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Nr. 131

– Im Auftrag der Menschheit Band 117 –

 

Der Zeitnomade

 

Besuch aus fremder Dimension – ein Bernaler in Terrania City

 

von Klaus Fischer

 

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Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den übrigen Menschheitswelten schreibt man Ende Januar des Jahres 2843. Der Aufbau des Solaren Imperiums geht kontinuierlich voran. In der Galaxis herrscht relative Ruhe, abgesehen natürlich von den üblichen Geplänkeln und Reibereien an den Grenzen des Imperiums.

Dennoch sind die obersten Führungskräfte des Imperiums mit zunehmender Sorge erfüllt. Schuld daran ist ein Ereignis, das sich, obwohl es sich fern von der Erde und in ferner Vergangenheit abspielte, auch auf die Menschheit selbst auszuwirken beginnt.

Alles begann in dem Augenblick, da das Sternenvolk der Bernaler die Grenze der Dimensionen überschritt, sich aus den Fesseln der Körperlichkeit löste und zu Zeitnomaden wurde.

Die programmierten Urgene der Bernaler sind jedoch in diesem unserem Universum zurückgeblieben und finden Kontakt zu einzelnen Menschen, denen sie unheimliche Fähigkeiten verleihen – sowohl in positiver als auch in negativer Hinsicht.

Bilfnei Gloddus, ein Kartograph des Raumschiffs SMARGENT, ist ein solcher »Negativ-Kontakt«. Nach dem Erwerb seiner neuen und überraschenden Fähigkeiten tritt er aus seiner bisherigen Unbedeutsamkeit heraus und sagt dem Solaren Imperium den Kampf an.

Und noch etwas anderes geschieht zur gleichen Zeit: Ein unfreiwilliger Besucher erscheint in Terrania City. Dieser Besucher ist DER ZEITNOMADE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Atlan – Lordadmiral der USO.

Lelle Salgouz – Ein unschuldig Schuldiger.

Shankoon Faskern – Ein Bernaler in Terrania City.

Toronar Alburs und Johann F. Douglas – Mitglieder der Solaren Abwehr.

Jonny Dalyle – Ein Gangster plant einen Coup.

Dona, Valentin und Valeska Mertins – Drei Menschen vertrauen einem Fremden.

1.

 

»... des Mannes Freunde, Schwert und Spieß, soll'n immer dich begleiten!«

»Stärk're Freunde noch als Schwert und Spieß, die nenne ich mein eigen ...«

»Willst trotzen du der Väter Brauch, jahrtausendalter Tradition ...«

»Was schert mich Tradition, was ficht mich Vätersitte, wenn heute sich ein Traum erfüllt, der Traum, die Schwerkraft dieser Welt zu überwinden, ihr zu entfliehen?«

»So geh', verlasse Arkon, der Schlund der Sonne wartet ...«

Der Mann mit dem schulterlangen weißen Haar folgte von seinem Logenplatz aus sichtlich interessiert dem Geschehen auf der Bühne. Gespannt lauschte er den Dialogen, die, gesprochen in der kraftvollen und klangreichen Sprache des Altarkonidischen, einen faszinierenden Reiz auf die Zuschauer ausübten. Atlan nickte anerkennend vor sich hin. Kein Zweifel, die jungen USO-Offiziere, die sich hier im Quinto-Center-Laienspielklub zusammengefunden hatten, waren mit Begeisterung und Elan bei der Sache. Und sie verstanden es, die Werke fast schon vergessener Dramaturgen mit Lebendigkeit zu erfüllen und ihnen eine neue überraschende Zeitgemäßheit zu verleihen.

Wer etwas mit Enthusiasmus und Zielstrebigkeit betrieb, musste entsprechend motiviert sein. Worin nun bestand diese Motivation? Die Antwort, so wusste Atlan, ließ sich auf eine einfache Formel reduzieren: Nostalgie.

Zu allen Zeiten hatten sich Menschen die Frage gestellt, ob die Zeit, in der sie lebten, wirklich lebenswert war, oder ob nicht vergangene Zeiten besser, schöner, sinnvoller, glücklicher gewesen waren. Eine Antwort auf diese Frage konnten wohl nur Menschen geben, die ein unbegreifliches Schicksal außerhalb des Alterungsprozesses gestellt hatte. Menschen wie er selbst, wie Perry Rhodan und andere. Sie, die durch das Feuer der Jahrhunderte und Jahrtausende gegangen waren, vermochten, aufgrund ihrer nahezu unerschöpflichen Erfahrungen, schon eher ein Urteil über die Qualität einer Zeitepoche abzugeben.

