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Ernst N. Müller

Die Wirtschaftspresse lesen mit Gewinn

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Ernst N. Müller

Die Wirtschaftspresse lesen mit Gewinn

Praktischer Ratgeber
für Ihren
finanziellen Erfolg

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Nachdruck 2012

© 2001 by Wirtschaftsverlag Carl Ueberreuter, Wien/Frankfurt

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Foto kopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Druck: Books on Demand GmbH, Norderstedt

ISBN Print 978-3-86881-430-9

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter

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www.muenchner-verlagsgruppe.de

Inhalt

Vorwort

Der Grundstock

Gewinn mit Optionen

Die Strategie des Zeitunglesens

Information ist wichtig

Praxis

Zeitungleser wissen mehr

Über das Risiko

Wertpapier-Risiken

Favoriten

Branchenlieblinge

Der Erfolg

Discount-Broker

Finanzplan erstellen

Schlitzohr und Schlaumeier

Hintertürchen

Aktienkauf auf Pump

Spekulationen

Börsenregeln

Trittbrettfahrer

Mauerblümchen

Alltag

Lockvögel

Die Nase

Perverse Evergreens

Der Wert einer Aktie

Wer macht die Börsenkurse?

Abstauberlimit

Konjunktur = Börsenkurs

GM und der Rest der Welt

Briefmarken als Kapitalanlage

Börse und Mode

Der Insider

Die Sache mit den PS

UHV-Anhänger

Die Chartisten

Helden sind nicht gefragt

Freude am Erfolg

Wie im Irrenhaus

Priester und Ministrant

Fußballtrainer mit Holzbein

Bereit zum Sprung

Optionen-Strategien

Die Rechnung der andern Art

Ozonloch und Börse

Land in Sicht

Sternstündchen

Gigantisches Chaos

Spiel ohne Grenzen

Augen auf!

Jeder kann reich werden!

Ihre Chancen stehen bestens!

Kassensturz

Verzeichnis von Finanzperiodika

Quellen

Vorwort

(2., aktualisierte Auflage)

Auch heute noch, im Zeitalter von Internet und E-Mail, ist der Umgang mit Geld kein Schulfach, obwohl gerade das Wissen um die inneren Zusammenhänge von Wirtschaft und Konjunktur, von Geld und Börse, von Gold und Sicherheit auch dem Laien ermöglichen würde, sich auf die Unbilden des Alltags vorzubereiten und die angeborene Scheu vor finanziellem Wagnis und Risiko abzubauen, denn genau dieses Wissen ebnet den Weg in eine prosperierende Zukunft und öffnet das Tor zu persönlichem Erfolg und Wohlstand.

Nun, was braucht es denn alles, um mit verhältnismäßig kleinem Kapitaleinsatz und einem soliden Grundstock an fachlichem Wissen reich zu werden, sozusagen von der grauen Maus Nobody in die Sphären der Reichen und Besitzenden aufzusteigen?

Damit das komplexe globale Geschehen in der Wirtschaft, der verzwickt scheinende Mechanismus der Börsen durchschaubar und auch nachvollziehbar wird, bedarf es in erster Linie des gründlichen, systematischen Lesens der Tageszeitungen, und hier vor allem des Wirtschaftsteils.

Jedes Land hat seine einschlägig führenden Gazetten: für die Schweiz seien stellvertretend die „Neue Zürcher Zeitung“, „Finanz und Wirtschaft“ sowie die „Schweizerische Han delszeitung“ genannt; für die Bundesrepublik Deutsch land die „Frankfurter Allgemeine“ und das „Handelsblatt“, für Großbritannien die „Financial Times“ und für die USA das „Wall Street Journal“.

Dieses Buch zeigt Ihnen, wie man sich die erforderlichen Informationen und das nötige Rüstzeug beschafft. Es weist den Weg, wie man auch nach dem großen Börsen-Crash vom Oktober 1987 und dem andern ominösen Oktober-Wochenende zwei Jahre später mit etwas Mut, Fleiß und „Köpfchen“ zu Vermögen kommen kann, denn die Chance, an der Börse reich zu werden, ist gegenüber dem Sparheft des kleinen Mannes auch heute noch tausendmal größer.

