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Martin Ebner
Von Wildschweinen, Joggerinnen und
anderen Ungeheuerlichkeiten

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Martin Ebner

Von Wildschweinen,
Joggerinnen und
anderen
Ungeheuerlichkeiten

Kritische und humorvolle
Betrachtungen rund um die Jagd

Leopold Stocker Verlag
Graz – Stuttgart

Umschlaggestaltung:

DSR Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz, www.rypka.at

Grafik für das Titelbild: Boulot, Bureau für Kommunikation, CH-3000 Bern,

www.bureau-boulot.ch.

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www.stocker-verlag.com

ISBN 978-3-7020-1623-4

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© Copyright by Leopold Stocker Verlag, Graz 2016

Layout und Repro: DSR Werbeagentur Rypka GmbH, 8143 Dobl/Graz

Inhalt

Vorwort

Sooo süß

Rettet die Roten

Suchenheil mit dem Schweißigel

Jäger wählen Diana

Tschi Lo und der Fuchspelz

Von Menschen und Jägern

Altersansprache

Andere Länder, andere Schweine

Aufruf zum Streik

Bambidrama

Hans Huckebein, der Unglücksrabe

Jäger an die Schweizer Grenze

Jägerschwemme

Katalysatoren für Wildtiere

Schäfchen zählen

Wildsaujagd

Auf den Hund gekommen

Bambi II

Seid fruchtbar

Haben Sie schon unterschrieben?

Biberschwanzsuppe

Rotkäppchen

Meine Alte günstig abzugeben

Lieben Sie Apfelkuchen?

Luchse mit Heimweh

Auf Schatzsuche

Heiliger Christophorus

Jäger an die Leine

Jagen ist voll geil

Herkules im Puff

Im Bau

Wildtiere anstatt Schafe

Waffenlos

Arme Schweine

Lustvoll jagen

Der Bär ist los

Das Aus für Foto-Trapper

Schneekanonen statt der Pille

Es ist Wahljahr

Geschichten am Aserfeuer

Smartphones im jagdlichen Einsatz

Rotkäppchen und der Fünfliber (Fünffrankenstück)

Tod am Calanda

Tod auf dem Geleise

LUNO, Turo und Claudius

Was Politiker zu wissen glauben

Menschenfreund und Schmusekatze

Bären gesucht

Wir Jäger als Störenfriede

Von Schamanen und Jägern

Kein Recht auf Beute

Handy-Virus

Leise rieselt der Schnee

Von Trophäen und Legaten

Patentjäger sind erfolgreicher

Jagdliche Berghilfe

Seniorenzentren für Jäger statt Freudenhäuser

Rehäuglein und Bauer, ledig, sucht

Kommen Jäger ins Paradies?

Jagdreise zum Mars

Blick in die Kristallkugel

Wildtiere sind auch nur Menschen (Essay)

Das Dingsda (Essay)

Glossar

Portrait

Vorwort

Ungeheuer und Ungeheuerlichkeiten begegnen uns heute auf Schritt und Tritt. Es sind keine feuerspeienden Drachen, blutrünstigen Vampire oder wilde Eber mehr, sondern die „Ungeheuer des 21. Jahrhunderts“: kleine Seitenhiebe unserer lieben Mitmenschen, skurrile Geschichten und Kapriolen schlagende Tiere.

Besonders Jäger als archaische Zeitgenossen sind davon betroffen. In der Öffentlichkeit oft etwas scheel angesehen, müssen sie stets mehr einstecken als andere. Damit sind sie aber auch resistenter geworden, breitschultriger und sind vom Steinzeitjäger, damals noch reiner Fleischbeschaffer, zum multitalentierten Neuzeitjäger mutiert. Will heißen, jagen ist nicht mehr das Kerngeschäft, sondern Jäger setzen sich in erster Linie mit Joggern, Bikerinnen, Hundehaltern, OL-Läuferinnen, Geo-Cachern und anderen Naturnutzern auseinander. Dazu mit Wildtieren, die gelernt haben, dass die in Feld und Wald mit Allrad angetriebenen Karossen herumfahrenden grünen Weibchen und Männchen längst nicht mehr so gefährlich sind wie die fellumhüllten Steinzeitjäger. Was zur Folge hat, dass die Jäger von den vierbeinigen Wilden gar nicht mehr so ernst genommen werden und deshalb auch von dieser Seite Ungeheuerlichkeiten ausgesetzt sind.

