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Matthias März

Hubert deckt auf





BookRix GmbH & Co. KG
81371 München

Hubert und der Skandal um die Granatäpfel

 

Ich, Hubert Hundertmark, bin ein kritischer Verbraucher. Werbeaussagen werden von mir grundsätzlich überprüft und gegebenenfalls rigoros bekämpft. So entlarvte ich vor Jahren den Knotentest eines Waschmittelherstellers und die „Nicht-Bohr-Garantie“ einer Zahnpasta. Auch von Händlern lasse ich mich nicht an der Nase herumführen, auch nicht von meinen Obsthändler. Aber der Reihe nach. Ich hatte letzte Woche dort einige Granatäpfel erworben und wurde bitter enttäuscht. Gestern habe ich mich dort darüber beschwert.

 

„Guten Morgen, ich werde Sie anzeigen. Mein Bruder Kunibert ist nämlich Anwalt“, sagte ich empört, als ich den Laden betrat. Na ja, ehrlich gesagt, studiert er noch. Im Moment ist der Kuni im 35. Semester. Aber das brauchte der gute Mann ja nicht wissen. Er wurde blass. „Wie bitte? Ist irgendetwas nicht in Ordnung mit der Ware?“

„Das kann man wohl sagen. Die Granatäpfel funktionieren nicht.“ Ich knallte ihm die Tüte auf dem Tisch. Er öffnete sie und antwortete: „Wie jetzt? Funktionieren? Was meinen Sie?“

„Sie sind völlig wirkungslos.“

„Wirkungslos?“ Er wurde zunehmend verwirrter. „Ich habe sie mir zur Selbstverteidigung gekauft. Vorher wollte ich das natürlich testen. Ich suchte mir eine einsame Wiese, warf einen davon in weiten Bogen weg, ging in Deckung und was glauben Sie was passiert ist?“

„Vermutlich nichts.“

„Ach, das wissen Sie! Das wird ja immer schöner. Das ist Vorsatz. Sie kommen in den Knast. Der Kunibert wird schon dafür sorgen.“

„Aber, aber. Immer schön ruhig bleiben. Wissen Sie nicht, dass man sie essen kann? Das ist keine Waffe, das ist Obst. Schauen Sie.“ Er nahm eines der Früchte und griff zu einem kleinen Messer, das bereitlag. Nachdem er den Granatapfel aufgeschnitten hatte, nahm er einen Löffel und sagte: „Man isst die Kerne.“

„Ach, ich soll das essen? Warum verkaufen Sie die denn als Granatäpfel?“

„Die heißen nun mal so. In Marmorkuchen ist ja auch kein Marmor.“

„Das hat der Bäcker von nebenan auch zugegeben, als ich mich beschwerte. Ich wollte mein Bad neu dekorieren. Das Zeug war mangelhaft, genau so wie seine Windbeutel.“

„Wie jetzt?“

„Mein Haartrockner war kaputt, da habe ich nach Ersatz gesucht. Hat nicht funktioniert.“ Ich schüttelte den Kopf. „Es ist unglaublich, wie man als kleiner Verbraucher Tag für Tag getäuscht wird. In Teewurst ist kein Tee, ebenso wenig wie Bier im Bierschinken ist. Das mit der Kinderschokolade kann ich noch nachvollziehen, auch das mit dem Babyöl. Aber ansonsten kann man ja wohl erwarten, dass das was angegeben ist, auch im Produkt enthalten ist.“

„Nicht unbedingt.“

„Ach, denn enthalten Ihre Wassermelonen gar kein Wasser?“

„Doch, doch, natürlich.“ Er schnitt eine auf und gab mir ein Stück. „OK, ich gebe zu. Diesmal ist alles in Ordnung“, antwortete ich kauend. „Ich werde noch einmal von einer Anzeige absehen. Nächstes Mal ist das anders. Ich nehme dann noch diese Früchte dort hinten.“ Ich steckte diese in meine Tüte mit den Granatäpfeln und ging nach Hause.

 

Morgen werde ich sie austesten – die Flugananas.

