INHALT

I EINFÜHRUNG

II DEN FLASCHENGEIST ENTKORKEN

III DAS PRINZIP DES „ANDERS-SEINS”

III.1 Wie wird ein Unternehmen nun andersartig?

III.2 Der Mensch als Kraftwerk

III.3 Der lebendige Dessousladen

III.4 Die Erlebnis-Buchhandlung

III.5 Die Laufschuhe aus dem Kuhstall

IV DIE ANDERSARTIGE MITARBEITERFÜHRUNG

V EMOTIONALE FÜHRUNG

V.1 Das Zauberwort „Zuerst“

V.2 Highlander – es kann nur einen geben!

V.3 Das Prinzip TOUCH

V.4 Vom Umgang mit der Macht

V.5 Der Drachen des Todes

V.6 Einem toten Stier Baden-Baden erklären

V.7 Selbstmanagement und Empathie

V.8 Die emotionale Selbstkontrolle

V.9 Wie Richard Kimble – auf der Flucht

V.10 Werden Sie zum Architekten der Windmühlen

V.11 Empathie – oder wie werde ichzum ,Mitarbeiterflüsterer’

V.12 Jetzt geht’s zur Königsdisziplin

V.13 Machen Sie das Unsichtbare sichtbar

V.14 Die musikalische Ich-AG

V.15 Poesie gegen Waffengewalt

V.16 Keiner schlafe!

VI SCHAFFEN SIE FREIRÄUME FÜR IHRE MITARBEITER!

VI.1 Stecken Sie das Spielfeld für ihre Mitarbeiter ab!

VI.2 Großes oder kleines Spielfeld?

VI.3 Stärken stärken, aber mit den Schwächen leben

VI.4 Machen Sie sich ohnmächtig!

VI.5 „Angst essen Seele auf“

VI.6 Individualitätskiller QM-Systeme

VI.7 Die höchste Form der Ohnmacht: Gründen Sie eine Kreativgruppe

VII INFORMIEREN UND KOMMUNIZIEREN SIE!

VII.1 Der Trick des Fußballtrainers

VII.2 Nein zum Kasper-Hauser-Syndrom

VII.3 Jeden Tag ist Mitarbeitergespräch

VII.4 Rama dama

VII.5 Der Brubaker-Effekt

VII.6 Richten Sie eine Writers-Corner ein

VII.7 Lob ist die Droge für Ihre Mitarbeiter

VII.8 „Spieglein, Spieglein“ – oder von der Abschaffung des Hofstaats

VII.9 Gib Geheimniskrämerei keine Chance

VII.10 Vom tapferen Schneiderlein und den 100 E-Mails

VII.11 Sitzen Sie weniger in Sitzungen

VIII RETAINMENT ODER DIE TREIBJAGD AUF TALENTE

VIII.1 Der Hai auf dem Speiseplan des Karpfen

VIII.2 Verbannen Sie den Jahrmarkt der Eitelkeiten aus dem Unternehmen

IX DAS BESSERE IST DER FEIND DES GUTEN

X KREATIVITÄT – ODER WIR FACKELN EINFACH DEN HEUHAUFEN AB

X.1 Die verflixte 13

X.2 Das Kamelrätsel

X.3 Das Vakuum für Ihre Birne

X.4 Von der Legehennenbatterie zum Bodhi-Baum

X.5 Chancentod und Risikofetischist

X.6 Von der Phantasielosigkeit zur Ideenfabrik

X.7 Der Werkzeugkasten der Ideenfinder

X.8 Die Reizwortmethode

X.9 Die großartige Idee aus dem Nichts

X.10 Die Jagd nach dem König

X.11 Der Marathonlauf in den Prüfhallen

XI INNOVATION ODER DIE SYNTHESE AUS ORIGINELLER IDEE UND KRAFTVOLLER UMSETZUNG

XI.1 Sesam öffne dich!

XI.2 F+E-Abteilung versus Entwicklung im Profit-Center

XI.3 Was ist eigentlich eine Innovation?

XI.4 Die Lebensader des Internet

XI.5 Der Staubsauger-Revolutionär

XI.6 Zurück in die Zukunft

XI.7 Fit in die Kiste

XI.8 Wasser – das Erdöl der Zukunft

XI.9 Explodierende Städte

XII KUNDENORIENTIERUNG IST OUT, KUNDENBEGEISTERUNG IN

XII.1 Die Vision: Werden Sie für Ihre Kunden zum Wohlfühlcenter

XII.2 Berühren Sie Ihre Kunden

XII.3 Überraschen Sie Ihre Kunden mit Erlebnissen

XII.4 Partnerschaft schafft Vertrauen

XII.5 Gesichter für das Land des Lächelns

XII.6 Kundenbeschwerden sind ein Goldschatz

XIII ZU GUTER LETZT

XIV LITERATUR

I EINFÜHRUNG

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“ – Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz

