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Impressum

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Emons Verlag GmbH // 2016
Alle Rechte vorbehalten
Texte: Gabriele Kalmbach
© der Fotografien: Gabriele Kalmbach, außer:
S. 19, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg;
S. 29, Bietigheim-Bissingen Presseamt;
S. 47, Stadtverwaltung Bönnigheim;
S. 49, Sigrid Haug/Schwäbisches Schnapsmuseum Bönnigheim;
S. 61, Stadtwerke Esslingen; S. 73, Timo Denz/The Ladies Diner;
S. 77, Peter Schwarzkopf/Fellbacher Schnittrosen Gärtnerei Perter Schwarzkopf;
S. 131, 141, Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg;
S. 153, Stadt Marbach am Neckar
© Covermotiv: weter777/Depositphotos.com
Gestaltung: Emons Verlag
Kartenbasisinformationen aus Openstreetmap, © OpenStreetMap-Mitwirkende, ODbL
ISBN 978-3-96041-064-5
E-Book der gleichnamigen Originalausgabe erschienen im Emons Verlag


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Inhalt

Vorwort

1_Die Baumgesichter | Aichtal-Neuenhaus
Ein Fratzenweg im Wald

2_Das Zuchthäusle | Aichwald-Aichschieß
Gretchen im Knast

3_Die Dorfkirche | Aichwald-Krummhardt
Bauernbarock im Schurwald

4_Der Venusberg | Aidlingen-Lehenweiler
Wo Schafe zählen

5_Die Schlossküche und das Badezimmer | Bebenhausen
Technische Denkmäler des Wohnkomforts

6_Der Schreibturm | Bebenhausen
Im wilden Wald des Ranzenpuffers

7_Der Flossi | Besigheim
Immer an der Wand lang

8_Die Stauferstele | Besigheim
Stauferitis in Baden-Württemberg

9_Die Fassadenmalerei | Bietigheim-Bissingen
Bunte Quader am Hexentürmle

10_Das Hexenwegle | Bietigheim-Bissingen
Hochwasserschutz Marke Eigenbau

11_Der Japangarten | Bietigheim-Bissingen
Der Leibarzt des Tenno

12_Das Schwätzgässle | Bietigheim-Bissingen
Bruddeln, bruddeln, bruddeln

13_Das Viadukt | Bietigheim-Bissingen
Ein Eisenbahnpionier macht Dampf

14_Villa Visconti | Bietigheim-Bissingen
Das Haus der Köpfe

15_Das Württemberger Wappen | Bietigheim-Bissingen
Hirschstangen und Heidenkopf

16_Das Fleischermuseum | Böblingen
Fett im Geschäft

17_Das Flugfeld | Böblingen
Pioniertage der Luftfahrt

18_Die Zehntscheuer | Böblingen
Zinnfiguren ziehen in die Schlacht

19_Museum Sophie La Roche | Bönnigheim
Deutschlands erste Erfolgsautorin

20_Das Schnapsmuseum | Bönnigheim
Schwaben brennt

21_Das Fürstengrab | Eberdingen-Hochdorf
Luxus und Lifestyle der Kelten

22_Kunstwerk | Eberdingen-Nussdorf
Die Sammlung Alison und Peter W. Klein

23_Das Bahnwärterhaus und die Villa Merkel | Esslingen am Neckar
Weichen stellen

24_Die Burgstaffel | Esslingen am Neckar
Nonnen und Mönche auf dem Dach

25_Das Dick | Esslingen am Neckar
Cocktails im Kesselhaus

26_Merkel’sches Schwimmbad | Esslingen am Neckar
Wasser ist nicht nur zum Waschen da

27_Der Schwäbische Mann | Esslingen am Neckar
Tragende Eigenschaften – ganz familiär

28_Sektkellerei Kessler | Esslingen am Neckar
Gerüttelt, nicht geschüttelt

29_Die Wasserräder | Esslingen am Neckar
Klein-Venedig am Neckar

30_Die Wettersäule | Esslingen am Neckar
Strahlt der Himmel blau und klar ...

31_Das Dulk-Häusle | Esslingen-Wiflingshausen
Feuerkopf und Frauenliebling

32_The Ladies Diner | Esslingen-Zell
Pretty in Pink

33_Die Alte Kelter | Fellbach
Kathedrale aus Holz

34_Das Haus der Rosen | Fellbach
Durch die Blume gesprochen

35_Gutenhalde | Filderstadt-Bonlanden
Mit Salatsauce zur Million

36_Der Tante-Emma-Laden | Filderstadt-Bonlanden
Wenn an der Tür die Glocke bimmelt ...

