Kapitel 7


Der Teamführer war überaus zufrieden, dass die gesamte Operation weniger als zehn Minuten gedauert hatte und es unter seinen Leuten keine Opfer zu verzeichnen gab. Die Verluste der Gegenseite waren schnell und leidenschaftslos erfolgt.

Während er die Operation in den von kaltem blauen Licht beschienenen Speisesaal verlegte, welches durch die Fenster der Westseite fiel, kostete der Teamführer seinen Sieg aus. Hinter ihm betrachteten die Augen der toten Gouverneure das Treiben mit stummer Distanziertheit.

Am Ende des Esstisches und unter der breiten Krempe seines Hutes verborgen, die sein Gesicht noch tiefer im Schatten liegen ließen, saß ein Mann mit lässig übereinandergeschlagenen Beinen. »Ihr Team war gut«, sagte er. »Sehr viel besser, als ich es erwartet hätte.«

Der Teamführer lief auf den Mann zu, wobei ihm sein Nachtsichtgerät gute Dienste leistete, und blieb vor ihm stehen. »Ihr Job hier ist erledigt, Judas. Ihre Dienste werden nicht weiter benötigt.«

»Und damit die Schlussszene dieses großartigen Schauspiels verpassen? Das glaube ich eher weniger«, antwortete der Mann regungslos und mit einer Stimme, die sich so kalt wie der Fliesenboden unter seinen Füßen anhörte.

Der Teamführer verbeugte sich knapp. »Wie Sie wünschen.«

»Dann legen wir mal los.«

Al-Bashrah und Al-Hashrie wurden in den Speisesaal geführt und auf die Knie gezwungen. Auf beide Hinterköpfe war der Lauf eines Sturmgewehrs gerichtet. Keiner der beiden Gefangenen war bereit, Angst zu zeigen. Sie hatten beschlossen, ihrem Schicksal erhobenen Hauptes zu begegnen.

Bewundernd lief der Teamführer um die beiden herum und fragte sich, was diese Männer dazu bewog, ihr Leben für ein Jenseits zu opfern, welches er selbst für mehr als unwahrscheinlich hielt. Dann sprach der Teamführer sie auf Arabisch an, damit nur sie ihn verstehen konnten.

»Ihr seid in dieses Land gekommen, um für eure Gefolgsleute Geschichte zu schreiben«, erklärte er ihnen. »Und ihr werdet Geschichte schreiben. Doch nicht so, wie Ihr es euch erträumt oder vorgestellt habt.« Der Teamführer kehrte ihnen den Rücken zu und begann, sich von ihnen zu entfernen. »Der heutige Tag stellt den Anfang einer neuen, besseren Welt dar. Für manche einen Neubeginn, für andere ein Ende.«

Obwohl der im Dunkeln sitzende Mann die Worte nicht verstand, konnte er doch nicht anders, als belustigt und bösartig laut aufzulachen.

Der Teamführer schloss die Augen und atmete tief ein. Sein Hass, den er auf Judas empfand, war enorm. Judas war ein Söldner, dem es nur darum ging, sich seine Taschen mit Blutgeld zu füllen. Doch da seine Anwesenheit eine Notwendigkeit für den Fortgang der Sache darstellte, biss sich der Teamführer auf die Zunge.

»Haben Sie es ihnen gesagt?«, fragte Judas voller Abscheu. »Haben Sie ihnen verraten, dass sie gleich sterben werden?«

»Was wir hier tun, Judas, tun wir ohne Missgunst und Boshaftigkeit. Sie scheinen das vergessen zu haben.«

»Was wir hier tun, tun wir für Geld«, erwiderte dieser. »Und jetzt bringen Sie es zu Ende.«

Die Muskeln im Kiefer des Teamführers begannen zu arbeiten. Judas spielte eine wichtige Rolle. Er war derjenige, der ihnen Türen geöffnet und ihre Sache überhaupt erst möglich gemacht hatte. Trotzdem konnte sich der Teamführer nicht daran gewöhnen, Befehle von jemanden entgegenzunehmen, dessen einzige Motivation rein finanzieller Natur war. Für den Teamführer war Judas nichts weiter als eine Hure.

Aber Judas hatte recht. Er musste es zu Ende bringen.

Der letzte Überlebende der Sicherheitsmannschaft des Präsidenten, ein Mann namens Cross, wurde mit einer Waffe am Hinterkopf in den Raum geführt.

»Das Gelände ist gesichert«, meldete der Soldat, der das Sturmgewehr in den Händen hielt. »Die gesamte Sicherheitsmannschaft wurde eliminiert.«

Judas erhob sich, tippte zum Gruß mit den Fingern an die Krempe seiner Fedora und musterte Special Agent Cross spöttisch. Zum ersten Mal waren in dem bläulichen Licht seine Gesichtszüge auszumachen.

»Einen schönen guten Morgen wünsche ich«, sagte er.

Cross wendete den Blick von ihm ab. In seinem Gesicht, seinen Augen, seinem ganzen Verhalten ließ sich der Unglaube darüber ablesen, dass ein Mann, den er kannte, respektierte und vergötterte, diese Terroristen angeführt haben konnte.

Der Teamführer sah zu Cross. »Dann kennen Sie also Judas.«

Cross blickte ihn an. Die Entschlossenheit, mit der er sein Kinn nach vorn reckte, war kennzeichnend für seinen Gleichmut. Auch wenn die Mimik erzwungen war, bewunderte der Teamführer ihn dafür.

»Judas«, murmelte Cross leise. »Das passt.«

Judas' Gesicht blieb weiterhin teilweise unter der Krempe seines Hutes verborgen. »Das passt? Ja, vielleicht«, entgegnete er. »Doch im Gegensatz zu dem echten Judas, der sich für dreißig Silbertaler verkaufte, tue ich das für zehn Millionen Dollar. Und ich bin sicher, Sie würden das Gleiche tun, David, wenn Sie die Chance bekämen.«

»Da irren Sie sich.«

Judas klopfte dem Agenten auf die Schulter und fuhr voller Sarkasmus fort: »Nur damit Sie wissen, wie das läuft«, erklärte er. »Ich werde auf Ihrer Beerdigung sein und Ihrer Frau erzählen, was für ein guter Mann Sie gewesen sind, wie sehr man Sie vermissen wird, und vielleicht – aber nur vielleicht – schlafe ich dann noch mit ihr, um für einen Moment das plötzliche und furchtbare Loch in ihrem Leben zu füllen. Wie finden Sie das, hm? Klingt doch gut, oder?«

Judas ließ es sich nicht nehmen, noch einen draufzusetzen. »Sterben Sie gut, David. Das ist ein Punkt, an dem jeder von uns eines Tages ankommen wird.« Mit einem bösen Grinsen im Gesicht, die Hände tief in die Taschen seines langen Mantels geschoben, schritt Judas aus dem Raum, als würde er durch einen Park schlendern.

