5. Frau Holla zieht umher

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In der Weihnacht fängt Frau Holla an herumzuziehen, da legen die Mägde ihren Spinnrocken aufs neue an, winden viel Werg oder Flachs darum und lassen ihn über Nacht stehen. Sieht das nun Frau Holla, so freut sie sich und sagt:


»So manches Haar,

so manches gutes Jahr.«


Diesen Umgang hält sie bis zum großen Neujahr, das heißt den heiligen Dreikönigstag, wo sie wieder umkehren muß nach ihrem Horselberg; trifft sie dann unterwegens Flachs auf dem Rocken, zürnt sie und spricht:


»So manches Haar,

so manches böses Jahr.«


Daher reißen feierabends vorher alle Mägde sorgfältig von ihren Rocken ab, was sie nicht abgesponnen haben, damit nichts dran bleibe und ihnen übel ausschlage. Noch besser ist’s aber, wenn es ihnen gelingt, alles angelegte Werg vorher im Abspinnen herunterzubringen.

95. Johann von Passau

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Doktor Martinus Luther erzählt: Ein Edelmann hatte ein schön jung Weib gehabt, die war ihm gestorben und auch begraben worden. Nicht lange darnach, da liegt der Herr und der Knecht in einer Kammer beieinander, da kommt des Nachts die verstorbene Frau und lehnet sich über des Herren Bette, gleich als redete sie mit ihm. Da nun der Knecht sah, daß solches zweimal nacheinander geschah, fraget er den Junkherrn, was es doch sei, daß alle Nacht ein Weibsbild in weißen Kleidern vor sein Bett komme, da saget er nein, er schlafe die ganze Nacht aus und sehe nichts. Als es nun wieder Nacht ward, gibt der Junker auch acht drauf und wachet im Bette, da kömmt die Frau wieder vor das Bett, der Junker fraget: wer sie sei und was sie wolle? Sie antwortet: sie sei seine Hausfrau. Er spricht: »Bist du doch gestorben und begraben!« Da antwortet sie: »Ja, ich habe deines Fluchens halben und um deiner Sünde willen sterben müssen, willst du mich aber wieder zu dir haben, so will ich wieder deine Hausfrau werden.« Er spricht: »Ja, wenn’s nur sein könnte.« Aber sie bedingt aus und ermahnt ihn, er müsse nicht fluchen, wie er denn einen sonderlichen Fluch an ihm gehabt hatte, denn sonst würde sie bald wieder sterben; dieses sagt ihr der Mann zu, da blieb die verstorbene Frau bei ihm, regierte im Haus, schlief bei ihm, aß und trank mit ihm und zeugete Kinder.

Nun begibt sich’s, daß einmal der Edelmann Gäste kriegt und nach gehaltener Mahlzeit auf den Abend das Weib Pfefferkuchen zum Obst aus einem Kasten holen soll und bleibet lange außen. Da wird der Mann scheltig und fluchet den gewöhnlichen Fluch, da verschwindet die Frau von Stund an und war mit ihr aus. Da sie nun nicht wiederkommt, gehen sie hinauf in die Kammer, zu sehen, wo die Frau bliebe. Da liegt ihr Rock, den sie angehabt, halb mit den Ärmeln in dem Kasten, das andere Teil aber heraußen, wie sich das Weib hatte in den Kasten gebücket, und war das Weib verschwunden und seit der Zeit nicht gesehen worden.

96. Das Hündlein von Bretta

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In der Rheinpfalz, besonders im Kraichgau, geht unter den Leuten das Sprichwort um, wenn von übel belohnter Treue die Rede ist: »Es geschieht dir wie dem Hündchen zu Bretten.« Die Volkssage davon muß schon alt sein, und namentlich spielt auch Fischart an zwei verschiedenen Stellen darauf an.

In dem Städtchen Bretten lebte vorzeiten ein Mann, welcher ein treues und zu mancherlei Dienst abgerichtetes Hündlein hatte, das pflegte er auszuschicken, gab ihm einen Korb ins Maul, worin ein beschriebener Zettel mit dem nötigen Gelde lag, und so langte es Fleisch und Bratwurst beim Metzger, ohne je einen Bissen davon anzurühren. Einmal aber sandte es sein Herr, der evangelisch war, an einem Freitag zu einem Metzger, der katholisch war und streng auf die Fasten hielt. Als nun der Metzger auf dem Zettel eine Wurst bestellt fand, hielt er das Hündlein fest, haute ihm den Schwanz ab und legte den in den Korb mit den Worten: »Da hast du Fleisch!« Das Hündlein aber, beschimpft und verwundet, trug den Korb treulich über die Gasse nach Haus, legte sich nieder und verstarb. Die ganze Stadt trauerte, und das Bild eines Hündleins ohne Schwanz wurde, in Stein ausgehauen, übers Stadttor gesetzt.

Andere erzählen so: Es habe seinem armen Herrn Fleisch und Würste gestohlen zugetragen, bis es endlich ein Fleischer ertappt und mit dem Verlust des Schwanzes gestraft.

97. Das Dorf am Meer

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Eine Heilige ging am Strand, sah nur zum Himmel und betete; da kamen die Bewohner des Dorfs sonntags nachmittag, ein jeder geputzt in seidenen Kleidern, seinen Schatz im Arm, und spotteten ihrer Frömmigkeit. Sie achtete nicht darauf und bat Gott, daß er ihnen diese Sünde nicht zurechnen wolle. Am andern Morgen aber kamen zwei Ochsen und wühlten mit ihren Hörnern in einem nahe gelegenen großen Sandberg, bis es Abend war; und in der Nacht kam ein mächtiger Sturmwind und wehte den ganzen aufgelockerten Sandberg über das Dorf hin, so daß es ganz zugedeckt wurde und alles darin, was Atem hatte, verdarb. Wenn die Leute aus benachbarten Dörfern herbeikamen und das Verschüttete aufgraben wollten, so war immer, was sie tagsüber gearbeitet, nachts wieder zugeweht. Das dauert bis auf den heutigen Tag.

98. Die verschütteten Silbergruben

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Die reichsten Silberbergwerke am Harz waren die schon seit langen Jahren eingegangenen beiden Gruben der große Johann und der goldene Altar (bei Andreasberg?). Davon geht folgende Sage: Vorzeiten, als die Gruben noch bebaut wurden, war ein Steiger darübergesetzt, der hatte einmal, als der Gewinn groß war, ein paar reiche Stufen beiseite gelegt, um, wenn der Bau schlechter und ärmer sein würde, damit das Fehlende zu ersetzen und immer gleichen Gewinn hervorzubringen. Was er also in guter Absicht getan, das ward von andern, die es bemerkt hatten, als ein Verbrechen angeklagt und er zum Tode verurteilt. Als er nun niederkniete und ihm das Haupt sollte abgeschlagen werden, da beteuerte und beschwur er nochmals seine Unschuld und sprach: »So gewiß bin ich unschuldig, als mein Blut sich in Milch verwandeln und der Bau der Grube aufhören wird; wann in dem gräflichen Haus, dem diese beiden Bergwerke zugehören, ein Sohn geboren wird mit Glasaugen und mit Rehfüßen, und er bleibt am Leben, so wird der Bau wieder beginnen, stirbt er aber nach seiner Geburt, so bleiben sie auf ewig verschüttet.« Als der Scharfrichter den Hieb getan und das Haupt herabfiel, da sprangen zwei Milchströme statt des Bluts schneeweiß aus dem Rumpf in die Höhe und bezeugten seine Unschuld. Auch die beiden Gruben gingen alsbald ein. Nicht lange nachher ward ein junger Graf mit Glasaugen und Rehfüßen geboren, aber er starb gleich nach der Geburt, und die Silberbergwerke sind nicht wieder aufgetan, sondern bis auf diesen heutigen Tag verschüttet.