37_Der Uhlbergturm | Filderstadt-Plattenhardt
Aussicht auf die Alb

38_Das Afrika-Haus | Freiberg am Neckar
Ein Kral am Neckar

39_Das Chinahaus | Freiberg am Neckar
Palast des Glücks über den Wolken

40_Die Wildbienenbäume | Freiberg am Neckar
Grüne Nachbarschaft im Ballungsraum

41_Das Haus der schwäbischen Hausfrau | Gerlingen
Heldinnen des Alltags

42_Die Missionarsstube | Gerlingen
Schnee auf dem Kilimandscharo

43_Die Schiller-Denkmäler | Gerlingen
Der Geruch von Äpfeln

44_Die Linde | Hildrizhausen
Tief verwurzelt und weit verzweigt

45_Der Bahnhof | Holzgerlingen
Die Schönbuchbahn

46_Der Drehort | Ingersheim-Kleiningersheim
Kulisse für den Heimatfilm

47_Der Museumswengert an der Y-Burg | Kernen im Remstal
Das Geheimnis des Ypsilons

48_Der Semsakrebsler | Kernen im Remstal
Seine sauren Zeiten sind vorbei

49_Der Jakobsweg | Kirchentellinsfurt
Auch Schwaben sind dann mal weg

50_Die Bastion | Kirchheim unter Teck
Schießpulver und Kanonenkugeln

51_Die Startrampen für die Natter | Kirchheim unter Teck-Jesingen
Raketen aus Sperrholz

52_Das Kastell Grinario | Köngen
Auf den Spuren der Römer

53_Die Korber Köpfe | Korb
Skulpturenschau im Grünen

54_Die Fildern | Leinfelden-Echterdingen
Auf Krautschau

55_Die Turmuhr | Leinfelden-Echterdingen
Pfarrer und »Uhrmensch«

56_Die Eselsmühle | Leinfelden-Musberg
Wasserrad und Holzbacköfen

57_Der Engelbergtunnel | Leonberg
Dem Gedenken Namen geben

58_Der Glemsmühlenweg | Leonberg
Viel mehr als Schrot und Korn

59_Der Pomeranzengarten | Leonberg
Bittere Orangen zur »Lust und Zier«

60_Der Alte Friedhof | Ludwigsburg
Ewige Ruhe für König und Kriegsopfer

61_Die Dachterrasse | Ludwigsburg
Feuerwerk und Lichterglanz

62_Der Kaffeeberg | Ludwigsburg
Muckefuck vom Karo-König

63_Das MIK | Ludwigsburg
Modernes Museum in barocken Mauern

64_Palais Grävenitz | Ludwigsburg
Liebe, Macht und Intrigen

65_Der Platz der Synagoge | Ludwigsburg
Abschied für immer

66_Das Schlosstheater | Ludwigsburg
Der schöne Schein

67_Das Zuchthaus | Ludwigsburg
Nicht nur Tüten kleben

68_Das Storchennest | Ludwigsburg-Oßweil
Im Neckarbiotop Zugwiesen

69_Die Staustufe | Ludwigsburg-Poppenweiler
Wasserkraft ist Energie

70_Der Friedhof | Marbach am Neckar
Dichter im Exil

71_Die Holdergassen | Marbach am Neckar
Schiller ist der Knüller

72_Die Ölmühle | Marbach am Neckar
Firnis und Schmierfett, Druckerschwärze und Speiseöl