Dieser Ratgeber für den Alltag gibt dem Leser aber nicht nur praktische Hilfestellung beim Abbau von Hemmungen und der Überwindung von Schwellenangst im täglichen Verkehr mit Geld, sondern begleitet ihn auch anhand vieler Beispiele aus einer langjährigen Praxis bei der Klärung von Missverständnissen im Umgang mit Zeitungen, Geld und Börse.

Das Buch richtet sich vor allem an den in Börsengeschäften noch ungeübten, jedoch lernwilligen Zeitungleser und begleitet ihn auf dem Pfad zum finanziellen Erfolg.

Ernst N. Müller

Der Grundstock

Unzählige Male schon bin ich gefragt worden, wie viel Geld man eigentlich brauche, um an der Börse ein Vermögen zu machen. Nun, da man in den seltensten Fällen seine Eltern selber auswählen kann und viele Banken die Auffassung vertreten, für die Eröffnung eines Börsenkontos wären 100.000 DM/Franken eine annehmbare Basis, kann ich Sie trösten: ein Tausender (in Zahlen: 1000) reicht aus, um den Grundstock zu legen für ein Millionenvermögen. Man soll das Rad nicht zweimal erfinden; darum gestatten Sie, dass ich Sie nicht mit einem Epos über die Metamorphose der Menschheit und die Entstehungsgeschichte von Geldhandel und Kreditwesen bemühe.

Dass Macht immer auch mit Geld und Besitz einhergeht, erfahren wir ja tagtäglich aus unseren Medien. Bleiben wir also einen Moment bei den Printmedien. Eine Zeitung gliedert sich je nach Umfang in einzelne ineinander gefaltete Teile, genannt Bünde. Davon ist mindestens einer der Wirtschaft gewidmet: der Wirtschaftsteil. Und diesen Wirtschaftsbund wollen wir jetzt etwas näher betrachten. Nun ist aber gerade im Wirtschaftsteil die Unabhängigkeit einer Zeitung am labilsten, das heißt: je nach politischem Credo der Chefredaktion oder des Verlegers wird ein genau festgelegtes Konzept verfolgt. Ähnlich einem Fotoobjektiv, dem ein Farbfilter vorgeschaltet ist. Beim Betrachten des Farbfotos ist dann zwar alles detailgetreu abgebildet, jedoch durch den falschen Filter in nicht der Realität entsprechen den Farben. Ein solches Foto vermittelt uns ein Trugbild der Realität, ist also Makulatur. Jeder Amateur würde die Annahme dieses Bildes mit Recht verweigern. Seltsamerweise florieren gewisse Blätter aber ausgerechnet wegen dieser Farbenblindheit ihrer Leserschaft! Nun muss ich bei meinen Lesern „Normalsichtigkeit“ sowie objektives Farberkennen voraussetzen, denn für den Erfolg in Geldsachen ist es unabdingbar, dass bei der Wahl der auszuwertenden Zeitungen diesem Faktor allererste Priorität eingeräumt wird. Der Einfachheit halber habe ich mich nach jahre langem Pflichtlesen der wichtigsten internationalen Publikationen entschlossen, diesem Buch die „Neue Zürcher Zeitung“ zugrunde zu legen, weil sie diesen Kriterien am ehesten gerecht zu werden scheint. Selbstverständlich kann auch jede andere renommierte Tageszeitung mit Wirtschafts teil beigezogen werden, sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in Österreich.

Wie beschafft man sich Informationen? Was sind überhaupt Nachrichten? Da der Mensch von Natur aus ein gesundes Maß an Neugierde mit auf den Weg bekommen hat, will er wissen, was wie wann wo und warum geschieht oder geschehen ist. Und basierend auf der Befriedigung dieser Neugierde sind unsere heutigen Medienkonzerne und Nachrichtenimperien entstanden. Wie gesagt: nur eine seriöse Tageszeitung garantiert umfangreiche, objektive Berichterstattung. Sie hat Zugriff auf alle internationalen Presseagenturen und unterhält ein breit gefächertes Korrespondentennetz, verteilt über den ganzen Globus. Steht nun beispielsweise eines Tages im Wirtschaftsteil der Zeitung die Meldung, in Brasilien sei die Kaffee-Ernte durch starke Fröste oder Regen fast vollständig zerstört worden, so ist dies vor allem ein gewaltiges Problem für die Brasilianer.