99. Die Fundgrübner

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Die reichsten Berggänge pflegen von armen und geringen Grübnern entdeckt zu werden, darüber es mancherlei Sagen hat. In dem böhmischen Bergwerk auf der Eule war ein Bergmann, des Namens der rote Leu, so reich geworden, daß er König Wenzel zu Gaste lud, ihm eine Tonne Goldes schenkte und dem König Karl hundert geharnischte Reiter ausrüstete. Dieser rote Leu hatte anfangs sein ganzes Vermögen zugesetzt und schon sein Weib ihren Schleier (ihr Eingebrachtes) verkaufen müssen. Eines Tages stieß sich die Frau von ungefähr blutrünstig in die Ferse an einem großen Knauer. Der Mann wollte ihn wegstufen und traf auf gediegenes Gold, wodurch er plötzlich reich wurde. Aber Stolz und Hochmut kamen über ihn, in seinem Hause mußte alles seiden, silbern und golden sein, und das Weib sprach, es wäre Gott unmöglich, daß sie wieder arm werden sollten. Nach und nach wurde der rote Leu bettelarm und starb auf dem Misthaufen.

Im Salzburger Werk zu Gastein und Rauriß lebte ein mächtiger Fundgrübner, genannt der alte Weinmoser. In der Stunde, wo er seinen Schuldnern entlaufen wollte und schon in der Tür stand, wurde ihm reicher Ausbruch und Handstein entgegengebracht. Die hielten Gold und Silber, wurden mit Macht geschüttet und gaben ihm und anderen bald große Reichtümer. Und da ihm auf seinem Sterbebette schöne Handsteine neuerdings aus der Grube getragen wurden, sagte er doch: »Der rechte und schönste Gang ist Jesus, mein Herr und Heiland, auf dem will ich bald eingehen ins ewige Leben.«

100. Ein gespenstiger Reiter

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Ein unbekannter Mann hatte sich gegen das Ende des XVII. Jahrhunderts bei einem Grafen von Roggendorf zum Bereiter angegeben und wurde, nach geleisteter Probe, zu Diensten angenommen und ihm eine ehrliche Bestallung gemacht. Es begab sich aber, daß einer von Adel bei Hof anlangte und mit diesem Bereiter an die Tafel gesetzt wurde. Der Fremde ersah ihn mit Erstaunen, war traurig und wollte keine Speise zu sich nehmen, ob ihm wohl der Graf deswegen freundlichst zugesprochen. Nachdem nun die Tafel aufgehoben war und der Graf den Fremden nochmals nach der Ursache seines Trauerns befragte, erzählte er, daß dieser Bereiter kein natürlicher Mensch, sondern vor Ostende ihm an der Seite erschossen sei, auch von ihm, dem Erzähler, selbst zu Grabe begleitet worden. Er gab auch alle Umstände an: des Toten Vaterland, Namen, Alter, und das traf alles mit dem, was der Bereiter von sich selbst gesagt, ein, so daß der Graf daran nicht zweifeln konnte. Er nahm daher Ursach, diesem Gespenst Urlaub zu geben mit Vorwenden, daß seine Einkünfte geringert und er seine Hofhaltung einzuziehen gesonnen. Der Bereiter sagte, daß ihn zwar der Gast verschwätzt, weil aber der Graf nicht Ursache hätte, ihn abzuschaffen, und er ihm getreue Dienste geleistet und noch leisten wolle, bitte er, ihn ferner an dem Hofe zu erdulden. Der Graf aber beharrte auf dem einmal gegebenen Urlaub. Deswegen begehrte der Bereiter kein Geld, wie bedingt war, sondern ein Pferd und Narrenkleid mit silbernen Schellen, welches ihm der Graf gerne geben ließ und noch mehr wollte reichen lassen, das der Bereiter anzunehmen verweigerte.

Es fügte sich aber, daß der Graf nach Ungarn verreiste und bei Raab, auf der Schütt, diesen Bereiter mit vielen Koppelpferden in dem Narrenkleid antraf, welcher seinen alten Herrn, wie er ihn erblickte, mit großen Freuden begrüßte und ein Pferd zu verehren anbot. Der Graf bedankt sich und will es nicht nehmen, als der Bereiter aber einen Diener ersieht, den er sonst am Hof wohl gekannt, gibt er diesem das Pferd. Der Diener setzt sich mit Freuden drauf, hat es aber kaum bestiegen, so springt das Pferd in die Höh und läßt ihn halbtot auf die Erde fallen. Zugleich ist der Roßtäuscher mit seiner ganzen Koppel verschwunden.

101. Der falsche Eid

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Im Odenwald beim Kloster Schönau liegt ein Ort, genannt zum falschen Eid. Da hat auf eine Zeit ein Bauer geschworen, der Acker gehöre sein; alsbald öffnete sich der Erdboden unter seinen Füßen, und er versank, daß nichts übrigblieb als sein Stab und zwei Schuhe. Davon hat die Stelle den Namen erhalten.

Sonst weiß man auch von Meineidigen, daß ihnen die aufgerichteten Finger erstarren und nicht mehr gebogen werden mögen oder daß sie verschwarzen; auch daß sie nach dem Tode der Leute zum Grab herauswachsen.

102. Zwölf ungerechte Richter

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Nah bei westfälisch Minden liegt ein Grund, davon wird erzählt, zwölf Richter hätten den Boden einem zugesprochen, dem er nicht gehörig, darüber sich die Erde aufgetan und sie bis an die Knie alsbald verschluckt; wie dessen noch Wahrzeichen vorhanden sind.

103. Die heiligen Quellen

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Das Schweizer Landvolk redet noch von den heiligen Quellen, die im Rütli plötzlich entsprungen, als da der große Eidschwur geschah, und wie einem der Schwörenden, der den Bund verraten, sogleich Feuer zu Mund und Nase ausgefahren sei, auch sein Haus von selbst angefangen habe zu brennen.