73_Der schiefe Turm | Neckartailfingen
Auffallend schräg – auffallend robust

74_Das Sofazügle | Nürtingen
Mit Volldampf und Rullala

75_Die Villa Rustica | Nürtingen-Oberensingen
Landleben mit höchstem Wohnkomfort

76_Die Mauern | Ostfildern
Kunst findet im Kopf statt

77_Der Amortempel | Ostfildern-Scharnhausen
Carls Refugium unter Beschuss

78_Der Vulkanembryo | Ostfildern-Scharnhausen
Ein Möchtegern-Feuerspeier

79_Die Bürgergärten | Ostfildern-Scharnhauser Park
Frösche, Sitz- und Flitzhasen

80_Die Schlüsselsteine | Pliezhausen-Rübgarten
Zeugnisse der Geschichte

81_Das Klohäuschen | Plochingen
Öffentliche Arschitektur

82_Die Sparkassen-Halle | Plochingen
Autos in den Fluten

83_Die Fachwerkbrücken | Remseck am Neckar
Auf dem Holzweg

84_Der Hechtkopf | Remseck am Neckar
Wälder auf Reisen

85_Die Kirchenfenster | Remshalden-Buoch
Farbiges Glas für die Erleuchtung

86_Das Dorf der Verfolgten | Rutesheim-Perouse
Eine neue Heimat für Waldenser

87_Das Klopferle | Sachsenheim-Großsachsenheim
Ein Kobold kann auch anders

88_Der Apothekenkeller | Schorndorf
Pillendreher und Lakritzkocher

89_Das Arnold-Areal | Schorndorf
Vom Krankenhausbett zum Stahlrohr-Freischwinger

90_Die Sky Bar | Schorndorf
Höchst urban im Ländle

91_Ausstieg V | Sindelfingen
Street-Art in 3-D

92_Der Meridian | Sindelfingen
Unterwegs mit GPS

93_Das Schauwerk | Sindelfingen
Von der Fabrik zum Museum

94_Das Webereimuseum | Sindelfingen
Vom Webstuhl zum Computer

95_Das Gerberviertel | Vaihingen an der Enz
Von der Tierhaut zum Leder

96_Das Bonbon-Museum | Vaihingen an der Enz-Kleinglattbach
Zuckerzeug für Naschkatzen

97_Die Steillage | Vaihingen an der Enz-Rosswag
Steinreiches Enztal

98_Die Galerie Stihl | Waiblingen
Knittern, knicken, knüllen

99_Die Grenzsäule | Waiblingen
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil

100_Die Neidköpfe | Waiblingen
Zunge zeigender Abwehrzauber

101_Der Wehrgang | Waiblingen
Auf der Mauer, auf der Lauer

102_Alltagskultur im Museum | Waldenbuch
Hier geht es um das Eingemachte

103_Das Quadrat | Waldenbuch
Kunst hoch zwei

104_Württembergs schönste Weinsicht | Walheim
Spaziergang zur Himmelsleiter

105_Der Narrenbrunnen | Weil der Stadt
Wo Spicklingsweiber den Winter austreiben

106_Die Stadtbefestigung | Weil der Stadt
Zeitreise ins Mittelalter

107_Der Arme Konrad | Weinstadt-Beutelsbach
Net mit uns!

108_Die Besenwirtschaft | Weinstadt-Großheppach
Das Ende der Durststrecke

109_Die Skulpturenpfade | Weinstadt-Strümpfelbach
Als wären Rebstöcke nicht genug

110_Der Jakobusaltar | Winnenden
Ein Mittelalter-Comic vom Hühnchenwunder

111_Der Mops | Winnenden
Von Belgrad heim ins Schwabenland

Bildteil

Übersichtskarten

111 Orte im Stuttgarter Umland, die man gesehen haben muss

Gabriele Kalmbach

emons: Verlag

Übersichtskarte 1

Übersichtskarte 2

Übersichtskarte 3

Übersichtskarte 4

Übersichtskarte 5

Übersichtskarte 6

Vorwort

Jenseits des Stuttgarter Kesselrands gibt es viel zu entdecken, Zeugnisse aus lange zurückliegender Vorzeit und aus der Gegenwart, Ländliches und Exotisches, Bäuerliches und barocke Pracht, Baumriesen und historische Technik, Fachwerk und fast vergessene Kleindenkmäler, keltische Fürstengräber und römische Gutshöfe, Wacholderheiden und Wasserkraftwerke, altes Handwerk und moderne Kunst – häufig in krassem Kontrast unmittelbar nebeneinander. Historische Weinberge grenzen an Industrieanlagen, die Gründerzeitfabrik steht unweit der mittelalterlichen Stadtmauer, das Krautfeld grenzt an den Stuttgarter Flughafen.

Mit einer Portion Neugier lässt sich im und rund um den verstädterten, dicht besiedelten und industrialisierten Ballungsraum der Landeshauptstadt eine vielgestaltige Kulturlandschaft entdecken. Wo strecken Ihnen Baumgesichter mitten im Wald die Zunge heraus oder grinsen verschmitzt? Wie haben Schwarzbrenner ihren Schnaps destilliert, und welche Ausbruchswerkzeuge halfen Sträflingen aus dem Knast? Wo sollten einst Raketen aus Sperrholz starten? Welcher Missionar sah als erster Europäer den Kilimandscharo? Was hat es mit dem »Ludwigsburger Gschmäckle« auf sich? Wo sind selbst die Toiletten sehenswert? Und in welchem Neckarort bleibt die Kirche im Dorf?

Informative Geschichten und originelle Fotos weisen den Weg zu außergewöhnlichen oder versteckten Orten – zum Storchennest und zum Hechtkopf, zum schiefen Turm und zum Vulkan-Embryo. 111 unterhaltsame und spannende Fundstücke, das sind 111 Anregungen, Unbekanntes und Überraschendes rund um Stuttgart zu entdecken.