Vielleicht ist es Zufall, dass ich die letzten Zeilen dieses Buches am 20. Januar 2009 geschrieben habe, dem Tag der Vereidigung von Barack Obama, dessen Name weltweit mittlerweile fast für eine Überdosis Hoffnung steht. Vor allem nach unendlicher Zuversicht, die dieser charismatische 44. Präsident der Vereinigten Staaten ausstrahlt und verkörpert, sehnen sich die Menschen in diesen turbulenten Zeiten. Mal Hand aufs Herz: Haben Sie vor einem Jahr die brachiale Wucht dieser Finanzkrise, dieser Kernschmelze der Kapitalmärkte, auch nur im Ansatz erahnen können? Hätten Sie Monate später Wortschöpfungen wie „Not leidende Banken“ oder „Bangster“ erwartet? Ich vermute kaum, denn angesichts der ersten Hiobsbotschaften aus dem „Spielcasino“ der globalen Wirtschaft konnte sich wohl niemand die Auswirkungen dieses Finanz-Tornados vorstellen, der nun Banken in eine schwere Depression stürzt, Unternehmen wie Dominosteine fallen lässt und die großen Volkswirtschaften in tiefer Ratlosigkeit zurücklässt. Und der nun Manager, Banker und Finanzprofis gehäuft in die Selbsttötung treibt. Selbst die Wirtschaftsinstitute konnten in ihrem „Wetterbericht“ das Ausmaß des heranziehenden Sturmtiefs in ihrer Auswirkung nicht annähernd abschätzen. Und ähnlich schwer tun sich heute die Firmenchefs mit Zukunftsprognosen. Selbst der sonst so souveräne Josef Ackermann von der Deutschen Bank musste sich enttäuscht vom Rekordverlust seiner Deutschen Bank „anzählen“ lassen. Und auch das unermüdliche Übermorgenland Dubai wird plötzlich zu einer Verschnaufpause gezwungen.

Dabei ist es auch ohne Finanzkrise schon längst ungemütlich in vielen Unternehmen geworden. Ziemlich ungemütlich sogar, wenn man jüngeren Umfragen glauben kann. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass 15 bis 25 Prozent aller Erwerbstätigen in Deutschland deutliche Burn-out-Symptome, wie beispielsweise Schlaf- und Konzentrationsstörungen, Magenbeschwerden oder Angstzustände, aufweisen. Psychische Störungen rangieren mit einem Anteil von 12 Prozent bereits an dritter Stelle der häufigsten Krankheitsarten – Tendenz stark steigend.

Die Ursachen hierfür mögen vielschichtig sein: Von der mehr denn je allgegenwärtigen Angst den Arbeitsplatz zu verlieren und anschließend im Meer der Hartz-IV-Empfänger gesellschaftlich unterzugehen über die hoffnungslose Überforderung des Einzelnen in unserer Turbo beschleunigten Informationsgesellschaft bis hin zu einem miserablen Arbeitsklima in den Firmen – das Ergebnis ist erschreckend, Globalisierung und Finanzkrise hinterlassen ihre hässlichen Spuren. Nur 47 Prozent der deutschen Arbeitnehmer sind wirklich motiviert im Job, wie eine Befragung von „The Executive Committee“, einer Organisation mittelständischer Führungskräfte herausfand. Die restlichen 53 Prozent haben sich innerlich bereits von ihren Arbeitgebern verabschiedet. Noch drastischer erscheinen die Zahlen des US-Meinungsforschungsinstituts Gallup aus dem Januar 2009: Zwei Drittel der Beschäftigten in Deutschland machen lediglich Dienst nach Vorschrift und 20 Prozent haben nach der Studie bereits innerlich gekündigt. Ursache hierfür sind Defizite in der Personalführung, wobei viele Beschäftigte klagten, dass sie zu wenig Anerkennung für ihre Arbeit erhielten und ihre Meinung im Unternehmen nicht gehört würde. Welch ein Offenbarungseid der Führungskräfte: Sie haben in ihren Unternehmen keine Mehrheiten mehr. Oder anders formuliert: Die Manager erreichen ihre Mitarbeiter nicht mehr. Das geva-Institut in München stellt nach einer Umfrage hierzu ergänzend fest, dass jeder fünfte Arbeitnehmer seinen Chef sogar hasst; 88 Prozent halten ihn zumindest für schwierig.

Diese Kluft zwischen Führungskräften und ihren Mitarbeitern schafft „blutleere“ Unternehmen, die das enorme Potential, das in ihren Mitarbeitern steckt, einfach grob fahrlässig verschleudern.

„Angst essen Seele auf“ – Ein Film von Rainer Werner Fassbinder

Wer mit Angst zur Arbeit geht, kann keine Kunden begeistern! Wer nicht frei ist im Kopf, für den bleibt Kreativität ein Fremdwort! Wer frustriert ist, der wird nichts, aber auch gar nichts zum Erfolg des Unternehmens beitragen! Schätzungen gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft jährlich allein durch psychische Erkrankungen 2,5 Mrd. Euro verliert. Welch eine Verschwendung, die es zu stoppen gilt.

Wer aber kann diese Atmosphäre der Frustration in unseren Unternehmen ändern? Meine Antwort lautet klar und deutlich: Sie! Ja genau, Sie als Führungskraft sind jetzt gefordert! Wer sonst als Sie hätte die Möglichkeiten und insbesondere die Macht im Unternehmen Dinge zu bewegen und zu verändern. Hierzu ist es aber auch erforderlich, dass Sie ihrem Namen als Führungskraft alle Ehre machen. Merken Sie sich bitte: In Ihrer Berufsbezeichnung steckt das Wort Kraft! Das ist für alle Führungskräfte eine Verpflichtung, aber auch eine Herausforderung.

Wer ist denn nun eigentlich Führungskraft? Meine Antwort hierzu ist einfach: Jeder, der in einem Unternehmen, einer Behörde oder auch in einer Organisation Verantwortung für Menschen hat. Ganz egal, auf welcher Hierarchiestufe er selbst steht. Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen. Führungskraft nach dem Verständnis dieses Buches sind für mich auch die Vorsitzenden von Betriebsoder Personalrat. Wenn sie ihr Amt ernst nehmen, dann arbeiten sie konstruktiv an der Gestaltung ihres Unternehmens mit. Und eben weil einem engagierten Betriebsrat die Unternehmenskultur am Herzen liegen dürfte, sollte er sie gemeinsam mit der Geschäftsleitung im Rahmen seiner Möglichkeiten mitgestalten. Ich plädiere nachhaltig für eine lebendige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Betriebs- und Personalräten (nicht nur, weil’s im Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsgesetz steht), für eine ehrliche Einbindung der Mitarbeitervertretung in Entscheidungsprozesse. Altes Front- und „Klassenkampfdenken“ können wir uns meines Erachtens heute nicht mehr leisten.

