Cover

Über dieses Buch:

Es soll ein besinnliches Fest mit Freunden und Verwandten werden, die sich im entlegenen Farmhaus von Familie Moon versammeln. Doch seit der Ankunft von Clovers Schwiegermutter hat sich die Stimmung merklich verändert: Die sonderbare Violet, die angeblich Kontakt zu Geistern aufnehmen kann, macht alle Anwesenden nervös. Als ein Schneesturm jegliche Verbindung zur Außenwelt abreißen lässt, sitzt die kleine Gesellschaft fest – und findet plötzlich im Keller des Hauses eine Leiche ... Violet scheint die Tote zu kennen – weiß sie mehr, als sie vorgibt?

»Eiskalt enthüllt Gillian White Geheimnis um Geheimnis – ein erstklassiges Buch, scharfsinnig, intelligent und voller Spannung.« Bookshelf

Über die Autorin:

Gillian White stammt aus Liverpool und arbeitete mehrere Jahre als Journalistin, bevor sie sich ganz dem Schreiben von Romanen widmete. Mit ihrem Mann und zwei Hunden lebt sie in Totnes, Devon. Vier ihrer Romane wurden vom britischen Fernsehen erfolgreich verfilmt.

Bei dotbooks veröffentlichte sie ihre Romane »Das Ginsterhaus«, »Denn du bist mein«, »Hexenwiege«, »Ein unheimlicher Gast«, »Das Familiengrab«, »Das Hotel bei den Klippen«, »Der Peststein«, »Du kannst uns nicht entkommen«, »Die Einsamkeit der Lüge« und »Der Nachmieter«.

***

eBook-Neuausgabe Januar 2017

Copyright © der Originalausgabe 1998 Gillian White

Die englische Originalausgabe erschien 1998 unter dem Titel »The Sleeper« bei Bantam Press, London

Copyright © der deutschsprachigen Erstausgabe 2000 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2016 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von shutterstock/Chrislofotos und Helen Hotson

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mh)

ISBN 978-3-95824-888-5

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

***

Wenn Ihnen dieser Roman gefallen hat, empfehlen wir Ihnen gerne weitere Bücher aus unserem Programm. Schicken Sie einfach eine eMail mit dem Stichwort »Der Fluch der alten Dame« an: lesetipp@dotbooks.de (Wir nutzen Ihre an uns übermittelten Daten nur, um Ihre Anfrage beantworten zu können – danach werden sie ohne Auswertung, Weitergabe an Dritte oder zeitliche Verzögerung gelöscht.)

***

Besuchen Sie uns im Internet:

www.dotbooks.de

www.facebook.com/dotbooks

blog.dotbooks.de/

Gillian White

Der Fluch der alten Dame

Roman

Aus dem Englischen von Doris Styron

dotbooks.

Prolog

Stille und Warten, aber eine besonders tiefe Stille und ein Warten mit angehaltenem Atem.

»Ist im Geiste jemand bei uns?«

Und das öde Gefühl ungenutzter Esszimmer, in denen ein etwas lauteres Ausatmen schon wie ein derber Rülpser klingt. Schwere, braune Dralonvorhänge, an denen der Geruch alter, trockener Krümel haftet, bieten Schutz vor dem rauen Wetter, das draußen vor dem Erker wütet und sich trotzdem heulend hereindrängen will.

»Ist jemand im Geiste bei uns?« Die ungeduldige Stimme des Mediums bringt klar zum Ausdruck, es sei nicht bereit, Unfug von aufsässigen Geistern oder auch von eventuell an diesem Nachmittag anwesenden geliebten Verstorbenen zu dulden. Das wird nicht hingenommen. Auf keinen Fall. Denn man weiß ja, dass die verstorbenen Lieben für ihre Scherze bekannt sind.

Mit strenger Miene hält sie den Kopf gesenkt, ist aber ganz aufmerksam. Hinter ihr erhebt sich der gerundete Rand des Korbstuhls wie ein Hornpanzer, sie könnte fast eine Schildkröte sein. Wie mit den Augen eines Reptils starrt sie erwartungsvoll und unverwandt in die Kerzenflamme. Der Korbsessel hinter ihr ächzt anheimelnd und tröstlich, während sie wartend in der Kälte sitzen.

Auf ihrem Kopf stehen die bei älteren Damen, die sich bei Kaffeefahrten zusammenfinden, so beliebten seltsam geringelten Löckchen wie Fragezeichen und fein wie Schamhaar in die Höhe. Diese Frisur ist Audreys Werk. Audrey hat einen der wenigen Salons in Torquay, die noch solche Dauerwellen machen. Sie hat Haarspray in Plastikflaschen, die Amami-Welle und Metallwickler, von denen man unter der Trockenhaube am Hals Brandstellen bekommt, und sie entlässt ihre Kundinnen mit schmerzenden rosa Flecken am Nacken.

Die Hände, die das Medium auf den Tisch legt, sind alt, älter als das Gesicht darüber, auf dessen dünner Pergamenthaut das Rouge der Wangen leuchtet. Die Hände tragen die Spuren der Zeit, Verfärbungen, von Jüngeren gefühllos Altersflecken genannt. Zehn Nägel mit durchsichtigem Nagellack glänzen im Licht wie zehn Schalen, die allein auf einem polierten ovalen Tisch liegen und blutleer wirken, weil sie leicht auf die Oberfläche drücken.

Es ist ein Raum, bei dem man sich kaum die Mühe machen würde, ihn mit dem Staubsauger zu reinigen. Vielleicht würde man alle zwei Wochen einmal den Teppichkehrer nehmen, aber es wäre nicht nötig, den Staubsauger herauszuholen. Trockene alte Brosamen, von Gurkenscheiben ein wenig angefeuchtet, aber von den Gerüchen im Raum wird man durch den Gegenstand abgelenkt, der in der Mitte des Tisches thront – dem Kerzenleuchter mit zwei von der Mitte weit nach außen schwingenden Armen. Das Licht von zwei weißen Kerzen durchdringt die Dunkelheit, umgibt sie mit einer Aura. Sie rauchen sanft und lassen leise zitternd eine lilienweiße Milch wie reine, unschuldige Tränen heruntertropfen.

Neben dem Leuchter steht ein einzelnes Glas Wasser vor dem Medium, das im Licht aussieht, als schwämmen blasse Fische unter der Wasseroberfläche, aber niemand kümmert sich darum, sie sind daran gewöhnt; so kommt es eben aus dem Hahn, das Wasser der jetzt privat betriebenen Stadtwerke.

Der Gegenstand im Raum, von dem absolute Stille ausgeht, ist eine Palme auf einem prachtvollen Blumenständer in der Ecke am Kamin. Sie stammt von einem Flohmarkt und hat sich in den fünf Jahren als Zimmerpflanze im Haus erstaunlich gut entwickelt. Das elektrisch betriebene Feuer im Kamin ist ebenfalls geräuschlos, obwohl es im Einklang mit den Kerzen zu flackern scheint, weil zusammengeknüllte rote Papierbälle darum herumliegen.

Eine Möwe schreit. Das Medium rutscht leicht auf dem Stuhl umher. Wieder ächzt der Korbsessel.