104. Der quillende Brunnen

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An einem Berge in Franken quillet ein Brunnen, wobei ein vornehmes adliges Geschlecht sein Stammhaus hat. Das ganze Jahr über hat er schönes, lauteres, überflüssiges Wasser, das nicht eher aufhöret, als wenn jemand aus demselbigen Geschlecht soll sterben. Alsdann vertrocknet er sogar, daß man auch fast kein Zeichen oder Spur mehr findet, es sei jemals ein Brunn daselbst gewesen. Als zur Zeit ein alter Herr des gedachten adligen Stammes in fremden Landen tödlich niederlag und, bereits achtzigjährig, seinen baldigen Tod mutmaßte, fertigte er in seine Heimat einen Boten ab, der sich erkundigen sollte, ob der Brunn vertrockne. Bei der Ankunft des Boten war das Wasser versiegt, allein man gebot ihm ernstlich, es dem alten Herrn zu verschweigen, vielmehr zu sagen: der Brunn befinde sich noch richtig und voll Wassers; damit ihm keine traurigen Gedanken erweckt würden. Da lachte der Alte und strafte sich selbst, daß er von dem Brunnen abergläubisch zu wissen gesuchet, was im Wohlgefallen Gottes stände, schickte sich zu einem seligen Abschied an. Plötzlich aber wurde es besser mit seiner Krankheit, und nicht lange, so kam er dieses Lagers völlig wieder auf. Damit der Brunnen nicht vergebens versiegte und ihm seine seit langen Jahren eingetroffene Bedeutung bestünde, trug es sich zu, daß des Geschlechts ein Junger von Adel, von einem untreuen Pferde abgeworfen, gleich zu der nämlichen Zeit Todes verfuhr.

6. Frau Hollen Bad

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Am Meißner in Hessen liegt ein großer Pfuhl oder See, mehrenteils trüb von Wasser, den man Frau Hollen Bad nennt. Nach alter Leute Erzählung wird Frau Holle zuweilen badend um die Mittagsstunde darin gesehen und verschwindet nachher. Berg und Moore in der ganzen Umgegend sind voll von Geistern und Reisende oder Jäger oft von ihnen verführt oder beschädiget worden.

105. Hungerquelle

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Zu Halle auf dem Markt an dem roten Turm ist ein Quellbrunnen, der an der Mitternachtsseite zutag ausfließet und für eine Hungerquelle ausgegeben wird, indem aus dessen starkem oder schwachem Überlaufen der gemeine Mann Teurung oder wohlfeile Zeit weissagt. Die Bauern, welche in die Stadt kommen, pflegen nach dieser Quelle zu sehen, und wenn sie auslief, sagten sie: »Heuer wird es teuer.«

Dergleichen, gewöhnlich versiegende Quellen fließen bloß in nassen, unfruchtbaren Jahren. Von einem guten, warmen Sommer heißt es: Sonnenjahre – Wonnenjahre.

106. Der Liebenbach

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Die Stadt Spangenberg in Hessen erhält ihr Trinkwasser durch einen Bach, welcher die gute Quelle des gegenüberliegenden Bergs herbeileitet. Von der Entstehung dieses Bachs wird folgendes erzählt: Ein Jüngling und ein Mädchen in der Stadt liebten sich herzlich, aber die Eltern wollten lange nicht zu ihrer Verheiratung einwilligen. Endlich gaben sie nach unter der Bedingung, daß die Hochzeit erst dann solle gefeiert werden, wenn die zwei Liebenden die gute, frische Quelle von dem gegenüberliegenden Berge ganz allein herübergeleitet hätten; dadurch würde die Stadt Trinkwasser erhalten, woran sie bisher Mangel gelitten. Da fingen beide an, den Bach zu graben, und arbeiteten ohn Unterlaß. So haben sie vierzig Jahre gegraben; als sie aber fertig waren, starben sie beide in demselben Augenblick.

107. Der Helfenstein.

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Eine Meile von Trautenau in Böhmen auf dem Riesenberg liegt der Helfenstein, ein hoher Fels, auf dem sonst ein Raubschloß gestanden, nachher aber versunken ist, und weiß niemand, wo die Menschen, die darin lebten, hingekommen sind. Im Jahre 1614 war, viertelwegs davon, zu Mäschendorf eine junge Magd, die ging nicht weit von diesem Fels Vieh hüten und hatte noch mehr Kinder bei sich. Zu diesen sprach sie: »Kommt, laßt uns hin zum Helfenstein, ob wir ihn vielleicht offen finden und das große Weinfaß sehen.« Da sie hingehen, ist der Felsen offen und eine Eisentür aufgetan, daran ein Schloß mit vielen Schlüsseln hängt. Aus Neugierde treten sie näher und endlich hinein. Es ist ein ziemlich weites Vorgemach, aber hinten wieder eine Tür. Sie gehen durch, in dem zweiten Gemach liegt allerhand Hausrat, besonders ein groß zehneimerig Faß Wein, davon waren die meisten Dauben abgefallen; allein es hatte sich eine fingersdicke Haut angesetzt, so daß der Wein nicht herauslaufen konnte. Als sie es alle vier mit Händen angriffen, schlotterte es und gab nach wie ein Ei mit weichen Schalen. Indem sie nun solches betrachten, kommt ein wohlgeputzter Herr aus einer schönen Stube, roten Federbusch auf dem Hut, in der Hand eine große zinnerne Kanne, Wein zu holen. Beim Türaufmachen hatten sie gesehen, daß es in der Stube lustig hergehet, an zwei Tischen schöne Manns-und Weibsbilder, haben Musik und sind fröhlich. Der aber den Wein zapft, heißt sie willkommen und in die Stube gehen. Sie erschrecken und wünschen sich weit davon, doch spricht die eine, sie wären zu unsauber und nicht angeschickt, zu so wohlgeputzten Leuten zu gehen. Er bietet ihnen dennoch Trinken an und reicht die Kanne. Wie sie sich entschuldigt, heißt er sie warten, bis er für sie eine andere Kanne geholt. Als er nun weg ist, spricht die Älteste: »Laßt uns hinausgehen, es möchte nicht gut werden; man sagt, die Leute seien in den Bergen hie verfallen.« Da gehen sie eilends heraus, hinter sich hören sie nach wenig Schritten ein Knallen und Fallen, daß sie heftig erschrecken.

Nach einer Stunde sagt die Älteste wieder: »Laßt uns noch einmal hin und sehen, was das gewesen ist, das so gekracht hat.« Die andern wollten nicht, da aber die Große so kühn war, allein hinzugehen, folgten die andern nach. Sie sehen aber weder Eingang noch eiserne Tür, der Fels war fest zu. Wie sie das Vieh eingetrieben, erzählten sie alles den Eltern, diese berichten es dem Verwalter; allein der Fels blieb zu, sooft man ihn auch in Augenschein genommen.

108. Die Wiege aus dem Bäumchen

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Bei Baden in Osterreich stehen die Trümmer des alten Bergschlosses Rauheneck. In diesen soll ein großer Schatz verborgen liegen, den aber nur der heben kann, der als Kind in einer Wiege geschaukelt sein wird, die aus dem Holz des Baumes gezimmert worden ist, der jetzt nur erst als ein schwaches Reis aus der Mauer des hohen Turmes zu Rauheneck sprießt. Verdorrt das Bäumchen und wird es abgehauen, so muß die Hebung des Schatzes warten, bis es von neuem ausschlägt und wieder wächst.