Ich möchte Sie mit diesem Buch ermutigen, dass Sie notwendige Veränderungen in Ihrem Unternehmen kraftvoll angehen. Ihr Unternehmen zu Ihrem ganz persönlichen Kraftwerk umgestalten. Und Sie damit Ihren individuellen Beitrag leisten, um das negative Managerbild in unserer Öffentlichkeit zu korrigieren.

Ein Erscheinungsbild, an dem einzelne Manager nicht ganz schuldlos sind. Wer in Mitarbeitern in allererster Linie nicht mehr Menschen mit all ihren Gefühlen, Wünschen und auch Ängsten sieht, sondern diese zu Humankapital (welch ein zynisches Wort!) oder Produktionsressourcen reduziert und in Folge dessen die Belegschaften als frei verfügbare und verschiebbare Masse betrachtet, der braucht sich nicht zu wundern, wenn ihm diese Mitarbeiter die Gefolgschaft verweigern. Wessen einzige Antwort auf die Herausforderungen der Globalisierung Personalabbau, Werksschließungen und Arbeitsplatzverlagerungen, verbunden mit ständiger Drohkulisse, sind, der agiert weder verantwortungsvoll noch nachhaltig, sondern schlicht und einfach phantasielos und manchmal leider auch skrupellos.

„Arbeitsplätze abzubauen ist Schwerstarbeit, Arbeitsplätze zu schaffen erfordert Genies“ – Tom Peters

Dieses Buch ist vor diesem Hintergrund ein Plädoyer für eine strategische Unternehmensführung, die langfristig angelegt sein muss. Es ist eine klare Absage an den Shareholder-Value-Wahn, der lediglich die möglichst kurzfristige Steigerung des Unternehmensgewinns und des Anteilswerts im Fokus hat. Und meist nur einseitig die Interessen der Anteilseigner bedient, oft zu Lasten von Beschäftigten und manchmal auch von Geschäftspartnern und Kunden.

Manager werden heute häufig von den internationalen Kapitalmärkten getrieben, die eine nüchterne und glasklare Philosophie im Hinblick auf die Unternehmensführung vertreten: Was bringt diese oder jene Entscheidung dem Aktienkurs? Den Aktienkurs in Schwung zu bringen, egal mit welchen Mitteln – das ist das Ziel von Private-Equity-Gesellschaften und den internationalen Kapitalgebern. Der Ex-Vorstandsvorsitzende der Telekom, Kai-Uwe Ricke, kann hiervon und von seiner Erfahrung mit dem Aktionär Blackstone ein Lied singen. Manager werden in diesem „Überlebenskampf“ immer häufiger zu kurzfristig orientierten Entscheidungen getrieben, die langfristigen Strategien im Wege stehen können. Wie anders ist es sonst zu verstehen, dass der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Peter Löscher, trotz prall gefüllter Auftragsbücher in 2008 den Abbau von 17.000 Mitarbeitern ankündigte und noch zynisch hierzu meinte, dies sei eine Kostensenkungsmaßnahme und kein Personalabbauprogramm. Und gering schätzend anfügte, er möchte die „Lehmschicht“ im Unternehmen, das mittlere Management abbauen. Worte können entlarvend sein – ich jedenfalls möchte nicht als Lehmschicht bezeichnet werden. Förderlich für die Unternehmenskultur sind solche grobschlächtigen Eingriffe keineswegs. Oder Bernd Buchholz, der Chef der deutschen Zeitschriften bei Gruner + Jahr, der auf einem Verlegertreffen angesichts der Anzeigenkrise seinen Redakteuren drohte, „man müsse den Leuten auf dem Sonnendeck sagen, dass sie ihre Liegestühle und Drinks beiseite stellen müssen“. Aha, seine Mitarbeiter spannen bei ihrer Arbeit also in Liegestühlen mit einem Cocktail aus. Welche Geringschätzung ihrer Arbeit vom Vorgesetzten. Ich kenne Bernd Buchholz nicht, lege allerdings auch keinen Wert darauf, seine Bekanntschaft zu machen, geschweige denn für ihn zu arbeiten. Chefs mit derartigen Parolen manövrieren sich langfristig selbst ins Abseits oder in eine unternehmerische Isolationshaft.

Ich bin der Auffassung, dass ein Unternehmen nicht nur den Aktionären oder Anteilseignern, sondern immer auch seinen Mitarbeitern und seinen Kunden verpflichtet sein sollte. Ich nenne dies das magische Dreieck der Unternehmensführung: Anteilseigner, Mitarbeiter und Kunden sollen möglichst ausgewogen vom Unternehmen profitieren. Wird eine Gruppe längere Zeit von einem Unternehmen benachteiligt, so wird das langfristig zu einem Nachteil im Wettbewerb führen. Ich verzichte an dieser Stelle auf eine beispielhafte Aufzählung „gescheiterter“, weil zu einseitiger Unternehmenskonzepte. Lieber möchte ich mich in diesem Buch mit erfolgreichen und positiven Gegenentwürfen beschäftigen.

