiserin von Südamerika.

TEUFEL (lacht)
Sehr witzig, Fräulein Meggle.

Katie Meggle und die anderen sind irritiert, dass der Fremde ihren Namen kennt.

TEUFEL
Ich musste wohl damit rechnen, dass Sie mich zunächst für einen Schwindler halten. Sie werden aber gleich verstehen, dass mir wirklich daran liegt, die Wahrheit zu sagen. Ich habe heute ausnahmsweise überhaupt keinen Anlass, Sie anzulügen, was meine Identität angeht.

KOLBACH (etwas spöttisch)
Na ja, also das scheint mir doch ein Widerspruch in sich zu sein.

TEUFEL
Widerspruch? (Er lacht schallend.) Aber wieso, wie kommen Sie denn darauf?

KOLBACH
Also wenn ich da, sagen wir mal, theologisch recht informiert bin, heißt es doch, der Teufel sei der »Vater der Lüge«.

TEUFEL (lacht immer noch)
Oh, Sie sind bibelfest? Na ja, wie auch immer, definieren Sie »Lüge«, mein Sohn. Ist es zum Beispiel eine Lüge, wenn der Lügner daran glaubt, dass er die Wahrheit sagt? Und was ist mit einer wegweisenden Lüge, die am Ende zu einer Wahrheit führt, die ohne die Lüge nie aufgedeckt worden wäre?

KOLBACH
Ich kann Ihnen nicht folgen. Die Wahrheit ist nicht relativ, oder?

TEUFEL
Na gut, ich will nicht spitzfindig sein. Und ich weiß natürlich, was Sie meinen. Es stimmt. Normalerweise ist es nicht meine Art, aber ich bin tatsächlich heute hier, um die Wahrheit zu sagen.

KOLBACH
Ein interessantes Spiel, das Sie hier treiben. Würden Sie uns jetzt dennoch bitte aufklären, wer Sie wirklich sind? Wir alle haben unsere Zeit nicht gestohlen.

TEUFEL
Hach, wie erschütternd. Es stimmt wohl, was die Leute sagen: Man hat’s wirklich nicht leicht, wenn man mal ehrlich sein will.

RÜTTGER
Sind Sie ein christlicher Missionar oder Aktionskünstler?

TEUFEL
Ich ein christlicher …? (Er kann sich jetzt kaum noch halten vor Lachen.) Haha, der war gut! Um Gottes Willen.

Schmelzer – der dritte Reporter – steht auf und will gehen.

SCHMELZER
Also, ganz ehrlich, ich hab wichtigere Sachen zu tun, als hier mit so einem …

TEUFEL
Oh? Was möchten Sie sagen, Herr Schmelzer?

SCHMELZER (setzt sich wieder)
… so einem Verrückten … was? Woher wissen Sie denn meinen Namen?

TEUFEL
Die Frage verstehe ich nicht. Sind wir nicht alle Freunde bei Facebook?

SCHMELZER
Äh, was? Ich bin gar nicht bei Facebook …

TEUFEL
Ich schon! Ich bin da sogar im Vorstand! (Er lacht etwas irre, kriegt sich aber schnell wieder ein.) Aber, na gut, Sie haben mich ertappt. Ich habe Ihre Namen in Wirklichkeit natürlich geraten! Und dabei wohl ein bisschen Glück gehabt.

RÜTTGER
Glück gehabt? Sie haben schon zwei von unseren Namen gewusst.

TEUFEL
Na ja, so schwer war das auch wieder nicht, denn es haben sich ja nur sechs von Ihnen auf die Anwesenheitsliste eingetragen. Und dass Sie nicht Herr Kolbach oder Frau Meggle sind, wusste ich schon.

RÜTTGER
Ich dachte, Sie hätten geraten?

TEUFEL
Entschuldigung, das war jetzt gelogen. Aber nur zum Spaß. Können Sie mir verzeihen?

SCHMELZER (irritiert)
Und wieso überhaupt Anwesenheitsliste? Ich hab mich in keine Liste eingetragen … (Er schaut hilfesuchend zu den anderen.) Ihr etwa?

Ungläubiges Kopfschütteln.

SCHMELZER (steht wieder auf)
Na ja, wie auch immer. Also, ich mach mich mal auf den Weg.

TEUFEL
Eine Sekunde, ich habe hier noch etwas für Sie.

Er hält einen Briefumschlag hoch. Dann kommt er hinter dem Pult hervor, geht zu Schmelzer und überreicht ihm das Kuvert.

TEUFEL
Schauen Sie kurz rein. Und wenn Ihnen gefällt, was Sie sehen, bereiten Sie mir doch bitte weiter das Vergnügen Ihrer Anwesenheit.

Schmelzer öffnet den Umschlag und betrachtet ein Stück Papier, offensichtlich ein Scheck.

TEUFEL (lächelnd)
Na? Was sagen Sie?