»Ist jemand da?«

Sollte jemand da sein, so dürfte es ihm immer schwerer fallen, die unverhüllte Drohung in der herausfordernden Stimme des Mediums zu überhören. Auf ihrem Gesicht liegt eine gewisse Verbissenheit. Es ist schwer vorstellbar, dass eine solche Frau auch einmal ein kleines Mädchen in weißen Söckchen gewesen ist. Ihre Augen haben allerdings immer noch jenen ungewissen und zugleich hoffnungsvollen Blick.

Lange und geduldig wartet sie, aber keiner ihrer Zuhörer hier auf der Erde wird deshalb unruhig; sie sind ja alle schon öfter hier gewesen. Sie wissen, dass Violet Moon es schließlich immer schafft, den Kontakt herzustellen und ihren Stammkunden an diesen kalten und nassen Nachmittagen in Torquay stets Trost zu spenden.

Außer dem Medium selbst sitzen fünf Personen um den Tisch herum, vier Frauen und ein Mann. Die Gesichter auf den Fotos, die der Versammlung mit abwesendem Blick zuschauen, zählen nicht, die Gesichter der Verstorbenen auf den altmodischen, sepiafarbenen Bildern und die der Enkel in strahlenden, urlaubsbunten Kodakfarben.

Indem sie sich wie ineinander verflochtene Blüten an den Händen gefasst halten und gleichsam einen Reigen um ihre Toten bilden, stellen die fünf Besucher zaghaft den Körperkontakt her. Zu viel Berührung ist peinlich, zu wenig unhöflich. Also sitzen sie aufrecht da, die Füße gerade auf den Boden gestellt, die Köpfe ganz gesenkt oder hoch erhoben, jeweils der persönlichen Entscheidung jedes Einzelnen für solch eine intensive Konzentration entsprechend. Denn hier in diesem beige gestrichenen Esszimmer eines Bungalows kommen sie dem Erleben spiritueller Ekstase am nächsten.

PENG!

KRACH!

PLUMPS!

»Oh Gott!« Alle springen auf, in den Achselhöhlen kribbelt es, sie bekommen Gänsehaut. Eine Anwesende lässt sich zu einem leisen »Du meine Güte« hinreißen, von jemand anderem ist ein unterdrücktes »Scheiße« zu hören. Dem Mann bricht der Schweiß aus, er nimmt ein frisches weißes Taschentuch heraus.

»Das war nur eine Möwe«, sagt Mrs. Moon ungerührt mit einer hochgezogenen Augenbraue, geschwungen wie die Flügel dieser Spezies des jetzt zerschmetterten Vogels. »Ist bei dem Wind gegen das Fenster geprallt. Wir, die wir hier wohnen, haben uns daran gewöhnt. Also, wenn alle sich beruhigen würden, könnten wir vielleicht fortfahren.«

Kein Ausruf von der Frau in Grau. Die Frau in Grau wird nur noch ein bisschen blasser und presst die trockenen Lippen aufeinander. Mrs. Moon kennt alle außer ihr und sitzt ihr gegenüber, so dass das Schatten werfende Kerzenlicht sie körperlos erscheinen lässt. Aber Mrs. Moon hat sie gesehen, als sie hereinkam, grau von Kopf bis Fuß mit einer Brille an einer silbernen Kette, die den Eindruck ruhiger Korrektheit noch verstärkt. Und auch die anderen Male, wenn sie ihr den Mantel abnahm, um ihn im Flur aufzuhängen, war Mrs. Moon verwundert gewesen, dass sie nach absolut nichts roch. Normalerweise bleibt der Geruch im Mantel hängen, jeder Mensch hinterlässt dort einen Hauch seines Wesens, der tief im glänzenden Futter oder an den Krägen aus kariertem Stoff oder russischem Lammfell haftet. Wenn man eine geübte Nase wie ein Medium hat, kann man ihn an den Lederknöpfen, Riemen oder Quasten ausmachen. Und ob Sie es glauben oder nicht, sogar in Reißverschlüssen schlägt sich ein gewisses Fluidum nieder. Aber am Regenmantel der Frau in Grau hatte Mrs. Moon keinen Geruch wahrgenommen; sie nahm einen Kleiderbügel und hängte den Mantel weg, war aber weiterhin beunruhigt. Keine Vergangenheit? Keine Gegenwart? Wie merkwürdig. Kann es sein, dass diese Frau überhaupt nicht weiß, wer sie ist? Dass ihr Bestreben ist, sich selbst zu finden?

Sie sieht das Kettchen an ihrer Brille über den Tisch herüber leuchten, das einzige Lebenszeichen, das sie zu besitzen scheint. Sie sitzt ganz still, wie die anderen auch. Sie ist schon dreimal hier gewesen, und immer noch ist sich das Medium nicht sicher, warum sie immer wieder kommt, denn trotz Mrs. Moons Bemühungen ist bei keiner dieser Gelegenheiten ein Kontakt zu Stande gekommen. Die Frau in Grau hat nichts über sich preisgegeben, und auch die Bekannte, die sie mitgebracht hat, gab ihr keine Hinweise. Nicht dass Mrs. Moon Hinweise bräuchte, so läuft es nicht bei ihrer Arbeit. Nur ihren Namen brachte sie mit – Miss Bates – auch dazu keine weiteren Informationen. Ein so einfacher, normaler Name, und bis jetzt interessiert sich wohl niemand aus dem Jenseits für sie. Mrs. Moon hofft im Interesse ihrer neuen Kundin sehr, dass heute Nachmittag etwas geschehen wird. Ihr Geld braucht sie nicht. Die Séancen sind einträglich, sie decken ihre Bedürfnisse und ersparen ihr, von ihrem Sohn Zuwendungen annehmen zu müssen. Sie lebt nicht aufwändig, und die Kunden bleiben ihr treu, sie hat sogar eine Warteliste. Sie verlässt sich auf Mundpropaganda, keine primitive Werbung, wie manche unten am Hafen sie betreiben. Nein, Mundpropaganda und ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis, das ist Violet Moons Erfolgsrezept, und bisher konnte sie sich darauf verlassen.

Eine Stimme im Dunkel, eine Stimme aus der Kälte, die krächzend im Esszimmer ertönt. »Hallo! Guten Tag!« Endlich lächelt das Medium. Aha, Caster, einer ihrer liebsten Führer im Geisterreich. Ein Eskimo aus Lappland, dem Land von Eis und Nordlicht.

»Du bist uns wie immer willkommen, Caster, wir fühlen uns sehr geehrt, dich heute Nachmittag bei uns zu haben, und sind dankbar dafür, dass du so pünktlich bist.« In dieser letzten scharfen Bemerkung liegt eine deutliche Ermahnung, die Caster aber nicht zu beachten scheint.

Die Kerzen brennen stetig weiter, so wachsbleich wie die ihnen nachgebildeten Wandlampen. Caster ist gegenwärtig, aber sein Kommen wurde nicht einmal mit einem Funken des Wiedererkennens im Auge des Mediums angekündigt, es war ein achtloses Erkennen, fast ohne Aufregung, so wie man einen gut bekannten Nachbarn mit einem lässigen Nicken begrüßt. Große Umstände sind überflüssig, für Verlegenheit gibt es keinen Anlass; und all dies gibt den Kunden die Gewissheit, dass Mrs. Moon eine Frau ist, die man ernst nehmen kann, die mit den Geistern vertraut ist und keinerlei Furcht vor ihnen und ihrer unheimlichen Welt hat. Höflich gibt sie ihm ein paar Minuten Zeit, um sich vorzubereiten, bevor sie fortfährt. »Wartet außer dir heute noch jemand? Jemand, der mit unserer kleinen Gruppe sprechen will? Wir haben nicht endlos Zeit, weißt du, Caster.« Womit sie recht unsensibel andeutet, dass er das wohl habe.