109. Hessental

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Die alte Burg Schellenpyrmont liegt nun in Trümmern, da soll der Sage nach vormals Thusneldens Sitz gewesen sein. Thusnelde hatte einen Vogel, der reden konnte. Eines Tages kam er aus dem Hessental, einem Waldgrunde am Burgberg, herauf und schrie in einem fort:


»Hessental blank, Hessental blank!«


damit die in dies Tal schon vorgedrungenen Römer mit ihren blanken Rüstungen anzudeuten; und die Deutschen gewannen nun Zeit, sich gegen den Überfall des Feindes zu rüsten.

110. Reinstein

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Unter der uralten Burg Reinstein unweit Blankenburg am Harz liegt ein großes Felsenloch, angefüllt mit allerhand kleinen Steinen, wie man sie sonst nicht auf Gebirgen, sondern bloß in Ebenen findet. Wenn jemand von solchen Steinen viel oder wenig nimmt, führt oder trägt, so kommen sie doch wieder an denselben Ort, da sie sind weggenommen worden, so daß die Höhle immer voll von Steinen bleibt. Es soll aber noch keinem gefrommt haben, dergleichen Steine wegzubringen. Auf dem Fels, sonderlich um die Gegend der Höhle, hört man zur Mittagsstunde oft Schellen läuten, zuweilen auch ein Gehämmer wie von vielen Schmieden.

111. Der stillstehende Fluß

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Von der Fulde heißt es, sooft ein Fürst aus dem Lande Hessen, sonderlich ein regierender Herr oder dessen Gemahlin, bald sterben soll, daß sie wider ihren natürlichen Lauf ganz stillstehe und gleichsam der Strom seine Trauer zu erkennen gebe. Man hält das für eine sichere Todesanzeige, und haben es die Einwohner mehrmals beobachtet.

112. Arendsee

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Von dem Arendsee in der Altmark wird folgendes erzählt: An der Stelle, wo jetzt der See und der Ort dieses Namens liegt, stand vor alters ein großes Schloß. Dieses ging urplötzlich unter, und nicht mehr kam davon als ein Mann und ein Weib. Wie die beiden nun fortgingen, sah sich das Weib ungefähr um und ward der schleunigen Veränderung innen. Verwundert brach sie in die Worte aus: »Arend, see!« (Arend sieh! Denn jenes war ihres Mannes Name) und darum gab man nachher dem Städtlein die Benennung, das an dem See auferbaut wurde. In diesem See ragt der feinste, weiße Streusand hervor, und wann die Sonne hell scheint, soll man (wie auch beim See Brock neben dem Ossenberg) noch alle Mauern und Gebäude des versunkenen Schlosses sehen. Einige haben einmal vorgehabt, das Wasser zu gründen, und ein Seil eingelassen; wie sie das herauszogen, fand sich ein Zettel dran mit dem Gebote: »Lasset ab von euerem Unternehmen, sonst wird euerm Orte widerfahren, was diesem geschehen ist.«

113. Der Ochsenberg

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In der Alten Mark, nicht weit vom zertrümmerten Schloß Alvensleben, liegt ein großes, wacker lustiges Dorf, mit Namen Ursleben. Einen Büchsenschuß hinter dem Dorf stehet ein großer See, genannt Brock (Bruch), an dessen Stätte war vor alten Zeiten ein schönes Schloß, das hernach unterging, und seitdem war das große Wasser aufgekommen. Nämlich es sollen alle Leute drinnen versunken sein, ausgenommen eine einzige Edeljungfer, die ein Traum kurz vorher warnete. Als nun das Vieh und die Hühner sonderlich traurige Zeichen eines bevorstehenden großen Unglücks laut werden ließen, setzte sich diese Jungfrau auf einen Ochsen und ritt davon. Mit genauer Not erreichte sie einen dabei gelegenen Hügel, hinter ihr drein sank das Schloß zusammen, und wie sie, auf dem Ochsen sitzend, sich vom Hügel umsah, war das Gewässer überall aufgestiegen. Davon heißt der Hügel noch Ossenberg bis auf den heutigen Tag.

114. Die Moorjungfern

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Auf der Rhön ist ein Sumpf, genannt das rote Moor. Nach der Volkssage stand daselbst vorzeiten ein Dorf, namens Poppenrode, das ist nunmehr versunken. Auf der Moorfläche bei Nacht schweben Lichtchen, das sind Moorjungfern. An einem andern Ort ebendaselbst liegt auch das schwarze Moor, schon in alten Urkunden so genannt, und die Sage weiß auch hier von einem versunkenen Dorf, von welchem noch ein Pflaster übrig ist, namens die steinerne Brücke.

7. Frau Holla und der treue Eckart

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In Thüringen liegt ein Dorf namens Schwarza, da zog Weihnachten Frau Holla vorüber, und vorn im Haufen ging der treue Eckart und warnte die begegneten Leute, aus dem Wege zu weichen, daß ihnen kein Leid widerfahre. Ein paar Bauernknaben hatten gerade Bier in der Schenke geholt, das sie nach Haus tragen wollten, als der Zug erschien, dem sie zusahen. Die Gespenster nahmen aber die ganze breite Straße ein, da wichen die Dorfjungen mit ihren Kannen abseits in eine Ecke; bald nahten sich unterschiedene Weiber aus der Rotte, nahmen die Kannen und tranken. Die Knaben schwiegen aus Furcht stille, wußten doch nicht, wie sie ihnen zu Haus tun sollten, wenn sie mit leeren Krügen kommen würden. Endlich trat der treue Eckart herbei und sagte: »Das riet euch Gott, daß ihr kein Wörtchen gesprochen habt, sonst wären euch eure Hälse umgedreht worden; gehet nun flugs heim und sagt keinem Menschen etwas von der Geschichte, so werden eure Kannen immer voll Bier sein und wird ihnen nie gebrechen.« Dieses taten die Knaben, und es war so, die Kannen wurden niemals leer, und drei Tage nahmen sie das Wort in acht. Endlich aber konnten sie’s nicht länger bergen, sondern erzählten ihren Eltern von der Sache, da war es aus, und die Krüglein versiegten. Andere sagten, es sei dies nicht eben zu Weihnacht geschehen, sondern auf eine andere Zeit.

115. Andreasnacht

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Es ist Glaube, daß ein Mädchen in der Andreasnacht, Thomasnacht, Christnacht und Neujahrsnacht seinen zukünftigen Liebsten einladen und sehen kann. Es muß einen Tisch für zwei decken, es dürfen aber keine Gabeln dabei sein. Was der Liebhaber beim Weggehen zurückläßt, muß sorgfältig aufgehoben werden, er kommt dann zu derjenigen, die es besitzt, und liebt sie heftig. Es darf ihm aber nie wieder zu Gesicht kommen, weil er sonst der Qual gedenkt, die er in jener Nacht von übermenschlicher Gewalt gelitten, und er des Zaubers sich bewußt wird, wodurch großes Unglück entsteht.