 

 

 

Hubert und die Täuschung beim Anmachen

 

Ich, Hubert Hundertmark, bin nach wie vor intensiv im Interesse der Verbraucher unterwegs. Immer noch verfolge ich skrupellose Firmen und Händler, die uns täuschen und betrügen. Das fing schon als Kind an. Eine Süßigkeit wurde damals damit beworben, dass es „lang wie ein Degen und süß wie eine Prinzessin“ sei. Für Prinzessinnen interessierte ich mich als Zehnjähriger noch nicht sonderlich, sehr wohl aber für Degen. Welch eine Enttäuschung, als sich herausstellte, dass das Zeug gerade einmal die Länge eines Messers erreichte! Noch schlimmer war es mit dem Konkurrenzprodukt, das zwar wirklich lecker schmeckte, aber die Werbeaussage „hört nie auf“ keineswegs erfüllte. Auch letzte Woche musste ich mich mal wieder beschweren, diesmal in dem Baumarkt meines Vertrauens.

 

Ich betrat den Laden und wandte mich an eine der orange gekleideten Verkäuferinnen. „Guten Morgen. Ihr Produkt hilft nicht.“ Sie lächelte mich trotzdem an. „Sagen Sie mir doch erstmal bitte, worum es genau geht.“ Ich knallte ihr die angebrochene Tüte vor die Füße. „Ach, ja. Unser Anmachholz, das wir letzte Woche im Sonderangebot hatten. Was für Probleme haben sie damit?“

„Ich bin mit ein paar Stück davon in eine Bar gegangen, habe das Zeug auf den Tresen der Bar geschüttet und die junge hübsche Dame, die dort ihren Cocktail trank, lieb angelächelt. Sie sah mich entgeistert an, stand auf und setzte sich woanders hin. Dann hat mich auch noch dieser blöde Barkeeper herausgeworfen.“ Die Verkäuferin lachte. „Das haben Sie aber völlig falsch verstanden. Unser Anmachholz ist dafür da, Feuer zu entfachen.“

„Genau das wollte ich ja bei der jungen Frau. Aber es half ja nicht.“

„Nein, mein Herr. Gemeint ist richtiges Feuer, zum Beispiel in einem Ofen oder einem Kamin.“

„Das steht aber so nicht auf der Packung.“ Sie seufzte. „Gut, ich habe heute meinen großzügigen Tag. Wir erstatten Ihnen den Kaufpreis, aber nicht gegen Bargeld, Sie bekommen einen Gutschein. Dafür können Sie sich etwas anderes aussuchen.“

 

Ich ging zur Zentralkasse, um den Gutschein im Empfang zu nehmen. Ratlos lief ich durch das Geschäft, bis ich kurz vor dem Ausgang das Richtige fand. Diesmal würde es funktionieren.

 

Es war nur etwas seltsam, dass es in der Auto-Zubehör-Abteilung stand – das Kontaktspray.

 

 

 

 

Hubert und der Reinfall beim Durchfall

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, verfolge immer noch das Interesse der Verbraucher. Bevor ich Ihnen mein neuestes Skandal-Erlebnis schildere, möchte ich mal wieder in meine Kindheit zurückblicken. Genau genommen war ich schon kein Kind mehr, sondern Jugendlicher. Ich hatte meinen ersten eigenen Kassettenrecorder geschenkt bekommen. In jenen Tagen war es brütend heiß, nahezu ein Jahrhundertsommer. Fast täglich war ich am Strandbad, natürlich mit dem Recorder. Eines Tages fing er an zu jaulen, die Batterie war alle. Nun kannte ich aus der Werbung einen bestimmten Schokoriegel. Er wurde damit beworben, dass er verbrauchte Energie sofort zurückbringt. Ich wusste, was zu tun war. Der Kiosk war nur ein Steinwurf entfernt, ich erwarb dort den besagten Riegel. Leider war er ein klein wenig zu groß für das Batteriefach, ich musste ihn zurecht schnitzen. Nachdem dieses erledigt war, verbrachte ich ihn in das Gerät. Voller Hoffnung schaltete ich den Recorder ein – nichts geschah! Geduldig wartete ich noch eine halbe Stunde, leider ohne Erfolg. Darüber hinaus war die Süßigkeit mittlerweile geschmolzen und hatte meinen schönen Recorder zerstört. Ich war unheimlich sauer. Ein Beschwerdebrief an den Hersteller des Riegels blieb leider unbeantwortet.