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Foto: wikimedia/Torben Utzon

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Cartoon: © Haralds Klavinius

Heute begegnen OL-Läufern keine Steinzeitjäger mehr.

All diese Widerwertigkeiten haben aber nicht dazu geführt, dass die Jäger ihre Flinte an den Nagel gehängt oder gar ins Korn geworfen und zur Botanisierbüchse gegriffen hätten. Nein, nur etwas zahmer, zivilisierter sind sie geworden. Ohne dass sie dabei ihre Urgen-Wurzeln des Steinzeitjägers verleugnen würden. Und so haben sie ihre bewahrenden Eigenschaften erhalten, sprechen eine Sprache, die Laien kaum verstehen und halten trotz Christianisierung an ihren Göttern fest. Am meisten verehren sie dabei Diana, die römische Schwester der griechischen Artemis, die zwar im ersten Bildungsgang als bekennende Jungfrau Hebamme gelernt hatte, dann aber der ständigen Windelwicklerei überdrüssig wurde und zum Jagdspeer griff. Ihr zur Seite steht der heilige Hubertus, Schutzpatron der Jagd, der als wilder Jäger einem Hirsch mit einem Kruzifix zwischen dem Geweih begegnete, alsdann bekehrt und Anfang des 8. Jahrhunderts Bischof von Lüttich wurde. Böse Zungen behaupten zwar, Hubertus sei in Tat und Wahrheit der erste Jagdabschaffer Europas gewesen, denn man könne doch nicht der Jägerei entsagen und gleichzeitig Schutzpatron der Jagd sein. Wie dem auch sei, für mich als archaischer Zeitgenosse ist Diana die erste Adresse und meine Urmuse. Weitere Musen folgten, zwei- und vierbeinige. Ohne diese wäre ich nie in der Lage gewesen, jagdliche Glossen anzupirschen und damit all die Ungeheuerlichkeiten zur Strecke zu legen. Ihnen allen sei Weidmannsdank gesagt.

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Foto: wikimedia.org

Diana als Jägerin (röm. Mosaik 2. Jahrhundert) (oben)

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Foto: wikimedia.org

Die Bekehrung des heiligen Hubertus (Meister von Werden) (links)

Sooo süß …

Kürzlich war ich mit meinen Bracken in einer größeren Stadt unterwegs. Ich führte die beiden gerade Gassi in einer Baumallee mit Wiesenstreifen entlang eines Parkplatzes, als sich vor uns eine jener Nobelkarossen mit dem Stern auf der Motorhaube in eines der Parkfelder gleiten ließ. Dem Beifahrersitz entstieg eine mit Goldkette behangene Dame, der man auch ohne ZEISS Feldstecher ansah, dass sie einige Jahrzehnte mehr im Fahrwerk hatte als das Auto. Sie steuerte zielstrebig geradewegs auf uns zu und rief: „Ach, wie lieb diese zwei Dackelchen doch aussehen.“ Meine altehrwürdige Hündin, die solche Dackelsprüche schon mehrmals über sich hatte ergehen lassen müssen, wendete sich leise knurrend ab, setzte sich hin und schaute weise in die Ferne. Der kastrierte Rüde Bosco dagegen wedelte sich zu seiner Verehrerin hin und legte sich genießerisch vor ihr auf den Rücken. Die mit Diamantringen besetzten Finger der Dame kraulten sich vom Brackenstern über den Brustkorb langsam vorwärts, umrundeten stilsicher die Brunftrute und hielten plötzlich inne. „Johannes, schau mal“, rief die Kraulende ihrem Begleiter zu, der inzwischen seinen Wohlstandsbauch aus dem Wagen gezwängt hatte. „Der Kleine hat ja gar keine Eier mehr. Sooo süß!“, sagte sie und machte sich mit ihrem Johannes von dannen, dem trotz solch weltbewegender Entdeckung sichtlich wenig Begeisterung zu entlocken war. Dabei Bosco zurücklassend, der verschämt auf jene Stelle schaute, wo mal etwas gewesen war.