Aichtal-Neuenhaus
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1_Die Baumgesichter

Ein Fratzenweg im Wald

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Einstein, wie immer gut erkennbar an der weit herausgestreckten Zunge, begegnet den Spaziergängern mitten im Wald. Zahlreiche Baumgesichter, freundlich grinsend oder grimmig schauend, begleiten den Wanderer bergauf. Ob die fröhlichen, frechen, clownesken oder furchterregenden Gesichter wie Neidköpfe vor Unheil schützen (siehe Seite 208), ist allerdings nicht bekannt. Die meisten Wanderer finden beim ersten Mal gar nicht alle Gesichter. Entlang des »Fratzenwegs«, wie manche den etwa zweieinhalb Kilometer langen Waldweg hinauf zur Alten Kelter und vorbei an der Kleingartenanlage bis zum Uhlbergturm (siehe Seite 82) nennen, hat Adelbert Bachofer inzwischen drei Dutzend Fratzen erschaffen. Für jede benötigt er zwei bis sechs Stunden Arbeitszeit mit Kettensäge und Stemmeisen.

In Neuenhaus beginnt der Weg beim Wohnhaus und Atelier des Holzschnitzers im Bonländer Weg; nicht zu übersehen sind dort die zahlreichen Werke Bachofers. Teil des Projekts ist auch der hölzerne Wandersmann am Uhlbergturm. Als der große Mammutbaum direkt neben dem Aussichtsturm 2009 gefällt werden musste, blieb nur der drei Meter hohe Stumpf zurück. Im Auftrag des Schwäbischen Albvereins hat Bachofer ihn bearbeitet.

Info

Adresse Bonländer Weg, 72631 Aichtal-Neuenhaus, www.aichtal.de | Anfahrt B27 bis Abfahrt Metzingen, dann B312 und L1185 Richtung Waldenbuch bis Aichtal-Neuenhaus. Start auf Höhe des »Gasthauses zum Uhlberg« (Schönaicher Straße 18). | Tipp Das Häfnermuseum in Neuenhaus erinnert an das einst hier bedeutsame Töpferhandwerk.

Die vielfach geäußerte Sorge, ob die Bäume durch die Schnitzereien nicht beeinträchtigt werden, ist durchaus berechtigt: Die Rinde eines Baumes ist seine Schutzhülle; verletzt man sie, kann das auch den Baum beschädigen. Schnitzereien schaden dann, wenn eindringende Pilze Fäulnis verursachen. Die Open-Air-Holzschnitzkunst ist also nicht zur Nachahmung empfohlen. Bislang ist aber wohl noch kein Baum wegen des Eingriffs abgestorben.

Den Wulst, der viele Gesichter regelrecht einrahmt, hat aber nicht Bachofer herausgearbeitet, sondern der Baum selbst. Mit diesem »Kallus« genannten Narbengewebe verschließt er seine Wunde und holt sich so über mehrere Jahre zentimeterweise Schnitzfläche zurück.

In der Nähe

Der Uhlbergturm (0.96 km)

Gutenhalde (1.85 km)

Der Tante-Emma-Laden (2.91 km)

Der schiefe Turm (4.43 km)

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Die Baumgesichter

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Aichwald-Aichschieß
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2_Das Zuchthäusle

Gretchen im Knast

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Von der Anhöhe des Schurwalds bieten sich an vielen Stellen wunderbare Ausblicke bis hin zum Albtrauf. Eine schöne Aussicht hatten Frauen, die in Aichschieß im Zuchthäusle landeten, dagegen in keiner Hinsicht. Seitlich der Dorfkirche befindet sich in der Steinmauer eine winzige Zelle, in der nicht nur Verbrecher gefangen gehalten wurden, sondern auch ledige Mütter 14 Tage bei Wasser und Brot verbringen mussten. Die Tafel neben der vergitterten Tür weist darauf hin, dass der Pfarrer sie zuvor bereits »abgekanzelt« hatte. Beim tadelnden Donnerwetter von der Kanzel herab blieb es aber nicht, teils mussten unverheiratete schwangere Frauen im Büßerhemd vor der Gemeinde die »delicta carnis«, ihre fleischlichen Frevel, bereuen, und auch die Obrigkeit verhängte Strafen, von Auspeitschen über öffentliches Anprangern bis zu Geldstrafen durchaus in der Größenordnung eines Jahreslohns.

