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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich

WISSENSCHAFTSGESCHICHTE

Werner Heisenberg – ein Portrait

Von Prof. Ernst Peter Fischer

Ich möchte Ihnen Werner Heisenberg kurz vorstellen. Geboren ist er 1901 in Würzburg und 1976 in München gestorben. Wenn man das unter regionalen Gesichtspunkten betrachten will, kann man sagen, dass Heisenberg sein ganzes Leben lang versucht hat, in München anzukommen. Das ist ihm aber erst in den späten 50er Jahren gelungen. Dann war er allerdings in der bayerischen Hauptstadt zu Hause und ist da ein glücklicher Mensch geworden.

Er ist in München zur Schule gegangen, musste dann aber zum Studium nach Kopenhagen. Von da aus hat er immer versucht, wieder zurück zu kommen. Es ist ein hartnäckiger Versuch gewesen, den er aber dann doch zum Schluss geschafft hat.

Von der Quantentheorie zu Quantenmechanik

Was ist so bemerkenswert an Werner Heisenberg? Meiner Meinung nach ist er einer der kreativsten Köpfe des 20. Jahrhunderts. Er war Physiker und er hat in der Physik etwas vollzogen, was man ohne Widerspruch das wichtigste philosophische Ereignis des 20. Jahrhunderts nennen kann. Er hat nämlich eine neue Art des Erkennens von Natur und Wirklichkeit gezeigt, die wir heute als „Quantenmechanik“ kennen.

Die Quantenmechanik basiert auf einer Entdeckung, die Max Plank im Jahre 1900 gemacht hat, als er den Quantensprung in der Natur einführte. Dadurch wurde es notwendig, die Beschreibung der Physik nicht durch eine stetige Bewegung darzustellen, sondern dass man Sprünge der Natur zulassen muss. Es wurde zuerst versucht, dieses quantenhafte, dieses sprunghafte, durch kleine Veränderungen in die Naturwissenschaft einzuführen. Das nannte man „Quantentheorie“.

Aber erst Werner Heisenberg hat 1926 als 25jähriger den ganz großen Schritt in eine neue Welt der Physik geschafft, eben die Quantenmechanik. Das konnte nur jemanden wie ihm gelingen. Er selbst hat davon gesprochen, dass er sich vorkam wie Kolumbus, der kein „äußeres“, sondern ein „inneres“ Amerika entdeckt hatte.

Heisenberg hat sich immer wieder die Frage gestellt, was eigentlich das Besondere an Kolumbus gewesen ist? Das Besondere ist, dass Kolumbus auch in dem Moment nicht an Rückkehr gedacht hat, als die Vorräte noch gereicht hätten, um zurückzufahren. Er ist weitergefahren, weil er wusste: da ist etwas zu finden. Diesen Mut hat Heisenberg bei Kolumbus gefunden und diesen Mut hat er sich selbst zugetraut, um eben eine neue Welt zu entdecken.

Er hat eine Welt gefunden, die ungeheuer abstrakt ist, die ungeheuer komplex ist, die im Grunde genommen für denjenigen, der nicht in dieser engen mathematischen Terminologie, die die Physik entwickelt hat, zu Hause ist, unverständlich bleiben muss.

Das haben einige Philosophen in dieser Zeit gemerkt. Einer von ihnen hat darauf hin diesen unsäglichen Satz gepredigt: „Worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen“. Sind wir also gar nicht in der Lage, über das, was Heisenberg entdeckt hat, zu sprechen? Doch Heisenberg hat diesen Satz aufgegriffen und ihm eine wunderbare neue Wendung gegeben:

„Worüber man nicht reden kann, darüber muss man sich verständigen. Darüber muss man einen Dialog führen und es ist die Aufgabe des Wissenschaftlers, damit zu beginnen, um den Weg zu der Welt zu bereiten, die zu finden er in der Lage und die zu kennen sein Privileg ist“.

Es ist Heisenbergs Grundvorstellung, dass er ein privilegierter Mensch ist, dass er die Fähigkeit hatte, diese neue Welt zu entdecken und er bemüht sich auf allen Wegen, das mitzuteilen. Dafür hat er sehr viele öffentliche Vorträge gehalten, die als allgemeinverständliche Schriften verfügbar sind.