Sein mangelnder Respekt vor seinen eigenen Agenten bestätigte den Teamführer nur noch mehr in seiner Abscheu, die er vor Judas empfand. Ein Mann ohne jede Ehre.

Mit ausdruckslosem Gesicht sah der Teamführer Agent Cross in die Augen. »Ihr Team, Special Agent Cross, war so sehr von sich überzeugt, dass es uns kaum eine Anstrengung kostete. Judas hin oder her, Ihre Absicherung des Papstes war nachlässig. Unter meiner Führung wäre Ihr Team nicht so schlecht ausgebildet worden.«

Der Teamführer wandte sich an den Soldaten, der seine Kurzwaffe auf den Kopf von Cross gerichtet hielt und streckte ihm die Hand entgegen. »Seine Waffe, bitte.«

Der Soldat zog eine Glock aus seinem Hosenbund und überreichte sie dem Teamführer. Dieser wog die Waffe in der Hand ab.

»Aber sei es, wie es sei. Da Sie der letzte Überlebende Ihrer Einheit sind, werde ich Sie zu einem amerikanischen Helden machen.«

Der Teamführer studierte die Mündung, bevor er seinem Gürtel einen Schalldämpfer entnahm und diesen auf die Glock schraubte.

»Ich bin mir sicher, dass Ihre Familie überaus stolz auf Sie sein wird«, sagte er mit einem leichten Akzent. »Und ich bin sicher, dass man Sie posthum noch für Ihren Einsatz, zwei bekannte Terroristen aufzuhalten, auszeichnen wird. Ihr Amerikaner liebt doch so etwas, nicht wahr?«

Als der Schalldämpfer an der Waffe angebracht war, ließ sie der Teamführer seitlich an sich herabhängen, sodass der Lauf auf den Boden zeigte.

»Wenigstens werden Ihre Kinder an einem sicheren Ort aufwachsen können«, schloss er. »Das ist etwas, von dem ich nur träumen konnte.«

Dann riss er die Waffe nach oben und streckte Al-Bashrah und Al-Hashrie mit Schüssen in die Brust und ins Genick nieder. Fast so schnell wie die Schüsse, die sie töteten, fielen die beiden zu Boden.

Agent Cross' Knie gaben unter ihm nach und für einen kurzen Moment verlor er das Gleichgewicht. Der Soldat hinter ihm riss ihn nach oben. Als der Agent wieder selbst in der Lage war, zu stehen, trat der Soldat von ihm zurück.

»Ich bin ja fast neidisch auf das, was Sie erwartet«, sagte der Teamführer, dann zog er seine eigene Waffe aus ihrem Holster und schoss Cross damit in die Kehle. Mit weit aufgerissenen Augen taumelte Cross noch kurz auf der Stelle, dann presste er sich die Hand gegen die Wunde am Hals, sackte auf die Knie und fiel schließlich zu Boden.

Während Blutblasen aus der Wunde an Cross' Hals sickerten und seine Augen irgendwo in die Ferne starrten, schraubte der Teamführer den Schalldämpfer von seiner Waffe und platzierte sie dann in Al-Bashrahs Hand. Ein anderer Soldat drückte Al-Hashrie die Sig in die leblosen Finger.

Nachdem der Teamführer auch den Schalldämpfer von der Waffe des Agenten entfernt hatte, legte er dessen Finger um die Glock. Mit der wenigen Kraft, die ihm noch blieb, hob Cross ein wenig den Kopf, um zu verfolgen, was der Teamführer tat. Ein furchtbares feuchtes Röcheln drang aus seiner Kehle, und der Glanz begann aus seinen Augen zu weichen. Schließlich erlag er seiner Wunde. Seine Augen starrten nur noch reglos in die Luft.

Der Teamführer sah Cross mit einem ebenso starren Blick zu, wie dieser seinen letzten Atemzug aushauchte. Dann drückte er dessen Finger um den Abzug der Pistole und legte seine Hand vorsichtig auf die blutverschmierten Fliesen zurück.

Schließlich richtete sich der Teamführer wieder auf und begutachtete sein Werk.

Die Bühne war vorbereitet, die Weichen gestellt. Al-Bashrah und Al-Hashrie waren in einem Feuergefecht mit Cross getötet worden.

»Ist alles abgesichert?«, erkundigte sich der Teamführer.

»Alles gesäubert und geräumt. Wir sind bereit, zu verschwinden.«

Der Teamführer nickte bestätigend. »Das alles in weniger als fünfzehn Minuten«, sagte er. »Yahwee wird mehr als zufrieden sein.«

Es war 02:59 Uhr.

 

Um genau 07:00 Uhr amerikanischer Standardzeit würde bei der CNN in Atlanta ein Anruf von jemandem eingehen, der behauptete, ein Mitglied der Soldiers of Islam zu sein. Der Anrufer würde unmissverständlich deutlich machen, dass sich Papst Pius XIII. nun in ihrer Gewalt befand.

Der erste Schritt für den endgültigen Djihad.

Kapitel 15


Route 1, Boston, Massachusetts | 23. September, später Morgen


Der Teamführer hatte seine Einheit in zwei Gruppen aufgeteilt: Das Alpha-Team, das aus fünf seiner erfahrensten Kämpfer bestand, und das Omega-Team, welches in D.C. zurückblieb, um dort die politischen Manöver des Weißen Hauses und seiner Sicherheitsorgane zu beäugen.

Um seine Geiseln zu sichern, hatte das Alpha Team sie in einem Militärlaster mit eigens dafür präpariertem doppelten Boden verstaut. Unter der Ladefläche befand sich ein Hohlraum, der bis zu neun Personen eine enge Unterkunft bieten konnte. Damit die Sicherheit der Geiseln während des Transports nicht gefährdet wurde, war das Auspuffsystem so umgebaut, dass die giftigen Abgase die ganze Zeit über von dem Frachtraum weggeleitet wurden. Und da man die Geiseln mit einem Ketamin-Derivat betäubt hatte, war es höchst unwahrscheinlich, dass sie während der Fahrt nach Norden das Bewusstsein wiederlangen würden und in der dunklen Beengtheit in Panik gerieten.

Der Teamführer saß auf dem Beifahrersitz in der Fahrerkabine. Im Radio lief einer der vielen Nachrichtensender, die er während des Transports verfolgte. Scheinbar unbeeindruckt starrte er aus dem Fenster, obwohl er sich der Vorgänge um ihn herum sehr wohl bewusst war.