Aber was hieß das schon, Qualität einer Zeitepoche? Wenn er, Atlan, die Jahrtausende historischen Geschehens vor seinem inneren Auge im Zeitraffertempo abspulte, gelangte er zu dem Schluss, dass keiner Ära ein besonderer Vorrang gebührte. Der Zeitgeist, dieser doppelköpfige, einmal lachende, einmal weinende Dämon, hatte noch immer alle politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und technischen Komponenten so gut durcheinandergewürfelt, dass sich das Positive und das Negative einer jeden Zeitepoche am Ende sicherlich die Waage hielt.

Ein schwacher Summton von seinem Handgelenk her drang in seine philosophischen Betrachtungen und riss ihn in die Wirklichkeit zurück, von der er geglaubt hatte, sich für einige Minuten suspendieren zu können. Diese Wirklichkeit, dachte Atlan, als er sich erhob und, ohne einen weiteren Blick zur Bühne zu werfen, das Theater verließ, hing wie ein Damoklesschwert über den Planeten des Solaren Imperiums. Das Katastrophale war, dass niemand die Koordinaten kannte, an deren Schnittpunkt dieses Schwert materialisieren würde. Dass es materialisieren würde, stand außer Zweifel, und es stellte sich für Atlan die Frage, was man tun konnte, um der Gefahr erfolgreich zu begegnen.

Bilfnei Gloddus war der Name des Mannes, der diese Gefahr symbolisierte; eine Gefahr, die leicht galaktische Ausmaße annehmen konnte. Bilfnei Gloddus, der ehemalige Kartograph der SMARGENT, der sich mit seinen neugewonnenen unheimlichen Fähigkeiten einen großen Teil der Gataser-Blues gefügig gemacht hatte.

Während der Lordadmiral und Chef der USO auf Rollbändern und in Antigravliften seinem Ziel zustrebte, ließ er seinen Erinnerungen an die Geschehnisse auf der Kolonie Tromcap freien Lauf. Dort war Gloddus mit einer Flotte von Blues-Schiffen über dem Planeten erschienen und hatte an den Polen nukleare Sprengkörper installiert. Mit der Drohung, die blühende Kolonie mit den 600.000 Siedlern in eine Atomwolke zu verwandeln, hatte er das Solare Imperium erpresst, alle terranischen Schiffe aus der Eastside abzuziehen. Außerdem hatte Gloddus verlangt, mit einem führenden Mitglied des Solaren Imperiums auf Tromcap zu verhandeln. Atlan selbst hatte diese Rolle übernommen.

Und während er mit Gloddus verhandelt hatte, war es Lelle Salgouz gelungen, die Bomben an den Polkappen zu entschärfen. Dann hatte die USO zugeschlagen. Gloddus allerdings war mit der SMARGENT entkommen.

Zehn Minuten später saßen sich Atlan und Lelle Salgouz in Gegenwart eines Ordonnanzoffiziers in einem der vielen Konferenzräume von Quinto-Center gegenüber.

»Major Weber«, wandte sich Atlan zunächst an den Offizier, »wie sollte man das Problem Gloddus am besten anfassen?«

Lelle Salgouz warf ihm einen raschen Blick zu. Der ehemalige Wolfshundzüchter, dessen Intelligenz sich seit dem Kontakt mit jenen Wesen im Zeitstrom bedeutend erweitert hatte, erkannte seine Absicht, die Eigeninitiative und Phantasie seines Mitarbeiters anzuregen.

Auf seiner dicken, fleischigen Unterlippe herumkauend, dachte der USO-Offizier nach.

»Das Problem«, sagte er dann langsam, »besteht darin, dass wir nicht wissen, wo sich dieser Gloddus aufhält und an welcher Stelle er angreifen wird. Unter diesen Umständen bin ich der Meinung, dass es unsere vordringlichste Aufgabe sein muss, etwas für die Sicherheit der Siedler auf den terranischen Kolonien zu tun.«

Atlan blickte ausdruckslos vor sich hin.

»In diesem Punkt haben wir getan, was wir konnten«, sagte er schließlich. »Ein Übel ist aber nur dann auszurotten, wenn man es an der Wurzel packt. Es muss einen Weg geben, den Verbrecher ausfindig zu machen.« Sein Blick schwenkte herum und blieb auf dem Gesicht des Siedlers von Ammavol haften.