Dieses Buch ist im Übrigen auch eine Absage an eine reinrassige Kostensenkungspolitik. Damit ich hier nicht falsch verstanden werde: Kostenmanagement ist wichtig, darf aber nicht der zentrale Schwerpunkt der Unternehmensführung sein. Wie phantasielos agieren ganze Heerscharen von Managern, denen wenig zu einer Zukunftsstrategie, nahezu nichts zu Innovationen, aber dafür sehr viel zum Personalabbau einfällt. Dieses ständige Cost-Cutting führt solche bedauernswerten Firmen gerade im globalen Wettbewerb schnurstracks in die Sackgasse und dann final gegen die Wand!

Dies gilt ganz besonders für Hochlohnländer wie den Standort Deutschland. Professor Meinhard Miegel brachte diese Problematik im Rahmen eines Interviews mit dem ZDF Heute-Journal anlässlich der Schließung des AEG-Werks Nürnberg durch die schwedische Muttergesellschaft Elektrolux präzise auf den Punkt. Gefragt, ob deutsche Unternehmen im weltweiten Wettbewerb überhaupt noch die inländischen Arbeitsplätze durch weiteren Lohnverzicht sichern könnten (z.B. 10%), antwortete er: Vielleicht in einzelnen Branchen, generell jedoch nicht, denn dafür sei der Lohnkostenunterschied gerade zu den asiatischen Ländern oder zu den osteuropäischen Beitrittsländern einfach zu groß. Führen wir uns das noch einmal vor Augen: Ein polnischer Arbeiter verdient in der Stunde etwa 4,30 €, ein vergleichbarer Arbeitnehmer in Deutschland etwa das Sieben fache. Das sind aktuell Dimensionen, die nicht egalisierbar sind. Insoweit führen wir bedauerlicherweise mit der fortdauernden Lohnsenkungsdebatte eine fruchtlose Geisterdiskussion am Standort Deutschland. Viel besser und Ziel führender sind aus meiner Sicht jene Kraftanstrengungen, die auf innovatives Denken und die Motivation der Mitarbeiter in den Unternehmen gerichtet sind.

Dies erfordert jedoch von den Managern ein grundsätzliches Umdenken und vor allem Mut zu einer anderen Unternehmensführung. Deshalb habe ich dieses Buch geschrieben und versuche hierzu Denkansätze zu liefern. Dieses Buch ist keine blanke Theorie; die meisten Beispiele wurden von mir und meinen Kollegen in der Praxis erprobt. Erlauben Sie mir vorab noch eine grundsätzliche Bemerkung: Wenn Sie zu den Führungskräften gehören, in deren Sprachrepertoire die „Killerphrasen“ „geht nicht“ oder „das haben wir schon immer so gemacht“ generell vorkommen, dann sollten Sie eigentlich nicht mehr weiter lesen. Es sei denn, Sie möchten Ihren Führungsstil und die Kultur in Ihrem Unternehmen verändern.

Ich selbst habe jetzt 27 Berufsjahre hinter mir – 10 Jahre als „Geführter“ und 17 Jahre als Vorgesetzter in verschiedenen Funktionen: Abteilungsleiter, Bereichsleiter, Direktor, Geschäftsführer, Aufsichtsrat. Ich durfte mit meinen Mitarbeitern (wenn ich in diesem Buch von Mitarbeitern spreche, sind selbstverständlich auch immer die Mitarbeiterinnen gemeint!) Erfolge feiern, aber auch Niederlagen erleben. Es war mir durch die Sanierung zweier Unternehmen vergönnt, viele Arbeitsplätze zu retten; ich war aber auch gezwungen, Menschen ihren Arbeitsplatz zu nehmen. Und ich habe bei allem redlichen Bemühen wie einige meiner früheren Chefs Fehler gemacht, besonders im Bereich der Mitarbeiterführung. Und dabei erkannt, wie schwierig es ist, Vorgesetzter in einem Unternehmen zu sein.

Wie viele Manager wurde ich mit Antritt meiner ersten Führungsposition „ins kalte Wasser geworfen“. Ich stimme insoweit Malik1 zu, dass nur wenige Führungskräfte eine systematische Ausbildung im Management haben. An den Universitäten oder Fachhochschulen wird man zwar zum Fachmann ausgebildet; Managementfähigkeiten werden dort im Regelfall nicht vermittelt. Malik beschreibt dieses Manko plastisch:
Niemand würde sich von einem Chirurgen operieren lassen, wenn dieser eine ähnlich unvollständige Ausbildung wie die heutigen Manager hätte.

So habe auch ich zu Beginn meiner Managementtätigkeit nahezu ausschließlich von meinen Erfahrungen als „Geführter“ gelebt. Ich meine heute rückblickend, dass man gerade als „Geführter“ mit einem klaren Blick rasch erkennt, ob man mit einem guten oder schwachen Vorgesetzten zusammen arbeitet.

In meinen Augen gute Vorgesetzte, die es verstanden hatten, mich zu motivieren und die ich nicht selten dafür bewunderte, versuchte ich zu kopieren. Und ich bemühte mich die Fehler der „schwachen“ Chefs möglichst nicht fortzuführen.

Durch Beobachten, eigene Erfahrung, aber auch – was oftmals sehr schmerzlich war – durch selbst gemachte Fehler entwickelte ich über die Jahre einen persönlichen Stil der Unternehmensführung. Ich habe erkannt, dass die Konzentration auf Wesentliches, auf Mitarbeiter, Kunden und Innovation, zwangsläufig zum Erfolg führt. Und dass Individualität jedes Unternehmen unverwechselbar, eben anders, macht. Erfolg eines Unternehmens ist in diesem Sinne mehr als lediglich eine gute Eigenkapitalrendite!

