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Cressida Cowell

DRACHENZÄHMEN

LEICHT GEMACHT

Aus dem Englischen
von Angelika Eisold-Viebig

Mit Illustrationen
von Clara Vath

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In der Reihe »Drachenzähmen leicht gemacht« von Cressida Cowell
sind im Arena Verlag erschienen:
Band 1 Drachenzähmen leicht gemacht
Band 2 Drachenzähmen leicht gemacht. Wilde Piraten voraus!
Band 3 Drachenzähmen leicht gemacht. Strenggeheimes Drachenflüstern
Band 4 Drachenzähmen leicht gemacht. Mörderische Drachenflüche
Band 5 Drachenzähmen leicht gemacht. Brandgefährliche Feuerspeier
Band 6 Drachenzähmen leicht gemacht. Handbuch für echte Helden
Band 7 Drachenzähmen leicht gemacht. Im Auge des Drachensturms
Band 8 Drachenzähmen leicht gemacht. Flammendes Drachenherz

www.drachenzähmen.de

Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte
war ein Furcht einflößender Schwertkämpfer, ein Drachenflüsterer und überhaupt der größte Wikingerheld, der jemals lebte. Doch seine Memoiren entführen dich in die Zeit, als er noch ein ganz gewöhnlicher Junge war und sich überhaupt nicht vorstellen konnte, dass aus ihm mal ein Held werden würde.

Cressida Cowell
verbrachte ihre Kindheit in London sowie auf einer unbewohnten Insel an der schottischen Westküste. Sie war überzeugt, dass es dort nur so vor Drachen wimmelte, und ist seither von ihnen fasziniert. Neben den Aufzeichnungen von Hicks’ Memoiren hat sie mehrere Bilderbücher geschrieben und illustriert. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern im englischen Hammersmith.

Clara Vath
liebte es schon als Kind, bunten und verrückten Fantasiewesen eine Gestalt zu geben. Dass ihr dabei auch der ein oder andere Drache begegnet ist, kam ihr bei der Arbeit an Hicks’ Memoiren sehr gelegen. Seit 2012 arbeitet sie als freie Illustratorin für verschiedene Unternehmen.

Dieses Buch widme ich meinem guten Freund Ohnezahn.
H. H. H. III.

Cressida Cowell möchte dieses Buch ihrem Bruder Caspar widmen. In Liebe und Bewunderung.

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Die Originalausgabe erschien erstmals 2003 unter dem Titel »How to Train Your Dragon« bei Hodder Children’s Books, London.
© 2003 by Cressida Cowell

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1. Auflage 2016
© 2004 Arena Verlag GmbH, Würzburg
Alle Rechte vorbehalten
Aus dem Englischen von Angelika Eisold-Viebig
Einband, Satz und Illustration: Clara Vath
ISBN 978-3-401-80643-3

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VORWORT DES AUTORS

Als ich ein Junge war, gab es noch Drachen.

Es gab große, wilde, fliegende Drachen, die oben auf den Klippen nisteten wie riesige, unheimliche Vögel. Auch kleine braune Springdrachen gab es, die in Rudeln auf Mäuse- und Rattenjagd gingen. Und im Meer wohnten unglaublich gigantische Drachen, die ungefähr zwanzigmal so groß waren wie der Große Blauwal und aus purem Spaß töteten.

Du wirst es mir einfach glauben müssen, denn die Drachen verschwinden so schnell, dass sie vielleicht bald schon ausgestorben sind.

Keiner weiß, was da vorgeht. Sie kriechen zurück ins Meer, woher sie einst kamen, und hinterlassen nicht einmal einen Knochen oder einen Zahn, durch den die Menschen sich an sie erinnern könnten.

Und damit diese unglaublichen Geschöpfe nicht vergessen werden, erzähle ich diese wahre Geschichte aus meiner Kindheit.

Ich gehörte nicht zu den Jungen, die einen Drachen mit links zähmen konnten. Ich war kein geborener Held. Ich musste es mir erarbeiten. Diese Geschichte handelt davon, wie man auf die harte Art ein Held wird.

1. ZUERST FÄNGT JEDER SEINEN DRACHEN

Vor langer Zeit auf der wilden und stürmischen Insel Berk stand ein kleiner Wikinger mit einem unglaublich langen Namen bis zu den Knöcheln im Schnee. Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte, die Hoffnung und der Erbe des Stammes der Räuberischen Raufbolde, hatte sich, schon seit er am Morgen aufgewacht war, nicht besonders gut gefühlt.