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Meine beiden Bracken … sooo süß

Eines Morgens war ich auf der Frühpirsch unterwegs, zu einer Zeit, als die Welt, vor allem die jagdliche, noch in Ordnung sein sollte, als ich schon von weitem eine Stockente auf mich zukommen hörte. Nicht allein. Als das Kamel von einem Hund meine Hündin und mich erblickte, kam er schnurstracks und laut kläffend auf uns zu gerannt. Sanja verkroch sich sicherheitshalber schon mal zwischen meinen Beinen und die Besitzerin der Bestie rief uns zu: „Er beißt nicht.“ Tatsächlich stoppte der Kläffer etwa einen halben Meter vor dem zufällig auf ihn gerichteten Gewehrlauf. Schnüffel, Schnüffel und schon stand auch seine Besitzerin vor uns und sagte, was jeder Hundebesitzer in einer solchen Situation zu sagen pflegt: „Nur keine Angst ihr beiden, der beißt nicht. Er ist ja so ein Lieber, aber halt ein wenig stürmisch.“ Ich, mein Maul weit aufreißend und sämtliche Amalgamfüllungen zeigend, entgegnete: „Das glaube ich Ihnen, aber ich könnte ihn zu Tode beißen.“ Sie schaute mich zuerst mit vor Schreck geweiteten Augen an, dann lachte sie laut auf und meinte: „Sooo süß.“ Noch heute lächeln die Süße und ich einander an, wenn sich unsere Wechsel wieder einmal kreuzen.

Ich wollte an einem herrlichen Sommerabend zum Abendansitz und parkte mein Auto auf einem Holzlagerplatz beim Waldeingang. Schon hatte ich Rucksack und Gewehr geschultert sowie meine Hündin an die Leine genommen, als ich auf dem Waldweg ein „Schmalreh“ erblickte, das im grellgrün-orangen Jogginganzug auf mich zu gewechselt kam. Einer Gazelle gleich tänzelte es an mir vorbei, drehte sich, weiter rückwärts tänzelnd, um und rief mir mit osteuropäischem Akzent zu: „Gähen Sie Bambi theten?“ Ich sofort: „Ja, ich gehe Bambi töten, aber Sie essen doch sicher auch Fleisch.“ Sie, jetzt anhaltend: „Ja, aber nix essen Bambi.“ Ich: „Auch Schweine sind Tiere.“ Sie: „Ich nix essen Schwein.“ Ich: „Aber auch Schafe wachsen nicht auf Bäumen.“ Nun kam sie zwei, drei Schritte auf mich zu gazellert, verhoffte kurz vor mir, ein paar Schweißtropfen hangelten sich an ihren Augenbrauen hinunter, und schaute mir mit ihren braunschwarzen Bambiaugen in die tiefsten Tiefen meiner Jägerseele. Dann glitt ein feines Lächeln, Grübchen bildend, über ihr Gesicht und ihre vollen Lippen formten den Satz: „Sooo siiiß.“ Sagte es, drehte sich um und tänzelte von dannen. Leider ist mir diese Siiiße nie mehr begegnet.

Und die Moral von der Geschichte: Die Jägerei ist ja sooo süß.

Rettet die Roten

In den vergangenen Wochen wird sich manch altgedienter Schweizer Soldat verwundert die Augen gerieben und die Welt nicht mehr verstanden haben. Da wurden wir Aktiven der Sechzigerjahre in der Rekrutenschule und in jedem Wiederholungskurs doch stets vor die gleiche Übungsanlage gestellt: Der Feind, die Roten, will aus Osten und Norden unser Vaterland angreifen und nun gelte es, mit vereinten Kräften und den Erfahrungen aus den Siegen gegen die Habsburger am Morgarten und Sempach die Invasoren blutig zurückzuschlagen. Und jetzt wollen uns Fernsehen und Radio sowie die Printmedien klarmachen, dass die Roten gar nicht so gefährlich, im Gegenteil, sogar massiv gefährdet seien und deshalb kurz vor dem Aussterben stünden. Wer nun hinter dieser Charmeoffensive für alles Rote einen letzten Verteidigungsversuch der links unterwanderten Medien gegen die geplante Initiative der Schweizerischen Volkspartei „Vertreibt die Alt-68er von den Schalthebeln der Macht“ vermutet, verfolgt die falsche Spur. Dahinter steckt vielmehr der verzweifelte Aufruf engagierter Tierschützer, von Schweiz Tourismus und nicht zuletzt auch des Bundesamtes für Umwelt, unser Land und damit die Art Sciurus vulgaris – bei uns besser bekannt unter dem Namen „Eichhörnli“ – vor den grauen und mächtigen Invasoren aus dem Süden zu verteidigen und zu schützen.