Exzellente Unternehmen und ihre Manager sind andersartig; sie haben neben der Gewinnorientierung Werte oder bildlich ausgedrückt: Sie haben eine Seele! Und sie berühren die Herzen ihrer Mitarbeiter und ihrer Kunden.

Diese Vorstellung treibt mich seit Jahren an: Es geht darum, als Manager für eine bessere Unternehmenskultur zu kämpfen; es geht darum, unsere Unternehmen zu Wohlfühlcentern für ihre Mitarbeiter und Kunden zu machen. Es geht um die Schaffung von Mehrwert für unsere Gesellschaft, sei es durch innovative Produkte und Dienstleistungen oder durch die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Ich will mit diesem Buch Denkansätze für eine andere Unternehmensführung liefern, wenngleich ich mir der Tatsache bewusst bin, dass ich selbst viele Fehler mache und von meinem Idealbild oft meilenweit entfernt bin.

Ich möchte Sie davon überzeugen, dass es sich lohnt, in der Unternehmensführung andere Wege zu gehen, zu experimentieren und etwas Neues zu wagen. Dies erfordert Mut und vor allem Vertrauen in die Mitarbeiter. Langfristig zahlt sich das jedoch aus.

Ich werde mit meinen Mitarbeitern und meinen Kollegen auch in Zukunft an einer Wohlfühlkultur im Unternehmen arbeiten.

Peter Röckl,
Neumarkt im Januar 2009

1 Malik F., Führen – Leisten – Leben, Heyne, 2001

II DEN FLASCHENGEIST ENTKORKEN

Eine Studie von Ernst & Young hat jüngst ergeben, dass die heutigen Studenten sich ihre künftigen Arbeitgeber nach anderen Kriterien aussuchen werden wie noch ihre Vorgänger. Den Studenten ist ein gutes Arbeitsklima, mithin die Unternehmenskultur, besonders wichtig; daneben fordern sie Freiräume bei ihrer Arbeit und die Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie. Allein mit der Höhe des Gehalts lassen sich die Mitarbeiter von morgen nicht mehr gewinnen.

Dies verlangt vielen Unternehmen und ihren Managern eine noch stärkere Fokussierung auf ihre Mitarbeiter und die Unternehmenskultur ab. Management für eine neue Zeit bedeutet in diesem Kontext, dass die Arbeitgeber der Zukunft diese Vorstellungen der Menschen mit den Unternehmenszielen in Einklang bringen – Mitarbeiterführung wird zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor.

Nur wer nachhaltig ein motivierendes Arbeitsklima und eine positive Unternehmenskultur schafft, wird innovativ und damit überlebensfähig bleiben und seine Kunden begeistern. Eine offene Unternehmenskultur mit Freiräumen für die Beschäftigten ist und bleibt der beste Nährboden für Kreativität, die eben die Voraussetzung für das Finden von neuen Produkten und Dienstleistungen ist.

Diesen Zusammenhang soll das nachstehende Schaubild verdeutlichen:

Die Mitarbeiter der Zukunft wollen keine autoritär geführten Unternehmen mit Weisung und Gehorsam, sondern kraftvolle und pulsierende Wohlfühlcenter für sich und ihre Kunden. Dies zu realisieren, wird zur Kernaufgabe jedes Managers in der Zukunft.

Gestatten Sie mir noch eine Vorbemerkung: Das Buch soll für Sie eine Anleitung zu einer Änderung der Unternehmenskultur im Sinne eines ganzheitlichen Ansatzes sein. Verstehen Sie die Inhalte der einzelnen Kapitel insoweit bitte als Anregung und exemplarische Aufzählung. Ich bin mir sicher, dass Ihnen noch viel mehr Komponenten einer anderen Unternehmensführung einfallen werden. Ich möchte insoweit inspirierend wirken und Sie ermutigen auch unkonventionelle Wege zu gehen.

III DAS PRINZIP DES „ANDERS-SEINS“

Mitte der siebziger Jahre waren eigentlich alle Berge dieser Welt bestiegen. Längst auch der höchste von allen. Der Neuseeländer Sir Edmund Hillary hatte ihn mit seinem Sherpa Tensing Norgay bereits am 29. Mai 1953 erobert und ging mit der Erstbesteigung des 8848 m hohen Mount Everest in die Geschichte ein. Wie also – um alles in der Welt – konnte man danach als Bergsteiger bereits zu Lebzeiten zur Legende werden?

Dem Südtiroler Reinhold Messner gelang dies. Als er im Jahre 1978 mit Peter Haberler den Mount Everest bestieg, tat er dies gegen jeglichen ärztlichen Rat und ohne Sauerstoffmaske. Noch kein Bergsteiger vor ihm hatte sich auf dieses Wagnis eingelassen. Aber Messner wollte andere Wege suchen und gehen, etwas Neues ausprobieren – und so unterschied er sich von allen seinen Vorgängern auf dem Dach der Welt. Am 20. August 1980 war es wiederum Reinhold Messner, der den Mount Everest, den „Chomolungma“, die „Muttergöttin der Erde“, wie ihn die Einheimischen nennen, im Alleingang und ohne Sauerstoffgerät über die Nordroute bezwang. Längst hat Reinhold Messner als einziger Mensch alle 14 Achttausender bezwungen. „Er ist damit ohne Sauerstoffgerät Gott am nächsten gekommen“, wie der Philosoph Peter Sloterdijk einmal in einer Diskussionsrunde süffisant feststellte.