 

Nun bin ich fast fünfzig Jahre alt. Zeit meines Lebens hatte ich jeden Weg mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß zurückgelegt. Es war an der Zeit, meinen PKW-Führerschein zu machen. Ich muss zugeben, dass ich schon fünfundsiebzig Fahrstunden benötigt hatte, bevor ich zur Prüfung zugelassen wurde. Aber so sind wir Hundertmarks nun einmal. Langsam, aber gründlich. Letzte Woche war es endlich soweit. Den theoretischen Teil schaffte ich souverän, doch leider nicht den praktischen. Dabei hatte ich doch vorgesorgt. In meinem Medizinschrank fand ich ein entsprechendes Mittel, dass mir Hoffnung versprach. Wieder einmal wurde ich getäuscht. Darum musste ich mich bei der Apotheke beschweren. Ich betrat das Geschäft.

 

„Sagen Sie mal, was verkaufen Sie für ein Mist?“ Die junge Dame wirkte geschockt. „Hier dieses Mittel gegen Durchfall ist völlig wirkungslos.“ Ich knallte die Packung auf dem Verkaufstisch. Sie entgegnete: „Das verstehe ich nicht. Alle unsere Kunden waren damit hochzufrieden…“ Ich unterbrach sie und sagte: „Ich bin aber keineswegs zufrieden mit dem Zeug. Letzte Woche hatte meine Führerscheinprüfung, ich nahm kurz vorher dieses angeblich so wirksame Mittel ein und bin trotzdem durchgefallen.“ Sie lachte herzhaft und sprach: „Das haben Sie falsch verstanden. Das Medikament hilft zwar gegen Durchfall, aber nicht gegen das Durchfallen. Wissen Sie nicht, was damit gemeint ist?“

„Offen gesagt: nein. Ich weiß nur, dass ich mich betrogen fühle.“

„Es hilft gegen Verdauungsbeschwerden, also bei flüssigem Stuhlgang.“ Erbost verließ ich die Apotheke, wieder einmal wurde ich getäuscht.

 

Nächste Woche habe ich die Chance, die Prüfung zu wiederholen. Ich möchte nicht noch einmal durchfallen und munter bleiben. Ich weiß, was ich nehmen werde. Hustensaft hilft gegen Husten, Fußpilzspray hilft gegen Fußpilz. Also helfen Schlaftabletten gegen Schlaf.

 

 

 

 

 

 

Hubert und der Ausstieg beim Einstieg

 

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, gebe nicht auf. Auch nicht, wenn Verkehrsbetriebe mit Werbesprüchen locken, die nicht stimmen. Aber der Reihe nach. Zunächst möchte ich noch ein Erlebnis aus meiner Jugend schildern. Ich war gerade volljährig geworden. Ich machte eine Klassenreise nach Freiburg. Am vierten Tag wollten wir den Schauinsland besteigen, den höchsten Berg in der Gegend. Unser Lehrer hatte noch appelliert, dass wir uns gut vorbereiten sollten. Das tat ich dann auch. Ich besorgte mir ein Dutzend kleine Fläschchen voll mit einem Kräuterschnaps. Dieser wurde damit beworben, dass er zwar ganz schön bitter schmeckt, aber einem schnell über den Berg hilft. Ich trank alle Flaschen aus. Meinen Sie, das hat geholfen? Ganz im Gegenteil. Erst war mir schlecht, dann wurde ich müde. Ich konnte nicht mitkommen bei der Wanderung und bekam noch einen Tadel.

 

Vor ein paar Jahren wollte ich mal wieder eine Städtereise machen, diesmal nach Hannover. Es wurde – Sie können es sich denken – ein Fiasko. Darum musste ich mich beschweren, diesmal bei der Zentrale der hannoverschen Verkehrsbetriebe „ÜSTRA“. Ich betrat das Gebäude und begab mich zum Empfang.

 

„Guten Tag, was kann ich für Sie tun?“. Die junge Dame lächelte mich an.