Ein schönes Mädchen in Österreich begehrte einmal um Mitternacht, unter den nötigen Gebräuchen, seinen Liebsten zu sehen, worauf ein Schuster mit einem Dolche dahertrat, ihr denselben zuwarf und schnell wieder verschwand. Sie hob den nach ihr geworfenen Dolch auf und schloß ihn in eine Truhe. Bald kam der Schuster und hielt um sie an. Etliche Jahre nach ihrer Verheiratung ging sie einstmals sonntags, als die Vesper vorbei war, zu ihrer Truhe, etwas hervorzusuchen, das sie folgenden Tag zur Arbeit vornehmen wollte. Als sie die Truhe geöffnet, kommt ihr Mann zu ihr und will hineinschauen; sie hält ihn ab, aber er stößt sie mit Gewalt weg, sieht in die Truhe und erblickt seinen verlornen Dolch. Alsbald ergreift er ihn und begehrt kurz zu wissen, wie sie solchen bekommen, weil er ihn zu einer gewissen Zeit verloren hätte. Sie weiß in der Bestürzung und Angst sich auf keine Ausrede zu besinnen, sondern bekennet frei, es sei derselbe Dolch, den er ihr in jener Nacht hinterlassen, wo sie ihn zu sehen begehrt. Da ergrimmte der Mann und sprach mit einem fürchterlichen Fluch: »Hur! So bist du die Dirne, die mich in jener Nacht so unmenschlich geängstiget hat!« und stößt ihr damit den Dolch mitten durchs Herz.

Diese Sage wird an verschiedenen Orten von andern Menschen erzählt. Mündlich: Von einem Jäger, der seinen Hirschfänger zurückläßt; in dem ersten Wochenbett schickt ihn die Frau über ihren Kasten, Weißzeug zu holen, und denkt nicht, daß dort das Zaubergerät liegt, das er findet und womit er sie tötet.

116. Der Liebhaber zum Essen eingeladen

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Zu Saalfeld in Thüringen war eine Schösserin (Steuereinnehmerin), die sich heimlich in ihren Schreiber verliebte. Durch Zauberei aber wollte sie ihn gewinnen, ließ ein frisches Brot backen und steckte mitten in der heiligen Christnacht kreuzweise zwei Messer hinein, indem sie etliche Worte dazu murmelte. Darauf kam der Schreiber aus dem Schlafe ganz nackigt zur Stube hereingesprungen, setzte sich nieder am Tisch und sah sie scharf an. Sie stand auf und lief davon, da zog er beide Messer aus dem Brot und warf sie hinter ihr drein und hätte sie bald sehr verletzt. Hernach ging er wieder zurück; eine Muhme, die in der Stube zugegen war, erschrak so heftig, daß sie etliche Wochen krank niederliegen mußte. Der Schreiber soll den folgenden Tag zu den Hausleuten gesagt haben: er möchte nur gern wissen, welche Frau ihn verwichene Nacht so geängstet habe; er wäre so abgemattet, daß er es kaum sagen könne, denn er hätte sollen mit fortkommen und sich nicht genugsam erwehren können; er hätte auch beten mögen, was er gewollt, so wäre er getrieben worden.

Dieselbe, alte Frau, die diese Geschichte erzählte, fügte hinzu: Auch zu Coburg haben einmal einige Edeljungfrauen von neunerlei Essen etwas aufgehoben und um Mitternacht aufgestellt und sich dabei zu Tische gesetzt. Darauf kamen ihre Liebsten alle, jeder brachte ein Messer mit, und wollten sich zu ihnen niederlassen. Darüber entsetzten sich die Jungfrauen und flohen; einer aber nahm das Messer und warf hinterher; sie schaute um, blickte ihn an und hob das Messer auf. Ein andermal soll statt des eingeladenen Buhlen der leibhaftige Tod in die Stube gekommen sein und sein Stundenglas bei einer niedergesetzt haben, die denn auch das Jahr über verstarb.

In Schlesien haben sich drei Hoffräulein in einer heiligen Nacht an einen gedeckten Tisch gesetzt und ihre zukünftigen Liebhaber erwartet, deren jedem ein Teller hingestellt war. Sie sind auch auf diese Einladung erschienen, aber nur zweie, die sich zu zwei Jungfrauen gesetzt; der dritte ist ausgeblieben. Als nun die Verlassene darüber traurig und ungeduldig geworden, endlich nach langem vergeblichen Warten aufgestanden und sich ans Fenster gestellt, hat sie gegenüber einen Sarg erblickt, darin eine Jungfrau gelegen, ihr ganz gleich gestaltet, worüber sie erkrankte und bald darauf starb. Nach einer mündlichen Erzählung kommt die Totenlade in die Stube, sie geht darauf zu, die Bretter tun sich auf, und sie fällt tot hinein.

117. Die Christnacht

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Abergläubische Mägde, um Träume von ihren Liebsten zu bekommen, kaufen frühe des Tags vor dem Heiligen Abend um einen Pfennig Semmel, und zwar das letzte Stößchen, das auf einem Ende zu ist. Weiter schneiden sie ein bißchen Rinde unten ab, binden es unter den rechten Arm und gehen fleißig den ganzen Tag damit herum. Hernach beim Schlafengehen legen sie es unter den Kopf in der Christnacht und sprechen dabei:


»Jetzt hab ich mich gelegt und Brot bei mir,

wenn doch nun mein Feinslieb käme und äße mit mir!«


Darüber soll es geschehen, daß zur Mitternacht von solcher Semmelrinde etwas genagt wird, und daran kann man frühmorgens erkennen, daß der Liebste sie das Jahr über heiraten werde. Ist aber das Brot unverletzt gelassen, so haben sie schlechte Hoffnung. Also soll es sich begeben haben (1657 zu Leipzig), daß da ihrer zwei beieinander in einem Bette schliefen, die eine hatte solches Brot unter sich liegen, die andere nicht. Diese hörte nachts ein Knarren und Nagen, fürchtete sich und rüttelte ihre Gespielin, die aber in festem Schlaf lag und nichts gewahr wurde, bis sie aus den Träumereien erwachte. Als sie nun morgens das Brot besichtigten, war ein Kreuz hineingefressen. Das Weibsbild soll bald darauf einen Soldaten zum Mann bekommen haben.

Die alte Saalfelder Frau erzählte, daß andere ein Gefäß mit Wasser nehmen und es mit einem gewissen kleinen Maß in ein ander Gefäß messen. Sie tun dies aber etlichemal und sehen zu, ob sie in den wiederholten Bemessungen mehr Wasser antreffen als zuerst. Daraus schließen sie, daß sie das folgende Jahr über zunehmen werden an Hab und Gütern. Befinden sie einerlei Maß, so glauben sie, daß ihr Schicksal stillstehe und sie weder Glück noch Unglück haben werden. Ist aber zuletzt weniger Wasser, so entnehmen sie, daß ihr gutes Wohlergehn und Gedeihen zurückgehe. Der Saalfelder Frau war das mittelste einmal zu Händen gekommen.