Reinhold Messner ist ein eigenwilliger und extremer Grenzgänger, der mit seinem Reden und Handeln polarisiert. Hätte er den höchsten Berg der Welt – wie viele andere vor ihm und auch nach ihm – im Rahmen einer der „üblichen“ Expeditionen bestiegen, er wäre zu Lebzeiten nicht zur Legende geworden. Er wäre immer nur im Schatten des berühmten Edmund Hillary einer von vielen gewesen – durchaus mit einer respektablen alpinen Leistung, aber nicht herausragend im Heer der außergewöhnlichen Bergsteiger. Indem er seinen berühmten Vorgänger nicht einfach kopierte, sondern seinen eigenen, ganz unverwechselbaren Weg suchte und ging, einfach andersartig war, konnte er sich markant von allen anderen abheben.2

„Es liegt an mir, neue Grenzgänge zu erfinden. Innovativ ist nur, wer dorthin geht, wo die anderen nicht sind“ – Reinhold Messner.

Warum erzähle ich Ihnen vom Extrembergsteiger Reinhold Messner? Einfach deshalb, weil sein Verhaltensmuster es wert ist, auch auf die Unternehmensführung übertragen zu werden. In einer Zeit, in der die Dienstleistungen und Produkte nahezu unverwechselbar nebeneinander stehen, austauschbar, wie Kopien und sich oft nur über die Marke oder eine geschicktere Werbung voneinander abgrenzen lassen, kommt es mehr denn je darauf an, dass man beim Kunden Aufmerksamkeit erregt. Dass man sich vom Wettbewerb erkennbar abhebt. Beispielsweise durch konsequentes „Anders-Sein“. Eine spannende und für das gesamte Unternehmen belebende Strategievariante.

Ich wollte und konnte eigentlich nie verstehen, wie ganze Managergenerationen auf Trendwellen – meist von amerikanischen Consultants angestoßen – sprichwörtlich abfuhren. Ihre Unternehmen mit immer neuen Versuchen aus den Laboratorien der Unternehmensberater überzogen und die Mitarbeiter nervten: Kaizen, Reengineering, Lean Management usw. Massenweise Vorstände, die ich gerne als Berater-Junkies bezeichne. Ein einziges Kartell aus Kopierern und Nachahmern. Von Einzigartigkeit keine Spur. Willkommen im Einheitsbrei der Managementtrends!

Ich habe mich oft gefragt, warum sich Vorstände und Geschäftsführer bei der kleinsten Herausforderung so gerne hinter Beratern verschanzen und nicht selten Unsummen an Honoraren für Erkenntnisse zum Fenster rauswerfen, die von der eigenen Belegschaft wesentlich billiger zu gewinnen wären – der Chef müsste halt einfach nur zuhören! Im Übrigen gilt: Die besten Unternehmensberater sind die eigenen Kunden. Welche groteske Stilblüten die Beraterhörigkeit in unseren Unternehmen treiben kann, führte mir ein bekannter Vorsitzender einer Geschäftsführung vor Augen: Erst versteckte er sich hinter namhaften Consultants bei einer Strategiefindung, übernahm deren Empfehlungen gegen den Rat der eigenen Mitarbeiter kritiklos eins zu eins und als sich kein Erfolg einstellen wollte (schlimmer noch: Verluste aufsummierten) schob er den Beratern den schwarzen Peter postwendend zu, was in der Aussage gipfelte, er werde die Unternehmensberatung für diese Fehlleistung nun haftbar machen. Es sei mir die Frage gestattet, wofür dieser Geschäftsführer eigentlich seine mehr als auskömmliche Bezahlung erhalten hat.

Deshalb: Werfen Sie die Unternehmensberater noch heute aus Ihrem Unternehmen! Sie haben bereits eine ganze Menge guter Berater: Ihre Mitarbeiter und Ihre Kunden.

Meinen Sie nicht auch, dass Ihr Unternehmen etwas Einzigartiges ist und damit auch etwas Besseres verdient hätte? Fahnden Sie einfach – gemeinsam mit Ihren Mitarbeitern – nach Ihrem Alleinstellungsmerkmal; ich bin davon überzeugt, dass Sie es finden werden. So wie der Kutscher in Rafik Schamis Roman „Erzähler der Nacht“.

Der alte und kleine, schmächtige Kutscher Salim fuhr in den dreißiger Jahren wie viele andere Kutscher auch die Strecke zwischen Damaskus und Beirut. Die Kutschen waren zu jener Zeit kaum voneinander zu unterscheiden: Sie waren aus Eisen, Holz und Leder gebaut und boten Platz für viele Fahrgäste. Der Kampf um die Fahrgäste war unbarmherzig. Und dennoch wollten alle in die Kutsche von Salim einsteigen. Was war sein Erfolgsrezept? Er erzählte seinen Fahrgästen wunderschöne Geschichten; stundenlang konnte er seine Fahrgäste mit immer neuen und frischen Geschichten wahrhaft verzaubern. Salim war anders als die anderen Kutscher und seine Kunden wussten das zu schätzen.3

Was Rafik Schami in seinem wunderbaren Roman erzählt, ist übrigens ein sehr intelligentes Verfahren, um anders zu sein. Sein Kutscher Salim mixte einfach zwei Dinge miteinander, die auf den ersten Blick so gar nicht zueinander passen: Fahrgäste befördern und Märchen erzählen. Ich nenne das „Curry-Effekt“ und werde hierauf in einem späteren Kapitel noch einmal zurückkommen.

„Wer immer in die Spuren anderer tritt, kann diese nie überholen“ – Jean Renoir, französischer Filmregisseur

Wollen wir nicht alle Spuren hinterlassen? Dann ist es an der Zeit eigene, noch nicht ausgetretene Wege zu gehen. Wenn Sie jetzt noch zweifeln, möchte ich Ihnen aus dem Sport ein Beispiel benennen, wie man andersartig erfolgreich wird.

