Inhaltsverzeichnis

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Epilog

Kommentar

Leserkontaktseite

Glossar

Impressum

PERRY RHODAN - Die Serie

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Nr. 2686

 

Angriff der Nanokrieger

 

Der Bund der Sternwürdigen im Einsatz – der Kampf um das Weltenkranz-System entbrennt

 

Leo Lukas

 

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Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf eine bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen. Die Lage spitzt sich zu, als die Planeten von fremden Raumfahrern besetzt und die Sonne Sol »verhüllt« wird. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Die Fagesy ließen sich zurückschlagen, mit den Spenta konnte eine Übereinkunft getroffen werden, und sogar mit den Sayporanern, die als treue Diener QIN SHIS gelten, gibt es Vereinbarungen. Das Problem dabei ist lediglich, dass dieses Abkommen nur mit der Kaste der Chour getroffen wurde und als Gegenleistung der Terraner beinhaltet, die amtierende Regierung zu stürzen und zum Regiment der Chour zurückzukehren.

Der Gegner lässt solches natürlich nicht tatenlos geschehen, und so kommt es zum ANGRIFF DER NANOKRIEGER ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Toufec – Der Erste der Sternwürdigen führt sein Team in einen riskanten Einsatz.

Ynirt – Der Gyvie tritt den finalen Gang zur Zinne der Verklärung an.

Reginald Bull – Der Terranische Resident schickt drei Flotten auf einmal aus.

Lilith Karsmaq – Die Emotionautin setzt einen preisgekrönten Plan in die Tat um.

Delorian Rhodan – Er agiert mit der TOLBA an vorderster Front.

»Geschnitztes Holz, gezogene Fäden,

So entsteht ein Greis.

Hühnerhaut und Kranichhaar,

Beide wirken echt.

Im Handumdrehen ist aus das Spiel,

Vorbei wie ein geträumtes Leben.«

Chinesisches Gedicht, ca. 760 v. Chr.

 

 

Prolog

Ein Abend im Hain derer von Chast

 

»Zeigen.«

»Zeigen.«

»Zeigen«, forderte auch die Blinde Boulan und schwenkte ihren Scannerarm über den Tisch.

Der Zungenlose Wred gab mittels Gesten zu verstehen, dass er ebenfalls dabei war. Erwartungsvoll beugten sich sämtliche Mitspieler vor.

»Wenn's denn sein muss.« Scheinbar widerstrebend legte Ynirt, der Gaukler, sein Blatt auf die Marmorplatte. »Zugegeben, das sieht nach nicht viel aus ...«

»Wolltest uns rausbluffen, was?«, sagte Boulan. »Ha! Ich kenne deine Tricks. Solltest dir allmählich ein paar neue einfallen lassen.«

Einer der beiden Zugereisten, deren Namen sich Ynirt gar nicht erst gemerkt hatte, schnaubte triumphierend. Seine Partnerin streckte bereits die vier Vorderarme nach den in der Tischmitte gestapelten Münzwürfeln aus.

»Aber wartet mal ...« Ynirt tat, als bemerke er eben erst die Konstellationen, die sich zwischen seinen Spielscheiben und jenen ergaben, die seine Gegner aufgedeckt hatten. »Nein, so etwas! Wer hätte das gedacht?«

»Was?«, keifte die Zugereiste, eine fette, in geschmacklos teure Kleidung gehüllte Matrone. Argwöhnisch kniff sie ihre Lateralaugen zusammen.

»Mein Feuergnom versengt Wreds Nestkorb.«

»Hä? – Stimmt. Na ja. Ein Verzweiflungszug. Ihm schadet das zwar, doch dir nützt es kaum. In der Endabrechnung hast du trotzdem viel zu wenig.«

»Noch, Verehrteste. Allerdings verliert dadurch der gesamte Nistplatz zwei Schutzpunkte. Somit fällt der Bann um eure Lebensbeistände, und ich kann sie angreifen. Mit meiner Klaubmauler-Horde.«

»Das ... das ist verboten!«

»Nicht, wenn die Monde im Dreieck stehen.« Ynirt legte drei Greifklauen auf die entsprechenden Plättchen, schön langsam, eine nach der anderen. Die Besucher aus den Kaltlanden waren nicht die schnellsten Denker. »›Der Monde Drie gewähren Amnestie‹«, zitierte er das Regelwerk.