Andere nehmen einen Erbschlüssel und einen Knäuel Zwirn, binden den Zwirn fest an den Schlüssel und bewinden das Knaul, damit es nicht weiter ablaufe, als sie es vorher haben laufen lassen. Sie lassen es aber bei ein Ellen oder sechs los; dann stecken sie dies Gebäumel zum Fenster aus und bewegen es von einer Seite zur andern an den äußerlichen Wänden und sprechen dabei: »Horch! Horch!« so sollen sie von der Seite und Gegend oder dem Orte her eine Stimme vernehmen, dahin sie werden zu freien und zu wohnen kommen. Andere greifen zur Türe hinaus und haben, wenn sie die Hand hereinziehen, einige Haare von ihrem zukünftigen Liebsten darin.

118. Das Hemdabwerfen

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Zu Coburg saßen am Weihnachtsabend mehrere Mädchen zusammen, waren neugierig und wollten ihre künftigen Liebhaber erkündigen. Nun hatten sie tags vorher neunerlei Holz geschnitten, und als die Mitternacht kam, machten sie ein Feuer im Gemach, und die erste zog ihre Kleider ab, warf ihr Hemd vor die Stubentüre hinaus und sprach bei dem Feuer sitzend:


»Hier sitz ich splitterfasenackt und bloß,

wenn doch mein Liebster käme

und würfe mir mein Hemde in den Schoß!«


Hernach wurde ihr das Hemd wieder hereingeworfen, und sie merkte auf das Gesicht dessen, der es tat; dies kam mit dem überein, der sie nachdem freite. Die andern Mädchen kleideten sich auch aus, allein sie fehlten darin, daß sie ihre Hemden zusammen in einen Klump gewickelt hinauswarfen. Da konnten sich die Geister nicht finden, sondern huben an zu lärmen und zu poltern, dermaßen, daß den Mädchen grausete. Flugs gossen sie ihr Feuer aus und krochen zu Bette bis frühe, da lagen ihre Hemden vor den Türen in viel tausend kleine Fetzen zerrissen.

119. Kristallschauen

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Eine schöne und adlige Jungfrau und ein edler Jüngling trugen heftige Liebe zueinander, sie aber konnte von ihren Stiefeltern die Erlaubnis zur Verheiratung nicht erlangen, worüber sie beide in großer Trauer lebten. Nun begab sich, daß ein altes Weib, welches Zutritt im Hause hatte, zu der Jungfrau kam, sie tröstete und sprach: der, den sie liebe, werde ihr gewiß noch zuteil werden. Die Jungfrau, die das gern hörte, fragte, wie sie das wissen könne. »Ei, Fräulein«, sprach die Alte, »ich habe die Gnade von Gott, zukünftige Dinge vorherzuentdecken, darum kann mir dieses so wenig, als viel anderes, verborgen sein. Euch allen Zweifel zu benehmen, will ich Euch, wie es damit gehen wird, in einem Kristall so klärlich weisen, daß Ihr meine Kunst loben sollt. Aber wir müssen eine Zeit dazu wählen, wo Eure Eltern nicht daheim sind; dann sollt Ihr Wunder sehen.«

Die Jungfrau wartete, bis ihre Eltern auf ein Landgut gefahren waren, und ging dann zu dem Lehrer ihres Bruders, dem Johann Rüst, der hernach als Dichter berühmt geworden, vertraute ihm ihr Vorhaben und bat ihn gar sehr, mitzugehen und dabeizusein, wenn sie in den Kristall schaue. Dieser suchte ihr einen solchen Vorwitz als sündlich auszureden, der Ursache zu großem Unglück werden könne; aber es war vergeblich, sie blieb bei ihrem Sinn, so daß er sich endlich auf ihr inständiges Bitten bewegen ließ, sie zu begleiten. Als sie in die Kammer traten, war das alte Weib beschäftigt, ihre Gerätschaften aus einem kleinen Korbe herauszuziehen, sah aber ungern, daß dieser Rüst die Jungfrau begleitete, und sagte, sie könne ihm an den Augen absehen, daß er von ihrer Kunst nicht viel halte. Hierauf hub sie an und breitete ein blauseiden Tüchlein, darin wunderliche Bilder von Drachen, Schlangen und anderm Getier eingenäht waren, über die Tafel, setzte auf dieses Tuch eine grüne gläserne Schale, legte darein ein anderes goldfarbenes Seidentuch und setzte endlich auf dieses eine ziemlich große kristallene Kugel, welche sie aber mit einem weißen Tuch wieder deckte. Dann begann sie, unter wunderlichen Gebärden, etwas bei sich selbst zu murmeln, und nachdem das geendigt war, nahm sie mit großer Ehrerbietung die Kugel, rief die Jungfrau und ihren Begleiter zu sich ans Fenster und hieß sie hineinschauen.

Anfangs sahen sie nichts, nun aber trat in dem Kristall die Braut hervor in überaus köstlicher Kleidung; ebenso prächtig angetan, als wäre heut ihr Hochzeitstag. So herrlich sie erschien, so sah sie doch betrübt und traurig aus, ja ihr Antlitz hatte eine solche Totenfarbe, daß man sie ohne Mitleid nicht betrachten konnt. Die Jungfrau schaute ihr Bild mit Schrecken an, der aber bald noch größer ward, als gerade gegenüber ihr Liebster hervorkam, mit so grausamen und gräßlichen Gesichtszügen, der sonst ein so freundlicher Mensch war, daß man hätte erzittern mögen. Er trug, wie einer, der von einer Reise kommt, Stiefel und Sporn und hatte einen grauen Mantel mit goldnen Knöpfen um. Er holte daraus zwei neublinkende Pistolen hervor, und indem er in jede Hand eine faßte, richtete er die eine auf sein Herz, die andere setzte er der Jungfrau an die Stirne. Die Zuschauer wußten vor Angst weder aus noch ein, sahen aber, wie er die eine Pistole, die er an die Stirne seiner Liebsten gesetzt, losdrückte, wobei sie einen dumpfen, fernen Schall vernahmen. Nun gerieten sie in solches Grausen, daß sie sich nicht bewegen konnten, bis sie endlich zitternd und mit schwankenden Tritten zur Kammer hinausgelangten und sich etwas wieder erholten.

Dem alten Weib, welches nicht gedacht, daß die Sache also ablaufen würde, war selbst nicht ganz wohl zumut; es eilte daher über Hals und Kopf hinaus und ließ sich so bald nicht wieder sehen. Bei der Jungfrau konnte der Schrecken die Liebe nicht auslöschen, aber die Stiefeltern beharrten auch bei dem Entschluß, ihre Einwilligung zu verweigern. Ja, sie brachten es endlich durch Drohen und Zwang dahin, daß sie sich mit einem vornehmen Hofbeamten in der Nachbarschaft verloben mußte; daraus erwuchs der Jungfrau erst das rechte Herzeleid, denn sie verbrachte nun ihre Zeit in nichts als Seufzen und Weinen, und ihr Liebster wurde fast in die äußerste Verzweiflung gerissen.