Wenn man 1968 Hochspringer war, sprang man mit dem so genannten Straddle-Stil („Bauchwälzer“) oder dem Scherensprung über die Latte. Richard Douglas „Dick“ Fosbury hatte darauf verzichtet, diesen konventionellen Stil zu perfektionieren oder zu kopieren. Stattdessen schraubte sich der damals 21jährige Amerikaner mit dem Rücken zur Latte 1968 in Mexiko-Stadt mit 2,24 Meter zum Olympia-Sieg und löste die wohl größte technische Revolution in der Leichtathletik-Geschichte aus: Schneller Anlauf in einem Bogen, Rumpfdrehung bei den letzten Schritten und Lattenüberquerung rückwärts. Die Kampfrichter schienen ihren Augen nicht zu trauen.

„Wenn Kinder versuchen, Fosbury zu imitieren, wird er eine ganze Generation von Hochspringern auslöschen, weil sie sich alle das Genick brechen werden“ – Payton Jordan, Coach des amerikanischen Olympiateams 1968

Auch Ärzte warnten. Welch ein Irrtum! Nach rund 10 Jahren hatte sich die neue Technik weltweit durchgesetzt. Heute ist der Fosbury-Flop bei den Hochspringern Standard. Dick Fosbury hatte eine neue, noch erfolgreichere Technik erfunden. Er war nicht in die Fußstapfen seiner Vorgänger getreten.

Joseph Beuys (1921 – 1985), der wohl bedeutendste deutsche Nachkriegskünstler, modellierte aus dem Prinzip der Andersartigkeit seinen ganzen Lebensentwurf. Der politisch agierende Künstler mit dem charakteristischen Hut, seinem unverwechselbaren Markenzeichen, polarisierte die Öffentlichkeit vor allem mit seinen provokanten Aktionen und Installationen, bei denen er Materialien wie Kupfer, Fett, Knochen, Wachs, Filz und Haaren zu einer eigenen Ästhetik verhalf. Die Malerei erweiterte er, indem er Substanzen wie Blut, Brühe, Fette oder auch Säfte verwendete. Beuys prägte durch seine Andersartigkeit eine neue Kunstrichtung („Fluxus“) und inspirierte viele bedeutende Künstler, wie den in 2007 verstorbenen Maler Jörg Immendorff. Gerade die Kunst lebt davon, dass es Menschen gibt, die anders sind und handeln und sich immer wieder neu erfinden. Gäbe es das Prinzip des Andersseins nicht, wie monoton und arm wäre doch unsere Welt.

III.1 Wie wird ein Unternehmen nun andersartig?

Pauschal gesagt: Indem das Management und die Mitarbeiter anders denken – quer denken – und konsequent anders handeln. Entgegen dem Mainstream und nachhaltig am Markt Zeichen setzen. Hierfür gibt es meines Erachtens drei Hauptansätze, die ich das magische Dreieck nenne:

Dies bedeutet, dass die „Verzauberung“ eines gewöhnlichen und verwechselbaren Unternehmens zu einem andersartigen Wettbewerber über die Hebel Mitarbeiter, Kunden und Innovation oder am besten über alle drei gleichzeitig erfolgen kann. Wem es beispielsweise gelingt, über eine andere Unternehmenskultur bei den Beschäftigten ein Feuer zu entfachen, der wird unweigerlich deutlich anders als seine Konkurrenten am Markt agieren. Und wer Dienstleistung im Sinne von Dienen versteht, sich die Kunden zu wertvollen Partnern macht und sie gewissermaßen emotional berührt, der wird sich von den Wettbewerbern sichtbar abheben. Es geht nicht um dröge Kundenorientierung, es geht um Kundenbegeisterung! Und wer schließlich der Innovation Vorfahrt einräumt, der sichert das Überleben von morgen.

Wer mit offenen Augen wachsam Unternehmen und ihre Konzepte betrachtet, der wird sie rasch entdecken, die „andersartigen“ und somit unverwechselbaren „Messners“ oder „Fosburys“ der jeweiligen Branche. Denn sie heben sich meist wohltuend von ihren Wettbewerbern ab. Sichtbar und erlebbar für ihre Kunden. Eben einzigartig. Ich möchte Ihnen in der Folge zur Einstimmung nun einige Beispiele benennen.

III.2 Der Mensch als Kraftwerk

Haben Sie sich auch schon einmal gefragt, wie viel Energie die Partygänger an einem Wochenende in den Discos lassen? Und wie man diese Energie nutzen könnte? Der im September 2008 eröffnete Rotterdamer „Club Watt“ hat diese Fragen gelöst und die erste Öko-Disco der Welt eröffnet, indem er die Bewegungen der Tänzer auf der elektromechanischen Tanzfläche in Strom umwandelt. Die durch Schwingungen erzeugte Bewegungsenergie wird dabei nach dem Dynamo-Prinzip in Elektrizität umgewandelt und in Akkus gespeichert. Lampen sowie die Leuchtdioden in der Tanzfläche zeigen an, wie stark die Stromerzeugung gerade ist. Je wilder getanzt wird, desto besser wird die Stromausbeute, die fast ein Drittel des Stroms ausmacht, den die DJ-Bühne verbraucht. Der Werbeslogan des Watt-Club „We want your energy“ passt wie die Faust aufs Auge. Das nachhaltige Öko-Konzept der Disco wird abgerundet durch die Verwendung von Regenwasser für die Toilettenspülung, die konsequente Vermeidung von Abfall an den „Zero-Waste-Bars“ sowie die Verwendung von ökologischen Baumaterialien.