»Halt! Wir haben dennoch unsere Ahnmütter.«

»Die neutralisieren sich gegenseitig. Wegen der Verwirrung durch die Himmelsschuppe«, er tippte auf eine vor der Blinden liegende Scheibe, »die Boulan unglücklicherweise zu entsorgen versäumt hat.«

»Da hat er leider recht«, schnarrte Boulan. »Mein Fehler. Ich dachte, von der Stummdenker-Orgie drohe weit größere Gefahr.«

»Was ja in den meisten Fällen auch zutrifft«, pflichtete ihr Ynirt tröstlich bei.

»Eiter und Wurmbefall!«, fluchte die Fette; vor Kurzem hatte sie sich noch äußerst vornehm und manierlich gegeben.

Ihr Begleiter stöhnte und rieb sich den faltigen Schädel. Allmählich begann er zu kapieren, dass sein Triumph vorschnell gewesen war.

Sirrend zuckte Boulans Sensorarm über der Tischplatte hin und her. »Wer hätte damit gerechnet, dass die kollektive Doppeldeckung zuletzt noch hintenrum geknackt wird? Eine solche Verteilung ist extrem selten, sie kommt vielleicht einmal in einer Million Partien vor!«

»Tja, Dusel gehört halt gelegentlich auch zu diesem Spiel«, sagte Ynirt in fröhlich singendem Tonfall. »Und wie mir schon meine alte Lehrmeisterin Trapc'ett eingeschärft hat: ›Es geht nichts über eine Chance von eins zu einer Million.‹ – Dann lasst uns mal die Lage bereinigen, meine Lieben. Wenn ihr bitte die von den Klaubmaulern verknusperten Lebenshelfer wegräumt ...«

Seine Gegenspieler hatten zwar wenig Freude, aber keine Wahl. »Ohooo«, setzte Ynirt gut gelaunt fort, »und infolgedessen ergibt sich nun eine ganz erstaunliche Kettenreaktion. Hier: Zack, zack – und zack! Das Gnomenfeuer greift auf die Kronen der Tswejuns über. Die Stummen Wände brennen ab. Von allen Nistkörben bleibt nur meiner verschont, da er als Einziger von Zinnengunst gedeckt ist ...«

Weitere Scheiben wurden kommentarlos aus dem Spiel genommen. Die Blicke der vier Gegner freilich sprachen Bände.

»So. Nun, da hat sich einiges gelichtet. Erhebt jemand irgendwelche Einsprüche, oder können wir zur Zählung schreiten?«

Ynirt erntete nur Grunzlaute des Unbehagens. Niemand verlor gern; schon gar nicht, wenn er sich bereits als sicherer Sieger gewähnt hatte.

Nachdem er quälend langsam gezählt hatte, schlug Ynirt, der Gaukler, klatschend drei Gliederpaare auf einmal zusammen und rief: »Ist das zu fassen? Um einen lausigen Punkt habe ich mehr! Aber wie die alte Trapc'ett immer sagte: Knapp vorn ist auch gewonnen. – Ihr erlaubt, dass ich die Einsätze an mich nehme?«

»Mach schon!«, fauchte Boulan. »Bloß halt endlich die Klappe!«

Missmutig ächzend, sackten die beiden feisten Kaltländler in ihre Sitzmulden zurück. Sie gaben sich ebenfalls geschlagen.

Der Zungenlose Wred jedoch schnellte plötzlich hoch und warf sich auf Ynirt.

 

*

 

Ein Hagel von harten Schlägen und Tritten traf Ynirt, den Gaukler.

Er hatte keine Chance, zur Flucht oder zum Gegenangriff anzusetzen, sondern war ausschließlich damit beschäftigt, seine empfindlichen Körperteile einigermaßen zu schützen. Die stählerne Prothese, die er anstelle seines verklärten Beins trug, hielt etliche Hiebe ab, jedoch bei Weitem nicht alle.

Mit sämtlichen acht Gliedmaßen drosch Wred wild auf ihn ein. Ehe jemand dazwischengehen konnte, fügte er Ynirt mehrere Verletzungen zu, darunter eine Platzwunde am Kopf, aus der das Blut nur so sprudelte.

Endlich griff Boulan ein. »Hör auf, Wred!«, schrie sie, während sie den Rasenden von hinten umklammerte. »Bist du verrückt? Du bringst ihn ja um!«

So abrupt, wie er ihn attackiert hatte, ließ der Zungenlose von Ynirt ab. Sein Körper erschlaffte. Wut wandelte sich zu Schuldbewusstsein.