Wenige Stunden zuvor hatte ein Mitglied seines Omega-Teams von einem leicht nachzuverfolgenden Münztelefon in D.C. aus bei CNN angerufen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich ihr Transporter schon beinahe dreihundert Meilen weiter nördlich und damit außerhalb des Fahndungsradius der Hauptstadt.

Der Zeitpunkt und der Ort, von dem aus der Anruf geführt wurde, dienten als Ablenkungsmanöver. Er wollte, dass man in Washington davon ausging, dass die Soldiers of Islam noch immer in D.C. weilten, damit sich das Hauptaugenmerk ihrer Suche auf einen kleineren Bereich konzentrierte. Doch diese List misslang. Ausgehend von den Nachrichten waren auf allen wichtigen Highways nördlich, westlich und südlich der Hauptstadt und bis nach New York, Florida und Texas Straßensperren errichtet worden.

Obwohl er sein Vorgehen gründlich geplant hatte, machte sich der Teamführer wegen der Straßensperren Sorgen. Bereits zweimal war ihr Militärfahrzeug in New York von Sicherheitskräften angehalten worden. Doch nachdem er ihnen seine gefälschten Papiere ausgehändigt hatte, die das Fahrzeug als Eigentum des 75th Ranger Regiments auswiesen, einer Abteilung des US Army Special Operation Command, wurden sie beide Male nach einer flüchtigen Kontrolle durchgewunken.

Nachdem der Truck die Schnellstraße verlassen hatte, passierte der Fahrer das Government Center im Zentrum und manövrierte den Lastwagen durch die engen Straßen bis zu einem Safe House in der Altstadt Bostons.

Bei dem abgeschieden gelegenen Gebäude handelte es sich um ein altes und leerstehendes Lagerhaus aus Ziegeln, welches mit den Jahren ausgeblichen und verwahrlost war. Die Fenster im ersten Stock hatte man zugemauert, jene im zweiten und dritten Stock mit Sperrholzplatten vernagelt. Die Bäume, die das Haus umgaben, waren entweder tot oder im Sterben begriffen, mit verknöcherten Ästen, die an arthritische Hände eines alten Mannes erinnerten. Das ganze Gelände wirkte heruntergekommen.

Ein schmiedeeisernes Tor mit einem Schild, auf dem die Warnung prangte: »Zutritt verboten! Widerrechtliches Betreten wird strafrechtlich verfolgt!«, war mit einer dicken Eisenkette verschlossen. Der Teamführer stieg aus dem Fahrzeug, suchte in seiner Tasche nach dem passenden Schlüssel und öffnete das Schloss. Nachdem der Lastwagen das Tor passiert hatte, zog er es hinter sich zu und verschloss es wieder.

Langsam fuhr der Lastwagen die mit Unkraut überwucherte Auffahrt hinauf. Ein paar dünne Äste brachen entzwei, als sich das Verdeck des Lasters seinen Weg durch die abgestorbenen Baumkronen bahnte. Am Ende der Auffahrt bog der Lastwagen auf eine leere Fläche neben dem Gebäude ein.

Dort befand sich eine verbeulte Feuertür, der einzige Weg, der in das Gebäude hinein und wieder hinaus führte. Vor dem Start ihrer Mission war der Eingang noch mit einem modernen Titanium-Schloss versehen worden. Der Teamführer griff in seine Tasche und förderte eine Fernbedienung zutage, mit der er auf den Eingang zielte. Nach einem Druck auf einen der Knöpfe wurde der Sperrmechanismus mit einer Reihe von hohlen metallischen Klickgeräuschen entriegelt. Das rote Licht der Fernbedienung wechselte auf Grün und zeigte damit an, dass die Tür nun geöffnet war.

Der Teamführer schritt auf den Eingang zu, drückte die Klinke hinunter und öffnete die Tür zu einer Welt, die noch schwärzer als schwarz erschien.

Kapitel 24


Boston, Massachusetts | 24. September, frühmorgens


Der Teamführer saß gegen die Wand seiner Kammer gelehnt, allein, getrennt von seinem Team. Obwohl er so gar nicht zu der Gruppe seiner hauptsächlich amerikanischen Waffenbrüder passte, wusste er doch, dass sie seinen Führungsanspruch niemals infrage stellen würden.

Ganz am Anfang seines Auftrags hatte dies jemand einmal gewagt – ein Mitglied der Force Elite mit dem Decknamen Nomad.

 

Nomads bulliges Äußeres ließ ihn durch die Einnahme von Steroiden eher affenartig als menschlich wirken, doch seine hervortretende Stirn war eher das Ergebnis einer chemischen Evolution als das Erbe seiner urzeitlichen Vorfahren. Mit seinem brutalen Auftreten galt er in seinem Team als Platzhirsch, und er betrachtete den Teamführer als einen Außenstehenden, der ihm seinen Platz streitig machen wollte.

Zu Beginn der Trainingseinheiten sah sich der Teamführer den hämischen Bemerkungen Nomads ausgesetzt, und der Rest der Force Elite folgte seinem Beispiel. Sie zogen ihn auf und ließen ihn spüren, dass Nomad ihr wahrer Anführer war.

Also forderte der Teamführer ihn am Ende des ersten Tages heraus und bot ihm an, die Führung des Teams an ihn zu übertragen, falls Nomad gewinnen sollte.

Die Herausforderung wurde akzeptiert.

Nomad zog sein Shirt aus und offenbarte unmöglich erscheinende Muskelberge, mit denen er seinen Gegner einzuschüchtern versuchte. Der Teamführer stand jedoch ungerührt da, seine Hände auf dem Rücken verschränkt. Er wusste, dass Nomads Größe seine Schwachstelle bedeutete, denn sie machte ihn langsamer und weniger beweglich. Auch als der wesentlich größere Mann ihn umkreiste, ihn beschimpfte und vor ihm auf den Boden spuckte, blieb der Teamführer weiterhin ruhig stehen, beobachtete jede von Nomads Bewegungen und wartete auf den richtigen Moment.

Fünfzehn Sekunden später, nachdem er den Teamführer angegriffen hatte, lag Nomad tot am Boden, mit gebrochenem Genick und Augen, die irgendwo ins Leere starrten. Von da an stellte niemand mehr die Autorität des Teamführers infrage.

 

Das Klappern von Ketten drang über den Korridor zu ihm und verriet, dass die Mitglieder des Heiligen Stuhls versuchten, sich von ihren Fesseln zu befreien. Er erhob sich.

Es war früh am Morgen. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und in den Räumen und Fluren herrschte Dunkelheit. Der Teamführer legte sich sein Nachtsichtgerät um die Stirn und schaltete es ein.