Ob es mit dieser Art Sittenpredigt zu tun hat, dass »abkanzeln« heute nicht mehr in der neutralen Bedeutung verbreitet ist, sondern für scharf tadeln, ermahnen, ausschelten steht? Was zunächst nur »von der Kanzel herab verkündigen« bedeutete, wurde im 18. Jahrhundert im Sinne der öffentlichen Zurechtweisung negativ verengt.

Info

Adresse Kirchstraße, 73773 Aichwald-Aichschieß | Anfahrt B10 bis Esslingen, dann L1150 und L1201 bis Aichschieß | Tipp Die evangelische Pfarrkirche St. Gereon und Margaretha in Aichschieß besitzt frühgotische Wandmalereien aus dem 14. Jahrhundert.

Welchen sozialen Druck die öffentliche Kirchenbuße und staatliche Unzuchtstrafen einst erzeugten, ist heute kaum vorstellbar. »Sünd und Schande« führten zur gesellschaftlichen Ächtung – und die ledige Mutter musste die Konsequenzen ganz allein tragen. Sodass ledige Schwangere an ihrer ausweglosen Situation verzweifelten und ihre »Missetat« durch Kindsmord zu verheimlichen versuchten. So wird auch Fausts Gretchen zur Tötung ihres Kindes getrieben: Das »arm unwissend Kind« ist die berühmteste literarische Beschäftigung mit dem Thema, mit dem sich neben Goethe und Schiller auch andere Zeitgenossen im 18. Jahrhundert beschäftigten.

In der Nähe

Die Dorfkirche (1.59 km)

The Ladies Diner (4.14 km)

Das Dulk-Häusle (4.35 km)

Die Sparkassen-Halle (4.46 km)

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Das Zuchthäusle

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Aichwald-Krummhardt
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3_Die Dorfkirche

Bauernbarock im Schurwald

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Von außen betrachtet unterscheidet sich das kleine Gotteshaus kaum von vielen anderen Dorfkirchen. Betritt man jedoch den Innenraum, so eröffnet sich ein sakraler Raum, der den Besucher durch seine fröhliche Ausmalung in den Bann zieht. Schon durch die Größe ist das Krummhardter Kirchlein eher heimelig als imposant oder gar einschüchternd, erst recht verleihen die bunten, lebensnahen Bemalungen an den Holzbrüstungen von Gestühl und Empore und der Holzdecke dem Inneren eine warme, heitere Note.

Die Ausschmückung der Kirche als barocker Festsaal entspricht so gar nicht dem eher strengen Geist der reformierten Kirche. Doch wo das Bilderverbot, wie es der Protestantismus calvinistischer Prägung vorschrieb, nicht ganz so streng galt, finden sich teils prächtig ausgemalte evangelische Pfarrkirchen. Im Gegensatz zum üppigen, prunkenden katholischen Barock der Schlösser und Klöster lernt man in Krummhardt die volkstümliche Variante kennen, wie sie auch an Bauernhäusern in Bayern und Böhmen und einigen protestantischen Pfarrkirchen in Osthessen zu finden ist. Motive aus der bäuerlichen Welt bringen den evangelischen Glauben zum Ausdruck, die Kanzel trägt Bibelzitate als Aufschriften, auch die Holzdecke ist farbig bemalt.

Info

Adresse Lindenstraße, 73773 Aichwald-Krummhardt, www.aichwald-evangelisch.de | Anfahrt B10 bis Esslingen, über Kimmichsweiler und Aichschieß der L1150 und L1201 folgen. In Aichwald nach rechts in die Krummhardter Straße abbiegen. | Öffnungszeiten Die Kirche ist tagsüber geöffnet. | Tipp In Aichwald an der Hauptstraße 14 steht im »Landgasthof Hirsch« Bodenständiges auf der Karte von Trollingerbäckla bis zum Goischterschreck (Zwiebelrostbraten mit Knoblauch).

Unabhängig von der Konfession – in Aichwald ist es nicht leichter als anderswo, die historischen Kirchen in Schuss zu halten. Für die hübsche Dorfkirche in Krummhardt schrieb der Pfarrer Bettelbriefe, um Spenden für die Restaurierung zu erbitten. Zudem muss die evangelische Kirchengemeinde noch für drei weitere Baudenkmäler aufkommen und sorgen. Um den Erhalt auch der Dorfkirchen in Aichelberg, Schanbach und Aichschieß langfristig zu sichern, gründete die Kirchengemeinde die »Vier-Kirchen-Stiftung«. Einen kleinen Grundstock bildet das Stiftungskapital inzwischen, doch ist man auch in Zukunft noch auf weitere finanzielle Unterstützung angewiesen.