 

„Ich muss mich beschweren. Man hatte mir gestern im Hotel nahegelegt, den Zoo zu besuchen. Voller Tatendrang begab ich zum Hauptbahnhof, um zum Zoo zu gelangen. Ratlos stand ich dort am Reiter-Denkmal. Es gab zwei Haltestellen, für jede Richtung eine. Kurz entschlossen begab ich zur rechten. Ich nahm natürlich die nächste Straßenbahn, die kam. Es war die 10, glaube ich. Ich fuhr bis zur Endhaltestelle. Danach bin ich dann da in einen Bus gestiegen, vom Bahnfahren hatte ich genug. Eine Ewigkeit fuhr der Bus durch die Gegend. Nichts war vom Zoo zu sehen. An der Endhaltestelle habe ich dann gefragt war, wo ich hingeraten war. Das war dann der Mühlenberg, glaube ich.“

 

„Oh, oh, da waren Sie aber immer noch völlig falsch. Das muss der 581er gewesen sein. Aber..“

 

„Das habe ich dann auch gemerkt.“ Ich wurde allmählich wütend und fuhr fort: „Ich stieg dann wieder in einen Bus. Dieser Bus fuhr durch eine Hochhaussiedlung und…“

 

„Und der brachte Sie nach Empelde, unser 129er.“

 

„Ja, ja, schön, schön, dass Sie das alles wissen. Dort in Empelde stieg ich dann wieder in eine Straßenbahn, das war die 9, und bin schließlich wieder am Hauptbahnhof gelandet.“

 

„Oh, da haben Sie aber eine schöne Stadtrundfahrt gemacht. Warum haben Sie sich nicht vorher informiert, wo es zum Zoo geht?“

 

„Das habe ich doch! An allen Haltestellen, stand ein Plakat: Steigen Sie Sie ein. Die Richtung stimmt. Und das tat ich doch auch.“

 

„Junger Mann, das ist doch ein Werbespruch. Das ist nicht wörtlich gemeint. Aber wir wollen mal großzügig sein. Wir schenken Ihnen einen Netzfahrplan, eine Tageskarte, sowie eine Ermäßigungskarte für den Zoo. Nehmen Sie einfach ab Steintor die Linie 11 Richtung Zoo bis zur Endhaltestelle.“

 

Im Zoo hat es mir dann doch sehr gut gefallen. Ach, ja, nächste Woche besuche ich erneut Hannover. Dort sind Fahrkarten jetzt sehr preiswert. In der neuen Werbebroschüre stand, dass es sie für einen Appel und ein Ei gibt. Ich habe mich entsprechend bevorratet.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hubert und das Verhalten beim Halten

 

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, habe einen Beschluss gefasst. Künftig erledige ich alle meine Einkäufe im Internet. Dort wird man als Kunde ordentlich behandelt und hat bestimmt keinen Grund zum Reklamieren. Tja, so dachte ich. Aber es sollte anders kommen. Bevor ich jedoch davon berichte, möchte ich wieder mit einer Anekdote aus meiner Jugend aufwarten. Als ich vier Jahre alt war, hatte ich eine starke Erkältung. Tagelang musste ich das Bett hüten, aber ich durfte fernsehen. Wie bereits mehrfach erwähnt, liebe ich Werbung. In einer dieser niedlichen Spots war in einem Trickfilm ein großer, grüner, knuddeliger Bär zu sehen, der immer sang: „Nimm den Husten nicht so schwer, jetzt kommt der Hustinetten-Bär“. Ich bestürmte meine Mutter, mir diese Bonbons zu kaufen, dann so einen Bären wollte ich unbedingt haben. Er war viel schöner als mein Teddy „Peter“, der doch arg verschlissen war, weil schon meine Brüder Norbert, Herbert und Kunibert und meine Schwester Berta damit gespielt hatte. Ich lutschte die Bonbons wie verrückt - voller Erwartung, dass der grüne Bär in mein Zimmer hinein spazierte. Natürlich wurde ich wieder bitter enttäuscht.