Mit dessen Hilfe navigierte er durch die Dunkelheit und stieg sicher über Trümmerteile hinweg, die er mit bloßem Auge nicht wahrgenommen hätte. Dann trat er vor die Bischöfe und den Gouverneur. Die Gefangenen erblickten nicht viel mehr von ihm als ein grünliches Leuchten, das über ihnen schwebte.

»Guten Morgen, meine Herren«, begrüßte sie der Teamführer.

Die Bischöfe rüttelten an ihren Ketten.

»Ihren Hang, einen Heidenlärm zu verursachen, empfinde ich als ziemlich befremdlich.«

Mit hinter dem Rücken verschränkten Armen schritt der Teamführer die Matratzen ab und schien seine Opfer genau zu studieren. »In wenigen Minuten geht die Sonne auf, dann bekommen Sie alle etwas zu Essen«, erklärte er ihnen. »Danach wird einer von Ihnen die Gelegenheit bekommen, seinen Glauben unter Beweis zu stellen. Bitte enttäuschen Sie mich nicht.«

Niemand wagte es, ihm zu widersprechen.

Kurz darauf erlosch das grün leuchtende Auge, und der Teamführer war wieder in der Finsternis verschwunden.

Draußen erklomm gerade die Sonne den Horizont.

 


Einsatzzentrale der Homeland Security, Washington D.C. | 24. September, morgens


Das Department der Homeland Security Agency bestand aus einer Reihe von Ziegelgebäuden, die aus ehemaligen Militärbaracken hervorgegangen waren. Das Gebäude, nach dem sie suchte, war eines von vielen nicht eigens gekennzeichneten Bauwerken auf dem Regierungsgelände, aber da die Einsatzzentrale zu Sharis Lehrstätten gehörte, wusste sie genau, wohin sie gehen musste.

Nachdem sie ihren Wagen geparkt hatte, passierte sie den Haupteingang, zückte ihren Ausweis und trug sich in das Sicherheitsprotokoll ein. Freundlich wechselte sie ein paar belanglose Worte mit den Wachleuten am Empfangsschalter, bat dann aber darum, sie zu den Decodierungs-Terminals zu eskortieren.

Wenig später geleiteten sie zwei Wachleute in einen unterirdischen Raum, der drei große Bildschirme, einen Computer von der Größe eines Servers und einen ergonomisch geformten Stuhl enthielt, aus dessen Seitentasche ein Schwenkarm mit einer Tastatur ragte. Diese hochentwickelte Anlage, die ausschließlich zur Decodierung von Regierungsdokumenten genutzt wurde, hatte den Staat beinahe eine Milliarde Dollar gekostet und war imstande, jeden aktuell existierenden Supercomputer zur übertreffen.

»Na, wenn das nicht eine von den Faulpelzen des FBI ist«, wurde sie von Toby Hansen begrüßt, einem der DHS-Computerspezialisten. »Was verschafft mir die Ehre, dich in meinem bescheidenen Lokal willkommen heißen zu dürfen?«

Shari umarmte ihn lächelnd. »Benimm' dich«, sagte sie. »Wie geht’s dir, Toby?«

»Schon viel besser, jetzt, wo dein hübsches Gesicht mein Laboratorium beehrt.«

Toby Hansen war ein korpulenter Mann, der immer ein wenig ungepflegt wirkte. Sein Gesicht war niemals glattrasiert, er trug aber auch keinen Bart, sondern bewegte sich immer irgendwo dazwischen. Seinen Vorgesetzten gegenüber benahm er sich oft schroff oder unhöflich, aber die Agency schätzte sein Geschick hinter einer Tastatur. Wenn es um das Entschlüsseln von Codes oder das Hacken von Computern im Auftrag der Regierung ging, gab es niemanden, der darin schneller, besser oder erfahrener war als er. Hier in diesem Raum war er der König.

»Nun, du bist sicher nicht hier, um mich flachzulegen.«

»Äh, nein, da hast du recht.«

»Okay, dann frage ich noch einmal: Was verschafft mir die Ehre?«

Sie hielt ihm die CD hin. »Das hier wurde uns vom Mossad geschickt.«

Er nahm ihr den Datenträger ab. »Was ist das?«

»Dossiers.«

»Die kannst du überall herunterladen.«

»Nicht dieses hier«, sagte sie. »Dieses ist verschlüsselt.«

»Ein verschlüsseltes Dossier?«

»Genau das dachte ich auch. Meinst du, du kannst schnell mal einen Blick darauf werfen?«

»Wenn es nicht zu lange dauert.«

»Ich würde das wirklich zu schätzen wissen.«

Er schob die CD ins Laufwerk, woraufhin sofort zwei kleinere Bildschirme zum Leben erwachten. Die Symbole auf dem linken Bildschirm unterschieden sich grundlegend von denen auf der rechten Seite.

 

Linker Bildschirm:

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Rechter Bildschirm:

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Beide Bildschirme kommunizierten miteinander, um die tatsächliche Botschaft zu formulieren und auf dem mittleren Bildschirm zwischen ihnen darzustellen. Zahlen, Buchstaben und Symbole flogen über den zentralen Monitor. Wenn ein Buchstabe dechiffriert wurde, blieb dieser auf dem Bildschirm stehen, bis schließlich die komplette Nachricht in englischer Sprache dargestellt wurde.

Shari las aufmerksam den Text auf dem Schirm. Die Daten der CD enthielten tatsächlich nur wenige Informationen, die über die ursprünglichen Dossiers hinausgingen. Darüber war sie einigermaßen enttäuscht, doch als sie zu den letzten drei Seiten scrollte, entdeckte sie, dass Teile des Textes immer noch codiert waren, trotz der Versuche des Programmes, sie zu dechiffrieren. Aus irgendeinem Grund war der Mossad der Ansicht gewesen, diese letzten Bereiche geheimzuhalten, sogar vor seinen Verbündeten, den Amerikanern.

Doch wieso?

Toby scrollte weiter durch den Text und förderte noch mehr codierte Bereiche zutage. Und Shari fielen zwei Dinge auf. Zum einen fand sich am Ende jeder chiffrierten Seite ein Name: Abraham Obadiah/Restriction Chief Operator for the Defense & Armed Forces Attaché/Embassy of Israel/WDC. Zum anderen war über jede der Verschlüsselungen ein Satz platziert worden, der dort seltsam deplatziert wirkte: DA STECKT MEHR DAHINTER!

Shari neigte den Kopf zur Seite, wie ein Hündchen, das verwundert etwas Seltsames beobachtete.

Toby fuhr den Computer herunter, dann nahm er die CD aus dem Laufwerk. »Tut mir leid, Schätzchen, aber diese CD müsste man in stundenlanger Kleinarbeit von Hand decodieren, und dafür habe ich keine Zeit.« Er versuchte, Shari die CD zurückzugeben.