Die Lebenden machen sich bereit. Eine leichte Luftbewegung, das Drehen eines Halses, ein aufgestützter Arm, das leise Streifen, wenn ein Fuß in Strümpfen sich hinter den anderen schiebt, und ein erwartungsvoller Schauer. Es ist so weit. Die Lieben warten. Es ist wahr, was sie sagen – bei Mrs. Moon gibt es keine Fehlschläge.

Niemand der heute Anwesenden würde sich träumen lassen, dass sie eine Betrügerin sein könnte. Warum sollten sie auch? Solche Gedanken hätten eine zerstörerische Wirkung. Sie übt über sie alle eine so große Macht aus, wie man sie normalerweise nur dem Außenminister der Vereinigten Staaten zuschreibt. Und sie trifft ja auch immer genau ins Schwarze, zu fünfzig Prozent jedenfalls, mehr kann man ja nicht verlangen. Der Spiritismus ist schließlich keine exakte Wissenschaft, eher eine ungewisse Angelegenheit, die auf den Launen und Vorlieben derer beruht, die hinübergegangen sind. Und sie verwandeln sich nicht unversehens in Engel – dagegen treiben sie auf eine koboldhafte, hinterlistige Art Schabernack, den sie selbst vielleicht auf der Erde gar nicht geschätzt hätten.

»Meine treuen Freunde im Geist!«, ruft Mrs. Moon, führt die Hände schwungvoll vom Tisch zur Brust und erteilt sich selbst eine Art Segen, wobei der Korbsessel heimtückisch knarrt. Dieses Schauspiel lässt das Kerzenlicht flackern, obwohl Casters Ankunft das nicht getan hat. »Wo seid ihr alle heute? Habt ihr uns verlassen?« Und sie setzt sich auf ihrem priesterlichen Stuhl zurecht, schließt die Augen noch fester, atmet tief ein und wieder aus, so dass die Kerzen beunruhigend zittern. »Wir warten, Caster, wir warten.«

Eine Stimme, die mehr nach einem Indianer als einem Eskimo klingt, dringt aus Mrs. Moons Kehle und erfüllt das Zimmer. Eisscherben, ein kaltes Klirren, ein heulender Wind, der um einen Eisberg herumfegt, klingen darin mit. Und Caster spricht: »Liebe Freunde auf der Erde, wir haben auf euch gewartet. Einige von uns haben sich hier versammelt, um heute mit euch zu sprechen, um euch zu sagen, dass ihr uns fehlt, und um euch gute Wünsche zu schicken und euch allen zu versichern, dass wir nie weit von unseren Lieben sind. Selbst wenn ihr sehr einsam seid, sind wir bei euch, sehen euch zu und sehnen uns danach, euch Hoffnung und Vertrauen einzuflößen, dass der Tod nicht das Ende ist und wir eines Tages wieder zusammen sein werden und ihr so glücklich sein werdet, wie wir es jetzt an diesem Ort des Lichts und der Harmonie sind.« Und der eisige Ton verklingt in einem kalten, leisen Seufzen, ist aber offensichtlich immer noch da; er wartet an einem öden, frostklirrenden Ort, wo der Wind unerbittlich heult. Und sie warten.

Plötzlich treten Mrs. Moons Augen aus dem Kopf, sie schwankt nach vorn, nimmt einen Schluck Wasser und scheucht die schattengleichen Fische auf. Genauso heftig zuckt sie zurück und schließt wieder die Augen, fährt sich mit der Zungenspitze über die Lippen und schmatzt genüsslich. Jetzt beschließt sie, sich der Macht hinzugeben und ihre Zurückhaltung fahren zu lassen.

»Aha. Minnie! Minnie, wie schön, dich bei uns zu haben. Ich weiß, dass sich heute jemand hier auf deinen Besuch gefreut hat. Wie geht es dir, Minnie? Und warum bist du so lange ferngeblieben?«

Die Veränderung der Stimme ist außerordentlich. Die seltsam hohe Tonlage einer Schauspielerin, die ein Kind verkörpert, ist zu hören, und ein Fremder würde das Medium bestimmt prüfend anstarren, verblüfft über den komischen Ton, den so eine vernünftige Person hervorbringt. Aber die hier im Raum Versammelten kennen Minnie schon von einigen anderen Sitzungen, einer von ihnen liebt sie ganz besonders, und deshalb lächeln sie alle, als sie ihre vertraute Stimme hören.

»Ich war so beschäftigt, ich konnte nicht früher kommen, ich hoffe, ihr verzeiht mir.«

Mrs. Moon ziert sich ein bisschen und setzt eine gesittete Miene auf. »Das tut nichts zur Sache, Minnie, wir sind einfach froh, dich jetzt hier zu haben, und ich bin sicher, dass Godfrey glücklich ist, wieder von dir zu hören, nicht wahr, Godfrey? Und hast du heute besondere Botschaften für deinen Bruder?«

Ein leises Kichern Mrs. Moons lässt Godfrey glücklich lächeln. Sein Gesicht ist der Inbegriff sanfter Glückseligkeit. Mit seinem traurig herunterhängenden Schnurrbart beugt er sich vor und flüstert: »Minnie, Schätzchen, wie geht’s dir?«

»Godfrey, Mumba sagt, du sollst ein zweites Unterhemd tragen, wenn es draußen feucht ist; sie weiß, du trägst es nicht gern, aber du musst, und du sollst auch vor dem Monatsende an Cousine Frances schreiben und darfst es nicht weiter aufschieben. Du hast Birnenbonbons gegessen«, kichert der Geist, »ich rieche sie. Meine Lieblingsbonbons! Meine Lieblingsbonbons!«

Die Augen Godfreys, der ein verschlossener, eigenbrötlerischer Mann ist, glänzen feucht hinter den runden, metallumrandeten Gläsern aus Kieselglas. Männer, die dreiteilige Anzüge mit makellosen Hemdkrägen und Krawatten tragen und einen Knopf des Jacketts zuknöpfen, sollten nicht weinen. Mit einer Hand schiebt er zitternd die Brille ein bisschen nach vorn, wischt mit dem Handrücken der anderen eine Träne ab und blinzelt, so dass der Rest der Tränen schnell verschwindet.

»Sonst noch etwas?« Casters eisige Stimme lässt die ganze Ungeduld Mrs. Moons erkennen.