»Was ist bloß in dich gefahren, Mann?«

Wred gestikulierte matt. »Es tut ihm leid«, übersetzte Boulan mithilfe ihres Sensor-Arms seine Zeichensprache für die sichtlich schockierten Zugereisten. »Er hat sich verhöhnt gefühlt und ist ausgerastet.«

»Schon gut«, sagte Ynirt, während er mühsam wieder auf die Beine kam. »Ich hab's vielleicht mit dem Spott wirklich übertrieben und daher die Prügel verdient. Ich war ein schlechter Sieger.« Er reichte Wred drei Arme zur Versöhnung.

Nach kurzem Zögern schlug der Zungenlose ein. Dann half er Ynirt, die Wunden mit Medopatches zu verarzten.

»Es tut mir leid, dass ihr Zeugen dieser hässlichen Szene wurdet«, sagte Ynirt zu den beiden Zugereisten, die reichlich verdattert dreinschauten. »Mein Kamerad Wred, der Hitzkopf, bittet ebenfalls um Entschuldigung. – Oje, was für eine Bescherung!«

Bei der Prügelei war der marmorne Spieltisch umgestoßen worden. Plättchen und Münzwürfel lagen über den Erdboden verstreut.

»Wisst ihr was? Wir annullieren diese Partie«, schlug Ynirt vor. »Stattdessen spielen wir gemütlich noch eine allerletzte, ohne Limits, und dann lassen wir es gut sein. Einverstanden?«

 

*

 

Künedd und ihr Soldmann Heriwik erklärten ihre Bereitschaft.

Sie hatte schon vor Antritt der Rundreise durch die Hohen Steppen und Seichten Senken einiges über die Gyvie-Clans dieser Gegend gehört. Dabei waren Begriffe wie unzivilisiert, Provinznestler, Rohlinge und dergleichen mehr gefallen.

Offenbar beruhte ein Großteil der Gerüchte auf Tatsachen. Jedenfalls legten die Bewohner des Hains derer von Chast reichlich seltsame und ruppige, um nicht zu sagen barbarische Verhaltensweisen an den Tag.

Umso mehr hatte es Künedd gewurmt, gegen eines dieser Landeier den Kürzeren zu ziehen. Immerhin bot sich nun die Chance, den Spieß umzudrehen.

Die Münzwürfel wurden zurückgegeben, neue Einsätze in der Tischmitte gestapelt. Die Reihe war an Künedd, die Spielscheiben auszuteilen.

Beim Einsammeln und Mischen fiel ihr auf, dass einige der Plättchen durch den Raufhandel in Mitleidenschaft gezogen worden waren. Manche waren leicht verbogen oder auf der Rückseite zerkratzt. Künedd stellte fest, dass es sich dabei just um einige der mächtigsten Symbole handelte, darunter die Zinnen der Verklärung und sogar der Antuu.

Die Einheimischen schienen dies nicht zu bemerken. Wie auch?

Das Gesichtsfeld des lümmelhaften, vorwitzigen Prothesenträgers war von verschmiertem Blut getrübt. Der jähzornige Stumme verkroch sich in seine Sitzmulde, den Blick vor Scham gesenkt. Und der Armscanner der Blinden verfügte wohl nicht über die nötige Auflösung.

Künedd wollte die drei Krüppel schon darauf hinweisen, dass die Scheiben unabsichtlich quasi gezinkt worden waren. Aber dann besann sie sich eines Besseren.

Warum sollte sie einen glücklichen Zufall, der dem unbeherrschten Benehmen dieser Rüpel geschuldet war, nicht zu ihrem Vorteil ausnutzen? Der Maulheld hatte ja förmlich um eine Abreibung gebettelt!

Sie verteilte die Spielscheiben; natürlich so, dass ihr selbst die besten zufielen. »Keine Limits, hast du gesagt, nicht wahr, mein armer, malträtierter Freund? Nun, dann wollen wir uns nicht lumpen lassen.«

Bevor sie ihre Plättchen angesehen hatte, schob Künedd alles, was sie und ihr Soldmann an Münzwürfeln bei sich trugen, in die Mitte des Tisches.

 

*

 

Nach dem Spiel kletterte Ynirt, der Gaukler, den Stamm des Tswejun hinauf in die ausladende Krone, ins Nest seiner Familie, einen der schmucksten Horte derer von Chast.