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Gewinn mit Optionen

Nun weiß man, dass die jungen Kaffeepflanzen gegenüber den Unbilden der Witterung äußerst empfindlich sind und ein neugepflanzter Kaffeebaum erst nach fünf Jahren die ersten Früchte tragen wird. Wir im fernen Europa können uns kaum vorstellen, was dies für ein Land bedeutet, wenn fast die Hälfte seines gesamten Exports sozusagen über Nacht vernichtet worden ist.

Zeitungleser A. liest diese Meldung vom Unwetter in Brasilien. Sofort denkt er, sein Espresso könnte bald teurer werden. Gemach – Kaffee wird morgen sicher nicht teurer, auch nicht übermorgen und nicht in einer Woche. Aber vergleichen Sie doch morgen in Ihrer Zeitung auf der Seite „Waren- und Finanzmärkte“ unter der Rubrik Nahrungs mittel die Position Kaffee C (NYCSCE) mit den heutigen Notierungen. Leider ist es dann zu spät!

Zeitungleser B. liest die gleiche Gazette. Sowie er die Unwettermeldung aus Brasilien entdeckt, kräuselt ein fast unmerkliches Schmunzeln seine Lippen. Er lässt die Zeitung sinken und zündet genüsslich eine Davidoff-Zigarre an!

Was wollen uns diese zwei fiktiven Beispiele sagen? Im ersten reagierte Herr A. in einer Art Torschlusspanik. Und da anzunehmen ist, dass die meisten Mitmenschen, die diese Meldung lesen, fast identisch reagieren, sozusagen Par alleldenker sind, könnte es in der Folge tatsächlich zu einem Run auf die Kaffeeläden kommen.

Nun sind aber Importeure, Grossisten und Händler durch große Vorräte in ihren Tanklagern gegen Engpässe dieser Art gewappnet. Es müsste also noch geraume Zeit verstreichen, bis die große Nachfrage das Angebot einholen kann. Die eigentliche Verknappung entsteht lediglich zwischen Erzeuger und erstem Abnehmer, denn Rohkaffee wird von den Farmern und Plantagenbesitzern in staatliche Lagerhäuser geliefert, und von diesen Reservoirs aus erfolgt dann die weltweite Distribution. Staatlich deshalb, weil so die Produzenten vor einem allfälligen Preisverfall auf dem Weltmarkt geschützt sind, ähnlich wie die Bauern in der EU. Nun geschieht aber das Ganze nicht aus purer Nächstenliebe, wenn man bedenkt, dass der Kaffee-Export die wichtigste Devisen-Einnahmequelle Brasiliens ist.

In unserem Kaffee-Beispiel hat Herr B. allen Grund zum Schmunzeln, weil er rechtzeitig vorgesorgt hat: als aufmerksamem Zeitungleser ist ihm nicht entgangen, dass die Meteorologen in Brasilien für die nächsten Tage mit Unwetter gerechnet haben. Sofort nach dem Lesen dieser Meldung, die von den meisten Lesern unbeachtet geblieben ist, hat er seinen Broker beauftragt, für ihn Optionen auf Kaffee-Kontrakt C zu ordern. Und mit einem Einsatz von lediglich 900 hat er in nur fünf Tagen einen Gewinn von sagenhaften 650 realisieren können, was nach Adam Riese unter dem Strich 72 % Gewinn sind. Da darf er sich zur Feier des Tages doch sicher die Extravaganz einer Davidoff-Brasil gönnen!

Erinnern Sie sich noch, als die Diskussionen um den Katalysator für PKWs hohe Wellen schlugen? Wer damals Platin, den eigentlichen Aktivator des „Kat“, gekauft hat, lag sehr gut im Rennen um den Mammon. Und wer ganz klug war, der deckte sich mit Platinminen-Aktien ein. Der Pfiffigste von allen aber buchte Optionen auf Platinminen-Aktien.