»Nur noch eins, bevor ich gehe. Der Engel lächelt, Godfrey. Ich habe das Gesicht ausradiert, wie du es mir geraten hast, und habe stattdessen ein Lächeln aufgemalt. Es sieht viel hübscher aus, Godfrey, so schön, dass ich ihn an Weihnachten aufhängen werde.«

Godfreys Gesicht zuckt gequält, aber sicher in der Dunkelheit verborgen. Er ballt seine knochigen Hände und streckt die Finger wieder aus. Einen Augenblick lang war er wieder ein Kind, umgeben von denen, die er liebte. Einen Moment, kerzenbeleuchtet und nach Gurken riechend. Er fühlt das Birnenbonbon rau auf seiner Zunge. Er sieht das Gesicht seiner Schwester, rot vor angestrengter Konzentration, ihre flinke kleine Zunge fast bis zur Nase hinaufreichend an jenem Tag, als sie ihren Weihnachtsengel malte. »Das Gesicht ist nicht richtig«, hatte er ihr gesagt, »ein weinender Engel, das passt nicht.«

Gestern war es fünfzig Jahre her. »Oh, es geht aber doch«, hatte das Kind flüsternd eingewandt. Der ernste kleine Junge, der er damals war, hatte jedoch darauf bestanden. Dumme kleine Minnie, er hatte sie die Zeichnung ändern lassen, sie musste die Tränen wegradieren und die Mundwinkel in die richtige Richtung drehen. Er hatte gesagt, so sei es besser, aber nach einem langen Leben denkt er jetzt, ein weinender Engel sei viel wahrscheinlicher.

Und seine kleine Schwester, die noch so klein sterben sollte, hatte das vielleicht damals schon gewusst.

Es kommen noch weitere Botschaften, aber Godfrey hört sie nicht. Für ihn haben sich die Stimmen im Zimmer verwandelt, sie bewegen sich hin und her wie die Geräusche fahrender Autos, die mit ihrer Geschwindigkeit in der Leere unwirklich klingen. Die fünfzig Jahre umgeben ihn. Er beugt sich vor, um den Wind zu hören, der vor dem Fenster tobt. Der Kerzenschein schwindet zu stecknadelgroßen Lichtpunkten. Warme, schläfrige Liebe umfasst ihn.

So erschreckt ihn die zupackende Kälte, als sie kommt; sie ist erschreckend und entsetzlich für Godfrey, der meint, Minnie schreien zu hören. Er glaubt, die Arme auszustrecken, um sie zu beschützen wie an dem Tag, als sie starb, aber in Wirklichkeit sitzt er schrecklich still und steif da, seine Brille glänzt, und er versucht zu verstehen, woher das Geräusch kommt, das Klimpern einer Spieldose. Ein Wiegenlied, das er gut kennt, ein bekanntes Lied, das er als Kind gelernt hat. Guten Abend, gute Nacht, mit Rosen bedacht, mit Näglein bedeckt, schlupf unter die Deck. Morgen früh, wenn Gott will, wirst du wieder geweckt …, aber die Töne sind nicht sanft, sondern laut und unmelodisch und scheinen ihn niederzudrücken …

Etwas ist erschreckend verändert im Zimmer. Godfrey zwingt sich zurückzukehren. Er kann nicht an dem Ort bleiben, wo die Spieldose spielt, weil die behagliche Stimmung dort verwandelt ist, es ist jetzt gefährlich. Er lässt das misstönende Lied hinter sich und kommt in die schweigende Welt der Realität zurück.

Die Augen des Mediums rollen hin und her wie die eines Schlafenden bei einem Albtraum. Ihr Atem klingt nicht mehr, als sei sie gerade eingeschlummert, sondern er ist rau und hektisch geworden, und ihr Gesicht hat einen so durchtriebenen Ausdruck angenommen, wie Godfrey ihn noch nie an ihr gesehen hat. Ein, aus, ein, aus, die Perlenkette an ihrem Hals scheint enger zu werden, eine Hand hebt sich, um sie zu packen, als könne sie kaum glauben … »Bist du da?« Nur ein ersticktes Stöhnen.

Keine Antwort. Wer kann das sein? Wessen Stimme spricht diese leise Drohung? Welche teuflische Gegenwart könnte die Kehle des Mediums so anfüllen, dass sie schwillt und sich zusammenzieht und der geschminkte Mund sich dabei öffnet und schließt und die Zunge wie bei einem Reptil darin zuckt.

Gurgelnd murmelt sie: »Bist du da?«

Immer noch keine Antwort.

Sie stößt die giftigen Worte zischend, langsam und auseinander gezogen aus. »Jetzt, Chickadee, jetzt!«

Godfrey schließt erschöpft die Augen, findet aber in der Dunkelheit keinen Frieden. Er öffnet sie wieder und starrt die Frau erschrocken an, genauso wie die anderen sie starr ansehen.

»Jetzt, Chickadee, jetzt! Sie ist nah bei dir, mein Liebling. Sieh mal. Hör doch. Du sollst wissen, wer sie ist. Sie ist hier, mein Schatz. Sieh mich an! Sieh … mich … an.«

Eine reine Manifestation des Hasses auf einer Wolke eisigen Nebels. Voll reiner Stärke. So rein, dass er eine Süßigkeit hat wie die strahlend klaren Töne eines Knabenchors in einer Kirche beim Weihnachtsgottesdienst.

Später, als alles vorbei ist und sie mit Gurkensandwichs beim Tee sitzen, sieht Mrs. Moon müde und matt aus, aber das ist nicht ungewöhnlich. »Es strengt mich eben sehr an, das tut es immer. Für die seligen Toten ist es ja gut und schön, aber manchmal sage ich mir, ich muss aufhören, bevor es mich umbringt. In meinem Alter, wissen Sie, bin ich sicher, es wirkt sich auf das Herz aus.«

»Aber das würden Sie doch nie tun«, fleht Godfrey, der sich auf das Sofa gesetzt hat. Das Wohnzimmer des Mediums ist mit dem Esszimmer durch einen seltsamen schmiedeeisernen Bogen verbunden, auf der Wohnzimmerseite hängt ein Gipspirat mit einem Entermesser zwischen den Zähnen. Zierliche, dreieckige Sandwichs sind auf einer zweistöckigen Platte und einer Lage Papierservietten sorgfältig arrangiert. Hier und da eine geviertelte Tomate gibt dem Ganzen Farbe. Kein Kuchen. Sie bietet ihnen nie Kuchen an. So weit würde sie nicht gehen.

Sie lächelt beruhigend, führt die Finger zu ihrer Perlenkette am Hals, als sei da eine wunde Stelle, die sie sich ansehen wird, wenn alle gegangen sind und sie wieder allein ist.

»Wo ist Miss Bates geblieben?«

»Sie ist ganz plötzlich aufgebrochen, als hätte sie noch eine andere Verpflichtung. Ziemlich unhöflich, fand ich«, sagt ihre Begleiterin, Nora Bunting. Sie hat Miss Bates in einem Café kennen gelernt und hatte mit ihr über dies und jenes gesprochen, wie sich das eben so ergibt. Nichts Wichtiges. Sie hat nebenbei die Sitzungen erwähnt und nicht erwartet, dass Miss Bates sich besonders dafür interessieren würde. Aber Miss Bates schien fasziniert und fragte, ob sie mitkommen dürfe. Nora Bunting stimmte zu, und weiter ist es mit ihrer Bekanntschaft nicht gekommen. Sie schuldet ihr nichts, bestimmt keine Rechtfertigung, wenn sie plötzlich mittendrin einfach weggeht, ohne sich zu entschuldigen. »Etwas muss sie wohl beunruhigt haben«, sagt Gladys Carter, die nie ihren Hut abnimmt, beklommen.