»Du kommst spät heim«, sagte Päo mit sanftem Tadel. »Und du siehst übel aus. Sei bloß leise, Ypasd schläft sehr unruhig. Er hat den Nachtschrecken. Immer wieder schreit er auf, geplagt von Albdrücken.«

Ynirt koste seine liebe Frau. »Das gibt sich«, flüsterte er. »In diesem Alter ist das ganz normal. Unser blitzgescheiter Sohn hat so viele Eindrücke zu verarbeiten ... Vertrau mir. Alles wird gut.«

Päo schmiegte sich an ihn. Sie zitterte, obwohl ihr Leib fast glühte vor Wärme. »Ich würd's gern glauben. Aber ...«

»Was?«

Sie stieß einen lang gezogenen Seufzer aus. »Später. – Wie ist es dir ergangen?«

Anstelle einer Antwort entleerte er sein Bündel auf die Ruhefelle, vorsichtig, damit das Klimpern nicht seinen Sohn weckte. Die Münzwürfel bildeten einen Teich, einen See, ein kleines Meer. »Na, was sagst du dazu?«

»Das ist ... viel.« Päos Stimme klang flach, ihre Freudenbezeugung bemüht. »Ihr habt die Fremden abgezockt.«

»Auf die klassische Tour. Perfekt von Anfang bis Ende. Boulan und Wred waren sensationell. Speziell der Zungenlose wächst immer mehr über sich hinaus. Er beherrscht seine Rolle inzwischen besser als sein legendärer Großvater. Du hättest sehen sollen, wie er mir mit einer einzigen Klaue die Stirn geöffnet hat!«

»Die Zugereisten sind auf euren Trick hereingefallen.«

»Und ob! Sie konnten es gar nicht erwarten, ihre Barschaft loszuwerden.« Er ahmte das Keifen der fetten Matrone nach: »›Keine Limits, hast du gesagt, nicht wahr, mein armer, malträtierter Freund? Nun, dann wollen wir uns nicht lumpen lassen.‹ – Grad, dass die Alte nicht gesabbert hat vor Gier.«

»Was waren das für Leute?«

»Städter. Ein Pärchen aus dem Kaltland, wobei sie diejenige ist, die ihn entlohnt. Eine Tonne von Weib, arrogant durch und durch, strotzend vor Standesdünkel. Unversehrt, wie auch ihr Gespiele.«

»Kinderlos.«

»Mein Mitleid hält sich in Grenzen.«

»Reichtum entschädigt nicht für den Mangel an Nachkommenschaft. Weshalb sonst sollten sie ihren Tswejun verlassen und sich auf Wanderschaft begeben, wenn nicht aus unerfüllter Sehnsucht?«

Ynirt lachte verhalten. »Greif mich an und fühle, wie kalt mich das lässt! Meine Partner und ich, wir haben keine armen, unschuldigen Naivlinge um ihr Vermögen gebracht. Sie waren es, die mich prellen wollten, und Wred und Boulan gleich mit.«

»Trotzdem habt ihr sie dazu verführt.«

»Na und? Sie hätten der Verlockung nicht nachgeben müssen. Worte der seligen Lehrmeisterin Trapc'ett, in den Stamm unseres Tswejuns geschnitzt: ›Betrüger darf man betrügen.‹«

»So einfach ist es nicht.«

»So einfach ist die Welt, Liebste.« Ynirt wühlte in der Masse der schimmernden Münzwürfelchen. »Was ihres war, gehört jetzt uns. Der Sieger nimmt alles und teilt es mit seinen Gehilfen. Die Zugereisten sind von dannen geschlichen, nachdem ich ihnen bewiesen hatte, dass ich auch ohne Zinnen und Antuu höher punkten kann. Nun jauchz doch mal, meine Süße. Wir haben ausgesorgt!«

»Nein«, sagte Päo. »Das haben wir nicht.«

Und nach einer langen Pause und mehreren tiefen Atemzügen fügte sie hinzu: »Ich bin wieder schwanger.«

»Ah.«

Mehr musste nicht gesagt werden. Auf einmal war alles klar.

Ynirt, der Gaukler, blies seinen Atem durch eng geschürzte Lippen aus. Schlagartig wusste er, warum seine liebe Frau Päo die ganze Zeit schon dermaßen bedrückt war. Warum auch die üppige Beute, die er nach Hause gebracht hatte, sie nicht aufzuheitern vermochte.