Inzwischen ward die Hochzeit angesetzt, und da einige fürstliche Personen zugegen sein sollten, um so viel herrlicher zugerichtet. Als der Tag kam, wo die Braut im größten Gepränge sollte abgeholt werden, schickte dazu die Fürstin ihren mit sechs Pferden bespannten Leibwagen samt einigen Hofdienern und Reitern; an welchen Zug sich die vornehmsten Anverwandten und Freunde der Braut anschlossen und also in stattlicher Ordnung auszogen. Dieses alles hatte der erste Liebhaber ausgekundschaftet und war als ein Verzweifelter entschlossen, dem andern seine Liebste lebendig nicht zu überlassen. Er hatte zu dem Ende ein Paar gute Pistolen gekauft und wollte mit der einen die Braut, mit der andern hernach sich selbst töten. Zu dem Ort der Ausführung war ein etwa zehn bis zwölf Schritte vor dem Tor gelegenes Haus, bei welchem die Braut vorbei mußte, von ihm ausersehen. Als nun der ganze prächtige Zug von Wagen und Reitern, den eine große Menge Volks begleitete, daherkam, schoß er mit der einen Pistole in den Brautwagen hinein. Allein der Schuß geschah ein wenig zu früh, also daß die Braut unversehrt blieb, einer andern Edelfrau aber, die im Schlag saß, ihr etwas hoher Kopfputz herabgeschossen ward. Da diese in Ohnmacht sank und jedermann herbeieilte, hatte der Täter Zeit, durch das Haus zur Hintertür hinaus zu entfliehen und, indem er über ein ziemlich breites Wasser glücklich sprang, sich zu retten. Sobald die Erschrockene wieder zu sich selbst gebracht war, setzte sich der Zug aufs neue in Bewegung, und die Hochzeit wurde mit der größten Pracht gefeiert. Doch die Braut hatte dabei ein trauriges Herz, welche nun der Kristallschauung nachdachte und sich den Erfolg davon zu Gemüte zog. Auch war ihre Ehe unglücklich, denn ihr Mann war ein harter und böser Mensch, der das tugendhafte und holdselige Fräulein, ungeachtet ihm ein liebes Kind geboren war, auf das grausamste behandelte.

120. Zauberkräuter kochen

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Im Jahre 1672 hat sich zu Erfurt begeben, daß die Magd eines Schreiners und ein Färbersgesell, die in einem Hause gedient, einen Liebeshandel miteinander angefangen, welcher in Leichtfertigkeit einige Zeit gedauert. Hernach ward der Gesell dessen überdrüssig, wanderte weiter und ging in Langensalza bei einem Meister in Arbeit. Die Magd aber konnte die Liebesgedanken nicht loswerden und wollte ihren Buhlen durchaus wiederhaben. Am heiligen Pfingsttage, da alle Hausgenossen, der Lehrjunge ausgenommen, in der Kirche waren, tat sie gewisse Kräuter in einen Topf, setzte ihn zum Feuer, und sobald solche zu sieden kamen, hat auch ihr Buhle zugegen sein müssen. Nun trug sich zu, daß, als der Topf beim Feuer stand und brodelte, der Lehrjunge, unwissend, was darin ist, ihn näher zur Glut rückt und seine Pfanne mit Leim an dessen Stelle setzt. Sobald jener Topf mit den Kräutern näher zu der Feuerhitze gekommen, hat sich etlichemal darin eine Stimme vernehmen lassen und gesprochen: »Komm, komm, Hansel, komm! Komm, komm, Hansel, komm!« Indem aber der Bube seinen Leim umrührt, fällt es hinter ihm nieder wie ein Sack, und als er sich umschaut, sieht er einen jungen Kerl da liegen, der nichts als ein Hemd am Leibe hat, worüber er ein jämmerlich Geschrei anhebt. Die Magd kam gelaufen, auch andere im Haus wohnende Leute, zu sehen, warum der Bube so heftig geschrien, und fanden den guten Gesellen als einen aus tiefem Schlaf erwachten Menschen also im Hemde liegen. Indessen ermunterte er sich etwas und erzählte auf Befragen, es wäre ein großes schwarzes Tier, ganz zottigt, wie ein Bock gestaltet, zu ihm vor sein Bett gekommen und habe ihn also geängstigt, daß es ihn alsbald auf seine Hörner gefaßt und zum großen Fenster mit ihm hinausgefahren. Wie ihm weiter geschehen, wisse er nicht, auch habe er nichts Sonderliches empfunden, nun aber befinde er sich so weit weg, denn gegen acht Uhr habe er noch zu Langensalza im Bett gelegen, und jetzt wäre er zu Erfurt kaum halber neun. Er könne nicht anders glauben, als daß die Katharine, seine vorige Liebste, dieses zuwege gebracht, indem sie bei seiner Abreise zu ihm gesprochen, wenn er nicht bald wieder zu ihr käme, wollte sie ihn auf dem Bock holen lassen. Die Magd hat, nachdem man ihr gedroht, sie als eine Hexe der Obrigkeit zu überantworten, anfangen herzlich zu weinen und gestanden, daß ein altes Weib, dessen Namen sie auch nannte, sie dazu überredet und ihr Kräuter gegeben, mit der Unterweisung: wenn sie die sachte würde kochen lassen, müsse ihr Buhle erscheinen, er sei auch, so weit er immer wolle.

121. Der Salzknecht in Pommern

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In Pommern hatte ein Salzknecht ein altes Weib, das eine Zauberin war, bei dem er nicht gern bliebe, und darum einsmals vorgab, er wolle nach Hessen in seine Heimat wandern, allda seine Freunde zu besuchen. Weil sie aber besorgte, er würde nicht wiederkommen, wollte sie ihn nicht weglassen, nichtsdestoweniger reiste er fort. Wie er nun etliche Tage zurückgelegt, kommt hinter ihm auf dem Weg ein schwarzer Bock, schlupft ihm zwischen die Beine, erhebt und führt ihn wieder zurück, und zwar nicht über die Landwege, sondern geradezu durch dick und dünn, durch Feld und Wald, über Wasser und Land, und setzt ihn in wenig Stunden vor dem Tor nieder, in Angst, Zittern, Schweiß und Ohnmacht. Das Weib aber heißt ihn mit höhnischen Worten willkommen und spricht: »Schau! Bist du wieder da? So soll man dich lehren daheim bleiben!« Hierauf tat sie ihm andere Kleider an und gab ihm zu essen, daß er wieder zu sich selbst käme.