»Was denn? Ist etwas Ungehöriges geschehen? Ich weiß nicht, was geschieht, wenn ich mich erst einmal weit genug versenkt habe.«

Niemand ist bereit zuzugeben, dass bei dem Treffen ein Geist erschienen ist. Es hat alle aufgewühlt, aber warum soll man Mrs. Moon damit beunruhigen? Sie fürchten alle, dass sie eines Tages tatsächlich tun wird, womit sie droht, nämlich, dass sie aufgibt, und wo würden sie dann enden? Sie wären in das gardinenverhängte Arbeitszimmer irgendeines Spinners verbannt, von ihrer Not dorthin getrieben, von ihrer Verzweiflung und Einsamkeit. Es liegt in ihrem eigenen Interesse, Mrs. Moon zu schützen und diesen feinen Faden nicht abreißen zu lassen, der ihre einzige Verbindung zu der Welt ist, nach der sie sich sehnen, in der sie sich aber nicht fortwährend aufzuhalten wagen.

Es ist nicht ihre Angewohnheit, die Erfahrungen des Nachmittags zur Sprache zu bringen. Na ja, der Tod ist peinlich, bei Tisch über ihn zu sprechen ist geschmackloser als über Sex zu reden. Nein, sie vermeiden es lieber, darüber zu sprechen, was sie hinter dieser Verbindungstür erfahren haben, hinter dem Bogen, der in das dunkle Wohnzimmer führt.

»Sie ist jetzt zum dritten Mal hier gewesen, und sie war jedes Mal blass«, sagt Godfrey nachdenklich. »Es würde mich nicht wundern, wenn die stickige Luft hier im Zimmer sie mitnimmt.«

»Oder vielleicht hat sie sich wegen des Wetters Sorgen gemacht«, sagt Nora Bunting, löst ein Stück Schale von einer Gurkenscheibe und legt sie wieder auf die Margarineschicht zurück. Sie wirft einen Blick auf das Chaos draußen vor dem Panoramafenster. Der Himmel scheint gegen sich selbst anzukämpfen. Der Regen rauscht so stark, dass sie lauter sprechen müssen. »Seht mal, es wird noch schlimmer da draußen.«

»Nun, wie steht’s mit nächster Woche?« Mrs. Moon zieht ihren Terminkalender zu Rate.

»Da ist Weihnachten.«

Ach ja. Und sie sitzen in dem kleinen Wohnzimmer des Mediums und gedenken dieser Tatsache, jeder auf seine Weise betrübt.

»Dann warten wir am besten bis übernächste Woche«, sagt Mrs. Moon munter, denn auch sie ist nicht darauf erpicht, bei diesem Thema zu verweilen. Sie hat es bis gerade eben vergessen. Morgen kommt ihr Sohn und holt sie ab.

Der Wind brüllt wie ein entfesseltes Ungeheuer. Ein Möwenschwarm ist wütend wegen des unnatürlichen Wetters; die Vögel schwingen sich durch den grauen Himmel, den jagenden Wolken entgegen. Die Besucher gehen einer nach dem anderen, die Mäntel fest um sich gezogen. Einsame Menschen auf einer breiten, leeren Straße. Eine nasse Fahrbahn mit Aussicht auf die See und ungerührt im Wind stehenden Straßenlaternen, deren Glanz jetzt blass und wässrig ist.

Zwei haben Autos, eine Teilnehmerin wohnt nahe genug, um zu Fuß zu gehen, und die vierte kämpft auf dem Weg zur Bushaltestelle mit einem Regenhut. Es ist unmöglich, in diesem Wetter einen Schirm aufzuspannen.

Es ist ihnen lieber, wenn sie nicht zusammen gesehen werden. Die Wärme, die sie kurze Zeit genossen haben, scheint jetzt demütigend, etwas obszön; sie haben das Gefühl, sie hätten sich und ihre Hoffnungslosigkeit zur Schau gestellt, und sie wissen, sie werden für diese Dummheit bezahlen müssen, sie sind alle einsam und verletzlich. Und von ihren morbiden Bedürfnissen erniedrigt.

Sie hüllen sich in ihre Verlegenheit ein und so bemerkt niemand die Frau in Grau. Sie steht auf der anderen Straßenseite, halb vom Pfosten der Straßenlaterne verdeckt, den Regenmantel, der nach nichts riecht, fest an sich gedrückt und ihr Gesicht dem Wind zugewandt. Sie sieht mit müden, stumpfen Augen zum Bungalow hinüber, während über ihr die Möwen ihre Qual hinausschreien.

Kapitel 1

Morgen Kinder, wird’s was geben,
Morgen werden wir uns freu’n …

Sie haben alles getan, damit das Weihnachtslied wahr wird. Weihnachten auf der Southdown-Farm. Ein passender Ort für das Weihnachtsfest mit dem muhenden Vieh und dem eisigen Wind, der stöhnt und raunt. Allerdings wäre es, wenn es hier geschehen sollte, eine recht sterile Geburt Christi, da stählerne Fresströge die sanften Krippen ersetzt haben.

Clover Moons Weihnachtsliste liegt zerknüllt und schmutzig auf dem Tisch des Bauernhauses, in einer unordentlichen Sammlung abgegriffener Rezepte, deren Zutaten entweder abgehakt, eingekreist oder durchgestrichen sind. Clover braucht sich wegen des Kuchens, des Nachtischs, der Bratwurst im Schlafrock, der Plätzchen, der Preiselbeermarmelade und so weiter nicht der Menschenmenge bei Marks & Spencer anzuschließen. Nein, es gehört zum Weihnachtsritual, dass Violet, ihre Schwiegermutter, all dies hausgemacht und in erstklassiger Qualität mitbringt, so wie Weihnachtsspeisen sein sollten. Sie hat ihre eigenen, erprobten Rezepte und braucht Delia Smith nicht. Und der Truthahn, natürlich frisch und riesig, wird direkt aus dem Stall eines Nachbarn geliefert.

Clover hat Glück.

Aber jetzt, einen Tag, nachdem jene scheuen Gesprächspartner des Todes in dem Bungalow in Torquay zusammengekommen sind, gibt es Probleme, denn eine Kuh ist in eine Jauchegrube gefallen. E64, sonst unter dem Namen Daisy mit der leeren Zitze bekannt.

E64 für das Milchregister, nach ihrem Stammbaum ist ihr Name Southdown Bountiful. Aber welchem dieser Namen kann Daisy gerecht werden? Welcher passt am besten zu Daisy? E64, fürchte ich, denn sie ist die einzige Kuh, die dumm genug ist, in die Grube zu fallen, und sie hat es schon zweimal geschafft. Es sieht also so aus, als hätte Daisy eine angeborene Neigung, sich selbst Schaden zuzufügen, wie manche Menschen als Pechvögel mit einer Veranlagung für Unfälle geboren werden und viel Zeit auf den Unfallstationen von Krankenhäusern verbringen, mit einer Nummer versehen, genau wie Daisy.

»Der Zaun ist immer noch schadhaft«, jammert Fergus Moon, der Farmer. »Ich habe ihn nach dem letzten Mal wohl nicht richtig geflickt. Daisy hat ihn seit einer Weile immer wieder beäugt, aber man würde doch denken, dass sie aus dem letzten furchtbaren Schlamassel gelernt hat.« Er seufzt schicksalsergeben und erwähnt ihr unvernünftiges Verhalten wie ein Arzt, der über einen schwierigen Patienten spricht.