SCHMELZER (verblüfft)
Ich … Ist das Ihr Ernst? Soll das für mich sein?

TEUFEL
Ja, natürlich. Alles, was Sie dafür tun müssen, ist zu bleiben. (Er verzieht das Gesicht und macht übertrieben auf niedlich.) Och, bitte, ja?

SCHMELZER
Ich, äh, ja, also …

TEUFEL
Oh, bitte, bitte.

Schmelzer setzt sich wieder hin und betrachtet den Scheck ungläubig. Nebenmann Rüttger beugt sich zu ihm herüber und staunt, als er sieht, um was für eine Summe es sich handelt.

RÜTTGER
Eine Zwischenfrage bitte!

TEUFEL
Ja, Herr Rüttger?

RÜTTGER (steht auf)
Äh, ja, genau, Martin Rüttger. Ich wollte nur sagen, dass ich auch gerade, sozusagen sogar sehr heftig, mit dem Gedanken spiele, spontan gehen zu wollen …

TEUFEL (lacht donnernd)
Sie meinen, weil Sie auch so einen Scheck über 10 000 Euro haben wollen? Haha, wie wunderbar! Aber es tut mir leid. Ich hatte nur den einen bei mir. Also, gehen Sie ruhig. Haha, obwohl … (Er macht eine kleine Pause, alle schauen ihn erwartungsvoll an.) Wenn Sie bleiben, wartet vielleicht eine andere lohnende Überraschung auf Sie. Also, überlegen Sie es sich.

Rüttger blickt sich unsicher um, die anderen schauen ihn gespannt an. Er setzt sich wieder und starrt übertrieben konzentriert auf seinen Notizblock.

TEUFEL (ernst)
So, das hätten wir geklärt. Können wir dann beginnen?

Katie Meggle erhebt sich.

KATIE MEGGLE
Einen Moment …

TEUFEL (beherrscht charmant)
Ja, meine Liebe? Handelt es sich um unser Rendezvous später? Plagen Sie sich mit der Auswahl der Weinsorte? Möchten Sie wissen, welche ich persönlich empfehlen würde?

KATIE MEGGLE
Nein, ich möchte Sie ganz ernsthaft ersuchen, diese merkwürdige Farce zu beenden! Ist hier irgendwo ‘ne versteckte Kamera? Ich hasse so was!

Der Teufel fegt plötzlich mit einer wütenden Handbewegung einen Stapel Zettel und sein Wasserglas vom Rednerpult. Alle zucken zusammen.

TEUFEL (zornig, nur mühsam beherrscht)
Entschuldigung. Das passiert mir manchmal, wenn ich wütend werde. Aber keine Sorge, das sind nur Zuckungen, wahrscheinlich ein neurologisches Problem, sonst nichts.

Irritiertes Durchatmen bei den Reportern.

TEUFEL (weiter cholerisch)
Nun gut, Sie wollen wissen, was das soll und wer ich bin. Ich bin gekommen, um Ihnen die Wahrheit zu sagen, die ganze Wahrheit. Und ich bin der Teufel, verdammt noch mal, ich BIN es! Geben Sie mir einen anderen Namen, wenn es Ihnen gefällt, nennen Sie mich Iblis oder Satan oder Ahriman oder Luzifer, mir egal, aber nehmen Sie es zur Kenntnis und dann schweigen Sie mit Ihrer furchtbaren, unangebrachten Arroganz, bevor ich meine verdammt gute Laune verliere! (Urplötzlich wieder sanft.) Hab ich nämlich nicht oft. Ich neige zur Unausgeglichenheit.

Katie Meggle setzt sich wieder hin. Alle schweigen. Nach einer kurzen, betretenen Pause erhebt sich Kolbach. Er räuspert sich.

KOLBACH
Nun gut, Herr, äh … Nehmen wir also für einen Moment an, dass Sie sind, wer Sie zu sein behaupten. Würden Sie mir zustimmen, wenn ich sage, dass das Ganze einer gewissen Absurdität nicht entbehrt? Der Teufel bittet in einer kleinen Stadt wie dieser zu einer Pressekonferenz, um ausgerechnet die Wahrheit zu sagen?

TEUFEL (wieder gefasst)
Ja, köstliche Idee, oder?

KOLBACH
Und es erscheinen gerade mal eine Handvoll Lokalredakteure und das kleinste Team eines vollkommen unbedeutenden Fernsehsenders, den wahrscheinlich nur zweitausend Menschen überhaupt kennen?

TEUFEL
Perfekt!

KOLBACH
Wäre es nicht angebrachter gewesen, ein solch ungewöhnliches Outing in Berlin oder München oder Paris oder Buenos Aires vor Tausenden oder am besten Hunderttausenden von Menschen zu veranstalten? Im Fernsehen zur Primetime?