In der Nähe

Das Zuchthäusle (1.59 km)

Die Skulpturenpfade (3.43 km)

Das Dulk-Häusle (4.44 km)

Der Arme Konrad (4.76 km)

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Die Dorfkirche

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Aidlingen-Lehenweiler
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4_Der Venusberg

Wo Schafe zählen

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Vierbeiner als Landschaftspfleger: Auf den steinigen Böden des Heckengäus hat sich eine ganz besondere Vegetationsform entwickelt, weil hier seit Generationen Schafherden von Weide zu Weide ziehen. Und die offene Landschaft der Wacholderheiden bleibt auch nur so lange erhalten, wie Schäfer ihre Herden weiterhin regelmäßig auf den kargen Böden grasen lassen: Sonst verbuschen die Flächen in kurzer Zeit.

Rund um die Kuppe des 537 Meter hohen Venusbergs erstreckt sich eine große, unter Naturschutz stehende Wacholderheide mit ausgedehnten Trockenrasenflächen. Die markanten immergrünen Wacholderbüsche, die fast wie Figuren wirken, und einzeln stehende Kiefern sind typisch für diese reizvolle, geradezu malerische Landschaft. Entlang des »Heckengäu-Erlebnispfads«, einem knapp 24 Kilometer langen Wanderweg rund um Aidlingen, lenken große, eigens installierte Rahmen den Blick auf Landschaftsbilder, verbunden mit herrlichen Ausblicken.

Info

Adresse 71134 Aidlingen-Lehenweiler | Anfahrt A81, Ausfahrt Ehningen, dann über Ehningen nach Aidlingen und Lehenweiler (K1001, K1066 und K1063) | Tipp Der Bodenlehrpfad bei Lehenweiler bietet für geologisch Interessierte viel Entdeckenswertes. Sportlich Ambitionierte können auf dem Niedrigseil-Parcours ihren Gleichgewichtssinn testen.

Durch die traditionelle Schafbeweidung hat sich ein Lebensraum mit einer ganz einzigartigen Flora und Fauna entwickelt, denn die (fast) alles fressenden vierbeinigen Rasenmäher lassen nur besonders hartnäckige Pflanzen stehen, die sich mit Dornen, Stacheln oder Nadeln gegen hungrige Schafsmäuler behaupten. Auch was sich als zu bitter oder scharf erweist, ist vor Schafsverbiss geschützt.

Eine Besonderheit sind auch die Steinriegel. Was wie Geröllhaufen anmutet, sind tatsächlich mühsam von den hier vorkommenden Muschelkalkböden aufgesammelte »Lesesteine«. »Stoabäuch« (Steinbäuche) hießen die Aidlinger früher, weil sie – um Sense und Pflug zu schonen – die Steine von ihren Äckern lasen und sie in der Schürze sammelten. Am Ackerrand wurden sie zu Steinriegeln aufgeschüttet, die heute einen wertvollen Lebensraum für wärmeliebende Tier- und Pflanzenarten bilden, etwa für die selten gewordene Schlingnatter.

In der Nähe

Der Narrenbrunnen (5.96 km)

Die Stadtbefestigung (6.08 km)

Der Meridian (8.76 km)

Das Webereimuseum (8.82 km)

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Der Venusberg

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Bebenhausen
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5_Die Schlossküche und das Badezimmer

Technische Denkmäler des Wohnkomforts

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Das im 12. Jahrhundert gegründete Zisterzienserkloster Bebenhausen gehört zu den schönsten Klosteranlagen in Baden-Württemberg. Es gibt nicht nur einen Einblick in das klösterliche Leben im Mittelalter: Nebengebäude dienten als Jagdschloss und Wohnung des letzten württembergischen Königs. Für Wilhelm II. (1848–1921) wurde Bebenhausen zum dauerhaften Wohnsitz, nachdem er 1918 Stuttgart verlassen musste. Die Revolutionäre hatten den beliebten und volksnahen »Bürgerkönig« abgesetzt. Zwar sicherte ihm die provisorische Regierung umgehend eine jährliche Rente, die Verfügung über sein Privateigentum und das lebenslange Wohnrecht im Jagdschloss Bebenhausen zu, doch tief gekränkt über den erzwungenen Abschied zog sich der König mit seiner zweiten Frau Charlotte von Schaumburg-Lippe dorthin zurück (siehe Seite 128).