 

Wie Sie schon wissen, bin ich unter die Internetbesteller gegangen. Nicht nur das, seit kurzem spiele ich auch Klavier. Leider bin ich da noch etwas ungeübt, das muss ich zugeben. Ich verehre Beethoven, das tat ich schon immer. Darum musste eine Büste von ihm auf das Instrument gestellt werden. Durch die heftigen Erschütterungen beim Spielen geriet der gute Ludwig des Öfteren ins Rutschen, ich konnte ihn jedoch immer noch auffangen, bevor etwas passierte. Doch vorletzte Woche – ich spielte gerade Beethovens Neunte mit geschlossenen Augen - schrak ich auf, als es klirrte. Die Büste war heruntergefallen und in tausend Stücke zerbrochen. Doch ich bin ja pfiffig und wusste, was zu tun war. Über die Internetsuchmaschine gab ich „Büstenhalter“ ein und wurde schnell fündig. Bei einem großen Versender bestellte ich einen solchen und wartete gespannt auf die Lieferung.

 

Gestern kam das Paket. Der blöde Postbote gab es bei meiner Nachbarin, Frau Wucherpfennig, ab. Als sie am Abend bei mir klingelte und es abgab, kniff sie mir ein Auge zu. Ich weiß gar nicht, warum. Gespannt öffnete ich das Päckchen, und war ziemlich verwundert. Unter einem Büstenhalter hatte ich mir doch etwas anderes vorgestellt, jedenfalls hätte ich nicht gedacht, dass er aus Stoff besteht, schon gar nicht, aus so einem dünnen. Doch ich ließ mich nicht entmutigen, knotete den Halter an Ludwigs Kopf an und verband ihn mit dem Klavierdeckel. Etwas seltsam sah das schon aus. Ich machte den Test, spielte eine wunderschöne Symphonie. Dieses bekam der Büste gar nicht, sie löste sich sehr schnell vom Halter.

 

Heute habe ich bei der Beschwerde-Hotline angerufen. „Guten Tag. Sie haben eine Beschwerde.“

„Das kann man wohl sagen, ich habe einen Büstenhalter bei Ihnen gekauft, und bin gar nicht damit zufrieden.“

„Passt er Ihrer Frau nicht?“

„Frau? Wieso Frau? Ich bin nicht verheiratet. Nein, er ist für Ludwig.“

„Oh, ähh, für Ihren Freund?“

„Also hören Sie mal. Wissen Sie nicht, wer Ludwig van Beethoven ist?“

„Doch natürlich kenne ich ihn. Aber was er mit unserem Produkt zu tun?“

„Na, das liegt doch wohl auf der Hand. Natürlich brauchte ich den Halter für mein Klavier beziehungsweise für die Büste von Ludwig.“ Am anderen Ende wurde herzhaft gelacht. Ich weiß wirklich nicht, warum meine Beschwerden immer nicht ernst genommen werden. „Also, hören Sie, Herr Hundertmark, das haben Sie völlig missverstanden. Unsere Büstenhalter sind Kleidungsstücke für Frauen und dienen keineswegs dazu irgendwelche Büsten an Klavieren anzubinden.“

„Das funktioniert eben auch nicht, das habe ich ausprobiert. Warum warnen Sie auf Ihrer Internetseite arme, unschuldige Verbraucher nicht davor? Das ist Betrug. Mein Bruder Kunibert wird Sie verklagen. Ich habe genug für heute. Ich will nur hoffen, dass die andere Lieferung von Ihnen meine Erwartungen erfüllt.“ Wutentbrannt legte ich auf.

 

Auf das nächste Paket warte ich gespannt. Ich bin schon sehr gespannt, wie es aussieht, das Bustier. Vielleicht ist es ja ein niedlicher, grüner Bär.

 

 

 

 

 

 

 

 

Huberts schönstes Weihnachtsfest

 

 

Ich, Hubert Hundertmark, hatte stets ein angespanntes Verhältnis zu Weihnachten. Nicht nur, dass ich als Kind ständig enttäuscht wurde, weil an den Ständen und den Kinderkarussells überall „Morgen kommt der Weihnachtsmann“ gespielt wurde, und er dann doch noch drei Wochen brauchte. Auch meine Brüder Norbert, Herbert und Kunibert sowie meine Schwester Berta konnten mir das nicht erklären. Nein, es war auch deswegen eine Enttäuschung weil ich den Kerl, der sich da einen roten Mantel angezogen und einen falschen Bart angeklebt hatte, schnell entlarvt hatte. Es war mein Onkel Robert, der sich da verkleidet hatte.