122. Jungfer Eli

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Vor hundert und mehr Jahren lebte in dem münsterischen Stift Frekenhorst eine Äbtissin, eine sehr fromme Frau; bei dieser diente eine Haushälterin, Jungfer Eli genannt, die war bös und geizig, und wenn arme Leute kamen, ein Almosen zu bitten, trieb sie sie mit einer Peitsche fort und band die kleine Glocke vor der Tür fest, daß die Armen nicht läuten konnten. Endlich ward Jungfer Eli todkrank, man rief den Pfarrer, sie zum Tode vorzubereiten, und als der durch der Äbtissin Baumgarten ging, sah er Jungfer Eli in ihrem grünen Hütchen mit weißen Federn auf dem Apfelbaum sitzen; wie er aber ins Haus kam, lag sie auch wieder in ihrem Bette und war böse und gottlos wie immer, wollte nichts von Besserung hören, sondern drehte sich um nach der Wand, wenn ihr der Pfarrer zureden wollte, und so verschied sie. Sobald sie die Augen schloß, zersprang die Glocke, und bald darauf fing sie an, in der Abtei zu spuken. Als eines Tags die Mägde in der Küche saßen und Fitzebohnen schnitten, fuhr sie mit Gebraus zwischen ihnen her, gerade wie sie sonst leibte und lebte, und rief: »Schniet ju nich in de Finger, schniet ju nich in de Finger!« Und gingen die Mägde zur Milch, so saß Jungfer Eli auf dem Stege und wollte sie nicht vorbeilassen, wenn sie aber riefen: »In Gottes Namen, gah wieder her«, mußte sie weichen, und dann lief sie hinterher, zeigte ihnen eine schöne Torte und sprach: »Tart! Tart!« Wollten sie die nun nicht nehmen, so warf sie die Torte mit höllischem Gelächter auf die Erde, und da war’s ein Kuhfladen. Auch die Knechte sahen sie, wenn sie Holz haueten; da flog sie immer von einem Baumzweig im Wald zum andern. Nachts polterte sie im Hause herum, warf Töpfe und Schüsseln durcheinander und störte die Leute aus dem Schlaf. Endlich erschien sie auch der Äbtissin selbst auf dem Wege nach Warendorf, hielt die Pferde an und wollte in den Wagen hinein, die Äbtissin aber sprach: »Ich hab nichts zu schaffen mit dir; hast du Übel getan, so ist’s nicht mein Wille gewesen.« Jungfer Eli wollte sich aber nicht abweisen lassen. Da warf die Äbtissin einen Handschuh aus dem Wagen und befahl ihr, den wieder aufzuheben, und während sie sich bückte, trieb die Äbtissin den Fuhrmann an und sprach: »Fahr zu, so schnell du kannst, und wenn auch die Pferde drüber zugrunde gehen!« So jagte der Fuhrmann, und sie kamen glücklich nach Warendorf. Die Äbtissin endlich, des vielen Lärmens überdrüssig, berief alle Geistlichen der ganzen Gegend, die sollten Jungfer Eli verbannen. Die Geistlichen versammelten sich auf dem Herrenchor und fingen an, das Gespenst zu zitieren, allein sie wollte nicht erscheinen, und eine Stimme rief: »He kickt, he kickt!« Da sprach die Geistlichkeit: »Hier muß jemand in der Kirche verborgen sein, der zulauscht«, suchten und fanden einen kleinen Knaben, der sich aus Neugierde drin versteckt hatte. Sobald der Knabe hinausgejagt war, erschien Jungfer Eli und ward in die Davert verbannt. Die Davert ist aber ein Wald im Münsterschen, wo Geister umgehen und wohin alle Gespenster verwiesen werden. Alle Jahr einmal fährt nun noch, wie die Sage geht, Jungfer Eli über die Abtei zu Frekenhorst mit schrecklichem Gebraus und schlägt einige Fensterscheiben ein oder dergleichen, und alle vier Hochzeiten kommt sie einen Hahnenschritt näher.

123. Die weiße Frau

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Die schloßweiße Frau erscheint in Wäldern und auf Wiesen, bisweilen kommt sie in Pferdeställe mit brennenden Wachskerzen, kämmt und putzt die Pferde, und Wachstropfen fallen auf die Mähnen der Pferde. Sie soll, wann sie ausgehet, hell sehen, in ihrer Wohnung aber blind sein.

124. Taube zeigt einen Schatz

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Als Herzog Heinrich von Breslau die Stadt Krakau erobert hatte, ging er in das Münster daselbst, kniete als ein frommer Mann vor dem Altar Unserer Frauen nieder und dankte ihr, daß sie ihm Gnade erzeigt und sein Leid in Freud gewendet hätte. Und als er aufgestanden war, erblickte er eine Taube, sah ihrem Fluge nach und bemerkte, wie sie sich über einem Pfeiler auf das Gesims eines Bogens setzte. Dann nahm er wahr, wie sie mit dem Schnabel in die Mauer pickte und mit den Füßen Mörtel und Stein hinter sich schob. Bald darauf lag unten ein Goldstück, das herabgefallen war. Der Herzog nahm es auf und sprach: »Das hat die Taube herausgestochen, des sollte leicht noch mehr da sein.« Alsbald ließ er eine Leiter holen und schickte nach einem Maurer, der sollt sehen, was sich oben fände. Der Maurer stieg hinauf, nahm den Meißel in die Hand, und bei dem ersten Schlag in die Wand entdeckte er, daß da ein großer Schatz von Gold lag. Da rief er: »Herr, gebt mir einen guten Lohn, hier liegt des glänzenden Goldes unmaßen viel.« Der Herzog ließ die Mauer aufbrechen und den Hort herabnehmen, den Gott ihm gab. Als man es wog, waren es fünfzigtausend Mark.

8. Frau Holla und der Bauer

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Frau Holla zog einmal aus, begegnete ihr ein Bauer mit der Axt. Da redete sie ihn mit den Worten an, daß er ihr den Wagen verkeilen oder verschlagen sollte. Der Taglöhner tat, wie sie ihm hieß, und als die Arbeit verrichtet war, sprach sie: »Raff die Späne auf und nimm sie zum Trinkgeld mit;« drauf fuhr sie ihres Weges. Dem Manne kamen die Späne vergeblich und unnütz vor, darum ließ er sie meistenteils liegen, bloß ein Stück oder drei nahm er für die Langeweile mit. Wie er nach Hause kam und in den Sack griff, waren die Späne eitel Gold. Alsbald kehrte er um, noch die andern zu holen, die er liegengelassen; sosehr er suchte, so war es doch zu spät und nichts mehr vorhanden.

125. Taube hält den Feind ab

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Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt Höxter oder Huxar im Korveischen von den kaiserlichen Soldaten eingeschlossen und konnte nicht eingenommen werden; endlich kam der Befehl, sie sollte mit schwerem Geschütz geängstigt und gezwungen werden. Wie nun bei einbrechender Nacht der Fähndrich die erste Kanone losbrennen wollte, flog eine Taube und pickte ihm auf die Hand, so daß er das Zündloch verfehlte. Da sprach er: »Es ist Gottes Willen, daß ich nicht schießen soll«, und ließ ab. In der Nacht kamen die Schweden, und die Kaiserlichen mußten abziehen; so war die Stadt diesmal gerettet.

126. Der Glockenguß zu Breslau

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