So war das also. Daran gab es nichts zu rütteln.

Er hatte soeben sein Todesurteil vernommen.

1.

Persönliche Motive

17. Dezember 1469 NGZ

 

»Das kannst du nicht von mir verlangen«, sagte Shanda Sarmotte.

»Tu ich auch nicht.« Reginald Bull hob abwehrend die Hände. »Ich habe nur eine Frage gestellt.«

»Und meine Antwort lautet Nein. Unwiderruflich. Ich gehe nicht nochmals nach Druh. Der Aufenthalt dort ist mir als absolut unerträglich in Erinnerung.«

»Akzeptiert. Delorian wird ohne dich auskommen müssen – zusammen mit den Menschen, die den Bund der Sternwürdigen bilden. Sie und die Mittel der TOLBA sollten ausreichen, um die Akademie für Logistik zu erobern, Paichander und sein Regime abzusetzen und die Machtübernahme der Chours in die Wege zu leiten.«

Der Gedanke an den Exodus von Delorians Nanokriegern aus dem Solsystem war Bully durchaus nicht unsympathisch. Ähnliches galt für die Nähe von Shanda Sarmotte ... Zu behaupten, dass ihn ihre körperliche Präsenz gänzlich kalt ließ, wäre gelogen gewesen.

Er räusperte sich. »Wie geht es dir sonst?«

»Ganz gut. Ich hatte ja ein bisschen Zeit, mich von den Strapazen unserer Einsätze zu erholen.« Die junge Frau mit dem schmalen Gesicht und den dunkelbraunen, straff nach hinten gekämmten Haaren zuckte die Achseln, als sei damit alles gesagt.

Nicht zum ersten Mal fragte sich Bully, ob sie mehr für ihn war als bloß eine tüchtige, hoch talentierte Mitstreiterin. Fühlte er sich zu Shanda hingezogen, weil sie über die Gabe der Empathie verfügte? Weil sie – sofern er dies zuließ – ihren Geist in sein Bewusstsein versetzen und buchstäblich durch seine Augen sehen konnte?

Aber verstand sie ihn deshalb wirklich besser als die meisten anderen? Besser als ... Fran? Nein ...

»Fein«, sagte er und überspielte seine Verlegenheit durch ein Grinsen der bewährten Marke »Aufmunternde Führungspersönlichkeit«.

Sie lächelte freundlich zurück. »Brauchst du mich noch?«

»Momentan nicht.« Auch diesmal würde vieles zwischen ihnen unausgesprochen bleiben. »Danke, Shanda!«

»Ich danke dir für dein Verständnis.« Sie stand auf und ging zur Tür, anmutig, jedoch ohne kokettierendes Hüftschwingen.

Reginald Bull betrachtete das Schott, das hinter ihr zugeglitten war. Mit einem Anflug von schlechtem Gewissen dachte er an Fran Imith, seine ehemalige Leibwächterin und Ehefrau.

Ihnen waren einige sehr glückliche Jahre vergönnt gewesen. Bis Fran sich von ihm getrennt hatte, da sie nicht das Schicksal vieler Lebenspartner von Unsterblichen erleiden wollte: an seiner Seite zu altern und zu verfallen, während er für immer jung blieb.

In zwei Wochen, am 1. Januar 1470 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, würde Fran ihren 170. Geburtstag begehen ... Vor sechs Jahren hatte sie sich überraschend von einer entlegenen Siedlungswelt aus bei Bully gemeldet und ihm angekündigt, sie würde in absehbarer Zeit zu ihm zurückkommen.

Sie hatte erstaunlich jugendlich ausgesehen, als wäre sie kaum oder überhaupt nicht gealtert. Möglicherweise verdankte sie dies dem Kontakt mit einem Funken der BATTERIE.

Es bestand also Hoffnung ...

Bully seufzte. Sechs Jahre waren vergangen, seit Fran ihm ihr Versprechen gegeben hatte. So viel war inzwischen geschehen!

Auch für einen Zellaktivatorträger konnten sechs Jahre eine halbe Ewigkeit sein. Ganz zu schweigen von der räumlichen Distanz. Am so schicksalsträchtigen 5. September 1469 NGZ hatte sich Fran Imith nicht im Solsystem aufgehalten, sondern auf Aurora, der Zentralwelt des Neuen Galaktikums.

Ein Funkanruf riss Bull aus seiner Grübelei.

 

*