Ja, die Immigranten sind nahe, denn sie bevölkern bereits Parks und Wälder der Lombardei, dort vor Jahrzehnten einst aus Amerika eingeführt und ausgesetzt, und versuchen nun, durch hohe Vermehrungsraten ihren Lebensraum nach Norden auszudehnen. Dazu muss man wissen, dass Grauhörnchen als echte „Amis“ nicht nur größer und schwerer sind als unsere Eichhörnchen, sondern auch cleverer und weniger spezialisiert bei der Nahrungsaufnahme. Schlechte Karten also für unsere Roten. Kein Wunder, dass der Tourismus-Direktor von Arosa bereits um seinen Eichhörnchenweg bangt. Denn was wäre dieses Dorf ohne die putzigen kleinen Roten, deren „Nüsse-aus-der-Hand-fressen-Bilder“ rund um die Welt gehen und unzählige Touristen anlocken. Aber auch der Forst muss sich warm anziehen, soll doch der Graue gemäß englischen Quellen massiven Schaden an Waldbäumen anrichten. Und nicht zuletzt überträgt er ein Parapockenvirus, das für ihn selber nicht schädlich, für seinen kleineren Verwandten aber tödlich ist. Deshalb gehört der Graue gemäß der Invasiven-Liste der Europäischen Kommission zu den 15 schädlichsten Wirbeltieren der Welt. Schrecklich, kann man da nur noch sagen und versteht die Urängste der Saarländer, von denen mehrere im Juli 2012 von einem aggressiven Grauhörnchen attackiert und verletzt wurden.

Deshalb haben die Roten – außer von Seiten italienischer Tierschützer, die sich bisher mit Erfolg gegen eine Bejagung der Grauen eingesetzt haben – gute Überlebenschancen im Kampf gegen ihre Cousins. Selbst Prinz Charles von England machte sich für sie stark und sammelte Geld für die Bekämpfung der Invasoren. So titelte die Zeitung Blick bereits im Juni 2009: „Prinz Charles erklärt Ami-Eindringlingen den Krieg.“ Dieser wird an verschiedenen Fronten geführt. Mit Gewehr, Fallen und, man lese und staune, mit Verhütungsmitteln. Hoffentlich vergreifen sich nicht unbedarfte Waldgänger an diesen, sonst könnte anstelle der Grauhörnchen das Inselvolk aussterben. Vorläufig nicht betroffen sind wir Jäger, denn weder das Rote noch das Graue gehören bei uns zu den jagdbaren Tieren. Das könnte sich aber in zehn, 20 Jahren ändern, wenn auch wir an die Grenze zur Abwehrschlacht aufgeboten werden. Deshalb ist es empfehlenswert, sich schon heute über die richtige Schrotstärke für dieses Halbflugwild Gedanken zu machen.

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Foto: wikimedia/David Iliff

Ein grauer Invasor aus der Lombardei

Möglicherweise ist das Ganze aber auch nur ein riesengroßer Sommerloch-Knüller, weil sich das Ungeheuer Nessie dieses Jahr geweigert hat, aus den Tiefen von Loch Ness aufzusteigen. Und vielleicht hat Netz-Natur-Redakteur Andreas Moser in seinem Beitrag im Schweizer Fernsehen richtigerweise vor allzu viel Präventiv-Hektik gewarnt und zum Abwarten geraten. Denn so rasch werden sich die Roten seiner Meinung nach nicht verdrängen lassen.