Ein Bekannter von mir, dem ich damals die angespannte Lage auf dem Platinmarkt geschildert habe, hat meinen Ratschlag befolgt – er ist dann nach drei Wochen von Opel prompt auf Porsche 911 Turbo umgestiegen. Die Flasche Dom Perignon, die er mir in seiner Euphorie spontan versprochen hat, ist er bis auf den heutigen Tag noch schuldig …

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Die Strategie des Zeitunglesens

Kein Mensch kann von sich im Ernst behaupten, er habe das absolute Gedächtnis, indem er sämtliche Ereignisse, Vorgänge, Zahlen und Daten sicher und unauslöschlich im Hirn speichern kann, quasi wie eine gigantische Registratur mit Milliarden kleiner Schubladen, die er bei Bedarf mit sicherem Griff nur so herauszuziehen braucht. Deshalb bedient er sich geeigneter Hilfsmittel. Früher waren es Karteikarten, heute erfüllen Computer diesen Zweck.

Bevor Sie nun loslegen mit dem Geldscheffeln, sollten Sie sich noch eine große Weltkarte mit Zeitzoneneinteilung zulegen und sie am besten auf eine Sperrholzplatte aufziehen. Dann fehlen nur noch Stecknadeln in möglichst vielen Farben, und neben die Weltkarte kommt eine mit Kreide beschreibbare Magnettafel, erhältlich in Fach geschäften und Warenhäusern, auf der man mit Metall scheibchen Notizzettel befestigen kann. Ein paar A4-Leitz-Ordner vervollständigen die Grundausrüstung. Wer will, kann noch eine kleine Digitaluhr neben die Weltkarte pinnen, damit er weiß, was es wann in Fernost geschlagen hat.

Nachdem Ihre Ausstattung komplett ist, gilt es nun, beim Auswerten der vielen täglichen Meldungen, Nachrichten und Kommentare die Spreu vom Weizen zu sondern.

Achten Sie das Nächstemal im Café oder in der Straßenbahn, wie ältere Leute ihre Zeitung lesen. Die meisten Damen halten es mit den Arabern und beginnen hinten, nur steht bei den in Arabisch gedruckten Zeitungen dort der Leitartikel, in unsern Landen jedoch beginnen im hintern Teil die Todesanzeigen.

Die Senioren suchen natürlich immer zuerst nach dem Sportteil, denn man möchte halt immer noch auf dem Laufenden sein. Ein bisschen wie bei den Eunuchen: man weiß zwar wie’s geht, jedoch mit dem Können hapert’s …

Wie liest nun der Erfolgreiche seine Zeitung? Zuerst überfliegt er diagonal Seite um Seite, also von links oben nach rechts unten. Er lenkt seinen Blick auf die Haupt- und Untertitel, dabei merkt er sich die für ihn wichtigen bezüglich Aktualität und Thematik. Dazu benützt er einen farbigen Marker, damit er beim Feinrasterlesen keine Zeit verliert mit Suchen. Nach diesem Grobra sterlesen weiß er, welche Artikel er später noch genauer unter die Lupe nehmen muss.

Dieses Diagonallesen hat gegenüber der konventionellen Methode, also Artikel um Artikel zu konsumieren, zwei ganz enorme Vorteile: erstens bringt es großen Zeitgewinn, zweitens ist bereits aller Ballast über Bord, sodass man sich anschließend aufs Wesentliche konzentrieren kann.

Erfolgsmenschen lesen mehr, viel mehr! Während das Fußvolk ob einer Hiobsbotschaft noch das Elend dieser Erde bejammert, sich in masochistischer Manie am Weltschmerz delektiert, hat der Erfolgreiche, der gutinformierte Taktiker, bereits den Telefonhörer in der Hand und erteilt seiner Bank die erforderlichen Orders für eine gewinnver sprechende Transaktion.

Um an die für den finanziellen Erfolg benötigten Informationen heranzukommen, bedarf es keines okkulten Geheimbundes, keiner verschworenen Bruderschaft oder ominösen Loge. Ein Quäntchen Intelligenz, ein bisschen Logik, eine zünftige Portion gesunder Menschenverstand und – dies vor allem – ein enormes Maß an Wissensdurst, vielleicht noch ein Schuss Gamblerblut sind die unabding baren Voraussetzungen auf dem Weg zum finanziellen Erfolg und einer positiven, ersprießlichen Zukunft.