 

In späteren Jahren wuchs die Frustration von Jahr zu Jahr. Ich erinnere mich an das Jahr 1993 als ich mir als begeisterter Fußball-Fan von meiner damaligen Freundin Gisela das Buch von Uli Stein gewünscht hatte. Leider entsprach es überhaupt nicht meinen Erwartungen, weil da lauter seltsame Zeichnungen drin waren statt der erwarteten Erlebnisse über die WM 1986. Und die Leute in dem Buch verhielten sich auch völlig normal, das war doch gar nicht komisch! Gisela war von ihrem Präsent, der Kernseife, auch sichtbar enttäuscht. Offenbar hatte sie ihren Wunsch „etwas für den Hals“ doch nicht richtig formuliert. Die Beziehung zu Gisela endete dann auch recht abrupt. Sie war ohnehin rein platonisch.

 

Als mir vier Jahre später der Weihnachtsbaum abbrannte und ich das Feuer trotz des reichlich vorhandenen Löschpapiers nicht in den Griff bekam, war es endgültig vorbei mit dem Spaß an dem heiligen Fest. Ich konnte noch nicht einmal die Wachskerzen in Sicherheit bringen, die ich diesem verdammten Händler vor die Füße knallen wollte. Sie wurden entgegen dem klaren Versprechen immer kleiner, je öfter ich sie anzündete. Da sieht man mal wieder, wie man als Verbraucher heutzutage behandelt wird. Das ist unglaublich, förmlich ein Skandal. Noch schlimmer war das mit den Wunderkerzen, die ich auch in den Laden erwarb. „Da hilft nur noch ein Wunder“, hatte mir der Bankangestellte gesagt, als er meinen Kredit ablehnte. Natürlich blieb das Wunder aus.

 

In meiner neuen Wohnung, die ich letztes Jahr bezog, habe ich anfangs gar nicht wohl gefühlt. Die Leute sind hier irgendwie eigenartig. Bis auf Wilma Wucherpfennig, meine Nachbarin. Seit sie dieses Paket für mich angenommen hat, hat sie mich in ihr Herz geschlossen. Sie hat auch nichts dagegen, wenn ich meiner Leidenschaft für Ludwig fröne, und mir zu Weihnachten eine Zehner-Box Beethoven-Büsten geschenkt in allen Farben, die erhältlich waren. Die machen sich wirklich gut auf dem Klavier, wobei ich auch das Problem mit dem Herunterrutschen gelöst habe. Eine ganze Tube Alleskleber ging dafür drauf. Das Zeug ist wirklich gut, und verspricht, was es hält. Als ich mich bei Wilma für das schöne Geschenk bedanken wollte und sie leidenschaftlich umarmte, hatte ich leider noch Reste des Klebers an den Händen, und somit blieben diese an Wilmas Rücken haften. Wir mussten uns zu zweit an das Telefon robben und den Notarzt rufen. Dieser fand das Ganze saukomisch, wie er sagte. Diese jungen Leute haben einfach keine Disziplin mehr. Na ja, er konnte uns befreien und ich konnte Wilma ihr Geschenk überreichen. Sie hat sich über das Buch „Alle Laster Deutschlands“ wahnsinnig gefreut, obwohl sie es gar nicht ausgepackt hat. „Das sehen wir uns morgen Abend gemeinsam an“, hat sie gesagt und mir wieder ein Auge zugekniffen. Das wird bestimmt wunderschön.

 

Wir werden dann auch unseren ersten gemeinsamen Urlaub planen. Ich weiß schon, wo ich hin möchte. Letzte Woche trat bei Herrn Goldeisen, oder wie der heißt ein gewisser Christian Norberts auf, jedenfalls habe ich das so verstanden. Er sang ein schönes Lied. Es hieß da „Die Sonne scheint bei Tag und Nacht, Eviva Espana, der Himmel weiß, wie sie das macht.“ Das ist doch toll, wenn es nachts nicht dunkel wird. 24 Stunden Sonnenschein. Und wehe, das stimmt nicht, dann werde ich mich wieder beschweren, Sie kennen das ja von mir.