»Bitte, Toby, es ist wichtig.«

»Das ist es immer«, antwortete er schnippisch. »Aber ich arbeite jetzt schon rund um die Uhr an Decodierungen von jedem erdenklichen Geheimdienst, die Entführung des Papstes betreffend. Mit Dossiers, junge Dame, musst du dich leider ganz hinten anstellen.«

»Bitte, Toby. Ich weiß, diese Dokumente scheinen eher unwichtig zu sein, aber ich glaube, dass sie mit der Entführung in Zusammenhang stehen. Immerhin geht es darin um die Soldiers of Islam

»Hör zu, Schätzchen, wenn du willst, dass ich die CD entschlüssele, sobald ich Zeit dafür finde, dann werde ich das gern für dich tun. Lass' sie einfach hier.«

»Wann wirst du dazu kommen?«

»Wenn ich mit allem anderen fertig bin, was ich aktuell so um die Ohren habe.«

»Und wie lange wird das dauern?«

»So lange, wie es eben dauert. Tage. Wochen. Wer weiß?«

Shari seufzte. Selbst ein Tag wäre schon zu lange. Sie musste die Daten sofort entschlüsselt bekommen. Sie nahm Toby die CD ab und hielt sie gedankenverloren ins Licht, als würde sie auf diese Weise aus ihr schlau werden. Doch einen Anhaltspunkt hatte sie gefunden. Sie hatte einen Namen: Abraham Obadiah.

Sie würde sich mit Obadiah bei der israelischen Botschaft in Washington in Verbindung setzen. Vielleicht konnte er ihr erklären, wieso gewisse Teile der Nachricht codiert blieben, obwohl beide Nationen eine Übereinkunft getroffen hatten, jegliche Informationen bezüglich terroristischer Aktivitäten zu teilen.

Sie verabschiedete sich von Toby und legte die CD in ihre Hülle zurück.

Kapitel 32


Das Weiße Haus | 25. September, mittags


Auf ihrem Weg in die israelische Botschaft empfing Shari eine Textnachricht des Chefberaters Alan Thornton, in der er ihre sofortige Anwesenheit im Situation Room des Weißen Hauses anordnete. Darüber hinaus enthielt die Nachricht keine weiteren Erklärungen.

Nach ihrer Ankunft fand sie sich im Beisein des Präsidenten, des Vizepräsidenten, des Justizministers und des FBI-Direktors nebst einigen wichtigen Beratern wieder, darunter auch Alan Thornton. Das Unbehagen aller Anwesenden schien beinahe greifbar.

»Heute Morgen erreichte uns die Nachricht, dass die Soldiers of Islam mit einer Station des CNN in Kontakt traten und ihnen eine Aufnahme der Exekution des Gouverneurs zukommen ließen«, begann der Präsident. »Wir gaben sofort einen Durchsuchungsbefehl heraus, um das Band in unseren Besitz zu bringen, allerdings zu spät, um zu verhindern, dass die Station bereits einige Ausschnitte davon ausstrahlte. Mittlerweile dürften sich diese auf fast jeder Website der Welt wiederfinden.« Er wandte sich Alan Thornton zu. »Mit welchen Auswirkungen ist zu rechnen?«

Thornton warf einen flüchtigen Blick auf ein einzelnes Blatt Papier, das vor ihm lag. »Nach Meldungen von Al Jazeera haben terroristische Vereinigungen im Mittleren Osten damit begonnen, in Anerkennung der Soldiers of Islam Personen fremder Nationalitäten anzugreifen. Dem CIA liegen Nachrichten aus Chaträumen vor, in denen von möglichen Plänen für die Entführung von ranghohen Persönlichkeiten die Rede ist, die den Vereinigten Staaten oder unseren Alliierten nahe stehen. Es gibt Berichte über Hassverbrechen gegenüber arabischen Bürgern in diesem Land. Und die überwiegend katholisch geprägten Länder, ganz besonders in Europa und Südamerika, Mr. President, machen Sie persönlich für dieses Desaster verantwortlich.«

Präsident Burroughs seufzte. »Konnten wir dem Videoband zumindest etwas entnehmen, das uns weiterbringt? Irgendetwas?«

Der Justizminister teilte den anderen seinen Wissensstand in der Angelegenheit mit. »Der Mörder in dem Video nannte sich selbst Abdul-Aliyy. Dabei handelt es sich um ein Pseudonym. Wir kennen bereits die Namen der sechs restlichen Soldiers of Islam, und keiner davon lautet Abdul-Aliyy. Tatsächlich bedeutet der Name im arabischen so viel wie Diener des höchsten Herrn

»Ein religiöser Deckname, der die Araber zur Raserei anstiften könnte, wo sie doch den sogenannten Advokaten des großen Satans gefangen halten«, stellte der Präsident fest.

»Ganz genau, Sir.«

»Der Umstand, dass er sich selbst Abdul-Aliyy nannte, ist ein Hinweis darauf, dass das Video aufgenommen wurde, bevor die Medien ihre Identitäten veröffentlichten«, führte der Präsident weiter aus. »Dieser Punkt ließ sich nachträglich nicht mehr ändern, da die Exekution zu dem Zeitpunkt schon vollzogen war. Aber wieso einen falschen Namen verwenden, wenn die Welt doch ohnehin bereits ihre Namen kennt?«

»Für den Märtyrertod«, erklärte Shari. »In der arabischen Kultur steht die Religion über allem. Indem sie sich den Namen Abdul-Aliyy geben, preisen sie sich selbst als Märtyrer. In den arabischen Ländern gelten Märtyrer als heldenhafte Kämpfer für Allah, denen das Himmelreich winkt. Von einem praktischeren Standpunkt aus gesehen peitscht ein solcher Name aber auch die arabische Öffentlichkeit auf, kultiviert durch Jahrhunderte religiösen Eifers.«

Der Präsident rieb sich die Müdigkeit aus den Augen. »Was haben wir noch?«

Hamilton war an der Reihe. »Die Aufnahme wurde in fließendem Arabisch gehalten. Und dann natürlich ihre Forderungen.«

Präsident Burroughs schloss erneut seine brennenden Augen. Seine Kopfschmerzen tobten mittlerweile wie ein wild gewordener Stier heran. Hamilton fuhr unterdessen mit seiner Zusammenfassung des Videos fort und zitierte noch einmal die Forderungen. Alle amerikanischen und alliierten Truppen hatten sich unverzüglich zurückzuziehen, alle arabischen Inhaftierten sollten freigelassen und der Staat Israel von arabischem Boden entfernt werden.