Zehn Jungen, einschließlich Hicks, hofften, vollwertige Mitglieder des Stammes zu werden, indem sie die Reifeprüfung zum »Drachenmeister« ablegten. Sie standen auf einem öden, kleinen Strand an der ödesten Stelle der ganzen öden Insel. Und es fiel dichter Schnee.

»AUFGEPASST!«, schrie Grobian der Rülpser, der für die Reifeprüfung verantwortliche Krieger. »Dies wird eure erste militärische Operation sein und Hicks wird die Mannschaft anführen.«

»Oh nein, nicht Hicks«, stöhnten Stinker der Dussel und die meisten der anderen Jungen. »Ihr könnt Hicks nicht die Leitung übertragen, Kommandant, er ist total NUTZLOS!«

Hicks der Hartnäckige vom Hauenstein der Dritte wischte sich kläglich mit dem Ärmel über die Nase. Er sank ein wenig tiefer in den Schnee.

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»JEDER wäre besser als Hicks«, höhnte Rotznase Rotzgesicht großspurig. »Sogar Fischbein wäre besser als Hicks.«

Fischbein hatte einen Sehfehler, der ihn so blind machte wie eine Qualle, und außerdem war er allergisch gegen Reptilien.

»RUHE!«, röhrte Grobian der Rülpser. »Der Nächste, der noch einen Ton sagt, bekommt drei Wochen Napfschnecken vorgesetzt.«

Sofort herrschte absolute Stille. Napfschnecken schmecken schlimmer als Würmer und Rotz zusammen.

»Hicks führt euch an, und das ist ein Befehl!«, donnerte Grobian in seiner üblichen Lautstärke. Er war ein zwei Meter großer Riese mit einem verrückten Funkeln in seinem einzigen guten Auge und einem Bart, der aussah wie ein explodierendes Feuerwerk. Trotz der bitteren Kälte trug er Pelzshorts und eine winzig kleine Weste aus Wildleder, die seine krebsrote Haut und seine starken Muskeln zeigte. Mit einer seiner Pranken hob er eine Fackel in die Höhe.

»Hicks wird euer Anführer sein, obwohl er zugegebenermaßen völlig nutzlos ist, aber Hicks ist der Sohn des HÄUPTLINGS und so ist es eben bei uns Wikingern. Was glaubt ihr denn, wo ihr seid, in der RÖMISCHEN REPUBLIK? Aber egal, das ist heute noch euer kleinstes Problem. Ihr seid hier, um euch als heldenhafte Wikinger zu beweisen. Und es ist eine überlieferte Tradition des Stammes der Raufbolde, dass ihr« – Grobian machte eine dramatische Pause – »ZUERST EUREN DRACHEN FANGT!« Ohhh, sabbernder Seetang!, dachte Hicks.

»Unsere Drachen sind das, was uns auszeichnet!«, bellte Grobian. »Normale Menschen richten Falken für die Jagd ab oder Pferde zum Reiten. Nur die HELDENHAFTEN WIKINGER wagen es, die wildesten und gefährlichsten Wesen auf Erden zu zähmen.«

Grobian spuckte bedeutungsvoll in den Schnee. »Die Reifeprüfung ›Drachenmeister‹ besteht aus drei Teilen. Der erste und gefährlichste Teil ist eine Prüfung eures Mutes und eurer Geschicklichkeit beim Stehlen. Wenn ihr richtige Mitglieder des Stammes der Räuberischen Raufbolde sein wollt, dann müsst ihr zuerst euren Drachen fangen. Und das ist der Grund«, fuhr Grobian in voller Lautstärke fort, »weshalb ich euch zu diesem idyllischen Plätzchen gebracht habe. Seht euch jetzt das Kliff der Wilden Drachen an!«

Die zehn Jungen legten die Köpfe in den Nacken.

Das Kliff ragte in schwindelerregender Höhe über ihnen auf, dunkel und unheimlich. Im Sommer konnte man das Kliff selbst kaum sehen, weil Drachen aller Größen und Arten es belagerten, nacheinander schnappten oder bissen und einen solchen Lärm veranstalteten, dass er auf der ganzen Insel zu hören war.

Aber im Winter hielten die Drachen Winterschlaf und am Kliff war es still, bis auf ihr unheimliches, tiefes Schnarchen. Hicks konnte die Vibration noch durch die Sohlen seiner Sandalen hindurch spüren.

»Also«, sagte Grobian, »seht ihr die vier Höhlen ungefähr auf halber Höhe des Kliffs, die so ähnlich ausschauen wie die Löcher eines Totenkopfs?«

Die Jungen nickten.