TEUFEL
Hübscher Gedanke, Kolbach. Aber Sie werden noch verstehen, dass es dann ja nur halb so viel Spaß gemacht hätte. Stellen Sie sich vor: Der Teufel persönlich, also ich (er kichert), stellt sich der Öffentlichkeit und erzählt seine Geschichte und offenbart seine intimsten Geheimnisse nur einer auserlesenen Handvoll …

KOLBACH
Ist es das, was Sie uns verraten wollen? Ihre intimsten Geheimnisse?

TEUFEL
Ja, gewiss. Ich möchte mir alles von der Seele reden und euch, der armen, geplagten Menschheit, endlich die Gelegenheit geben, euch von mir abzuwenden. Das ist mein heiliger Ernst. Aber ein bisschen Spaß möchte ich dabei auch haben dürfen. Es ist für mich ein großes Opfer, das muss ich mir etwas versüßen.

KOLBACH
Wie meinen Sie das: Spaß haben?

TEUFEL
Nun, Herr Kolbach: Ich glaube, Sie als theologisch interessierter und halbwegs gottgläubiger Mensch würden mir wohl zustimmen, dass ich mit Fug und Recht behaupten darf, eine wunderbare, lange und erfolgreiche Karriere als heimlicher Weltherrscher hinter mir zu haben. Würden Sie das?

SCHMELZER (der mit dem Scheck)
Ich stimme Ihnen zu!

Die anderen schauen Schmelzer verächtlich an.

TEUFEL (amüsiert)
Oh, treue Seele …

KOLBACH
Ich würde sagen:Wie man’s nimmt!

TEUFEL
Sie gefallen mir, Herr Kolbach. Na, jedenfalls, es ist wohl nicht von der Hand zu weisen: Ich bin schon lange im Geschäft und habe viel Großes erreicht. Ich habe die Weltgeschichte massiv beeinflusst. Denken Sie nur an all die schönen Kriege, die Wirtschafts- und Bankenkrisen, den Hunger, den Durst, den entfesselten Hass, die Geisteskrankheiten, die vielen untreuen und geplagten Seelen. Aber nun möchte ich mich offenbaren. Und mich dann anschließend eine Weile zurückziehen.

KATIE MEGGLE
Aha. Und warum?

TEUFEL (kokett)
Hm. Ich befürchte einen Burn-Out und muss wirklich ganz dringend mal ausspannen. (Er zögert.) Na ja, mal sehen, also jedenfalls, wenn meine Mission glückt. Was wiederum auch nicht gewiss ist. Man kann im Leben nie sicher sein, oder? Es passieren ja manchmal die verrücktesten Sachen.

KOLBACH
Das ist etwas verwirrend. Bitte verraten Sie uns doch mehr Details.

TEUFEL
Ich gelte überall, in allen Kulturen, als der ewig Böse, der Urheber aller Gemeinheiten, als der Feind der Menschheit, der nicht mal vor den ekelhaftesten Schandtaten zurückschreckt.

KOLBACH
Und Sie wollen das jetzt mal Geraderücken?

TEUFEL
Oh, nein, nicht wirklich. Ich bin ja tatsächlich all das, was man mir nachsagt. Aber das Problem, das die Menschen schon immer mit mir hatten, ging doch eigentlich nie von mir aus, jedenfalls nicht nur. Ich bin gewissermaßen … (er lacht) … viel unschuldiger, als man allgemein annimmt. Und ich möchte, dass die Wahrheit endlich ans … (zögerlich, dann amüsiert) Licht kommt.

KOLBACH
Entschuldigung, aber das klingt absurd.

TEUFEL
Aber wieso denn? Es ist ja keineswegs so, dass ich nur im Verborgenen operiert hätte in all den Jahrhunderten. Oft bin ich bei meinen Missetaten deutlich zu erkennen gewesen und konnte trotzdem tun und lassen, was ich wollte. Phänomenal, oder? Woran liegt das wohl? Ich bin also hier, um euch das gute Gefühl zu geben, ein wirklich aktiver Teil all dessen zu sein. Oder anders gesagt: Ehre wem Ehre gebührt. Und euch allen gebührt die Ehre der Mitschuld.

KOLBACH
Alles schön und gut. Aber das beantwortet meine Frage nach Ihrem Spaß an dieser Scharade nicht …

TEUFEL
Na gut. Ich gönne mir das ultimative Vergnügen, einem kleinen, ausgewählten Kreis hauptsächlich durchschnittlicher Menschen die Wahrheit zu sagen und dann zu sehen, was daraus wird. So etwas habe ich noch nie gemacht. Ist eine echte Premiere. (Er kichert wieder.) Ich bin ja so irre … scharf auf Abwechslung. Man muss auch mal runter vom Sofa, oder? Mal eine Weile das Knabbergebäck ignorieren und mit lustvollem Schwung auf der pulsierenden See des richtigen Lebens herumsegeln. Kennen Sie das nicht auch?

KOLBACH (notiert)