»Klingt doch eigentlich alles ganz vernünftig, oder?«, warf der Vizepräsident ein. »Und ich bin sicher, Israel wird sofort die Sachen packen und verduften.«

»Sie wissen, dass wir diese Bedingungen nie erfüllen können«, sagte der Präsident.

»Was ist mit dem Videoband selbst?«, fragte Bohlmer. »Lässt sich vielleicht den Hintergrundgeräuschen etwas entnehmen, oder den Örtlichkeiten?«

»Das Labor arbeitet noch daran, Sir. Aber im Moment …«

»Aber im Moment haben wir noch nichts«, unterbrach ihn der Präsident wütend.

»Alles, was wir in der Zwischenzeit tun können, Mr. President, ist die Polizeipräsenz in diesem Gebiet zu erhöhen, um zu verhindern, dass sie noch einmal wie letzte Nacht ungesehen hindurchschlüpfen können.«

»Sie werden ihr Vorgehen kaum wiederholen«, gab Shari zu bedenken. »Ihre Tat von letzter Nacht ist die Antwort auf unsere Verbreitung ihrer Identitäten. Aktion – Reaktion. Und obwohl wir sie bloßgestellt haben, sind sie doch bis zu unserem Rasen gelangt und haben den Gouverneur direkt auf unserer Türschwelle abgelegt. Damit zeigen sie der Welt, dass sie immer noch die Kontrolle besitzen. Und nun, wo sie ihr Ziel erreicht haben, werden sie wissen, dass das Netz um sie herum langsam enger wird. Das nächste Mal werden sie noch vorsichtiger sein.«

Der Präsident hieb mit der flachen Hand auf den Tisch. »Es wird kein nächstes Mal geben, Herrschaften, und das bedeutet, dass ich Antworten brauche! Und kein Rätselraten!« Er stöhnte frustriert auf, bevor er die Fassung wiedergewann. »Was ich von Ihnen hören will«, sagte er schließlich mit ruhiger Stimme, »und was ich von Ihnen wissen will, ist, was wir nun tun werden, um diese Leute zu finden.«

»Wenn Sie gestatten, Mr. President«, meldete sich Justizminister Hamilton zu Wort. »Wie Mr. Johnston bereits ausgeführt hat, untersuchen wir noch die Aufnahme. Da der Hintergrund in dem Video offensichtlich auf ein leer stehendes Gebäude schließen lässt, haben wir bereits die Einheiten der städtischen Sicherheitskräfte und der Bundespolizei damit beauftragt, alle leer stehenden Gebäude innerhalb eines Einhundert-Meilen-Radius abzusuchen.«

»Das kann ewig dauern«, kommentierte der Präsident missmutig.

»Das ist richtig, Sir, aber mehr können wir im Moment nicht tun.«

Die Kopfschmerzen des Präsidenten nahmen schlagartig zu. »Ms. Cohen, Sie kennen diese Leute, deren Kultur. Was glauben Sie, wird als Nächstes passieren?«

Shari zögerte keine Sekunde »Mr. President, ich rechne damit, dass sie als Nächstes ein Mitglied des Heiligen Stuhls umbringen werden.«

»Nicht den Papst?«

»Nein, Sir. Ich glaube, die Soldiers of Islam werden versuchen, die Stimmung anzuheizen. Sie wollen dieses Land in einen Zustand der Panik treiben. Ihre Überlegenheit in dieser Sache wird den Stolz unter den arabischen Nationen nähren, die sich daraufhin gegen einen gemeinsamen Feind verbünden werden, welcher die mächtigste Nation dieses Planeten darstellt. Sie versuchen, sich selbst unangreifbar zu machen, Mr. President.«

Noch nie zuvor hatte sich der Präsident so hilflos gefühlt. »Bei Gott, ich weiß wirklich nicht, was wir jetzt tun sollen.« Er wandte sich wieder Thornton zu. »Du, Al?«

Thornton schüttelte den Kopf. »Fürs Erste, Mr. President, sollten Sie sich an die Weltöffentlichkeit wenden und ihr erzählen, was sie hören will.«

»Und das wäre? Dass der Papst sterben wird, wenn man uns keine Pause gönnt?«

»Nein, Sir. Sie müssen eine offizielle Stellungnahme abgeben, dass wir mit den Nationen der Welt gemeinsame Anstrengungen unternehmen, den Papst freizubekommen.«

»Das wissen die Leute doch längst!«

»Ja, Sir, aber die Welt will bestätigt bekommen, dass alles Menschenmögliche unternommen wird.«

»Dem stimme ich zu«, sagte der Vizepräsident. »Ob wir nun das Richtige tun oder nicht, Jim, aber wir müssen der Welt demonstrieren, dass wir immer noch ein Pfeiler der Macht sind.«

Fragend sah der Präsident Shari an. »Ms. Cohen?«

»Im Moment haben die Soldiers of Islam definitiv die Oberhand. Das Bild, das wir in die Welt hinaussenden, sollte jedoch das des Vertrauens und der Einigkeit sein.«

Der Präsident kaute auf seiner Unterlippe. »Wie lange, Ms. Cohen, glauben Sie, dass ich dieses Spiel spielen kann, bevor die internationale Staatengemeinschaft hinter unsere eigentliche Strategie kommen wird?«

»So lange wie möglich, um uns genügend Zeit zu verschaffen.«

»Heißt das, Sie sind zuversichtlich, diese Terrorzelle aufspüren zu können?«

»Es bedeutet, Mr. President, dass ich Zeit brauche, um mich intensiver mit der Thematik befassen zu können.«

Der Präsident schwieg. Im ganzen Raum herrschte Schweigen.

»Ms. Cohen, uns läuft die Zeit davon, und die Welt verliert zunehmend die Geduld. Was können Sie mir genau sagen, abseits von Spekulationen?«

»Ich kann Ihnen mit Sicherheit sagen, dass es weitere Hinrichtungen geben wird, bevor wir diese Sache in den Griff bekommen.«

Das war nicht die Art von Antwort, die der Präsident hören wollte. »Der Stab soll eine positiv lautende Meldung vorbereiten«, sagte er. »Hoffen wir, dass die Weltöffentlichkeit ihr auf den Leim geht. Und Ms. Cohen?«

»Ja, Mr. President?«

»Bis jetzt bin ich von Ihrem Expertenwissen in dieser Sache nicht sonderlich begeistert. Ich brauche Fakten.«

»Ja, Sir, ich arbeite bereits daran.«

Er beugte sich zu ihr. »Dann arbeiten Sie schneller.«

Kapitel 37


Judas stand zusammen mit dem Omega-Team im Schatten einer kleinen Baumgruppe, die sich in der kleinen Parkanlage gegenüber von Cohens Stadthaus befand. Alle Männer waren mit Kampfausrüstung bekleidet, mit Ausnahme von Judas, der wieder seinen breitkrempigen Fedora und einen langen Mantel trug. Eine schwache Böe ließ die Enden seines Mantels im Wind flattern.