Suchenheil mit
dem Schweißigel

Von Kindsbeinen an war ich stets von Jagdhunden umgeben. Bereits mein Vater führte vom rassenreinen Stammbaum-Langhaardackel bis zu irgendwelchen Dackel-Terrier-Niederlaufhund-Mischlingen die ganze Palette an jagdlich firmen Vierbeinern. In meinen Jugendjahren waren sie für mich vorwiegend Seelentröster, dann etwa, wenn mich mein Vater nicht zur Jagd mitnehmen durfte, weil ich dummerweise vor den Augen meiner Mutter mit dem Luftgewehr unerlaubterweise einen Spatz vom Dachfirst heruntergeholt hatte. Später führte ich selbst eine ganze Reihe von Hunden, die allesamt meist über spezielle Charaktere verfügten und deshalb einen festen Stammplatz in unserer Familienchronik eingenommen haben. Besonders ausgezeichnet haben sich diesbezüglich die „Ultimatum-Hündin“ sowie „Praline-Kira“. Erstere ein Deutscher Jagdterrier der Sonderklasse an Schärfe und Temperament, die das Nervenkostüm meiner Angetrauten aber derart stark belastete, dass mich diese eines Morgens, als Anda wieder einmal über Stubentisch und offenes Stubenfenster hinweg einer Katze zwei Meter in den Garten hinunter nachhechtete, vor das Ultimatum stellte: „Hund oder ich!“ Mein Entscheid, damals in angewandter Psychoanalyse weiblicher Verhaltensmuster noch etwas unbedarft und unerfahren, fiel leider zuungunsten des Hundes aus.

„Praline-Kira“ dagegen war ein ruhiger Bayrischer Gebirgsschweißhund, leidlich auf der Schweißfährte, hervorragend, wenn es um die Ortung eines Schokoladenduftes ging. Eines Tages besuchte uns unsere Schwiegermutter, begleitet von einem neuen Lederkoffer und darin gut eingebettet einer Schachtel der feinsten Berner Pralinen. Als wir nach drei Stunden der Abwesenheit wieder heimkamen, lagen ein paar Pralinenförmchen verstreut auf dem Boden herum. Die Schwiegermutter folgte der verräterischen Spur bis zu ihrem Koffer, erstarrte zur Salzsäule vor dem faustgroßen Loch, das ihr entgegengähnte und brachte nur noch ein „schrecklich“ über ihre Lippen. Sie überlebte zwar den Schock, doch den Rest des Abends blieb sie sprachlos, was selten genug vorkam.

Zurzeit bereichern zwei Dachsbracken mein Leben. Da die Hündin im vierzehnten Feld steht, ist deren baldige jagdliche Abstinenz absehbar. Deshalb sollte ich mich langsam nach einem Welpen umsehen. Und das werde ich auch tun. Zwar nicht einen kaufen, aber im nächsten Frühjahr in meinem Garten eine Lebendfangfalle aufstellen, um damit einen kapitalen Rüden der Gattung Erinaceus europaeus zu fangen und als „Schweißhund“ abzurichten. Ja, Sie haben richtig gelesen, einen Igel werde ich fangen, für ihn eine spezielle Halsung und eine Schweißleine anfertigen lassen und mich dann europaweit als erstes und einziges Schweißigel-Gespann anpreisen. Denn kürzlich habe ich gelesen, dass Igel fünfmal besser riechen als ein spezialisierter Jagdhund. Was liegt da näher, als anstelle eines Hannoveraners oder einer Bracke künftig einen Igel für Nachsuchen einzusetzen. Damit liegt man total im Trend der Zeit: Entschleunigung ist angesagt. Nach Slow Food nun Slow Hunting. Vorbei die Bilder, wo Hundeführer in der Waagrechten ihrem Vierbeiner auf der Schweißfährte folgen, weil dieser übermotiviert und ungestüm der verlockenden Spur folgt. Vorbei die unerfreulichen Szenen, bei denen der geschnallte Hund, anstatt dem angeschweißten Stück einer frischen Rehfährte nachhängt. Und auch vorbei die Zeit der langen Warterei, bis endlich mit der Nachsuche begonnen werden kann. Denn bis der Anschuss mit dem Schweißigel abgesucht ist und der Abgang des beschossenen Stücks feststeht, vergeht durchaus eine halbe Stunde.