Für seine Bedürfnisse hatte das Königspaar das Schloss schon ab 1898 nach damals modernsten Standards umbauen lassen. Der technische Fortschritt machte sich vor allem in Schlossküche und Badezimmer bemerkbar. Im hell gekachelten Bad gibt es weder »goldene« Armaturen noch sonstigen Prunk, dafür sorgen gemauerte Duschkabine und großzügige Badewanne, Bidet und Toilette mit Wasserspülung für luxuriösen Komfort auf der Höhe der Zeit. Die funktionale Schlossküche, ebenfalls Anfang des 20. Jahrhunderts modernisiert, erhielt eine große Herdanlage der Firma Roeder aus Darmstadt. Gesonderte Räume wurden zum Silberputzen und Spülen, als Speise-, Kühl- und Wäschekammer genutzt. Ein Speiseaufzug brachte die zubereiteten Gerichte vom Untergeschoss nach oben. Nach dem Tod Wilhelms II. im Jahr 1921 lebte die Ex-Monarchin noch bis 1946 in Schloss Bebenhausen. Schlossküche und Badezimmer blieben bis heute nahezu unverändert erhalten und gelten als technische Denkmäler.

Info

Adresse Schloss Bebenhausen, Im Schloss, 72074 Tübingen-Bebenhausen, www.kloster-bebenhausen.de | Anfahrt B27 bis Walddorfhäslach, dann B464 und L1208 bis Bebenhausen | Öffnungszeiten April–Okt. Di–Fr 11–18 Uhr, Sa, So 10–17 Uhr, Nov.–März Di–Fr 14–16 Uhr, Sa, So 11–17 Uhr im Rahmen einer Führung, letzter Einlass jeweils eine Stunde vor Schließung | Tipp Exzellente Küche aus regionalen Produkten bringt »Schranners Waldhorn« auf den Tisch. Das Lokal gleich neben dem Kloster liegt an der L1208.

In der Nähe

Der Schreibturm (0.08 km)

Der Jakobsweg (4.09 km)

Die Schlüsselsteine (6.3 km)

Der Bahnhof (9.42 km)

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Die Schlossküche und das Badezimmer

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Bebenhausen
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6_Der Schreibturm

Im wilden Wald des Ranzenpuffers

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Einst lauerten im finsteren Wald viele Gefahren – nicht nur des Nachts fürchteten die Menschen Räuber und wilde Tiere, dunkle Mächte und böse Geister. Die Ängste vor dem Unbekannten und Unheimlichen in den früher viel größeren und kaum erschlossenen Wäldern spiegelten sich in Sagen und Spukgeschichten wider. So ging im Schönbuch ein wilder Jäger um, der durch markerschütterndes Gebrüll, lautes Bellen oder Klopfen auf Holz erschreckte und in der Lage war, Tiergestalt anzunehmen. Gefürchtet waren seine wüsten Streiche vor allem rund um Kirchentellinsfurt und Bebenhausen. Weil er die Menschen gern in den »Ranzen puffte«, also heftig in den Leib stieß, erhielt er seinen Namen. Oder er brüllte Schlafenden dermaßen laut ins Ohr, dass sie tagelang taub waren. Derart plötzlich aus dem Schlaf gerissen, sahen ihn die Leute dann als Schwein grunzend davonlaufen. So musste der Ranzenpuffer, einst ein Jäger auf dem Einsiedel (siehe Seite 168), wegen seines gottlosen Lebenswandels viele Jahrhunderte als Geist sein Unwesen treiben. Mitte des 19. Jahrhunderts sei er erlöst worden, heißt es.

Heute ist der 156 Quadratkilometer große Schönbuch mit seinen Buchen- und Eichenwäldern, Wander- und Radwegen, Rasthütten und Feuerstellen, kleinen Bachläufen und Seen ein beliebtes Ausflugsziel und spielt eine wichtige Rolle als Rückzugsgebiet für sonst in der Region selten gewordene Pflanzen und Tiere. Der älteste und kleinste Naturpark Baden-Württembergs besteht seit 1972; zum 25-jährigen Jubiläum wurde im Schreibturm von Kloster Bebenhausen ein Informationszentrum eröffnet. Zu Zeiten der Mönche war in seinem mittelalterlichen Gemäuer die Schreibstube des Klosters untergebracht, später diente er als Gefängnis für Forstfrevler und Wilderer, wovon noch die Kerkertür und die vergitterten Fenster auf der Nordseite zeugen. Heute vermitteln Tafeln, Videos und ein großes Relief Wissenswertes rund um Geschichte, Flora und Fauna im Schönbuch.

Info

Adresse Kloster Bebenhausen, Im Schloss, 72074 Tübingen-Bebenhausen, www.naturpark-schoenbuch.de | Anfahrt B27 bis Walddorfhäslach, dann B464 und L1208 bis Bebenhausen | Öffnungszeiten April–Okt. Di–Fr 9–17 Uhr, Sa, So 10–17 Uhr | Tipp Alljährlich zur Fasnetszeit treiben die Mitglieder der Kirchentellinsfurter Narrenzunft »Ranzenpuffer« ihre Späße.