Judas wandte sich Dark Lord zu, dem Anführer der dreiköpfigen Einheit des Omega-Teams. Der Söldner schien ohne jede Emotion zu sein, eine Tötungsmaschine, die ohne Reue oder Einwände auf ihre Befehle wartete.

»Du kennst deine Pflichten«, sagte Judas. »Und ich möchte nicht erleben, dass ihr dort wie ein größenwahnsinniges Killerkommando einfallt. Beschaffe die CD, töte Cohen, und dann sieh zu, dass du so schnell wie möglich wieder verschwindest. Es ist ganz einfach. Also vorwärts.«

 

Nur aus dem äußersten Rand seiner Augenwinkel bemerkte Kimball eine Bewegung. Zuerst ein kurzes Huschen, dann eine Pause und dann wieder eine Bewegung, als sich eine Gruppe scheinbar lebendiger Schatten im Schutz der Dunkelheit dem Gebäude näherte. Von seiner Position aus konnte er nur zwei von ihnen erkennen, aber aus seiner Erfahrung wusste er, dass es mehr sein würden. Er gab Isaiah den Befehl, zurückzubleiben und nach weiteren Angreifern Ausschau zu halten, dann stieg Kimball aus dem Van und huschte ebenso lautlos wie die Umrisse um ihn herum auf das Haus zu.

 

Dark Lord brauchte etwas, bis er sich Zutritt zu Cohens Wohnhaus verschafft hatte. Lautlos durchquerte er den Raum, zog sein Messer und benutzte die Spitze der Klinge, um mit ihr die angelehnte Tür aufzudrücken. Shari war an ihrem Schreibtisch eingenickt. Auf dem Monitor waren mehrere Seiten verschlüsselten Codes zu sehen.

Es kann unmöglich so einfach sein, überlegte er. Es ist zu leicht. Dark Lord schien zerknirscht darüber, dass sich ihm so wenig Gegenwehr entgegenstellte. Besonders bei jemandem wie Cohen, die ein solch hohes Ansehen in politischen Kreisen genoss. Fast so, als würde man einem Baby die Süßigkeiten klauen.

Langsam und umsichtig betrat er das Arbeitszimmer, das Messer in seiner Hand, lautlos wie ein erfahrener Assassine, und setzte zu einem schnellen tödlichen Angriff an.

Gerade, als er ihren Kopf an den Haaren zurückreißen wollte, um an ihre Kehle zu gelangen, prallte Sharis Ehemann gegen den Rücken des Eindringlings, stieß ihm das Messer aus der Hand und stürzte zu Boden. Der überraschte Attentäter reagierte schnell, um einen Vorteil aus der Situation zu ziehen, und packte Garys Handgelenk. Mit einem raschen und geübten Ruck brach er die Knochen in Garys Unterarm, was gleißende Schmerzen bis hinauf in die Schulter schießen ließ.

Shari, die sich des Ausmaßes der Gefahr noch nicht bewusst war, riss die Augen auf. Doch erst Garys Schmerzensschreie ließen sie von ihrem Stuhl hochschrecken. Während die beiden Männer wie zwei betrunkene Tänzer miteinander rangen, holte Shari aus und schlug dem Assassinen von hinten ins Genick, was dieser aber mit einem brutalen Hieb mit seinem Handrücken beantwortete, der sie über den Schreibtisch schleuderte und dabei den Computer mit sich reißen ließ, der auf dem Boden zersplitterte.

Von Panik ergriffen versuchte sie, sich wieder aufzurappeln, doch der Schlag hatte sie zu sehr benebelt. Dark Lord trieb unterdessen seine linke Faust in Garys Magengrube, gefolgt von einem rechten Haken gegen sein Kinn. Für einen Moment schien Gary ungläubig vor sich hinzustarren, während sein Verstand zwischen Licht und Dunkelheit hin und her trieb, doch dann verdrehte er die Augen und sackte zusammen.

Mit einer schnellen Bewegung fischte Dark Lord sein Messer vom Boden und hielt Shari die scharfe Spitze der glänzenden Klinge entgegen. »Es wird nicht wehtun«, versicherte er ihr, während er sich näherte. »Und nur damit Sie es wissen – es gibt schlimmere Arten zu sterben, als zu verbluten.«

Durch den Schleier vor ihren Augen bemerkte sie, dass der Angreifer nicht allein im Raum war. Zwei weitere Umrisse, ebenfalls mit Messern bewaffnet, schlossen sich ihm an.

Shari kroch zu ihrem Ehemann, drückte ihn an sich, und bei dem Gedanken an ihre Kinder rannen Tränen über ihre Wangen. »Bitte, tun Sie meinen Kleinen nicht weh«, flehte sie.

Dark Lord hielt die Spitze seiner Klinge nur wenige Zentimeter von ihrem Hals entfernt und grinste sie durch seine Maske hindurch diabolisch an, als wollte er sie wissen lassen, dass ihm dieser Moment tiefe Genugtuung verschaffte. »Zuerst kümmere ich mich um Sie, dann um Ihren Mann, und dann um die Kinder. Wie gefällt Ihnen das?«

Shari begann unkontrolliert zu wimmern und zog den bewusstlosen Gary nahe an sich heran.

Mit einer schnellen Bewegung griff Dark Lord in ihre Haare und zerrte an ihrem Kopf, was die weiche Haut an ihrer Kehle hervortreten ließ.

Langsam und gewissenhaft setzte er das Messer für den tödlichen Schnitt an.



Washington D.C. | 26. September, frühmorgens


Abraham Obadiah, der wieder seine gewohnte und bequeme Kampfkleidung trug, hatte sich in den Teamführer zurückverwandelt und fuhr in nördlicher Richtung auf der Route 1 zur Grenze nach Massachusetts. Hin und wieder ruckelte sein Truck sanft durch gelegentliche Schlaglöcher, doch abgesehen davon verlief die Fahrt ohne Zwischenfälle.

Für 0245 war ein koordinierter Einsatz von Judas und dem Omega-Team geplant worden, um Shari Cohen umzubringen. Da er wusste, dass das Omega-Team stets pünktlich war, ging Obadiah davon aus, dass der Fall bereits erledigt und Shari Cohen nicht länger Teil der Gleichung war. Seine Geschäftspartner aus Russland und Venezuela würden erfreut sein zu hören, dass seine Maßnahmen zur Schadensbegrenzung erfolgreich verlaufen waren und man sich wegen Shari Cohen keine Sorgen mehr machen musste.