So fiel also Daisy wieder hinein, keine zwanzig Meilen von der Wideacre Road, wo sich die Geister an feuchten, nebligen Tagen nachmittags versammeln. Clover Moon, die Frau des Farmers, bekommt die Nachricht über Funk und wendet sich sofort an Ernie Wakeham, den Transportunternehmer, der die Geräte hat, um die arme Daisy herauszuziehen. Wenn sein Transporter anspringt. Wenn die Kurbel an seinem Kran funktioniert, wie er ihr verdrießlich mitteilt.

Es ist also alles schön eingeteilt, jeder hat einen Titel: der Farmer, die Farmersfrau, der Transportunternehmer und die Kuh, diese stoischste und abgeklärteste aller Kreaturen.

Merkwürdigerweise hat Clover Moon in den letzten zwei Jahren eine Persönlichkeitsveränderung durchgemacht, und nicht zum Besseren. Es fing ganz allmählich an und verschlimmerte sich immer mehr, bis sie sich meilenweit von der ehemals glücklichen, liebenden Ehefrau und Mutter entfernt hat, die mit ihrem Los zufrieden war.

Als wünschte ihr jemand Böses.

Angst, Gereiztheit und ein Gefühl, dass ihr Unrecht geschieht, sind in ihr aufgestiegen, und manchmal hat Fergus ernsthaft befürchtet, sie könnte in den Abgrund, in Wahnsinn und Verzweiflung stürzen. Von ihrem bedrückten Mann ermutigt, suchte sie Ärzte und Therapeuten auf, aber leider ohne Erfolg. Eine Hormonbehandlung wurde vorgeschlagen, aber Clover lehnte sie aufgebracht ab und sagte: »Mit dreiundvierzig bin ich viel zu jung, und außerdem werde ich das Dasein als alte Frau begrüßen, ich werde den Eintritt ins Alter feiern – genauso wie Germaine Greer es rät.« Aber Clover Moon ist nicht nur verärgert und enttäuscht, gereizt und deprimiert wegen ihres Lebens. Nein, Clover Moon ist wütend. Man sieht es an der Art, wie sie sich bewegt, spricht, kocht, putzt, Auto fährt, und übrigens schläft sie auch nicht mehr mit ihrem Mann. Eine intelligente Frau, der man in der Schule sagte, sie werde es zu etwas bringen, ist sie jetzt mit Klagen beschäftigt, nie hat sie die Absicht gehabt, sich in der Pampa niederzulassen und lediglich ein Anhängsel zu werden, eine Farmersgehilfin, so etwas wie ein dreibeiniger Melkschemel.

Wie im Lied:

Die Bäu’rin, die Mägde,

Sie dürfen nicht ruh’n,

Sie haben in Haus

Und im Garten zu tun …

Ihre Begabung wurde nie gefördert.

In Trauer um sich selbst stellt sie fest, dass es ihr nicht gelungen ist, den Horizont ihrer Seele zu erweitern.

Dabei sieht Clover nicht, dass sie nur eine Phase durchlebt. Sie glaubt wirklich, sie hätte nie Ehefrau werden, nie Mutter sein sollen; sie hätte Heißluftballons fliegen können, hätte die Pyramiden erforschen, Sängerin in schäbigen Nachtclubs sein können … Sie weiß nicht, was sie hätte sein können, wenn ihr Schicksal ihr eine abenteuerlichere Weise gespielt hätte. Aber sie legt die Schuld für diesen Mangel an Wissen, für diese schreckliche Ungerechtigkeit ganz klar auf die Schultern des Farmers Fergus und auf die ihrer Schwiegermutter, die zu Weihnachten zu Besuch kommen wird – Granny.

Ganz genau. Es ist ungerecht, aber man kann sich nicht selbst die Schuld geben für die Fallen, die man sich selbst stellt.

Und der einzige Mensch, der sie versteht, der Einzige in der ganzen Welt, der genau weiß, wie Clover sich fühlt, ist die Freundin, der sie immer vertraut hat, die Freundin, mit der sie sich ganz einig ist, die Freundin, die immer zu Weihnachten kommt – Diana. Die gelangweilte, zynische, exotische Diana mit dem fließenden, goldenen Haar und einem scharfen, melancholischen Verstand, die mit einem so ausdruckslosen Gesicht wie das einer Plastikpuppe nach Vergnügen und Selbstverwirklichung strebt und Clovers Wut noch schürt und nährt, als ob sie dessen noch bedürfte. Eine entschieden unheilvolle Verbindung.

Clover beklagt sich gerne bei Diana: »Man findet nach und nach heraus, dass man einen entsetzlichen Fehler gemacht hat, und versucht, ihn allen möglichen Leuten zu erklären, nur um zu entdecken, dass sie sich alle gegen einen verschworen haben, alle stecken irgendwie unter einer Decke.

Aber am schlimmsten sind die alten Frauen, die ihr Leben rechtfertigen.«

»Ach, aber Fergus ist doch so nett!«

»Ja, Fergus ist lieb, und ich sollte meinem Gott abends auf Knien für mein Glück danken, eine Tatsache, die mir noch mehr Schuldgefühle verursacht, weil ich so eine unzufriedene, zickige Gans bin, aber Fergus lebt in seiner eigenen Welt, nicht in der Wirklichkeit«, sagt Clover bitter. »Und ich bin so weit getrieben worden. Wir haben keinen Spaß mehr, wir haben immer zu viele Sorgen wegen Geld oder wegen des Wetters, ich werde schon bald alt, und was habe ich aus meinem Leben gemacht?«

»Lass dich doch scheiden.«

»Oh, ich hasse ihn ja nicht!«, ruft Clover bekümmert. »Ich will ihm ja nicht wehtun. Wenn die Farm ihm gehörte statt seiner Mutter, würde ich ihn überreden zu verkaufen, und wir könnten aus alldem hier aussteigen. Ich könnte einen Beruf haben, wir könnten ein normales Leben führen mit freien Wochenenden und Urlaub wie alle anderen auch, und wir hätten genug Geld, dass Fergus etwas anderes anfangen könnte, wahrscheinlich als Berater, wir könnten tun, was wir wollen. Mein Gott, Diana, du hast wahrhaftig Recht gehabt, als du ihn hast abblitzen lassen.«

»Aber Fergus würde doch nicht verkaufen wollen.«

»Wer weiß, was Fergus tun würde? Er plappert ja nur nach, was seine Mutter sagt.«

»Du reitest schon so lange darauf herum, dass es langsam langweilig wird«, antwortet Diana. »Ehrlich gesagt, wenn du wirklich so überzeugt bist, dass du etwas tun solltest, dann tu’s doch. Du bist schließlich seine Frau. Bring ihn doch so weit, dass er Granny überredet zu verkaufen, und hör auf, die ganze Zeit bei deinen Freunden herumzujammern und nach Hilfe und Befreiung zu schreien, als liege es in ihrer Macht, dir das zu geben.« Aber Diana hat ihre wahre Freude an Clovers Klagen.