»In der Höhle, die aussieht wie das rechte Auge, ist die Kinderstube der Drachen, wo in diesem Augenblick dreitausend junge Drachen die letzten Wochen ihres Winterschlafes verbringen.«

»OOOHHH«, seufzten die Jungen aufgeregt.

Hicks schluckte schwer. Zufällig wusste er beträchtlich mehr über Drachen als alle anderen. Von klein auf war er von diesen Wesen fasziniert. Er hatte insgeheim viele Stunden mit der Beobachtung von Drachen verbracht. (Drachen-Beobachter wurden als weltfremde Streber betrachtet, deshalb war es notwendig, das geheim zu halten.) Und was Hicks über Drachen gelernt hatte, sagte ihm, dass nur ein Verrückter sich in eine Höhle mit dreitausend Drachen wagte.

Niemand sonst schien jedoch allzu besorgt zu sein.

»Jeder von euch nimmt nachher einen dieser Körbe und klettert das Kliff hinauf«, kommandierte Grobian der Rülpser. »Am Höhleneingang angelangt, seid ihr auf euch gestellt. Ich bin zu groß, um mich da reinzuquetschen. Ihr müsst die Höhle LEISE betreten – das gilt auch für dich, Warzenschweini, außer du willst die erste Frühjahrsmahlzeit für dreitausend hungrige Drachen werden, HA, HA, HA!«

Grobian lachte herzlich über seinen kleinen Scherz, dann fuhr er fort. »So kleine Drachen sind normalerweise ziemlich harmlos für Menschen, aber in dieser Menge würden sie sich wie Piranhas auf euch stürzen. Nicht einmal von einem Fettsack wie dir, Warzenschweini, würde etwas übrig bleiben – nur ein Haufen Knochen und dein Helm. HA, HA, HA! Also seid lieber LEISE in der Höhle! Jeder von euch wird EINEN schlafenden Drachen stehlen. Hebt den Drachen VORSICHTIG von seinem Platz und legt ihn in euren Korb. Noch irgendwelche Fragen?«

Keiner hatte irgendwelche Fragen.

»In dem unwahrscheinlichen Fall, dass ihr die Drachen DOCH aufweckt – und dazu müsstet ihr schon ziemlich BLÖDE sein –, rennt, so schnell ihr könnt, hinaus. Drachen mögen keine Kälte und der Schnee wird sie wahrscheinlich abschrecken.«

Wahrscheinlich?, dachte Hicks. Tja, das ist wirklich sehr beruhigend!

»Nehmt nicht irgendeinen Drachen. Es ist wichtig, dass er die richtige Größe hat. Das soll schließlich der Drache sein, der für euch Fische fängt und Wild erlegt. Ihr wählt den Drachen, der euch einmal in die Schlacht begleiten soll, später, wenn ihr älter und Krieger des Stammes seid. Also, wenn ihr ein ordentliches Tier wollt, wählt einfach das größte, das in euren Korb passt. Lungert nicht zu lange in der Höhle herum ...«

Herumlungern?, dachte Hicks. In einer Höhle mit dreitausend schlafenden Drachen?

»Ich muss euch wohl nicht sagen«, fuhr Grobian fröhlich fort, »dass ihr OHNE einen Drachen überhaupt nicht mehr zurückzukommen braucht. Jeder, der bei dieser Aufgabe versagt, wird sofort ausgeschlossen. Der Stamm der Räuberischen Raufbolde hat keine Verwendung für VERSAGER. Nur die Starken gehören zu uns.« Unglücklich blickte Hicks sich um. Nichts als Schnee und Meer, so weit das Auge reichte. Ein Leben außerhalb des Stammes sah auch nicht allzu verlockend aus.

»Also«, sagte Grobian entschieden. »Jeder Junge nimmt einen Korb für seinen Drachen und wir machen uns auf den Weg.«

Die Jungen eilten aufgeregt zu den Körben.

»Ich werde mir eines dieser Monster mit extra ausfahrbaren Klauen schnappen, vor denen jeder Angst hat«, gab Rotznase an.

»Ach, halt doch die Klappe, Rotznase, das darfst du gar nicht«, sagte Fausti. »Nur Hicks darf einen Riesenhaften Albtraum haben. Dazu muss man schließlich Häuptlingssohn sein.« Hicks’ Vater war Haudrauf der Stoische, der Furcht einflößende Häuptling des Stammes der Räuberischen Raufbolde.

»HICKS?!«, höhnte Rotznase. »Wenn der beim Drachenstehlen genauso nutzlos ist wie beim Bummsball, kann er froh sein, wenn er überhaupt einen Einfachen Braunen bekommt.«

Die Einfachen Braunen waren der verbreitetste Typ von Drachen, ein nützliches Tier, aber nichts Besonderes.