Nun, da er die Verdachtsmomente seine auswärtigen Angelegenheiten betreffend ausmerzen konnte, gab es für Obadiah keinen Grund, vor dem Tod des Papstes nach D.C. zurückzukehren. In ein paar Stunden würden sie ein Mitglied des Heiligen Stuhls hinrichten lassen und die Welt daran erinnern, dass die Reihe bis zum Papst selbst zusehends kürzer wurde. Und mit jedem Tod, jeder symbolischen Hinrichtung, würde ihre Hoffnung schwinden.

In dem Glauben, dass Ms. Cohen nicht länger unter den Lebenden weilte, fuhr der Teamführer weiter.

 

Judas stand in dem Hain der wenigen Bäume, den Kragen seines Mantels gegen die Kälte hochgeschlagen. Seine Atemwölkchen waren ein Anzeichen für die frostige Nacht.

Aus den Augenwinkeln sah er, wie sich etwas bewegte. Ein einzelner Mann, größer als die meisten anderen Männer, hielt mit katzenhafter Anmut auf die Baumlinie hinter ihm zu – geschmeidig und mit der Absicht, zu töten.

»Sieh an, sieh an«, flüsterte Judas, »wen haben wir denn da?«

Offensichtlich stand Cohen von jemandem außerhalb seines Einflusses unter Beobachtung. Und schlagartig wurde ihm klar, dass er keine Möglichkeit hatte, sein Team zu warnen. Aber das spielt keine Rolle, dachte er bei sich. Es steht immer noch drei zu eins.

 

Dark Lord hielt die Klinge auf dem Zenit ihrer Bahn hoch über sich erhoben, eine makabre Zurschaustellung des drohenden Terrors. »Das haben Sie nun davon, sich in Dinge einzumischen, die Sie nichts angehen«, sagte er. Gerade, als er die Klinge auf Sharis entblößte Kehle hinabsausen lassen wollte, ließ etwas Dark Lord und seine beiden Gefolgsleute durch den Raum taumeln. Der Angriff von hinten hatte sie wie der Schlag eines Hammers erwischt. Doch jeder von ihnen rappelte sich unverzüglich wieder auf und mit athletischer Anmut und geübter Beweglichkeit wirbelten sie zu ihrem Angreifer herum, bereit, ihn mit ihren Messern zu töten.

Ein einzelner Mann, ungewöhnlich groß und breitschultrig, das Gesicht mit Farbstreifen geschwärzt, stand zwischen den Cohens und den Söldnern. Um seinen Hals trug er den weißen Kragen eines Priesters. Seine Brust war von einer schwarzen taktischen Weste geschützt, auf der das Zeichen eines Wappens mit silbernem Tatzenkreuz prangte.

Das Omega-Team tat, was naheliegend schien: Sie schlossen in dem engen Raum zueinander auf und näherten sich ihrem Ziel, einem Priester. Ein ungewöhnlicher Retter.

Als Antwort darauf zog Kimball in Millisekunden zwei Kampfmesser aus den Messerscheiden an seinen Oberschenkeln und bewegte eine der schwarzen Klingen als Ablenkung hin und her – zuerst in kreisförmigen Bewegungen, dann in Form einer Acht, eine Technik, welche die Aufmerksamkeit des Gegners von der zweiten Klinge ablenkte, der eigentlichen Angriffswaffe.

Langsam näherte sich das Omega-Team der Gefahrenzone, nahe genug, um zuzuschlagen, mit den Messern nach ihm auszuholen und den Priester im richtigen Moment zu töten.

Dark Lord umkreiste den Mann, musterte ihn und erkannte Gemeinsamkeiten mit einem Mann, den er einmal gekannt und als seinen Mentor und Führer angesehen hatte. Seine Statur, seine Größe, die Breite seiner Schultern, das alles erinnerte ihn an einen Helden aus dem Pentagon. Dann fiel sein Blick auf die himmelblauen Augen des Mannes und die golden glitzernden Punkte darin. Für einen kurzen Moment spürte er ein kaltes Gefühl in seiner Brust und die Realität erschien ihm gleichermaßen surreal und ernüchternd. Dann gab es keinen Zweifel mehr. Er kannte nur einen Mann, der über solch bemerkenswerte Augen verfügte.

Dark Lord blieb stehen. Die anderen folgten seinem Beispiel, als wären sie mit einer Art unsichtbaren Nabelschnur verbunden, die sein Zögern an sie übertrug.

»Kimball«, flüsterte er beinahe. »Kimball Hayden?«

Kimballs Augen flammten auf. Auch er erkannte sein Gegenüber. Es hatte eine Zeit gegeben, als er und Dark Lord in einer unheiligen Allianz in verdeckten Einsätzen eng zusammenarbeiteten.

»Es heißt … du wärest tot.« Dark Lord ließ die Spitze seines Messers sinken, jedoch nicht weit genug, um Kimball vollends zu beruhigen, der seine Waffe weiterhin auf seine Gegner richtete. »Also, was soll das Ganze hier?«

Kimball schwieg.

Dark Lord kräuselte die Lippen. »Ah, es geht um Vergebung, nicht wahr? Heilige Scheiße, Kimball Hayden ist fromm geworden. Seht euch nur seinen Kragen an.« Dann war sein Lächeln so schnell wieder verschwunden, wie es erschienen war. Unterdrückter Zorn schlich sich plötzlich in seine Stimme. »Das ist nicht dein Kampf, Hayden. Also verschwinde, bevor dir die großen Jungs noch wehtun.«

Kimball trat einen Schritt auf ihn zu. Das Messer zur Ablenkung malte noch immer bedächtige Achten in die Luft. Zögern blitzte in Dark Lords Augen auf.

»Tu das nicht«, warnte ihn Kimball. »Ihr seid keine Gegner für mich.«

»Immer noch der gleiche aufgeblasene Hurensohn wie früher, was, Hayden? Glaubst wohl, du könntest es mit deinen zwei Messern mit uns Dreien aufnehmen? Das denke ich nicht.«

Dark Lord schritt langsam auf ihn zu. Die beiden Männer folgten seinem Beispiel. »Zum letzten Mal, Hayden. Verschwinde, und lass uns unseren Job erledigen.«

»Ich werde nicht zulassen, dass ihr diesen Menschen etwas antut.«

»Dann bist du noch verrückter, als ich dachte«, sagte Dark Lord und stach unvermittelt zu.

 

Die Söldner des Omega-Teams setzten zu tödlichen Messerstichen an, doch Kimball beantwortete die Attacken mit ungeheurer Geschwindigkeit und wehrte die Klingen ab. Funken stoben auf, als Metall an Metall rieb. Shari sah staunend und mit offenem Mund zu, wie ihr Retter scheinbar mühelos einen tödlichen Angriff nach dem anderen abwehrte.