In der Nähe

Die Schlossküche und das Badezimmer (0.08 km)

Der Jakobsweg (4.17 km)

Die Schlüsselsteine (6.39 km)

Der Bahnhof (9.37 km)

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Der Schreibturm

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Besigheim
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7_Der Flossi

Immer an der Wand lang

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Dort, wo die Enz in den Neckar mündet, liegt Besigheim, umgeben von Weinbergen in Steillagen. Wer durch die Gassen bummelt, entdeckt auf Schritt und Tritt sorgfältig renovierte historische Fachwerkarchitektur. Zu den schönsten noch erhaltenen Bauten gehören das 1459 errichtete hochgiebelige Rathaus und das benachbarte Dreigiebelhaus. Aber auch ein Streifzug durch die benachbarten Altstadtsträßchen lohnt sich – und am Ende oder zwischendurch die Einkehr in einer der zahlreichen Gaststätten wie zum Beispiel in den »Hirsch« in der Kirchstraße.

In der historischen Altstadt gibt es allerdings auch ganz moderne Kunst zu entdecken – auf einem Transformatorenhäuschen kauert ein »Dachreiter« von Anette Mürdter, darüber hangelt sich ein knallroter »Flossi« der Künstlerin rosalie an der alten Stadtmauer empor.

Info

Adresse Stadtinformation im Rathaus, Marktplatz 12, 74354 Besigheim, Tel. 07143/80780, www.besigheim.de | ÖPNV Regionalbahn bis Bf Besigheim | Anfahrt A81 bis Abfahrt Mundelsheim, dann L1115 bis Besigheim | Tipp Die spätmittelalterliche Badstube im Untergeschoss des Gebäudes Vorstadt 3 wurde bis Mitte des 17. Jahrhunderts betrieben.

Die in Stuttgart lebende Malerin, Bildhauerin und Objektkünstlerin genießt auch als Bühnen- und Kostümbildnerin internationales Renommee. Markenzeichen ihres facettenreichen Werkes sind der raffinierte Einsatz zeitgenössischer Materialien und neuerdings vor allem großformatige kinetische Lichtskulpturen. Viele ihrer Skulpturen und Installationen sind für den öffentlichen Raum bestimmt – besonders bekannt wurden ihre »Sitz- und Flitzhasen« (siehe Seite 166) sowie die Flossi-Skulpturen, die sie Ende der 1990er Jahre berühmt machten. In Heilbronn erklettern blaue und rote Kunststoffwesen ein Sparkassengebäude, in Düsseldorf demonstrieren mehr als zwei Dutzend Wandkraxler ihre Kletterkünste. Dort wurden die farbenfrohen Flossenmänner in Übergröße zum absoluten Publikumsliebling und Riesenmedienerfolg.

Der Besigheimer Skulpturenpfad wurde 2003 zum 850-jährigen Stadtjubiläum angelegt und später noch durch weitere Kunstwerke ergänzt; fast alle Skulpturen, Plastiken und Installationen markieren repräsentative Standorte wie Enz- und Neckarbrücke, Rathaus- oder Kelterplatz.

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Stauferitis in Baden-Württemberg

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Eine achteckige Steinstele steht vor der Rekonstruktion des römischen Limes, eine in Haguenau im Elsass, weitere in Apulien und Tschechien. Was verbindet all diese Orte mit Besigheim? Die Gedenksteine mit jeweils unterschiedlichen Inschriften erinnern an Stauferstätten, also an Orte, die in der Geschichte der Staufer eine zentrale Rolle spielten.

Das Konzept der Erinnerungsorte stammt von dem französischen Historiker Pierre Nora, der in Frankreich die »Lieux de mémoire« erforscht und in viel beachteten Publikationen dokumentiert hatte. Der Begriff meint viel mehr als geografische Örtlichkeiten, nämlich identitätsstiftende Kristallisationspunkte kollektiver Erinnerung. Als deutsche Erinnerungsorte definierten Historiker später so unterschiedliche Begriffe wie Wartburg, Führerbunker und Mauer, aber auch Karneval, Hausmusik und Feierabend. Gehören also die Stauferstätten zu den Erinnerungsorten?

Info

Adresse Pfarrgasse 26, Besigheim, www.stauferstelen.net | ÖPNV Regionalbahn bis Bf Besigheim | Anfahrt A81 bis Abfahrt Mundelsheim, dann L1115 bis Besigheim | Tipp Mitten im hübschen Ort lädt das »Café-Restaurant Hirsch« an der Kirchstraße 16 zur Einkehr ein.