»RUHE JETZT und stellt euch auf, ihr jämmerlichen Kröten!«, schrie Grobian der Rülpser.

Mit den Körben auf den Rücken eilten die Jungen auf ihre Plätze und stellten sich auf. Grobian schritt die Reihe ab und entzündete mit seiner großen Fackel die kleineren der Jungen.

Seine Stimme bebte mit fürchterlichem Enthusiasmus. »In einer halben Stunde werdet ihr heldenhafte Wikinger sein, jeder mit seinem Reptil an der Seite oder ihr frühstückt mit Wodan in der Walhalla und habt Drachenzähne in eurem Hintern!«

»Ruhm oder Tod!«, schrie Grobian.

»Ruhm oder Tod!«, schrien acht Jungen fanatisch zurück. Tod, dachten Hicks und Fischbein traurig.

Grobian setzte dramatisch das Horn an die Lippen.

Ich glaube fast, das ist der bisher schlimmste Moment in meinem Leben, dachte Hicks für sich, während er auf das Erschallen des Hornes wartete. Und wenn die noch ein wenig lauter schreien, dann werden wir die Drachen wecken, bevor wir überhaupt angefangen haben.

»TRÖÖÖÖÖÖT!« Grobian blies ins Horn.

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2. DIE KINDERSTUBE DER DRACHEN

Es ist wohl nicht schwer zu erraten, dass Hicks nicht der übliche heldenhafte Wikinger war.

Zum einen sah er nicht aus wie ein Held. Rotznase zum Beispiel war groß, muskulös, mit Tätowierungen übersät und zeigte bereits den Ansatz eines kleinen Schnurrbartes. Es waren zwar nur ein paar gelbliche Haarstoppeln, die auch nicht besonders schön aussahen, aber es wirkte dennoch eindrucksvoll männlich für einen Jungen, der noch keine dreizehn war.

Hicks dagegen war eher klein und hatte die Art von Gesicht, die völlig unauffällig ist. Sein Haar war allerdings auffällig. Es war leuchtend rot und stand immer ab, egal, wie sehr man es mit Meerwasser glätten wollte. Aber niemand bekam das je zu sehen, denn es war meistens unter dem Helm verborgen.

Man hätte NIEMALS angenommen, dass von diesen zehn Jungen ausgerechnet Hicks der Held dieser Geschichte sein sollte. Rotznase war in allem sehr gut und der geborene Anführer. Stinker war bereits genauso groß wie sein Vater und konnte ausgefallene Dinge tun, wie die berksche Nationalhymne furzen.

Hicks war einfach nur vollkommen durchschnittlich. Ein unauffälliger, magerer, sommersprossiger Junge, den man in der Menge leicht übersah.

Nachdem Grobian also ins Horn geblasen hatte und sich außer Sicht begab, um sich einen bequemen Felsen zu suchen, auf dem er sein Muschel-Tomaten-Sandwich verzehren konnte, schob Rotznase Hicks zur Seite und übernahm die Führung.

»Okay, passt mal auf, Jungs«, flüsterte er drohend. »ICH bin der Anführer, nicht der Nutzlose. Und jeder, der was dagegen hat, kriegt von Stinker dem Dussel ein Knöchel-Sandwich.«

»Genau«, grunzte Stinker und ballte glücklich die Fäuste. Stinker war ein richtiger Gorilla und Rotznases persönlicher Schläger.

»Zeig’s ihm, Stinker, damit alle wissen, was ich meine ...« Stinker gehorchte nur zu gern. Er gab Hicks einen Stoß, der ihn kopfüber in den Schnee schickte, und dann stieß er seinen Kopf noch einmal extra hinein.

»Aufgepasst!«, zischte Rotznase. Die Jungen lösten den Blick von Stinker und Hicks und passten auf.

»Seilt euch zusammen an. Der beste Kletterer geht als Erstes ...«

»Tja, das bist natürlich DU, Rotznase«, sagte Fischbein. »Du bist doch in allem der Beste, oder?«

Rotznase sah Fischbein misstrauisch an. Es war schwer zu sagen, ob Fischbein sich über ihn lustig machte oder nicht, weil er immer so schielte.

»Da hast du ganz recht, Fischbein«, sagte Rotznase. »Das bin ich.« Und nur für den Fall, dass Fischbein sich tatsächlich über ihn lustig gemacht hatte: »Zeig’s ihm, Stinker!«

Während Stinker den armen Fischbein zu Hicks in den Schnee schubste, befahl Rotznase angeberisch allen, sich aneinanderzubinden. Hicks und Fischbein waren die Letzten, die angebunden wurden, unmittelbar hinter dem triumphierenden Stinker.