Oft liegt das Geld ja gar nicht auf der Straße, sondern es wird per Zeitungsabonnement frei Haus geliefert. Gerade renommierte Tageszeitungen mit ihren fundierten Kommentaren von kompetenten Marktbeobachtern über globales Wirtschaftsgeschehen, Börsentrends und Rohstoffpreisentwicklungen, über Konjunkturtendenzen und Zinsperspektiven liefern aussagekräftige Parameter zur entscheidenden Weichenstellung für den finanziellen Erfolg und zu Dispositionen, die den Schlüssel zum sprichwörtlichen Sesam-öffne-dich sein können.

Rechtzeitige, zuverlässige Informationen können oft nicht nur Geld, sondern pures Gold wert sein! Zugegeben, effizientes Zeitunglesen ist nicht immer ganz leicht. Was ist Wahrheit, was Gerücht? Objektive Information wertneutral zu destillieren ist die Ultima Ratio des Gewinn bringenden Zeitunglesens. Diese Fähigkeit wird einem nicht in die Wiege gelegt, sondern man muss sie sich mit großem Fleiß und zäher Ausdauer erarbeiten. Einige mögen ob der Komplexität der Materie gleich zu Beginn resignieren und mutlos das Handtuch werfen. Wer so verfährt, ist auch den Erfolg nicht wert.

Ich kenne einen sehr erfolgreichen Geschäftsmann, der seine Discountladenkette verkauft hat und nun mit dem Erlös noch mehr Geld verdient als vorher mit seinen vielen Läden. Dies kann er aber nur, weil er permanent am Ball bleibt, sich täglich aufs Neue informiert durch umfassendes Lesen und Auswerten des Gelesenen. Daneben widmet er sich der Schriftstellerei, schreibt Glossen und Prosatexte, wozu er früher nie Gelegenheit hatte, und betätigt sich als freier Mitarbeiter bei Rundfunk und Fernsehen.

Etwas vom Faszinierendsten, zugleich aber auch vom Schwierigsten, ist, Aktienkurse mit Informationen zu vergleichen, oder umgekehrt aus Informationen Schlussfolgerungen zu ziehen und mit dem Verlauf der Börse in Relation zu setzen. Zum Beispiel rauscht eines Tages die Meldung durch den Blätterwald, ein Finanz-Tycoon aus dem Tessin möchte die Firma XYZ übernehmen. Wie reagiert nun die Börse? Steigen die XYZ-Namen-Aktien schneller und höher als die Inhaber-Papiere? Wie verhalten sich die Partizipationsscheine?

Wer nun seine grauen Zellen auch nur etwas bemüht, wird unschwer feststellen können, dass sich der Mann bestimmt sehr gut informiert hat, bevor er diesen gewichtigen Schritt wagte, denn der ganze Deal kostet ihn immerhin einige hundert Millionen, und wer so viel Geld ausgibt, der kann bestimmt auch rechnen und lesen!

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Information ist wichtig

Kennen Sie Mister Nigel Rudd und Mister Brian McGowan? Ich auch nicht, bis 1982, als die zwei Gentlemen aus Wales für einen Pappenstiel eine völlig ruinierte Gießerei gekauft haben. Bereits nach einem Jahr war der konkursreife Betrieb wieder aus dem Schneider. Die beiden haben stets eifrig Zeitungen gelesen und Ausschau gehalten nach andern für tot erklärten Gießereien. Angesichts der weltweiten Stahlkrise galten sie im Bekanntenkreis für meschugge, als von allen guten Geistern verlassene Gesellen, denen auch noch der allerletzte Funken gesunder Menschen verstand abhanden gekommen sei.