Die Holländer haben den Dancefloor neu erfunden: Strom wird auf einmal emotional. Und die Partygänger können cool abfeiern und nebenbei noch einen Beitrag für die Umwelt leisten. Das ganze lohnt sich auch für den Betreiber, dessen Energieverbrauch um 30 Prozent unter dem eines vergleichbaren Clubs liegen soll. So verwundert es kaum, dass mittlerweile schon Anfragen für das Disco-Öko-Konzept aus London, Tokio und Sydney vorliegen. Welch geniale Idee, die freilich schon in einer anderen Branche genutzt wurde: in Fitness-Clubs.

Der Italiener Lucien Gambarota, einer der Pioniere der Nutzung „menschlicher Energie“, richtete in Hongkong den California-Fitness-Club ein, der ebenfalls die Bewegungsenergie seiner Kunden für die Stromerzeugung nutzt. Mit einem erstaunlichen Ergebnis: Die Sportler produzieren so viel Energie, dass damit Beleuchtung, Musik und die Elektronik der Trainingsgeräte betrieben werden können.

III.3 Der lebendige Dessousladen

Wenn man als Mann in ein Dessousgeschäft geht, um seine Partnerin mit edler Wäsche zu überraschen, wer kennt dann dieses Problem nicht: Die Wäschestücke hängen entweder an einem Bügel oder liegen in einer Schublade. Da braucht es viel Phantasie, um sich die Wirkung eines Bodys oder einer Korsage vorzustellen.

Ein Nürnberger Dessousladen hat aus diesem Problem im Weihnachtsgeschäft eine pfiffige Geschäftsidee entwickelt. Die Kunden können sich dort das für die Partnerin ausgewählte Wäschestück von einem Aushilfsmodel vorführen lassen. Diese ungewöhnliche und lebendige Form der Kaufberatung verfehlt ihren Zweck nicht: Es werden viel mehr männliche Kunden angezogen; 90 % der Käufer nutzen den Vorführservice. Das Motto „Dessous hautnah“ hebt den Laden deutlich vom „Einheitsbrei“ der Branche ab. Der Lohn: Medieninteresse, größere Kundenaufmerksamkeit, mehr Umsätze.

III.4 Die Erlebnis-Buchhandlung

Eine ganze Nacht lang in einer Buchhandlung in seinen Lieblingsbüchern schmökern, sich gegenseitig vorlesen und Geschichten vorspielen lassen: eine Göttinger Buchhandlung hat dies realisiert. Das Echo von Medien, Kunden und der Öffentlichkeit war enorm. Unter dem Motto "Mitsommernacht in der Villa Kunterbunt", strömten die Kunden scharenweise in die Buchhandlung. Neben gelesenen Geschichten von Astrid Lindgren wurden schwedische Häppchen und Getränke zur Stärkung der Teilnehmer angeboten. Als besonderen Service konnten die Besucher auch gleich in der Buchhandlung übernachten und für diejenigen, die es bis in die frühen Morgenstunden durchhielten, gab es ein Frühstück.

Das Event war kostenpflichtig: Die Eintrittspreise wurden gestaffelt und umfassten vier Zeitabschnitte, die einzeln und auch mit Schlafplatz gebucht werden konnten. Die Initiatoren dieser Aktion waren mit dem Ergebnis äußerst zufrieden und der Kundenzuspruch war so enorm, dass man bei der Buchhandlung fortlaufend dieselbe Frage von den Kunden hört: Wann veranstaltet Ihr die nächste Büchernacht?4

Auch dieses Beispiels führt uns eindrucksvoll vor Augen, dass man sich in jeder Branche mit Esprit und Umsetzungskraft von der Konkurrenz abheben kann. Angenehmer Nebeneffekt des Buchladen-Events war die nahezu kostenlose Werbung in den Medien.

III.5 Die Laufschuhe aus dem Kuhstall

Die Hamburger Sportschuhhändler Lars und Ulf Lunge hatten 2007 die Nase von minderwertiger asiatischer Schuhqualität voll und beschlossen entgegen dem Trend, eine eigene Laufschuhkollektion in Deutschland mit deutschen Mitarbeitern zu produzieren. In Düssin, im Südwesten von Mecklenburg-Vorpommern, funktionierten sie einen alten denkmalgeschützten Kuhstall zu einer Schuhfabrik um: Mit Leder und Nylon aus Deutschland und höherer Qualität bei besserer Hautverträglichkeit und weniger Abrieb. Die Vision der Unternehmer: Unsere Schuhe werden 2000 bis 3000 Kilometer und nicht nur 1000 Kilometer halten! Qualität gegen die Produktionsverlagerung von Nike, Puma und Co: Das Konzept scheint aufzugehen, die Kunden bezahlen gerne etwa ein Drittel mehr für die Laufschuhe „C-Dur“ für Männer und „a-Moll“ für Frauen „made in Germany.“ Die Kunden sollen das Gefühl haben, etwas Besonderes in ihren Händen zu halten.

Lassen Sie mich noch einmal auf das magische Dreieck zurückkommen – es ist gewissermaßen der Fahrplan für dieses Buch:

Ich möchte das Anderssein anhand der Mitarbeiterführung erläutern; bei den späteren Kapiteln der Kundenbegeisterung und der Innovation wird uns dieses Prinzip dann wieder begegnen.

2 www.reinhold-messner.de

3 Schami R., Erzähler der Nacht, dtv-verlag, 1989

4 www.beratungsletter.com

IV DIE ANDERSARTIGE MITARBEITERFÜHRUNG