Salgouz, der sich angesprochen fühlte, sagte: »Sie wissen, Lordadmiral, dass ich einige Male bereits versucht habe, im Zeitflimmern Kontakt mit einem jener Wesen aufzunehmen, bisher leider vergeblich.«

»Ich weiß«, nickte Atlan, schwieg eine Weile und wandte sich dann abermals an die Ordonnanz: »Major Weber, lassen Sie alle Daten über die Gataser-Planeten abfragen und geben Sie sie mir auf einen Monitor in der Zentrale! Koppeln Sie eine 3-D-Karte hinzu!«

Der Offizier stand auf. »Selbstverständlich, Sir«, versicherte er und ging zur Tür. Als diese sich hinter ihm geschlossen hatte, breitete sich Schweigen in dem kleinen Raum aus. Salgouz betrachtete seine Fingernägel. Aber sein Blick wirkte gläsern, schien nach innen gerichtet zu sein.

»Ich werde es noch einmal versuchen – und zwar jetzt gleich«, sagte er plötzlich.

Der Arkonide blickte in das aufgedunsene Gesicht des Siedlers. Über den von einem Geflecht von roten Adern durchzogenen Wangen saßen zwei klein wirkende graue Augen. Wenn Salgouz sprach, sah man die schadhaften Zähne in seinem Mund.

Salgouz war Alkoholiker. Auf dem Planeten Ammavol hatte er zusammen mit seinen beiden Frauen ein Leben abseits der Kolonistengemeinschaft geführt und war dabei total heruntergekommen.

Und doch hatte dieser Mann sechshunderttausend Siedlern auf Tromcap das Leben gerettet.

Woher bezog dieser Mann seine außergewöhnlichen Kräfte? Wer oder was waren diese Wesen, mit denen Lelle Salgouz in Kontakt trat, wenn er in den Zeitstrom eintrat?

Atlans Spannung wuchs. Natürlich konnte er am Vorgang des so genannten »Zeitflimmerns« selbst nicht teilhaben. Aber es war erregend genug, nach der Rematerialisierung des Siedlers, die geistigen Veränderungen zu erleben, die sein Bewusstsein mit neuen Kenntnissen und Einsichten versehen hatten.

Hoffentlich hatte Salgouz diesmal Erfolg, Erfolg nämlich, was die Lösung des Problems Gloddus betraf.

Atlan bemerkte die Veränderung im Gesicht des Siedlers. Im nächsten Augenblick war Salgouz verschwunden.

 

*

 

Schweben und Dahintreiben. Gewichtslos, körperlos in einem dimensionslosem Medium, das nichts anderes zu sein schien als ein trübes, milchiges Etwas, das ihn umgab, hallten echoartig in ihm nach. Stimmen, wie es schien, Stimmen von ungezählten Wesen, die gleich ihm durch den konturlosen Raum schwebten.

Salgouz wusste, dass dies alles nur in einem subjektiven Licht, also im Sinne Wirklichkeit war, reflektiert durch seine eigene dreidimensionale Daseinsstruktur. Sein Gehirn, unfähig höherdimensionale Gegebenheiten zu verarbeiten, transformierte diese in Ersatzvorstellungen, die seinem Verstande adäquat waren. Die vierdimensionale Zustandsform selbst hatte im niedergeordneten Raum nichts Vergleichbares. Ihre Kategorien waren nur mittelbar erfahrbar und allenfalls mathematisch beschreibbar.

Trotz allem empfand Lelle Salgouz, dass seine Beziehungen zu dem fremden Medium auf eine geheimnisvolle Weise von Mal zu Mal vertrauter und intensiver wurden. Begreifen würde er diese Welt wohl nie. Doch es schien, als ob das Etwas, in dem er ohne Orientierung dahintrieb, ihn mit einem seltsamen Wissen erfüllte, einem Wissen, von dem er freilich nur einen kleinen Teil zu artikulieren vermochte.

Dann erinnerte er sich, warum er hier war, und er konzentrierte sich auf seine Aufgabe. Seine telepathischen Fühler tasteten durch das milchige Nichts. Immer wieder spürte er die Nähe anderer Lebewesen. Sie trieben an ihm vorüber, aber es gelang ihm nicht, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.

Salgouz hatte jedes Zeitgefühl verloren. Und als ihm schließlich ein bernalisches Bewusstsein begegnete, wusste er nicht, dass sein Aufenthalt im Zeitstrom bereits wesentlich länger dauerte als jemals zuvor.

Das Wesen, sein Name war Shankoon Faskern, schien von besonders zurückhaltender Art zu sein. Nur sehr langsam kam die Kommunikation in Gang.