Die Gentlemen ließen sich aber nicht beirren und wurden bald wieder fündig auf ihrer Suche. Diesmal waren es die Ley Foundries, die auf dem letzten Loch pfiffen. Nigel und Brian schlugen zu, und nach einer Rosskur und diversen Sanierungsmaßnahmen schrieb der jetzt florieren de Betrieb wieder schwarze Zahlen. Sie nannten die Firma fortan Williams Holding (WH), und wer wollte, der konnte Aktien kaufen, das Stück zu 7 Pence. Zwar lief jetzt alles wie am Schnürchen, war aber für die beiden Draufgänger noch lange nicht das Gelbe vom Ei. Also beschlossen sie, „jetzt allen Ernstes zum Aufbau eines lebensfähigen Konglomerats zu schreiten“. Und wieder Zeitungen lesen, wieder mit Sperberaugen auf dem Hochsitz Ausschau halten. Doch mit dem Erfolg stieg auch ihr Wagemut: Garford Lilley und J&HB Jackson wurden übernommen, Rawlplag und Crown von Reed International sowie Swish und Polycell in die Scheune gefahren. Inzwischen wurde über eine halbe Milliarde (!) Pfund für Zukäufe ausgelegt, unterstützt natürlich vom weltweiten Aktienboom. Wer die Chronolo gie dieser Erfolgsstory in der Zeitung von Anbeginn verfolgt hat und aus Sympathiebezeugung gegenüber diesem Pioniertandem oder aus welchen Gründen auch immer für 1000 Franken oder DM Aktien gekauft hat, als sie noch wohlfeil für 7 Pence zu haben waren, konnte sich, hätte er im Sommer 1987 Kassa gemacht, so gegen 50 000 aufs Konto überweisen lassen. Also ein Gewinn von gegen 5000 Prozent!

Aber wer wechselt schon mitten im Rennen das Pferd! Die meisten haben den Kulminationspunkt verpasst und mussten mitansehen, wie um den katastrophalen 19. Oktober 1987 der Wert ihres Aktienportefeuilles dahin schmolz wie Schnee an der Märzsonne. Auch die WH-Papiere blieben von diesem Tauwetter nicht verschont: mit 190 Pence hatten sie die Talsohle erreicht. Viele WH-Aktionäre bekamen kalte Füße und versilberten ihren bis dahin so sorgsam gehegten Schatz zu Bestens-Orders, bar jeder Vernunft. In solchen Momenten offenbart sich der ambivalente, brutale Charakter der Börse, wenn alles rennet, rettet, flüchtet. Der von der Massenpsychose Mitgerissene versucht um jeden Preis, seine Anteile auf Biegen oder Brechen an den Mann zu bringen, und übersieht dabei völlig, dass er ja nur verkaufen kann, wenn er auch einen Käufer findet, der ihm seine Papiere abnimmt. Es braucht immer zwei für einen Tango! Und genau hier liegt die Krux: jeder glaubt doch, der andere sei der Dumme. Der lachende Dritte aber ist immer die Bank, die Unsummen an Kommissionen einstreicht.

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Um bei der WH-Holding zu bleiben: wer seine WH-Titel nicht veräußert, sie also über die Klippen des Oktober-Crashs hinweggerettet hat, sieht sich heute für sein Stehver mögen fürstlich belohnt. Und wer eifrig Zeitungen studiert hat, musste aufhorchen, als er lesen konnte, die WH-Holding emittiere eine 100-Millionen-Pfund-Anleihe – mitten in den Crash-Nachwehen!

Doch es geht noch weiter: das Kurs/Gewinn-Verhältnis stand für 1989 auf 11, die Nettodividende lag bei 10 Pence. Dazu meinte ein Londoner Analyst: „Es ist außerordentlich schwierig, hier eine echte Schwachstelle zu entdecken, zumal die Expansion (…) fortschreitet und so das Risiko streuen hilft.“

Was will uns diese Bilderbuchstory sagen? Ohne Fleiß kein Preis, ohne Information kein Erfolg. Bei der Aus wertung eines Zeitungsartikels ist vor allem eines wichtig: die Strategie der optimalen Selektion des Gelesenen.

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Praxis

Ich nehme an, dass Sie Ihre Weltkarte bereits aufgezogen haben und die bunten Stecknadeln in Griffnähe sind. Was noch fehlt, ist eine Kladde, also ein „Schmierheft“. Die allseits bekannten karierten Schulhefte im A5-Format erfüllen diesen Zweck aufs Beste. Als Trockenübung soll uns die Kaffee-Meldung von vorhin dienen: „Unwetter ver nichtet Kaffee-Ernte in Brasilien.“ Nun befestigen Sie mit einer roten (Achtung, Gefahr!) Stecknadel ein Papierchen in Brasilien (São Paulo). Falls nur einfarbige Stecknadeln zur Verfügung stehen, versieht man sie mit farbigen Papierstreifen. Notieren Sie darauf Datum und Betreff, in unserm Fall beispielsweise also „Kaffee/Unwetter“.