»Sie würde nie verkaufen, Di. Sie bestraft ihn immer noch dafür, dass er mich geheiratet hat! Ich sollte die Bedürfnisse meines Mannes befriedigen, wie ich das früher getan habe und wie sie es immer getan hat. Und sie ist der Typ, der aus lauter Trotz immer weiterlebt und ein Glückwunschtelegramm von der Queen bekommt, nur damit ich mich ärgere. Und bis dahin sind wir selbst beide schon zu alt, um noch einmal von vorn anzufangen.«

Solche lockeren Reden führt Clover gern bei ihrer Freundin Diana. Unschuldig genug. Nicht außergewöhnlich. Und sie haben beide Spaß daran. Hoffen wir, dass sie wissen, was sie mit diesem boshaften Komplizentum anrichten, das so leicht niederträchtig und gefährlich werden kann.

Hier ist sie nun also, die Frau des Farmers an Weihnachten, und in dieser Notlage, als eine Kuh in der Jauchegrube festsitzt, knallt Clover den Hörer auf die Gabel und fährt sich verzweifelt mit den Fingern durchs Haar. Es fällt zurück und liegt genau so, wie es soll. Sie ist klein und dunkelhaarig und flink, je näher der Weihnachtstag kommt, desto flinker wird sie. Sie trägt praktische, flotte Sachen wie Jeans und Pullover mit V-Ausschnitt, die sich leicht abstreifen lassen. Sie flitzt in Socken durchs Haus. Alle Mitglieder der Familie Moon haben Socken an, weil sie mit all dem Unrat draußen unmöglich im Haus Schuhe tragen könnten.

Es gibt keine Gelegenheit, schöne Kleider zu tragen.

Ihr Titel ist natürlich Frau des Farmers. Auf den Karten des Spiels Happy Family würde sie auf einem Melkschemel mit drei Beinen dargestellt werden, das Euter einer großäugigen Kuh betrachtend. Oder vielleicht würde sie lächelnd auf den Stufen vor dem Haus stehen mit einem Joch auf den Schultern. Aber Clover ist wahrhaftig keine typische Farmersfrau. Ich meine, wo sollte sie denn jetzt sein? Draußen im Hof, um dem armen Fergus moralische Unterstützung zu bieten, der in diesem Wetter allein ist und als Helfer nur den mürrischen Blackjack hat. Und Blackjack von der Wohnwagenkolonie wird heute Abend früh fertig sein wollen, damit er bei seiner alten Mutter in Plymouth übernachten kann. Aber was könnte sie ihm wohl bieten außer moralischer Unterstützung? Sie könnte nur am Rand der Grube stehen, dieser dunklen, schwarzen Lagune, könnte die Arme schwenken und schreien. Könnte Rat geben, wo er nicht gebraucht wird. Voller Angst um die Kuh, würde sie sie mit ihrer eigenen Willenskraft stützen und dann doch die Hoffnung aus ihren panisch erschrockenen Augen weichen sehen.

»Wie schrecklich, so zu sterben«, denkt Clover Moon in ihrer warmen und sicheren Küche. Ausweglos unter der Oberfläche des stinkenden, schwarzen Exkrementenbreis zu kämpfen. Sie hält die Luft an und schreckt vor dem entsetzlichen Gedanken zurück.

Welches Recht hat Clover, sich, von solch bitterem Groll ergriffen, überhaupt als Frau eines Farmers zu sehen? Das einzige Recht, das sie haben mag, kommt ihr durch ihren Namen zu – Clover – Klee. Sie könnte eine von der Kuhherde sein, oder? Genau diese trostlose Aussicht ist ihr jetzt nach zwanzig guten Ehejahren mit dem lieben Fergus bewusst geworden, die Aussicht, eine von der Herde zu sein, nur eine Gehilfin für Fergus zu werden, die das Heu wendet, wenn er zu viel zu tun hat, die beim Kalben am Strick zieht, den Milchschuppen nach dem Melken sauber macht, Kartoffeln und alte Krautblätter für die Hühner kocht. Jemand wie Fergus’ Mutter, Granny, mit steifen und geschwollenen Händen.

Sie hatte sich fast in Grannys Netz verfangen, als die Liebe blühte und in ihrer rosa-weißen süßen Pracht über der Farm lag. Damals war sie zu naiv, um zu merken, was sich abspielte. Erst jetzt im Rückblick durchschaut sie Violet Moons schlauen Plan.

Es gibt keinen einzigen guten Grund auf der Welt, warum eingefrorene Erbsen schlechter sein sollten als frisches Kraut, warum man fertig abgepackte Füllung für Geflügel gering schätzen und Rosenkohlröschen unten anschneiden sollte.

Eigentlich hätte sie es amüsant finden sollen. Sie hätte jetzt zurückblicken und die damalige Zeit lustig finden sollen. Aber es war damals nicht lustig und jetzt scheint es noch weniger komisch.

Als Braut und zukünftige Mutter hatte Clover auf Grannys Rat die Nachbarn zu einem Essen eingeladen. Es waren alle Farmer mit ihren Frauen, abgehärtet und streng, sie konnten Schafe scheren, Traktoren reparieren und ohne Vorwarnung für eine ganze Kompanie kochen. »Sie wollen dich natürlich alle kennen lernen. Sie werden über dich reden, Clover, und werden sehen wollen, was für eine Frau Fergus geheiratet hat.«

Clover kämpfte mit ihrem gesunden Menschenverstand, denn sie war als Köchin unbrauchbar. »Ach, ich weiß nicht …«

»Sie werden dich für eine ziemlich arrogante Zugezogene halten, wenn du es nicht tust.«

Nachdem die Einladungen verschickt waren, erwähnte Fergus gelassen, dass Mary Tremain, die am Telefon gesagt hatte: »Sehr gern«, Herausgeberin für die Rezepte in The Farmers Friend und Schiedsrichterin bei der Musterschau der Grafschaft Devon war. Erschrocken rief Clover ihre verheirateten Freundinnen an, um sie zu fragen, was sie kochen solle. Sie hatte Granny nicht um Rat gebeten, oder »Mum«, wie sie sie damals noch nennen musste – »Granny« setzte sich erst durch, nachdem die Kinder kamen, und ehrlich gesagt war Clover der weniger intime Begriff lieber. Damals hatte Clover gar nicht gemerkt, dass Granny dies alles absichtlich eingefädelt hatte. Sie rief Diana an, die zwar auch keine gute Köchin, aber vor allem eine alte und hilfreiche Freundin war.