Ihr Terraner, klang die telepathische Stimme in seinem Bewusstsein auf, seid noch eine sehr junge Rasse. Das Stadium, in dem ihr euch befindet, haben wir schon vor undenklichen Zeiten überwunden. Dennoch, glaube ich, werdet ihr in der Lage sein, eure Probleme selbst zu lösen.

Salgouz erschrak. War das eine Absage? Er versuchte dem Fremden klarzumachen, dass der Komplex Gloddus nicht nur ein Problem der Terraner war. Erst im Kontakt mit ihnen, den Bernalern, hatte sich Bilfnei Gloddus jene Fähigkeiten angeeignet, die ihn in den Stand setzten, ein Sternenreich zu vernichten, eine Galaxis zu unterjochen, wenn seinem Treiben nicht Einhalt geboten werden würde.

Stärker als je zuvor, spürte Salgouz die telepathischen Reaktionen seines Kontaktpartners. Mit Verwunderung und leichter Unruhe registrierte er, dass das fremde Bewusstsein in mehr als gewohntem Maße sich mit dem seinigen verband.

Abwehr und Ablehnung spürte Salgouz in Faskerns telepathischer Stimme, als sie sagte:

Wenn ein Terraner mit einem Bernaler Kontakt eingeht, wenn durch diesen Kontakt sein Bewusstsein erweitert, seine Fähigkeiten verstärkt werden, so ist es nicht Sache der Bernaler, was der Terraner mit diesen Fähigkeiten anfängt.

Keine galaktische Rasse, gab Salgouz zurück, kann für sich in Anspruch nehmen, von Anfang an gut gewesen zu sein und immer nur Gutes getan zu haben. Im Gegenteil, das Gute setzt die Existenz des Bösen voraus. Diesem Gesetz, das dem dualistischen Bauplan des Universums, ja des gesamten Seins überhaupt entspricht, unterliegen auch die Bernaler ...

Salgouz, selbst überrascht über seine philosophische Exkursion, war sich nicht mehr genau im Klaren darüber, inwieweit seine Gedanken noch sein geistiges Eigentum waren und nicht schon dem Einfluss des fremden Bewusstseins unterlagen. War am Ende sein eigenes Bewusstsein zum Schauplatz einer Auseinandersetzung geworden, die der fremde Geist mit sich selbst austrug?

Wie kam er nur auf diesen Gedanken? Plötzlich schien er ihm absurd. Und doch spürte er deutlich, dass irgend etwas mit seinem Geist geschah.

Shankoon Faskern antwortete nicht, und Salgouz begann einen zunehmenden psychischen Druck zu verspüren, gegen den er machtlos war. Der Druck wurde stärker, Emotionen, Gefühle der Ablehnung und der Angst überschwemmten ihn. Einen Augenblick kam ihm der Gedanke, von dem fremden Bewusstsein »übernommen« zu werden. Panik stieg in ihm auf.

Und dann, von einem Augenblick zum anderen, war alles vorbei.

Faskern hatte den Kontakt zu ihm abgebrochen. Salgouz fühlte, dass der Abbruch nicht freiwillig geschehen war. Irgend etwas, irgendeine Kraft hatte den Abbruch verursacht. Er schien unwiderruflich zu sein, so, als ob der Bernaler von nun an unerreichbar für ihn war.

Lelle Salgouz kehrte in die dritte Dimension zurück.

Atlan stand vor einem Monitor und las die Daten, die über den Schirm liefen, als der Siedler rematerialisierte. Der Arkonide drehte sich um, und das erste, was er sagte, war:

»Sie sind ungewöhnlich lange geblieben!«

Und dann, als er mit einem Blick in das von den Folgen der Trunksucht gezeichnete Gesicht erkannte, dass etwas Besonderes geschehen war, schob er dem anderen einen Becher heißen Kaffees über den Tisch.

Salgouz schüttelte den Kopf. Der große, schwere Mann knetete seine fleischigen Hände und blickte vor sich hin. Atlan wartete geduldig. Schließlich griff der Mann doch noch nach dem Becher, und zwischen zwei hastigen Schlucken stieß er hervor:

»Er ist weg! Ganz weg, verstehen Sie? – Irgend etwas muss passiert sein ...!«

Atlan wechselte die Taktik. »Salgouz!«, sagte er scharf, »Nehmen Sie sich zusammen! Wer ist weg? Berichten Sie der Reihe nach!«

Es half. Atlan sah, wie sich der Körper des Siedlers straffte. Er goss den Rest des Kaffees in sich hinein, und dann erzählte er.