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Junger Schweißigel

Noch einen weiteren Vorteil hat so ein Schweißhundersatz. In der jagdruhigen Zeit kann man ihn problemlos einwintern und in die Ferien verreisen. Im Frühjahr steckt man das Stacheltier einfach in ein warmes Bad, führt eine Parasitenrazzia durch und schon ist es wieder einsatzbereit. Ich freue mich jedenfalls jetzt schon auf das erste Suchenheil, das meinem Schweißigel und mir nach erfolgreicher Totsuche entgegenschallt.

Jäger wählen Diana

Wieder einmal stehen große Wahlen vor der Tür. Wer das noch nicht bemerkt hat, ist entweder blind oder taub oder beides. Jedenfalls strahlen uns aus Zeitungen und von Plakatwänden herab scharenweise Frauen und Männer entgegen, die so aufgeputzt und retuschiert sind, dass sie locker an den nächsten Miss- oder Mister-World-Wahlen teilnehmen könnten. Manchmal zwar nur noch in der Kategorie Senioren++. Und in den Radio- sowie Fernseh-Talkrunden geben die kapitalsten Keiler und Leitbachen ihr Stelldichein, um mit markigem Blasen ihr Revier zu markieren und für Stimmen für ihre Rotten zu buhlen. Wir Jäger, in der Mehrheit doch eher politunbefleckte Frischlinge und Überläufer, sehen uns vor die Herausforderung gestellt, aus all den unzähligen Wägsten und Besten jene zu küren, die in den nächsten vier Jahren unsere Anliegen in der Politzirkusarena vertreten sollen. Sollten Sie Ihr Wahlrecht im kleinen Kanton Appenzell I.Rh. ausüben können, dann haben Sie es relativ leicht. Erstens war das schon immer ein Jägerkanton, hausten doch bereits vor 30.000 bis 45.000 Jahren Jäger beim Wildkirchli. Und zweitens haben die Appenzeller nur Anspruch auf einen Ständerats- und einen Nationalratssitz. Die Auswahl ist klein und die Parteien eher eine Randerscheinung, denn in Appenzell wählt man noch Köpfe. Und wenn einem jener vom Broger Sepp nicht passt, wählt man ihn halt nicht, sondern den Jock vom Oberdorf.

Wohnen Sie aber im Kanton Zürich, wird die Wahl zur Qual. Auf 34 Parlamentssitze kommen 802 Kandidierende und 30 Listen. Da soll noch einer den Überblick behalten. Als Jäger wählt man zuerst einmal jagdlich firme Kandidaten. Nur, das ist gar nicht so leicht, denn mir ist kein Kandidat, keine Kandidatin bekannt, der oder die auf einem Wahlplakat mit Erlegerbruch und Büchse neben seinem oder ihrem zur Strecke gebrachten Rehbock posieren würde. Deshalb sind Detailanalysen gefragt, beispielsweise bei den Kleinstparteien, denn da herrscht die größte Artenvielfalt. Von der Anti PowerPoint Partei über die Schweizerische Narrenpartei, die Piratenpartei, die Partei der Parteifreien, die AL und die PdA bis hin zu den Jungen Grünen und den Alten Füchsen ist alles zu haben. Nur, keine dieser Parteien erwähnt im Wahlkampf auch nur mit einem Wort die Jagd oder outet sich als unser Interessenvertreter. Also hin zu den Großen. Die Roten stehen uns farblich wohl am nächsten. Keine Gemeinschaftsjagd, an der sich nicht reihenweise rot markierte Männchen und Weibchen im Wald herumtreiben. Trotzdem, auch im Parteiprogramm der SP finden sich keine Forderungen für doppelte Renten für Jägerwitwen, Subventionen für Jagdhunde oder Schichtzulagen für Wildsaujäger. Somit ist auch das kein verlässlicher Partner für uns, genauso wie die B-, F-, G- und C-Parteien in der Mitte, die sich je nach Windrichtung mal links oder rechts verneigen. Also bleibt nur noch die Größte der Großen, die SVP, jene Partei, die vor einem Monat mit dem Volk und damit auch mit uns Jägern einen Vertrag unterzeichnet hat und bei der einige der kapitalsten Hirsche sogar jagdlich belastet sind und wissen, wie der Hase läuft. Doch leider vergrämte diese kürzlich mit ihrem Antischlitzeraufruf uns Jäger massiv, da sie damit einen wesentlichen und wichtigen Teil unseres Handwerks verunglimpfte. Denn Jäger schlitzen, zum Gewinnen von bestem Wildbret, Rehe, Wildschweine, Gämsen und Hirsche auf. Und müssen nun als Dank dafür befürchten, dass sie umgehend und ohne Wenn und Aber ausgeschafft werden. Voll krass Mann.