»Na toll«, murrte Fischbein. »Ich muss in eine Höhle voller menschenfressender Reptilien, angebunden an acht völlig Durchgeknallte.«

»Wenn wir überhaupt in die Höhle kommen ...«, erwiderte Hicks nervös und blickte nach oben zu der steilen schwarzen Felswand.

Hicks steckte seine Fackel zwischen die Zähne, um die Hände freizuhaben, und begann, den anderen hinterherzuklettern.

Es war ein gefährlicher Aufstieg. Die Felsen waren glitschig vom Schnee und die anderen Jungen waren so überdreht, dass sie viel zu schnell aufstiegen. Planlos machte einmal einen Fehltritt und stürzte – glücklicherweise auf Stinker, der ihn an der Hose erwischte und wieder auf den Felsen zog, bevor er sie alle in die Tiefe reißen konnte.

Als sie es schließlich zum Höhleneingang geschafft hatten, blickte Hicks kurz hinunter auf das Meer, das tobend und brausend gegen die Felsen schlug, und schluckte schwer ...

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»Löst die Seile!«, befahl Rotznase, seine Augen funkelten vor Aufregung bei dem Gedanken an die Gefahren, die sie erwarteten. »Hicks geht als Erster in die Höhle, weil ... ER ja der Sohn des Häuptlings ist ...« Er höhnte:

»Und wenn irgendein Drache wach ist, wird Hicks der Erste sein, der es erfährt! Sobald wir einmal in der Höhle sind, ist jeder auf sich allein gestellt. Nur die Starken gehören zu uns ...«

Auch wenn Hicks nicht der übliche hirnlose Rohling von Raufbold war, war er dennoch kein Feigling. Angst zu haben, ist nicht das Gleiche, wie ein Feigling zu sein. Vielleicht war er mindestens so tapfer wie alle anderen, denn er ging hinein, obwohl er genau wusste, wie gefährlich Drachen sind. Und nachdem er den halsbrecherischen Aufstieg zum Höhleneingang geschafft und festgestellt hatte, dass dahinter ein langer, kurvenreicher Tunnel kam, ging er dennoch weiter. Auch wenn er nicht gerade scharf auf lange, kurvenreiche Tunnel mit Drachen am Ende war.

Der Tunnel tropfte und war feucht. Manchmal war er hoch genug, um aufrecht gehen zu können. Dann verengte er sich wieder zu erschreckend schmalen Löchern, durch die man sich nur mühsam quetschen konnte. Die Jungen robbten auf dem Bauch und hielten die Fackeln zwischen den Zähnen.

Nach zehn langen Minuten, in denen sie ins Innere der Höhle vordrangen, nahm der Gestank nach Drachen – ein salziger Geruch nach Tang und alten Makrelenköpfen – immer mehr zu. Schließlich wurde er unerträglich und der Tunnel öffnete sich zu einer riesigen Höhle.

Hier befanden sich mehr Drachen, als Hicks sich je hätte vorstellen können.

Sie hatten jede mögliche Farbe und Größe und darunter befanden sich all die Rassen, von denen Hicks gehört hatte, und noch ein paar mehr, die er nicht kannte.

Hicks begann zu schwitzen, als er sich umsah. Er erblickte ganze Berge dieser Tiere, sie lagen überall; selbst von der Decke hingen sie wie riesige Fledermäuse. Sie lagen alle in tiefem Schlaf und die meisten schnarchten einheitlich. Das Schnarchen war so laut und so tief, dass es bis in Hicks’ Bauch zu vibrieren und sein Herz zu zwingen schien, im Puls der Drachen zu schlagen.

Wenn einer, nur einer dieser zahllosen Drachen aufwachte, würde er die anderen alarmieren und die Jungen würden einen grausamen Tod erleiden. Hicks hatte einmal einen Hirsch gesehen, der zu nahe an das Kliff der Wilden Drachen gewandert war. Er wurde innerhalb von Minuten in Stücke gerissen.

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Hicks schloss die Augen. »Ich werde nicht daran denken«, sagte er sich. »OH NEIN!«

Auch keiner der anderen Jungen dachte daran. Ahnungslosigkeit ist unter solchen Umständen sehr nützlich.

Die Augen der Jungen funkelten vor Aufregung, als sie durch die Höhle streiften, sich wegen des entsetzlichen Gestanks die Nasen zuhielten und nach dem größten Drachen suchten, der in ihren Korb passte.