»Etwas Einfaches, um Himmels willen. Versuch nicht, etwas Großartiges zu machen, denk daran …«

»Was ist denn einfach? Wie meinst du das?« Blass und hektisch vor Schreck umklammerte Clover den Hörer. »Ich werde mich total blamieren …«

»Ente ist immer gut.«

»Mit einer Soße?«

»Nur Apfelmus. Versuch nichts Schwierigeres. Außer wenn du sie kaufen kannst und dann drüberschütten, oder du könntest zu Marks & Spencer gehen und mehrere Packungen Ente holen und sie alle zusammen in einen Topf werfen.«

»Das kann ich unmöglich tun.«

»Warum denn nicht? Niemand würde das merken. Keiner deiner Gäste würde sich je träumen lassen, ein fertig gekochtes Essen zu kaufen. Ich sage nur: The Farmer’s Friend«, Dianas Stimme wurde etwas höher, »wir reden hier über Mrs. Beeton, eine absolut fanatische Verfechterin von frischen Zutaten. Sie schlachten wahrscheinlich selbst und ziehen die Haut ab oder rupfen die Federn und nehmen selbst aus. Sie können wahrscheinlich schmecken, von welchem Hof das Fleisch ist wie Weinkenner … Ach du Arme, du Ärmste …«

»Sechs Gäste, Di, und ich habe inzwischen herausgefunden, dass Mary Tremain die Tochter einer der ältesten Freundinnen von Mum ist. Warum hat sie mich denn nicht rechtzeitig gewarnt?«

»Das ist jetzt egal, du brauchst keinen Gedanken mehr daran zu verschwenden. Glaube bloß nicht, es sei eine Verschwörung. Violets Beschützerinstinkt ist vielleicht ein bisschen stark, aber so rachsüchtig könnte doch niemand sein.«

Clover, so naiv, so hoffnungsfroh und völlig ahnungslos, dass man ihr übel mitspielen wollte, erklärte die Kälte ihrer Schwiegermutter mit der Tatsache, dass sie sich gewünscht hatte, der liebe Fergus solle eine Farmerstochter heiraten. Das war alles, es ist eben so üblich, wie bei den Royals. Violet hatte auch etwas gegen Diana gehabt, als sie Fergus’ Verlobte gewesen war. Aber Clover war nicht die eitle, elegante Diana. Clover war sicher, dass Violet es sich noch anders überlegen würde.

Aber Granny trug den Sieg davon.

Clover machte Ente. Drei Enten, um genau zu sein, wohl kaum ein Luxusessen. Überängstlich und erschöpft vor lauter Sorge hatte sie sie so früh in den Ofen gestellt, dass das Fleisch von den Knochen gefallen war, als sie sie endlich servieren konnte, und nur verbrannte Gerippe übrig waren, die abgezehrt von der Wedgwood-Platte grüßten. Und der Blumenkohl, den sie so lange in der Röhre warm gehalten hatte, war auch schwarz. Der Gestank verbrannter Knochen und verkrusteter Töpfe erfüllte das Haus. Aber sie servierte alles trotzdem mit einem eigenartigen Lachen, als sie es schwankend auf den Tisch stellte – jetzt war schon alles egal.

Ihr war übel von zu viel Gin.

Sie ließ Asche auf den Apfelkuchen fallen, und so sehr sie auch rieb und wischte, kriegte sie sie nicht mehr weg. Fergus zwinkerte ihr nur zu, und sie hasste ihn wegen seiner gönnerhaften Behandlung und hasste seine Mutter, die Farm, seine Freunde, das Farmleben im Allgemeinen und sich selbst. Es wäre vielleicht eine Banalität gewesen, aber es war gar nicht lustig.

»Judy Gilmour macht doch herrliche Apfelkuchen, nicht wahr?«, sagte Mary auf ihre sanfte, recht ernste Art. Scheiße. Diana hatte Recht. Diese Frau hatte den Kuchen wiedererkannt, den Clover selbst gebacken zu haben behauptete, und da sie so damit konfrontiert wurde, konnte sie es kaum abstreiten. »Sie hat mehrere Preise mit diesen Apfelkuchen gewonnen, und man versteht schon, warum, nicht wahr?« krittelte Mary Tremain unerbittlich weiter.

Als die Katastrophe mit dem Essen vorbei war, setzten sie sich zum Kartenspiel. Ruhig und bestimmt, mit einer Art stiller Würde. Clover trank Gin pur aus einem Wasserglas. »Du bist betrunken«, sagte Fergus.

Clover kam es hoch, sie verließ den Raum, sackte auf der Treppe gleich vor der Tür zusammen und ließ sich laut singend und furzend zu ihrem Bett tragen. Es war eine der zwei Gelegenheiten in ihrem Leben, da sie so betrunken war, dass sie nicht mehr wusste, was los war, nicht einmal, wer sie war. Sie war schweißgebadet. Das Zimmer drehte sich um sie. Sie betete zu Gott, dass sie sterben möge.

Und als sie am nächsten Morgen hinunterkam, darauf gefasst, alles aufräumen zu müssen, sah sie, dass Mary Tremain, die Kolumnistin von The Farmer’s Friend, Bob Tremain, Hilary und Mark Carter und Maggie und Joe Randall nicht nur das Geschirr gespült und aufgeräumt, sondern anscheinend in ihrer Küche auch Großputz gemacht hatten. Sie war blitzblank.

»Sie haben sich amüsiert«, sagte Fergus gelassen. »Sie sind erst nach zwei gegangen.«

Zu gratulieren war unangebracht. Glaubte er, dass ihre Fehler durch sein verzeihendes Lächeln oder das Verständnis ihrer Gäste hinweggefegt werden konnten?

Dies verfolgte Clover jahrelang, und sie versuchte es nie wieder. Sie klammerte sich stattdessen an ihre Arbeit in der Stadt, setzte fünf Jahre aus wegen der Kinder und kehrte dann zur Arbeit zurück, wo sie eine andere Person war, nicht nur Fergus’ Frau, aber auch im Immobilienbüro war sie nicht der Mensch, der sie gern sein wollte. Ganz und gar nicht.

»Ist die Chefin da?«

Sie hätte nie einen Farmer heiraten sollen. Diana hatte es richtig gemacht, sie hatte Fergus schließlich abgewiesen. Und Clover hat sich auch nie an die Angewohnheit der Leute vom Land gewöhnen können, einfach ohne anzuklopfen ins Haus zu kommen. Hier steht Ernie, der Transportunternehmer, mit seiner schmierigen Mütze, kommt ohne Klopfen durch die Tür, stellt seine Stiefel vorsichtig auf die Matte und lässt den Blick der glänzenden kleinen Augen auf der Suche nach einem Tee umherschweifen.

»Ja, wie du siehst, bin ich hier.« Nach all diesen Jahren versteift sie sich immer noch auf eine solche Antwort.

Ernie ist groß und dürr, er beachtet ihre Bemerkung nicht, sondern schnieft, um den Tropfen am Ende seiner Nase hochzuziehen. Es ist allerdings schon zu spät.

»Scheußlich da draußen, heute Abend. Der Wetterbericht ist schlecht, sehr schlecht, sie melden für später Schnee.« Und seine Aussprache von Schnee ist so langgezogen, dass sie einem direkt das Gefühl von Schneefall und Verwehungen gibt, so anschaulich spricht er.

»Bestimmt wartet Fergus auf dich im Hof«, sagt Clover genervt. »Die Kuh ist vermutlich inzwischen schon tot, entweder durch Schock oder ertrunken.«

Ernie Wakeham wirft ihr einen absolut ausdruckslosen Blick zu, anscheinend erstaunt, dass er dringend gebraucht wird. »Ach so, also gut.« Aber er steht immer noch da, Wasser tropft überall auf den Boden, und er schüttelt seine verflixte Mütze.

»Ich stell Wasser auf, und wenn ihr fertig seid, trinken wir Tee.«

»In Ordnung«, sagt er, schockiert über ihre Unhöflichkeit, und beschließt, die folgende rachsüchtige Voraussage wie einen Fluch zurückzulassen. »Wenn’s nicht aufhört zu regnen, ist bald wieder euer Keller voll, und für meine Pumpe kann ich nicht garantieren.«