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Foto: wikimedia.org

Apollo und Diana (Lucas Cranach der Ältere)

Was bleibt, ist Wahlenfrust und die Tatsache, dass es für uns Jäger wohl am besten ist, dem ganzen Rummel aus dem Weg zu gehen und die Wahlzettel samt Listen zu entsorgen. Und uns weiterhin auf Diana zu besinnen. Ja, wählen wir Diana. Klar, auch sie hält nicht immer, was sie verspricht, auch ihre Zeichen sind nicht immer verständlich und launisch ist sie manchmal auch. Trotzdem, seit Jahrhunderten hat sie uns selten im Stich gelassen, ganze Jägergenerationen haben ihr Opfer dargebracht und dafür aber auch ihre Gunst erworben. Von welchem Politiker könnte man so etwas behaupten?

Tschi Lo und der Fuchspelz

Kaum sind jeweils die Jagdhörner an den landesweit stattfindenden Hubertusmessen verklungen, werden die Jagdzeitschriften vom winterlichen Dauerbrenner belegt. Schauerlich wie der Ranzruf unseres Rotfuchses in eisigkalter Winternacht tönt dann das Wehklagen über die im Keller liegenden Fellpreise und die bösen Tierschutzorganisationen, die mit ihren undifferenzierten Antipelz-Aktionen den drastischen Wertzerfall zu verantworten haben. Im positiven Gegenlicht werden daneben die Anstrengungen des Pelzfachverbandes SwissFur abgehandelt, der mit gezielten Kampagnen gegen die Geringschätzung heimischer Freilandpelze ankämpft und dazu von den Schweizer Jägern 400 Fuchsfelle übernimmt und verarbeitet. Damit werden dann einige einheimische, deshalb aber nicht minder hübsche Models eingepelzt. Anschließend lässt man diese über einen Laufsteg wechseln, verbunden mit der Hoffnung, dass sich im kommenden Winter die halbe Schweiz in Fuchspelz „hunted in Switzerland“ kleiden wird. Parallel dazu darf jeweils Jagdaufseher Karl Zbinden, 86, seine tiefschürfende Lebenserfahrung kundtun, die da lautet, früher sei alles ganz anders gewesen, denn für einen Fuchs habe er so viel erhalten, dass er mit der Strecke eines Winters seine ganze zehnköpfige Familie ernähren konnte.

Wie dem auch sei, trotz SwissFur, Karl Zbinden und 40.000 Füchsen, die jährlich in der Schweiz ihr Leben lassen müssen, sieht es mit dem Absatz von Fuchsbälgen aus Schweizer Jagd derart trostlos aus, dass an den Fellmärkten mehr Umsatz mit heißen Maroni als mit Fellen erzielt wird. Deshalb wandern nach wie vor die meisten Füchse samt Pelz in Begleitung von ausrangierten oder totgeborenen Schweinen und Hühnern in die Kadaververbrennung und heizen, anstatt unserer Damenwelt, die Atmosphäre auf. Nur ein minimaler Rest fristet als gefärbter „Grünfuchs“ oder als getigertes „Katzenfell“ ein diskretes Leben am Hals einer Schönen. Und der Tierschutz hat einmal mehr obsiegt, was ja auch nicht verwundert, wenn man einen derart lapidaren, dafür aber einprägsamen Werbeslogan sein eigen nennt: „Lieber nackt als im Pelz!“ Dazu werden Models der obersten Preisklasse als Werbeträger engagiert, die sich nicht nur balglos vor der Kamera präsentieren, sondern sich auch nicht scheuen, den frisch gestreiften Kern eines Fuchses der potentiellen Pelzträgerin entgegenzustrecken.