Nur, wer liest allgemeinverständliche Schriften? Die Philosophen interessieren sich nicht für allgemeinverständliche Schriften. Die Kollegen, die Physiker interessieren sich nicht für allgemeinverständliche Schriften und Sie wahrscheinlich auch nicht. Ich finde es auch ein bißchen blöde, dass man Heisenbergs wunderbare Texte „allgemeinverständliche Schriften“ nennt. Das sind philosophische Darbietungen, das sind glänzende Formulierungen, das sind tiefe Einsichten in das Wirken der Natur und das Wesen des Menschen, der diese wirkende Natur verstehen kann. Heisenberg ist ein großartiger Formulierer, ein großartiger Philosoph. Ich möchte Ihnen dringend empfehlen, sich ihm zu nähern.

Er ist ein genialer Physiker. Er ist mit Sicherheit der kreativste Kopf dieses frühen 20. Jahrhunderts, als man die Atomphysik erschloss. In dem Moment, als Heisenberg die Quantenmechanik entdeckte – wir werden diesen Moment genau kennenlernen – schaffte er nicht nur eine große philosophische Neuerung, sondern auch ein Ereignis mit ungeheuren ökonomischen Folgen. Denn nur mit Hilfe von Heisenbergs Entdeckung der Quantenmechanik ist es z.B. 20 Jahre später möglich geworden, den Transistor zu entwickeln. Ohne die Transistoren gäbe es die Mikrochips nicht. Ohne die Mikrochips gäbe es die Computer nicht. Mit anderen Worten: ohne Heisenberg gäbe es all diese wunderbaren Annehmlichkeiten, die wir als Computer und Handys kennen, überhaupt nicht.

Der Transistor konnte nur erfunden werden, weil man Heisenbergs Theorie kannte und sie auf Substanzen angewendet hat, die offiziell als Halbleiter deklariert waren. Wenn Sie bedenken, dass es bis zum Jahre 2002 mehr als eine Trillion Halbleiter gegeben hat und wenn Sie Schätzungen zugrunde legen, dass 30 % der Weltwirtschaft heute von Produkten abhängig sind, die ohne die Quantenmechanik von Heisenberg gar nicht möglich wären, dann können Sie sich ausmalen, wie wichtig dieser „Quantensprung“ Heisenbergs war. Welcher Fortschritt und welche Leistung hinter Heisenbergs Einsicht in das Wirken der Natur steckt. Merkwürdigerweise nimmt man davon keine Notiz.

Heisenberg war jemand, der immer großes Vertrauen in eine zentrale Ordnung hatte, weil er in den politisch bewegten Zeiten der Weimarer Republik aufwuchs. Dieses Vertrauen in die zentrale Ordnung sollten auch wir haben. Es sollte für uns die Möglichkeit geben, mit dieser zentralen Ordnung, die irgendwo in der Natur zu finden ist, in Kontakt zu treten, eine Harmonie zu finden und dann die Welt zu verstehen.

Heisenbergs „Unbestimmtheit der Objekte“

Heisenberg ist eigentlich durch zwei Grundbegriffe populär geworden. Der eine Grundbegriff, das ist auch seine wichtigste Entdeckung, die ich jetzt gleich kurz beschreiben will, ist dieser berühmte Begriff der „Unbestimmtheit“ oder „Unschärfe“. Man spricht von der „Unschärfenrelation“.

Die zweite Fragestellung, die im Zusammenhang mit Heisenberg immer wieder auftaucht ist: „Hat er etwas zur Atombombe beigetragen?“ Diese Frage hat dazu geführt, dass Heisenberg inzwischen sogar eine Bühnenfigur geworden ist. Der Engländer Michael Frayn hat ein Theaterstück geschrieben, „Copenhagen“, in dem Heisenberg die Hauptrolle spielt und auf das ich auch gleich eingehen möchte.

Zunächst zur Unbestimmtheit.

Heisenberg hat entdeckt, dass die Natur uns gewissermaßen nicht alles verrät, was wir von ihr wissen wollen. Wenn ich z.B. von einem Elektron oder einem Atom – irgend einen atomaren Baustein oder einen Baustein dieser Größenordnung – wissen will, wo er sich befindet oder mit welcher Geschwindigkeit er unterwegs ist, dann kann ich beides nicht gleichzeitig tun. Man hat das manchmal als „Unschärfenrelation“ dargestellt. Aber tatsächlich geht Heisenbergs Gedanke viel tiefer.