Als Salgouz geendet hatte, schwiegen beide Männer eine Zeitlang, bis der Arkonide wieder sprach:

»Sie sind sich also völlig sicher, dass Faskern den Kontakt nicht freiwillig gelöst hat?«

Salgouz nickte.

»Woher nehmen Sie diese Sicherheit?«

Salgouz holte tief Atem und sagte: »Ich ... weiß es!«

Atlan betrachtete ihn interessiert. »Und wohin ist er verschwunden?«, fragte er dann.

Salgouz blickte auf, er hob die Schultern und drehte die fleischigen Hände auswärts. »Das weiß ich nicht!«, sagte er. Der Lordadmiral drehte sich um und füllte seinen und Salgouz' Becher zum zweiten Mal mit Kaffee.

»Sie sollten noch einmal in das Zeitflimmern eintreten, Salgouz. Vielleicht erfahren Sie dann Näheres über das Phänomen.«

Der Siedler, im Begriff den Becher mit dem heißen Getränk zum Munde zu führen, stellte das Gefäß abrupt ab.

»Ich weiß nicht, was geschehen ist, aber ich weiß, dass ich nicht zurückgehen werde, bevor ich die Gewissheit habe, dass mein Tun nicht Dinge auslöst, die über andere Lebewesen Unheil heraufbeschwören.«

2.

 

Wer eine höhere Zustandsform erkennt und in sie eintritt, muss alles hinter sich lassen, auch das Liebgewonnene!

Shtuan Egk Bayona, aus der Zeit vor der Transformation.

 

*

 

Es dauerte nur Sekunden, bis Shankoon Faskern begriff, dass etwas Ungeheuerliches mit ihm geschehen war, etwas, was kein Bernaler für möglich gehalten hatte. Er hatte seine vierdimensionale Zustandsform verloren und war in die dritte Dimension zurückgefallen. Er lag auf einem rasenähnlichen Boden, und seine Augen blickten zwischen schwarzen Flecken hindurch auf eine blaue Wand, über die dunkelgraue Schleier wallten, zwischen denen es ab und zu aufblitzte.

Sterne! Durchfuhr es Faskern. Die grauen Schleier waren Wolken, die schwarzen Flecke Wipfel von Bäumen, die hoch über ihm ihre Kronen wölbten. Unfähig, sich zu rühren starrte er eine Zeitlang zu dem Himmel empor, an dem die glitzernden Punkte entstanden oder erloschen, je nachdem, welche Formationen die nächtlichen Wolken bildeten. Sterne! Eine Woge von Gefühlen überschwemmte ihn, und er war nicht fähig zu unterscheiden, ob in seinen Emotionen das Positive oder das Negative überwog.

Als seine Finger nach dem Gras unter ihm tasteten, wurde er sich seines Körpers und seiner Glieder bewusst. Seine Hände griffen in den Stoff des Gewandes, das, von seinen Schultern herabfallend, seinen Körper umhüllte. Es war ein Quasch. Derselbe, den er getragen hatte, als die Transformation begonnen hatte ... Vage Erinnerungen an jene undenklich weit zurückliegende Zeit, in der er einen Körper besessen hatte, klopften ans Tor seines Bewusstseins. Aber Faskern verwehrte ihnen den Zutritt. Einziges Ziel musste es sein dachte er, als er sich erhob und auf wackligen Beinen unsicher ein paar Schritte auf dem dicht gewachsenen Rasen machte, einziges Ziel musste es sein, so schnell wie möglich, zu seinem Heimatplaneten zu gelangen.

Er lehnte sich an einen Baum und überlegte. Doch je länger er überlegte, um so mehr wurde ihm bewusst, wie groß die Schwierigkeiten waren, die er auf seinem langen Weg nach Toulminth noch auszuräumen hatte. Er war allein auf einer fremden Welt, von der er bisher nichts weiter wusste, als dass sie eine atembare Atmosphäre besaß und Bäume und Gras.

Seine Augen hatten sich inzwischen an die Dunkelheit gewöhnt. Einige Schritte weiter vor ihm sah er einen hellen Streifen, in dem er unschwer einen Weg erkannte. Faskern zog den Quasch enger um seinen Körper und machte ein paar Schritte auf den Weg zu. Dichte Reihen von kniehohen Gewächsen schoben sich in sein Blickfeld. Eine Hecke.

Ein Park, dachte Faskern, er befand sich in einem Park, geplant und geschaffen von intelligenten Wesen. Wie sahen sie aus? Nun, er würde es erfahren. Er würde auch erfahren, ob sie Raumhäfen besaßen und Schiffe, mit denen man ihren Planeten verlassen konnte.