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Foto: SwissFur

Fuchspelz aus einheimischer Jagd ist besonders kuschelig.

Ab sofort wird jetzt aber alles ganz anders. Ehemalige Anti-Pelz-Nackedeien wie Supermodel Naomi Campbell haben ins Pelzlager konvertiert. Wohl nicht aus moralischen Gründen, sondern weil sie von dort mehr Dollarscheine bekommen. Und Tschi Lo (Jennifer Lopez) umschmeichelt ihren traumhaften Körper nicht nur mit Fuchspelzen, sondern garniert ihre berauschenden Augen mit verlängerten Wimpern aus Fuchsgrannenhaaren. Was ihr umgehend auf der Homepage der Tierschutzorganisation Peta den netten Schmähsatz eingetragen hat: „Wenn du willst, dass man deine Augen betrachtet, J. Lo, brauchst du keine künstlichen Wimpern aus Fuchspelz zu tragen. Bedecke einfach nur deine Brüste.“ Nun, Brüste, Augen und Wimpern hin oder her, für uns Jäger ist einzig und allein von Bedeutung, dass Topmodels wieder Fuchspelz tragen und damit absatzwirksam auch für Freilandfüchse aus heimischer Jagd werben.

Und sollte das alles doch nichts bringen, dann hilft nur noch Eigeninitiative. Machen wir es unseren Bauern nach. Deren Kalender mit leichtgeschürzten Jungbäuerinnen ist ein Riesenerfolg. Weshalb nicht unsere wohlgeformten Töchter in Fuchsfelle kleiden, ablichten und daraus einen Jägerkalender machen? Klar, ein Fuchsfell und ein Schweizer Meiteli ergeben zusammen noch keine Naomi Campbell, keine Tschi Lo. Aber wenn jeder Jäger nächste Weihnachten seinen lieben Bekannten und Verwandten einen solchen Kalender unter den Tannenbaum legt, kommt locker eine halbe Million zusammen. Und mit diesen Geldern finanzieren wir unsere Kampagne: „Von Kopf bis Fuß auf Swiss Fox eingestellt.“ Und gehen natürlich mit gutem Beispiel voran. Wenn schon unsere liebe Angetraute nicht als Pelzträgerin herhalten will, weshalb nicht wenigstens eine Fuchsdecke auf dem Ehebett oder dem Sofa in der guten Stube. Bei 30.000 Jägern kommen da locker mal 600.000 Fuchsfelle zusammen. Das ist die verwertbare Strecke von 25 Jahren. Und nachher beginnt, Motten sei Dank, der Zyklus von neuem.

Von Menschen und Jägern

Zu Recht haben der Mensch und seine Integrität in unserem Kulturkreis einen hohen Stellenwert. Ehrverletzung und Rufschädigung genügen bereits, um Juristen zu aktivieren. Ist der Mensch ein Jäger, sieht es etwas anders aus. Das zeigen beispielsweise einschlägige Internetseiten aus Deutschland. Da kann man lesen, dass es den Jägern „nicht ums ökologische Gleichgewicht, sondern ums Morden geht“ und „haben sich die Jäger erst einmal in ihren Blutrausch hineingesteigert, kennt das Morden keine Grenzen mehr“. Damit ist klar: Jäger sind Mörder. Und das wird dann auch völlig straffrei in die ganze Welt hinausposaunt. Was logischerweise zur Schlussfolgerung führt, Jäger sind gar keine Menschen.

Neuere Forschungen widerlegen das. Auch Jäger gehören zur Spezies Homo sapiens, denn sie können sich mit diesem fortpflanzen und die Nachkommen sind weiterhin zeugungsfähig. Somit ganz anders als beim Rackelwild. Damit steht der jagende Mensch seinen Mitmenschen klar näher als ein Schimpanse. Aber, und das ist entscheidend, der Jäger verfügt über drei Gene, welche die Evolution in die Neuzeit nicht mitgemacht haben.